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Verschärfung der Voraussetzungen im 15. Jahrhundert

IV. Inhaltliche Aspekte

IV. 3. Meister

IV.3.1. Voraussetzungen für die Erlangung des Meisterrechts

IV.3.1.2. Verschärfung der Voraussetzungen im 15. Jahrhundert

Im Laufe des 15. Jahrhunderts wird das für die Meisterschaftsvoraussetzungen ver-wendete Formular in mehreren Etappen erweitert. Im Folgenden sollen diese Erweite-rungen nachvollzogen werden, ohne dabei auf jede Ordnung, in der die Erlangung der Meisterschaft geregelt wird, im Detail einzugehen. Vielmehr stehen vor allem diejenigen Texte im Vordergrund, die an der Scheide zwischen altem und neuem Formular stehen, und auch diejenigen, die Ausnahmen von der Regel darstellen.

Es wurde bereits erwähnt, dass in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts gefordert wurde, der Meisterschaftsanwärter solle sich in die Zeche einschreiben lassen. Diese For-derung tritt nun in den ab 1409 ausgestellten Ordnungen vermehrt auf. In der mit 1409 datierten Ordnung der Färber tritt nun zu den bereits bekannten Voraussetzungen des Herkunfts- und Leumundsnachweises, der Heirat und des Bürgerrechtserwerbs die

Be-Vorlage des HWOB vielleicht ein Nachtrag war, wirkt dieser doch sehr entscheidende Artikel an der Stelle, an der er im HWOB zu finden ist, doch etwas deplatziert.

811 Es sind dies die Ordnungen der Schwertfeger (Nr. 126 Art. 1), der Helmschmiede und Plattner (Nr.

130 Art. 1), der Brünner (Nr. 134 Art. 1), der Beutler (Nr. 139 Art. 1), der Zinngießer (Nr. 144 Art. 1), der Schilter und Maler (Nr. 149 Art. 1) und der Sattler (Nr. 154 Art. 1). Zur Frage der Datierung vgl. Zatschek, Handwerksordnungen 21f.

812 Siehe Nr. 135 Art. 1. Zur Frage der Datierung vgl. Zatschek, Handwerksordnungen 22. Die Nach-träge stammen wahrscheinlich von gleicher Hand wie der Anlagetext; die Ergänzungen zur alten Ordnung wurden wohl bei der Eintragung in das HWOB oder knapp danach vorgenommen und könnten auf Wunsch der Hafner erfolgt sein.

813 Siehe unten S. 129–132.

stimmung hinzu, der angehende Meister möge der Zeche der Färber beitreten814. Schon knapp danach, nämlich im Jahr 1412, fordern die Messerer die Zahlung von einem hal-ben Pfund Pfennige nehal-ben den bereits seit dem letzten Viertel des 14. Jahrhunderts üb-lichen Bestimmungen815. Die Zahlung von einem halben Pfund Pfennige in die Zeche taucht im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts immer wieder im Artikel über die Auf-nahme eines neuen Meisters auf und wird um und ab 1450 zu einer fast durchgehend formulierten Forderung. So gibt Zatschek wohl mit gutem Grund für die undatierten Ordnungen der Rotschmiede816 und der Plattner817 eine Entstehungszeit um 1409 an, da beide Texte Formularähnlichkeiten aufweisen; in diesen Ordnungen wird die Zahlung von einem halben Pfund Pfennige in die Zeche bzw. zur Notdurft des Handwerks als Vo-raussetzung für den Meisterschaftserwerb erwähnt. So manche Ordnung vor 1430 enthält diese Bestimmung jedoch nicht, wie beispielsweise die Ordnungen der Gürtler (1422)818 oder der Beutler und der Handschuster (1428)819. In einer zwischen 1378 und 1409 zu datierenden Hutmacherordnung820 ist ursprünglich keine Rede von einer Zahlung in die Zeche; erst in einem Zusatz von 1421 taucht diese Bestimmung auf 821.

Nach 1430 scheint sich die Einzahlung in die Zeche mehr und mehr im Formular der Ordnungen zu verfestigen und ist bis in das 16. Jahrhundert kaum mehr von den Meis-terschaftsvoraussetzungen wegzudenken822. Neben der fast obligatorischen Zahlung von einem halben Pfund Pfennige tritt in manchen Ordnungen auch die Zahlung von Wachs als Eintrittsgebühr in die Zeche auf, beispielsweise bei den Käufeln Am Hof (1444)823, bei den Schustern (1453)824, wo auch ein Beitrag von 60 Pfennigen zur Besserung des Har-nisches verlangt wird, oder bei den Haarsiebern (1454)825. Die Tuchbereiter und (Woll-) Weber verlangen 1467 neben den üblichen Bestimmungen und einer Zahlung in die Ze-che auch eine Abgabe von 60 Pfennigen an den Hansgrafen826. Bei den Glasern, Gold-schlägern, Seidenstickern und Aufdruckern muss 1446 statt des halben Pfunds Pfennige ein ungarischer Gulden in die Zeche gezahlt werden827.

