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Strukturierung und Neuorganisation des Wiener

III. Das Wiener Handwerksordnungsbuch: Verwaltungsgeschichtlicher

III.1. Verwaltungsschriftwesen des Wiener Rats

III.1.3. Strukturierung und Neuorganisation des Wiener

Ab dem zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts ist in mehreren Ämtern der Stadt Wien ein Umbruch in der Strukturierung des Verwaltungsschriftguts zu beobachten. So än-derte sich beispielsweise die Gestaltung der Stadtrechnungen. 1424 wurde den beiden Kämmerern – die bis 1418 lediglich für die Verwaltung von Gebühren und Strafgeldern verantwortlich waren, deren Position jedoch schon mit der Führung des „Gültenbuchs“

ab diesem Jahr aufgewertet wurde – Rechnungslegung über den gesamten städtischen Haushalt übertragen, die Rechnungsführung wurde also zentralisiert273. Mit diesem Jahr beginnt auch die Serie der im WStLA erhaltenen Rechnungsbücher274. Vom Aufbau her unterscheiden sich die Rechnungen des Kammeramts deutlich von den aus dem 14. Jahr-hundert bekannten Stadtrechnungen. Die – nun in deutscher Sprache abgefasste275 – Rechnung beginnt mit der Nennung der beiden Kämmerer und des Rechnungsjahres, darauf folgen zunächst die Einnahmen sowie daran anschließend die Ausgaben, die nach einzelnen Rubriken gegliedert aufgelistet werden. Die sich aus der Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben ergebenden Überschüsse oder Defizite schließen die Jahres-rechnung gemeinsam mit einer allfälligen Aufstellung des Schuldenstands der Stadt ab276. Die Anlage der Kammeramtsrechnungen blieb von 1424 bis 1485 gleich. Als im Jahr 1485 schließlich die Teilung in Oberkammer- und Unterkammeramt erfolgte, führten beide Ämter eigenständige Rechnungsbücher. Der Unterkämmerer übernahm – ent-sprechend seines Zuständigkeitsbereichs – beispielsweise die Rechnungslegung für das Bauwesen, Zeughaus und Feuerlöschwesen, weswegen diese Rubriken aus den Ober-kammeramtsrechnungen herausfielen277. Ansonsten unterscheiden sich die Rechnungen des Oberkämmerers im Aufbau kaum von dem vor 1485 gängigen Usus278.

Fast gleichzeitig mit der Restrukturierung und Vereinheitlichung des städtischen Rech-nungswesens begannen ebenso einzelne Institutionen, ihr buchförmiges Verwaltungs-schriftgut neu zu organisieren. Besonders bemerkenswert ist in dieser Hinsicht die um-fangreiche Neugestaltung der Grund- und Rechnungsbücher des Wiener Bürgerspitals, die im Jahr 1429 begann und wohl untrennbar mit der Person des damaligen Spitalmeisters Hans Scheibelwieser verbunden ist279. Dieser stellte zunächst aus diversen Verzeichnissen

273 Brunner, Finanzen 48–56; Pils, Stadt 119.

274 WStLA, Städtische Ämter, Oberkammeramt, B1/1. Reihe. Von den Büchern haben sich lediglich die Reinschriften erhalten. Zur engen Orientierung der Pressburger Rechnungsbücher am Wiener Vorbild siehe oben S. 46.

275 Die Sprache der bis in die 1380er Jahre erhaltenen Rechnungen ist ein mit vielen deutschen Zusät-zen vermischtes Latein, vgl. Brunner, FinanZusät-zen 68.

276 Brunner, Finanzen 66f. (dort auch eine Übersicht der einzelnen Rubriken).

277 Die mittelalterlichen Unterkammeramtsrechnungen sind bis auf wenige Ausnahmen, nämlich die Jahrgänge 1500 und 1501 (in den jeweiligen Oberkammeramtsrechnungen des Jahres überliefert), nicht mehr erhalten, zu den frühneuzeitlichen Rechnungen siehe WStLA, Städtische Ämter, Unterkammeramt und Bau-amt, B1 – Rechnungsbücher; vgl. Brunner, Finanzen 49; Pils, Stadt 119f.; dies., Oberkammeramtsrechnun-gen 58; Pauser, Verfassung 65f.; Lessacher, Verwaltung 150.

