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Meisterin, Meisterwitwe, Meistersohn und Meistertochter

IV. Inhaltliche Aspekte

IV. 3. Meister

IV.3.3. Meisterin, Meisterwitwe, Meistersohn und Meistertochter

Der Handwerksmeister war bei der Führung seines Betriebs auf die Hilfe seiner Mit-arbeiter – also Lehrlinge, Gesellen und Mägde – und auch seiner Ehefrau und Kinder angewiesen. Wie weiter oben bereits ausgeführt wurde1039, galt es als eine Grundvoraus-setzung für die Erlangung der Meisterschaft in der Stadt, dass der angehende Meister verheiratet war oder sich ehestmöglich verheiraten musste. Das Ehepaar teilte sich in der Regel als Arbeitspaar1040 die Rollen und Aufgaben im Meisterhaushalt. Über die Meisterin selbst ist aus den Ordnungen des HWOB nur wenig zu erfahren. In der Ordnung der Lebzelter von 1445 wird beispielsweise festgelegt, dass Lebzeltermeisterinnen ebenso wie andere, die von einem Meister zu den Verkaufsplätzen geschickt werden, bei den anderen Meisterinnen stehen und ihre Waren verkaufen dürfen1041.

Häufiger finden sich jedoch Bestimmungen, die im Zusammenhang mit Heirat und Wiederverheiratung im Todesfall des Meisters stehen. Gerade der Punkt der Wieder-verheiratung von Meisterwitwen ist ein ganz entscheidender, war doch der Wegfall des Ehe- und Arbeitspartners ein nicht zu unterschätzendes Problem für den Handwerksbe-trieb1042. Die Erleichterung der Wiederverheiratung durch Vorteile für den neuen Ehe-gatten kann somit als eine Maßnahme der Zeche zur sozialen Sicherung der Witwen an-gesehen werden1043. 1439 wird bei den Messerern die Anzahl der Gesellen und Lehrlinge eines Meisters von dessen Eheschließung mit einer Meisterin oder einer Meistertochter abhängig gemacht. All jene, die keine Meisterin oder Meistertochter zur Frau nehmen, dürfen im ersten Jahr nur einen Gesellen und einen Lehrling anstellen, im zweiten Jahr

1036 Siehe oben S. 133–136.

1037 Zu diesem Begriff siehe oben S. 110.

1038 Siehe dazu zusammenfassend oben S. 16.

1039 Siehe oben S. 129.

1040 Zum besonders für das frühneuzeitliche Handwerk geltenden Begriff des Arbeitspaares siehe Wun-der, Überlegungen 20f. Vgl. dazu auch Kruse, Witwen 4; Korge, Kollektive Sicherung 383f. Rezent auch von Heusinger, Zunftfamilie passim, die zeigt, dass zwar zahlreiche Ehefrauen im Straßburger Handwerk im selben Gewerbe tätig waren wie ihre Männer, doch auch ein nicht zu unterschätzender Teil einem anderen Gewerbe nachging. Ähnliches lässt sich bei den Straßburger Meistersöhnen und – in bemerkenswerter Weise sehr deut-lich – bei den Meistertöchtern feststellen.

1041 Siehe Nr. 251 Art. 6.

1042 Korge, Kollektive Sicherung 383.

1043 Ebd. 385; vgl. dazu auch allgemein Wissell, Recht 2 41–53; Fröhlich, Soziale Sicherung 111.

jedoch zwei Gesellen und einen Lehrling. Auch ein Meistersohn fällt unter dieselben Be-dingungen. Der Vorteil dürfte also bei den Meistern bzw. Meistersöhnen gelegen sein, die sich mit einer Meisterin bzw. Meistertochter vermählten1044. Im Jahr 1454 bestim-men Bürgermeister und der Rat wiederum für die Messerer, dass sowohl ein Geselle, der eine Meisterin oder eine Meistertochter zur Frau nimmt, als auch ein Meistersohn die Handwerksfertigkeit nachweisen müssen1045. Doch schon 1470 kann bei den Messerern derjenige, der eine Meisterin oder Meistertochter ehelicht oder ein Meistersohn ist, den Nachweis der Fähigkeiten durch eine Geldzahlung an die Zeche ersetzen, was wiederum einen klaren Vorteil darstellt1046. Bei den Krämern wird 1463 bestimmt, dass jede Person, die eine Witwe oder einen Witwer heiratet, die Summe von vier Pfund Wachs, drei Schil-lingen und 20 Pfennigen an die Zeche zu zahlen hat; damit verringert sich jedenfalls die Eintrittsgebühr im Vergleich zu anderen Krämermeistern1047. Im Jahr 1472 wird bei den Kammmachern und Bürstenbindern ebenso festgelegt, dass ein Meistersohn oder jemand, der eine Meisterin zur Ehefrau nimmt, von der Pflicht befreit wird, den Fähigkeitsnach-weis zu erbringen1048.

