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Voraussetzungen für den Lehrantritt und Aufdingung

IV. Inhaltliche Aspekte

IV.1. Lehrlinge

IV.1.2. Voraussetzungen für den Lehrantritt und Aufdingung

Aus den im HWOB enthaltenen Ordnungen ist vor den 1430er Jahren kaum etwas über Lehrlinge in Erfahrung zu bringen. Zwar werden sie bereits im Jahr 1367 in einer Ordnung der Gürtler und Beschläger als lerknechte in einem Nebensatz erwähnt377, kon-krete Bestimmungen zu ihnen finden sich hier aber nicht378. Die frühesten Anordnungen betreffen in der Regel die Voraussetzungen für den Antritt einer Lehre, die Form der Auf-dingung und die Zahl der Lehrlinge bei einem Meister379.

Dass Lehrlinge ein gewisses Alter haben mussten, um mit ihrer Ausbildung anzu-fangen, kann vorausgesetzt werden, jedoch findet sich im HWOB lediglich in der

Mes-365 Siehe Nr. 237 Art. 2.

366 Siehe Nr. 104 Art. 3, 4, 5, 13.

367 Siehe Nr. 82 Art. 1.

368 Siehe Nr. 124 Art. 1.

369 Siehe Nr. 91 Art. 4.

370 Siehe Nr. 143 Art. 3.

371 Siehe Nr. 250.

372 Zum Beispiel in der Ordnung der Kürschnergesellen (Nr. 252 Art. 3), der Schuster (Nr. 85 Art. 14) oder der Bortenwirker (Nr. 217).

373 Siehe Nr. 117 Art. 5.

374 Siehe Nr. 352a Art. 1; Nr. 352b Art. 1.

375 Zum Übergangsritus zwischen der Lehr- und der Gesellenzeit siehe unten S. 76; zum Begriff lonjun-ger vgl. auch Wissell, Recht 3 291; Schulz, Art. Lehrling 1844.

376 Zu den Bezeichungen für Gesellen im HWOB siehe unten S. 89–92.

377 Siehe Nr. 88.

378 Auch in der außerhalb des HWOB überlieferten Ordnung der Goldschmiede aus dem Jahr 1367 ist vom Verbot des Lernens des Handwerks für Söhne von Pfarrern, für Schergen und für uneheliche Kinder (pankchart) und in weiter Folge dezidiert von jungern die Rede: Auch wellen wir, das niemant under uns chaines pfaffen sun noch schergen noch chainen pankchartten das hantwerich nicht lernen sol. Wer das uberfert, der sol einen virdung silbers in die czech geben und sol auch dem jungen urlaub geben; Zatschek, Ordnung der Wiener Gold-schmiedezeche 327; vgl. dazu auch ders., Handwerk 153.

379 Siehe dazu allgemein Wissell, Recht 1 145–273.

sererordnung die Angabe eines Höchstalters von 14 Jahren380. In der Tuch- und Kot-zenmacherordnung von 1530 hingegen wird kein bestimmtes Alter für den Lehrantritt festgesetzt, sondern dem Lehrling eine Lehrzeit von drei Jahren verordnet, egal welchen Alters (er sey wie groß er well)381. Dass ein Alter zwischen 12 und 14, manchmal auch 16 Jahren, nicht als atypisch für den Beginn der Lehrzeit gelten kann, zeigen einschlägige Untersuchungen zur Handwerksgeschichte in anderen deutschsprachigen Regionen382.

Zu den frühesten Grundvoraussetzungen für die Aufnahme eines Lehrlings ist der Nachweis einer Bürgschaft zu zählen. Bereits 1439 wird in der Messererordnung geregelt:

Item es sol auch dhain maister aufnemen ainen junger, er hab dann porgschafft fùr in383. Die-selbe Bestimmung wird in der Messererordnung von 1470 wiederholt, allerdings auch mit einer konkreten Funktionsumschreibung der Bürgen: Sie sollen, wenn der Lehrling sei-nem Meister unerlaubterweise entläuft, für den dadurch verursachten Schaden aufkom-men384. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts taucht die eheliche Geburt, die sich bereits frü-her unter den Aufnahmebedingungen eines neuen Meisters in Wien findet385, unter den Voraussetzungen für den Lehrantritt auf. So wird beispielsweise bei den Kotzenmachern 1496 festgelegt, dass jeder, der das Handwerk in Wien lernen wolle, ehelich geboren sein müsse386. Dieselbe Bestimmung findet sich auch in der Tuch- und Kotzenmacherord-nung von 1530387. Weitere Beispiele außerhalb Wiens388 zeigen die weite Verbreitung die-ser Forderung. Ob Lehrgeld – womit die mehrjährige Unterbringung im Haushalt des Meisters, der Ausbildungsaufwand und auch eventuelle durch den Lehrling verursachte materielle Schäden abgegolten wurden389 – gezahlt werden musste, wird nicht in vielen Ordnungen ausdrücklich erwähnt. Die Messerer verlangen 1439 drei Pfund Pfennige für die lernung und außerdem eine – wohl einmalige – Zahlung von 60 Pfennigen in die