278 Brunner, Finanzen 68; erst im Jahr 1522 setzten erneut Änderungen ein, indem unter der Zainzigs ausgeben genannten Rubrik anstelle der systematischen Auflistung der einzelnen Posten ein chronologisches Verzeichnis von Ausgaben aller Art – offenbar ein Protokoll der täglichen Einzelausgaben des Oberkämmerers – angelegt wurde.

279 Pohl-Resl, Rechnen 51–66. Zu Scheibelwieser, einem Kaufmann, von 1426 bis 1429 Spitalmeis-ter des Bürgerspitals, vgl. auch Perger, Ratsbürger 240 Nr. 436.

ein auf den aktuellen Stand gebrachtes Grundbuch280 zusammen, das er jedoch übersicht-licher als die bisherigen Dienstbücher gestalten ließ: Dem eigentlichen Grundbuch wurde eine durchnummerierte Liste aller Orte, wo das Spital Grundstücke oder Einnahmen be-saß, vorangestellt. Bei einem Neueintrag brauchte man lediglich Name und Nummer des betreffenden Orts suchen und konnte unter der jeweiligen Verwaltungseinheit Ergänzun-gen anbrinErgänzun-gen. Weiters wurden dem Grundbuch ZusammenfassunErgänzun-gen aller Dokumente vorgebunden, auf denen die Rechte des Bürgerspitals beruhten281.

Das Verzeichnis aller Pacht- und Satzverträge des Wiener Bürgerspitals fand im Jahr 1429 ebenso eine gründliche Überarbeitung. Wurde von 1421 bis 1429 noch eine Hand-schrift282 geführt, in die in chronologischer Abfolge diesbezügliche Verträge in Regesten-form eingetragen wurden, so entschied man sich 1429283 bei der Neuanlage dafür, den Aufbau des Satzbuchs an den des Grundbuches anzunähern; auch die Eintragungspraxis im Satzbuch funktionierte nach dem für das Grundbuch beschriebenen Ortsnamen-Zah-len-System. Dies erleichterte es, bereits abgelaufene Verträge aufzufinden und zu strei-chen, da die Einträge jeweils lediglich unter der jeweiligen Verwaltungseinheit überprüft werden mussten und alle relevanten Angaben übersichtlich unter einer Rubrik gruppiert waren284. Das von Scheibelwieser neu konzipierte Grundbuch wurde bis 1439 weiterge-führt. Die in diesem Jahr neu angelegte Handschrift285 kam jedoch in Bezug auf die Über-sichtlichkeit nicht an den Vorgänger heran. Für die Satzbücher wurde das im Jahr 1429 eingeführte System bis in das erste Viertel des 16. Jahrhunderts verwendet286.

Das ebenso 1429 neu angelegte Rechnungsbuch des Bürgerspitals287 weist im Aufbau große Ähnlichkeiten zu den seit 1424 erhaltenen städtischen Rechnungen auf288: Sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben wurden zum besseren Überblick mit einzelnen Rubriken versehen und genau untergliedert. Die 1429 eingeführte Gestaltung der Rech-nungsbücher des Spitals wurde bis in die Frühe Neuzeit weitergeführt289.