Doch noch um 1500 gibt es Bestimmungen, die eine Bevorteilung von Meistersöhnen bzw. Meisterschaftsanwärtern, die eine Meisterin bzw. Witwe heiraten, nicht unbedingt unterstützen: 1504 bestehen die Tischler darauf, dass auch diese Gruppen die Meisterprü-fung ablegen müssen1049. In der St. Oswald-Bruderschaft wird von einem Witwer, der sich wiederverheiraten will, ein Beitrag von zwei Pfund Wachs und die Zahlung dieser Abgabe innerhalb eines Jahres verlangt, um der neuen Ehefrau die Mitgliedschaft in der Zeche zu sichern. Wenn eine Witwe erneut heiratet, muss der Ehemann ebenso zwei Pfund Wachs in die Zeche geben; die Zahlung dieses Beitrags muss bis zum nächsten, offenbar monat-lich stattfindenden Zechtaiding erfolgen1050.

Die Meisterwitwe konnte jedenfalls – zumindest für eine gewisse Zeit – den Meister-betrieb ihres verstorbenen Mannes aufrechterhalten1051. Bei den Zinngießern scheint es im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts sogar keine Einschränkung für eine verwitwete Zinngießerin gegeben zu haben: Sie darf das Handwerk weitertreiben und – wenn sie will – einen neuen Mann heiraten1052. Auch die Weißgerber sehen 1428 für die Witwe eine freie Berufsausübung vor und erteilen demjenigen, der eine Witwe heiratet, keinerlei Vorteile in Bezug auf die Meisterschaftserlangung1053. 1444 legt der Rat für die Käufel Am Hof fest, dass die Witwe das Handwerk ohne Irrung weitertreiben darf, solange sie

1044 Siehe Nr. 104 Art. 13.

1045 Siehe Nr. 98 Art. 3.

1046 Siehe Nr. 111 Art. 12.

1047 Siehe Nr. 293 Art. 4.

1048 Siehe Nr. 96 Art. 3.

1049 Siehe Nr. 243 Art. 4.

1050 Siehe Nr. 335b Art. 8. Zum Zechtaiding der St. Oswald-Bruderschaft siehe oben S. 147.

1051 Zur Forschungskontroverse bezüglich des Fortführungsrechts der Meisterwitwen siehe konzise Korge, Kollektive Sicherung 387–389. Die Frage dreht sich vor allem darum, ob die prinzipiell gestattete Fortführung des Betriebs durch die Witwe nur theoretischer Natur und in der wirtschaftlichen Praxis kaum umsetzbar war, oder ob das Fortführungsrecht als brauchbare soziale Sicherungsmaßnahme gelten kann. Zur relativ großzügigen Handhabung der Fortführung der Werkstätten durch Witwen im Nürnberger Handwerk des 15. und 16. Jhs. siehe Kruse, Witwen 321f.; vgl. dazu auch Korge, Kollektive Sicherung 398–412, der einen im Laufe der Frühen Neuzeit zunehmenden Druck zur Wiederverheiratung in den städtischen Zentren Sachsens erkennt.

1052 Siehe Nr. 144 Art. 1.

1053 Siehe Nr. 177 Art. 2; Zatschek, Handwerk 242.

im Witwenstand verbleibt1054. Bei den Goldschlägern wird 1481 sogar bestimmt, dass die Witwe die Zeche verliert, wenn sie einen anderen Mann ab demselben irem hanndtwerch – also wohl einen Handwerker anderen Berufstandes oder aus einer anderen Zeche – heira-tet; solange sie jedoch im Witwenstand verbleibt, darf sie Gesellen und Lehrlinge behalten und den Betrieb weiterführen1055. Doch nicht bei allen Handwerken sind solch relativ lockere, die Wiederverheiratung von Witwen und die Weiterführung des Handwerks be-treffende Bestimmungen zu finden. Bei den Tuchscherern wird 1429 erlaubt, dass eine Witwe lediglich ein Jahr die Werkstatt ihres verstorbenen Gatten mit einem Gesellen wei-terführen darf, danach soll die Werkstatt zugesperrt werden1056.