380 Siehe Nr. 111 Art. 1; Uhlirz, Gewerbe 639; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 3;

Zatschek, Handwerk 156. Dass im Mittelalter in der Regel ein Höchstalter für den Lehrantritt gefordert wurde, hebt auch Mayer-Maly, Rechtsgeschichte 168, hervor; die Angaben zum Mindestalter eines Lehrlings stammen meist aus der Frühen Neuzeit.

381 Siehe Nr. 314 Art. 16.

382 Für Schneiderlehrlinge aus Österreich ob der Enns nennt Schwarzlmüller, Lehrling 19, ein Lehr-antrittsalter zwischen 13 und 16 Jahren, für die Zünfte/Zechen in ebendieser Region geht er allgemein von einem Alter zwischen 12 und 14 Jahren aus, vgl. dazu ders., Berufslaufbahn 16f. Wesoly, Lehrlinge 61, gibt für die mittelrheinischen Gebiete eine ungefähre untere Altersgrenze von 15 Jahren an und wiederholt dies auch in ders., Berufsausbildung 111. Schlenkrich, Alltag 52–57, kann durch die Analyse von Geburtsbriefen für das sächsische Zunfthandwerk des 17. und 18. Jhs. eine breite Altersspanne von 13 bis – jedoch nur in Einzelfällen belegten – 28 Jahren nachweisen; die meisten Lehrlinge traten auch in dieser Region ihre Lehrzeit im Alter von 13 bis 16 Jahren an.

383 Siehe Nr. 104 Art. 4; Zatschek, Handwerk 157.

384 Siehe Nr. 111 Art. 1. Zur wichtigen Rolle der Bürgschaft in Bezug auf die Anstellung des Lehrlings siehe Schlenkrich, Alltag 38–41. Zur Funktion der Bürgen siehe auch Schwarzlmüller, Berufslaufbahn 27f., und Schulz, Handwerksgesellen 257.

385 Siehe unten S. 128f. Allgemein vgl. dazu Wissell, Recht 1 239f.; Schulz, Norm passim.

386 Siehe Nr. 313 Art. 10.

387 Siehe Nr. 314 Art. 16.

388 Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 6f.

389 Zur Multifunktionalität des Lehrgeldes siehe überzeugend Schlenkrich, Alltag 32. Zum Begriff des Lehrgeldes allgemein vgl. auch Schulz, Handwerksgesellen 256, der dasselbe allerdings in zwei Kategorien einteilt: in Gebühren, die bei der Aufnahme des Gesellen entrichtet werden, und in eine Geldzahlung, die direkt an den Meister geht. Schlenkrich, Alltag 32, widerspricht dieser von Schulz vorgenommenen Kategorisie-rung entschieden und weist auf die in ihren sächsischen Quellen eindeutig definierte Unterscheidung zwischen Aufding- und Lehrgeld hin. Die wenigen Belege im HWOB weisen eher in Richtung der von Schlenkrich vetretenen Charakterisierung des Lehrgeldes.

Messererzeche; sollte sich der Lehrling dies nicht leisten können, so verlängert sich seine Dienstzeit390. Die Forderung einer Zahlung von 60 Pfennigen wiederholt sich in der Mes-sererordnung von 1470391. Im Jahre 1454 ist in der Gürtlerordnung davon die Rede, dass sich ein Lehrling mit 32 Pfennigen in das Handwerk kaufen solle392. Die Angaben zum Lehrgeld sind zwar spärlich, zeugen jedoch von relativ hohen Beiträgen393.