Ab 1438 änderte sich auch die Eintragungspraxis in Bezug auf die städtischen Grund-bücher grundlegend: Von diesem Zeitpunkt an wurden Kauf- und Gewerbuch miteinan-der geführt, das betreffende Stadtbuch enthielt also jegliche Form des Eigentumerwerbs, sei es durch richterliche Verfügung, Erbfall oder durch Kauf. Das Satzbuch wurde dane-ben weitergeführt, enthielt jedoch schon ab 1420 auch Rechtshandlungen in Folge von Schuldverhältnissen, die zuvor im älteren Gewerbuch eingetragen worden waren290. Bei

280 WStLA, Patrimonialherrschaften, Grundbücher, 6/6.

281 Pohl-Resl, Rechnen 51–54.

282 WStLA, Patrimonialherrschaften, Grundbücher, 6/19.

283 WStLA, Patrimonialherrschaften, Grundbücher, 6/20.

284 Pohl-Resl, Rechnen 54f.

285 WStLA, Patrimonialherrschaften, Grundbücher, 6/7.

286 Das 1429 begonnene Satzbuch wurde bis 1456 fortgeführt, in die im Jahr 1457 angelegte Hand-schrift wurden bis 1522 neue Einträge ergänzt, vgl. WStLA, Patrimonialherrschaften, Grundbücher, 6/21;

Pohl-Resl, Rechnen 54.

287 WStLA, Städtische Anstalten und Fonds, Bürgerspital und Bürgerspitalfonds; an den Signaturen dieses Bestands wird im Moment gearbeitet.

288 Vgl. unter anderem auch die aus der ersten Hälfte des 15. Jhs. erhaltenen Kirchmeisteramtsrech-nungen von St. Stephan: RechKirchmeisteramtsrech-nungen, ed. Uhlirz passim. Zu den ebenso ähnlich aufgebauten RechKirchmeisteramtsrech-nungen des Wiener Pilgramhauses vgl. Just, Pilgerhaus 66f.; Pohl-Resl, Rechnen 63.

289 Pohl-Resl, Rechnen 59–66.

290 QGW III/1 XXII und Schuster, Rechtsleben 384 Anm. 3, setzen die Zusammenführung von Kauf- und Gewerbuch in das Jahr 1420, übersehen dabei jedoch, dass in diesem Jahr dem Gewerbuch (Grund-bücher 1/7) ein Kaufbuch (jetzt Grund(Grund-bücher 1/6a und 1/6b) vorangestellt wurde; beide Teile wurden als

ge-der Neustrukturierung ge-der Eintragungspraxis in die Grundbücher ist also die deutliche Bemühung zu erkennen, zuvor in getrennten Büchern stehende, jedoch sachlich zusam-menhängende Posten von nun an miteinander in einem Band zu führen und somit den Überblick zu erleichtern.

Die städtische Kanzlei betreffend markiert das Jahr 1429 mit dem Eintritt Ulrich Hirssauers, der schon seit 1427 als Urteilschreiber der Stadt Wien tätig war, in das Amt des Stadtschreibers einen Wendepunkt291. Mit seiner Person ist eine umfassende Ord-nungstätigkeit in der städtischen Kanzlei verbunden, die bereits im Jahr 1430 mit der Anlage des HWOB einsetzt292. Der Zweck der Führung des HWOB war es, bisher in verschiedene Bücher eingetragene und in Form von Originalurkunden erhaltene Hand-werksordnungen in einem einzigen Band zu versammeln.

Auch der Arbeit am Eisenbuch wurde in der Amtszeit Hirssauers erneut eine breitere Aufmerksamkeit gewidmet. Nach einer Eintragungspause zwischen den späten 1390er Jahren bis 1417 und vereinzelten Einträgen, die mit den Jahren 1428 und 1432 zu datie-ren sind, kam es erst 1434 zu einer mit der Anlage des HWOB vergleichbadatie-ren Ordnungs-arbeit, die sich jedoch diesmal auf die Stadt Wien betreffende landesfürstliche Urkun-den konzentrierte: In diesem Jahr trugen ein Hauptschreiber und einige wenige andere Schreiber auf Anordnung von Bürgermeister Hans Steger eine Gruppe von 83 Urkunden in das EB ein und nummerierten diese durch293; auf fol. 58r sowie von fol. 68r–97v war eine einzige Hand tätig294. Ebenso wurde nicht vor 1434 – vielleicht sogar noch in dem-selben Jahr – ein Inhaltsverzeichnis über die ganze bis dahin vorhandene Handschrift angelegt295. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist der Hauptschreiber des Jahres 1434 mit Ulrich Hirssauer zu identifizieren296. Anlass für die Maßnahmen des Jahres 1434 bot wohl eine generelle Ordnung des Urkundenbestands der Wiener Stadtverwaltung: Die im EB eingetragenen Nummern für jede Urkundenabschrift des Jahres 1434 finden sich zum Teil heute noch auf den Rückseiten der jeweiligen Originalurkunden297.