Das Formular der Ordnungen erweiterte sich also zunächst um 1410 vermehrt, dann ab den 1430er/1440er Jahren nahezu dauerhaft um die Zahlung von meist einem halben

814 Siehe Nr. 227 Art. 1; Uhlirz, Gewerbe 623, 673; Zatschek, Handwerksordnungen 14f. Bemer-kenswert ist hier auch die auf den Landesfürsten als Stadtherrn abzielende Forderung, mit einem Pfund Pfen-nige der herschafft huld und genad zu gewinnen.

815 Siehe Nr. 101 Art. 2; Zatschek, Handwerksordnungen 33.

816 Siehe Nr. 163 Art. 1; Zatschek, Handwerksordnungen 27.

817 Siehe Nr. 131 Art. 1; Zatschek, Handwerksordnungen 28.

818 Siehe Nr. 90 Art. 1; Zatschek, Handwerksordnungen 33.

819 Siehe Nr. 141 Art. 1; Uhlirz, Gewerbe 721; Zatschek, Handwerksordnungen 21.

820 Siehe Nr. 122 Art. 1. Der betreffende Nachtrag (und geb in ir zech auch ½ tl. phennig) wurde wohl schon von der im Jahre 1430 aktiven Anlagehand auf Grundlage der 1421 getroffenen Bestimmung ergänzt, siehe dazu die folgende Fußnote.

821 Siehe Nr. 123.

822 So zum Beispiel in den ohnehin fast wortidenten Ordnungen der Steinmetze und Maurer (1435, Nr. 206 Art. 1) und der Zimmerleute (1435, Nr. 237 Art. 1); weiters in den Ordnungen der Tischler (1436, Nr. 241; 1504, Nr. 243 Art. 1), der Kummetmacher (1451, Nr. 258 Art. 1), der Taschner (1473, Nr. 93 Art.

1), der Hufschmiede (1488, Nr. 219 Art. 1) oder der Ringmacher (1525, Nr. 349 Art. 1).

823 Siehe Nr. 247 Art. 1.

824 Siehe Nr. 85 Art. 1.

825 Siehe Nr. 276 Art. 1.

826 Siehe Nr. 298 Art. 1.

827 Siehe Nr. 150 Art. 1.

Pfund Pfennige an die Zeche. Ab den frühen 1420er Jahren erfuhren die Voraussetzungen für einen Meisterschaftsanwärter eine weitere Verschärfung. Die Schuster verlangen 1422 erstmals den Nachweis der ausgedienten Lehrjahre. Gleichzeitig treiben sie diese Forderung jedoch noch auf die Spitze, indem sie sogar wissen wollen, ob der Lehrmeister noch am Le-ben sei828. Nach 1428 scheint diese Bestimmung in den Ordnungen von zahlreichen Hand-werken auf, zum Beispiel bei den Kammmachern (1428, gemeinsam mit den Würflern;

1472, gemeinsam mit den Bürstenbindern)829, den Bortenwirkern (1428)830, den Messerern (1428)831, den Paternosterern (1435)832, den Tischlern (1436)833, den Lebzeltern (1445)834, den Schiltern, Glasern, Goldschlägern, Seidenstickern und Aufdruckern (1446)835, den Lederern (1447)836, den Riemern (1451)837, den Kummetmachern (1451)838 sowie den Drechslern, Holzschustern und Schüsslern (1451, 1469)839. Diese bis 1451 vollständige Aufzählung der das Ausdienen der Lehrjahre enthaltenden Ordnungen zeigt deutlich, dass sich diese Voraussetzung bis Mitte des 15. Jahrhunderts sehr rasch und in vielen Handwer-ken Wiens durchsetzte. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und im 16. Jahrhundert ist der Nachweis des Ausdienens der Lehrjahre kaum mehr aus dem Formular des die Vor-aussetzungen für den Meisterschaftsantritt betreffenden Artikels wegzudenken840.