Wenn der Lehrling nun diese Grundvoraussetzungen erfüllte, so begann für ihn die Ausbildung. In manchen Ordnungen des HWOB ist vor dem Abschluss eines Lehrver-trags jedoch noch von einer Probezeit die Rede. Diese beträgt in der Regel vier Wochen, so beispielsweise bei den Gürtlern (1454)394, bei den Messerern (1470)395 und bei den Beutlern (1530)396; bei den Müllern wird eine Probezeit von acht Tagen vorgeschrieben397. Die Aufdingung erfolgte offenbar grundsätzlich im Beisein der Zechmeister oder nicht näher definierter gewöhnlicher Meister des jeweiligen Handwerks. Interessant ist in die-sem Zusammenhang beispielsweise die Ordnung der Messerer aus dem Jahre 1470, in der geregelt wird, dass der neue Lehrling nicht nur in Gegenwart, sondern sogar im Haus eines der vier Zechmeister aufgedingt werden solle398. Eine ähnliche Forderung stellen auch die Bortenwirker im Jahre 1469, aber ohne festzulegen, dass die Aufdingung im Haus eines Zechmeisters stattfinden müsse399. Auch die Beutler verlangen 1530, dass der Lehrling vor den zwei Zechmeistern aufgenommen werden solle, jedoch wurde zusätz-lich das Beisein von Verwandten (freundschafft), die vielleicht als Bürgen fungierten, oder sonstigen dem Lehrling nahestehenden Leuten vorgeschrieben400. Nicht näher bestimmt werden die Meister, in deren Gegenwart die Aufnahme des Lehrlings erfolgt, in der Kot-zenmacherordnung von 1496; vielleicht ist darunter zu verstehen, dass die Aufdingung vor allen Meistern des Handwerks stattfinden solle401.

Die häufigsten Nachrichten über Lehrlinge in den Ordnungen des HWOB betreffen deren Anzahl bei einem Meister. Offenbar war es vor allem im Hinblick auf die gleichen Arbeitsvoraussetzungen für alle Meister eines Handwerks von entscheidender Bedeutung, sowohl die Zahl der Gesellen402 als auch der Lehrlinge genau zu bestimmen. Als sum-marisches Ergebnis lässt sich festhalten, dass anscheinend ein Lehrling pro Meister in den meisten Handwerken die Regel war403. Die Anzahl der Lehrlinge ist also meist

deut-390 Siehe Nr. 104 Art. 4. Das Verlängern der Dienstzeit bei Nicht-Bezahlung des Lehrgeldes war auch andernorts üblich, vgl. dazu Schlenkrich, Alltag 35.

391 Siehe Nr. 111 Art. 1.

392 Siehe Nr. 91 Art. 4.

393 Zatschek, Handwerk 161, sieht eine steigende Höhe des Lehrgelds bis in das 18. Jh. und speku-liert, dass der Zugang zum Handwerk bewusst erschwert wurde, da die Meister ja auch ihre eigenen Söhne als Lehrlinge ausbilden konnten. Zur Diskussion über die Bevorzugung der Meistersöhne siehe unten S. 150f.

394 Siehe Nr. 91 Art. 4; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 14.

395 Siehe Nr. 111 Art. 1; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 14; Otruba, Berufsstruktur LXVII.

396 Siehe Nr. 143 Art. 3; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 14.

397 Siehe Nr. 190 Art. 6; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 15.

398 Siehe Nr. 111 Art. 1.

399 Siehe Nr. 217 Art. 3.

400 Siehe Nr. 143 Art. 3.

401 Siehe Nr. 313 Art. 10.

402 Siehe dazu unten S. 97f.

403 Ein einziger Lehrling wird in folgenden Ordnungen des HWOB vorgeschrieben: Nadler (1378, Nr.

108 Art. 5); Tuchscherer (1429, Nr. 225 Art. 6); Zimmerleute (1435, Nr. 237 Art. 2); Messerer (1439, Nr. 104 Art. 3, 13); Schuster (1443, Nr. 84 Art. 1); Riemer (1451, Nr. 167 Art. 2); Haarsieber (1454, Nr. 276 Art. 9);

lich geringer als die der Gesellen404, lediglich bei den Hutmachern (1452)405 und den Taschnern (1473)406 sind sowohl zwei Gesellen als auch zwei Lehrlinge erlaubt, bei den Käufeln (1402) überhaupt kein Geselle, sondern nur ein Lehrling407. Daneben lassen sich zwei Lehrlinge auch bei den Sporern (1444)408, den (Woll-)Webern und Tuchbereitern (1467)409 und den Handschustern (1517)410 finden. Die Ausbildung von mehr als zwei Lehrlingen war laut den im HWOB enthaltenen Ordnungen nicht gestattet.