Welche Rolle Hirssauer bei der Anlage des im Original verlorenen sogenannten Copeybuchs der Stadt Wien spielte, kann nicht mit letzter Sicherheit beantwortet wer-den. Von 1440 bis 1464 wurden in insgesamt zwei Bänden kontinuierlich wichtige Ratsbeschlüsse, Eide, Ordnungen und sonstige verwaltungsspezifische Texte nieder-geschrieben. Dass Hirssauer als Stadtschreiber in irgendeiner Form eine Rolle bei diesen Aufzeichnungen spielte, kann angenommen werden, der Verlust der Originale lässt je-doch keine definitive Antwort zu298.

trennte Einheiten aufgefasst, vgl. dazu Demelius, Erhart Haidem 68; ders., Grundbücher 114f. Auch Czeike, Lexikon Wien 2 622, gibt den Umbruch irrig mit 1420 an. Siehe zur Vorbildwirkung der Wiener Grundbücher auf die Pressburger Gegenstücke oben S. 46.

291 Siehe dazu oben S. 25f.

292 Siehe oben S. 25, unten S. 57.

293 EB fol. 53r–97r; Schuster, Rechtsleben 378f.; Haidinger, Eisenbuch 17; Opll, Quellentypus 161.

294 Haidinger, Eisenbuch 16.

295 EB fol. c–m; vgl. Haidinger, Eisenbuch 11f.

296 Uhlirz, Quellen 46; Haidinger, Eisenbuch 21; Opll, Quellentypus 162.

297 Haidinger, Eisenbuch 18f. Im Jahr 1435 wurden ebenso Abschriften aus dem Eisenbuch angefer-tigt, die in einem neuen Stadtrechtsbuch zusammengefasst worden sind, vgl. WStRB A 4. Im WStLA werden heute noch zwei weitere Stadtrechtsbücher, die ebenso zumeist Abschriften aus dem und teilweise Ergänzungen zum Eisenbuch beinhalten und in das 15. Jh. zu datieren sind, aufbewahrt: WStLA, Sammlungen, Handschrif-ten, A 3 und A 5; vgl. zu Hs. A 3 Csendes, Handschrift passim.

298 Siehe ausführlich zum Copeybuch oben S. 25f. Anm. 104.

In Summe kann die Anlage des HWOB im Kontext einer umfassenden Reorganisa-tion des Schriftguts der städtischen Verwaltung gesehen werden. Ab den 1420er Jahren wurden Stadtbücher vielfältiger Art – Grundbücher, Satzbücher, Rechnungbücher – zum Zweck eines besseren Überblicks neu strukturiert. Teilweise schlug sich die zentrale Neu-ordnung des Schriftguts auch auf die Verwaltungsbücher einzelner Institutionen wie des Wiener Bürgerspitals nieder, die ähnlich dem Vorbild der Stadtverwaltung begannen, ihre Bestände zu ordnen und durch besser handhabbare Bücher eine effektivere Verwal-tung zu gewährleisten. In der Stadtkanzlei selbst erlebte die Ordnungstätigkeit mit der Amtszeit des Stadtschreibers Ulrich Hirssauer ihren Höhepunkt; dieser ließ im Jahr 1430 das HWOB anlegen und sorgte 1434 für die Umsetzung der bürgermeisterlichen An-ordnung zur Abschrift diverser landesfürstlicher Urkunden in das EB. Mit großer Wahr-scheinlichkeit zeichnet Hirssauer sowohl beim HWOB als auch bei der Gruppe der im Jahr 1434 in das EB geschriebenen Texte für einen Großteil der Eintragungen selbst verantwortlich299.