An den genannten Beispielen ist zu erkennen, dass die im HWOB enthaltenen Be-stimmungen zu Meisterwitwen einen – zumindest der Norm nach – durchaus freizügi-gen Umgang mit der Fortführung des Meisterbetriebs abbilden. Genaue Beschränkunfreizügi-gen der Witwenzeit sind – mit Ausnahme der Ordnung der Tuchscherer von 1429 – keine zu finden. Trotzdem zeigen gerade auch die immer wieder genannten und mit der Wie-derverheiratung in Verbindung stehenden Vorteile, dass die Fortführung der Werkstatt durch die Witwe nicht überall uneingeschränkt gerne gesehen war. Im HWOB treten also als soziale Sicherungsmaßnahmen für die Hinterbliebenen eines verstorbenen Meisters einerseits das Fortführungsrecht und andererseits die Erleichterung der Wiederverheira-tung auf, wobei für beide Bereiche zu wenige Beispiele vorliegen, um eine weitreichende Aussage darüber zu treffen, welche der beiden Maßnahmen nun tatsächlich im Untersu-chungszeitraum bei den Wiener Handwerkern vorherrschte.

Wie bereits weiter oben im Kapitel angedeutet wurde, genossen die Meistersöhne1057 laut diversen Ordnungen durchaus gewisse Vorteile, zumindest wurden sie – was die Er-langung des Meisterrechts betrifft – öfters mit Meisterschaftsanwärtern gleichgesetzt, die eine Witwe oder eine Meistertochter ehelichten. Neben den bereits genannten Bestim-mungen enthalten auch Ordnungen anderer Handwerke Erleichterungen für die Meister-söhne. Die Krämer verlangen 1463 von einem kramer sun oder einer tochter bei Zechein-tritt keine Einzahlung in die Büchse, sondern nur die Erlangung des Bürgerrechts, sollten diese Krämerei treiben wollen und die Eltern bereits Mitglied der Zeche sein1058. Den Söh-nen der Kammmacher- und Bürstenbindermeister wird 1472 erlaubt, die Meisterschaft ohne Anfertigung der Meisterstücke zu erlangen, jedenfalls dann, wenn sie die Lehrzeit auf dem hantwerch verbracht haben1059. Bei den Goldschlägern wird 1481 bestimmt, dass ein Meistersohn keine Lehrjahre leisten und auch das in die Zeche gegebene Meisterstück – eine Goldschlägerform – mit zwei statt mit ansonsten üblichen vier ungarischen Gul-den ablösen kann1060. Die Ordnung der Kartenmacher von 1525 legt zumindest fest, dass ein Meistersohn jederzeit als Geselle arbeiten darf und auch Meister werden kann, wenn er in einer anderen Werkstatt als der seines Vaters gearbeitet hat1061. Bei den Tuch- und Kotzenmachern findet sich im Jahre 1530 die Bestimmung, dass ein von seinem eigenen Vater von den Lehrjahren freigesprochener Lehrling nur die Hälfte der üblichen Summe

1054 Siehe Nr. 247 Art. 4.

1055 Siehe Nr. 153 Art. 9; Zatschek, Handwerk 241f.

1056 Siehe Nr. 225 Art. 4; Zatschek, Handwerk 242.

1057 Zu diesen vgl. unter anderem allgemein Wissell, Recht 2 35–41; Kluge, Zünfte 242–244.

1058 Siehe Nr. 293 Art. 5.

1059 Siehe Nr. 96 Art. 3.

1060 Siehe Nr. 153 Art. 5.

1061 Siehe Nr. 348 Art. 3.

bezahlen muss, um den Status eines Gesellen (das knappenrecht) zu erlangen1062. In man-chen Ordnungen sind jedoch ebenso Bestimmungen enthalten, die eine Bevorzugung der Meistersöhne strikt untersagen, so zum Beispiel bei den Fleischhauern (1431)1063, in der bereits im Zusammenhang mit dem Fortführungsrecht der Witwen genannten Ord-nung der Weißgerber (1428)1064 oder bei den Tischlern (1504)1065. Es sind also aus den im HWOB genannten Nachrichten über Meistersöhne gewiss Erleichterungen für dieselben erkennbar, jedoch ist dies nicht in allen untersuchten Ordnungen der Fall.