Die dritte Erweiterungsetappe der Meisterschaftsvoraussetzungen ist mit Ende der 1450er Jahre zu datieren und betrifft den Nachweis der ehelichen Geburt841. Bereits 1367 ist in der Beschwerde der Gürtler- und Beschlägermeister über fremde Handwerker, die in die Stadt Wien ziehen und dort unerlaubt dem Gürtlerhandwerk nachgehen, zu le-sen, dass eigentlich – wie überall sonst üblich – unter anderem der Nachweis der eheli-chen Geburt von einem neuansässigen Meister gefordert werde; im betreffenden Artikel

828 Siehe Nr. 83 Art. 1; Zatschek, Handwerk 212. Auch die Ordnung der Schuster von 1453 (Nr. 85 Art. 3) wiederholt diese Bestimmung.

829 Siehe Nr. 213 Art. 1 (1428); Nr. 96 Art. 1 (1472).

830 Siehe Nr. 214 Art. 1.

831 Siehe Nr. 103 Art. 1.

832 Siehe Nr. 240 Art. 1.

833 Siehe Nr. 241.

834 Siehe Nr. 251 Art. 1.

835 Siehe Nr. 150 Art. 1.

836 Siehe Nr. 174b Art. 1.

837 Siehe Nr. 167 Art. 1.

838 Siehe Nr. 258 Art. 1

839 Siehe Nr. 259 Art. 1 (1451); Nr. 260 Art. 1 (1469).

840 So ist dieser geforderte Nachweis unter anderem bei den Hutmachern (1453, Nr. 271 Art. 1), den Beutlern, den Handschustern, den Fellfärbern und den Nestlern (1459, Nr. 142 Art. 1), den Plattnern (1469, Nr. 132 Art. 1; 1479, Nr. 133 Art. 1), den Kammmachern (1472, Nr. 96 Art. 1), den Taschnern (1473, Nr. 93 Art. 1), den Barchent- und Leinwebern (1480, Nr. 71 Art. 1), den Kotzenmachern (1496, Nr. 313 Art. 1), den Tischlern (1504, Nr. 243 Art. 1) und den Lebzeltern (1516, Nr. 336 Art. 6) zu finden.

841 Zum Geburtsbrief vgl. allgemein DRW 3 (1935–1938) 1325f. Schon 1436 bzw. – in einer erwei-terten Ordnung – 1449 wird z. B. bei den Messerern von Waidhofen/Ybbs ein Geburtsbrief verlangt, vgl. dazu Friess, Waidhofen 105 Nr. 50 (1436), 108f. Nr. 56 (1449); Otruba, Berufsstruktur 141f. Nr. 39 (1449); ich danke Herwig Weigl für diesen Hinweis. Zum Vergleich zwischen nord- und süddeutschen bzw. hansischen und rheinischen Städten im Spätmittelalter siehe Schulz, Norm passim; ders., Gewerbepolitik 88f.; auffallend an diesen Beispielen sind die großen regionalen Unterschiede in Bezug auf das Aufkommen dieser Forderung.

Während die eheliche Geburt in den hansischen Städten bereits seit der Mitte des 14. Jhs. von den Zünften als Aufnahmekriterium verlangt wurde, setzte sich diese Forderung am Oberrhein erst – nach ersten Ansätzen in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. – im zweiten Viertel des 16. Jhs. durch. Grundlegend zur illegitimen Geburt und der Möglichkeit, an der päpstlichen Kurie Geburtsmakeldispense zu erwirken: Schmugge, Kirche bes. 69–80, 247–318 (mit Beispielen aus dem Heiligen Römischen Reich).

über die Voraussetzungen für Meisterschaftsanwärter findet sich jedoch nichts von dieser Forderung842. Erstmals taucht der Nachweis der ehelichen Geburt in der Ordnung der Beutler, der Handschuster, der Fellfärber und der Nestler von 1459 auf843. Gerade diese Erweiterung der Voraussetzungen steht für eine noch deutlichere Verschärfung der Be-stimmungen, kamen somit sowohl uneheliche als auch vor der Hochzeit gezeugte Kinder für die Meisterschaft nicht in Frage844. In nahezu jeder Ordnung, die nach 1459 erlassen worden ist und Regelungen zur Aufnahme neuer Meister in das Handwerk enthält, lässt sich die Forderung nach dem Nachweis der ehelichen Geburt finden845.

Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die seit den 1360er Jahren in den Ordnungen enthaltenen Aufnahmevoraussetzungen für die Meisterschaftsanwärter – also Herkunfts- und Leumundsnachweis, Verheiratung und der Erwerb des Bürgerrechts – zunächst im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts mit der Forderung nach der Einzahlung und dem Beitritt in die Zeche sowie mit dem Nachweis des Ausdienens der Lehrjahre, dann ab 1459 auch mit dem Nachweis der ehelichen Geburt erweitert wurden.