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IV. Inhaltliche Aspekte

IV. 3. Meister

IV.3.4. Störer

Zum Abschluss des Kapitels über die Handwerksmeister soll nun noch ein Blick auf diejenigen Handwerker geworfen werden, die ohne Zugehörigkeit zu einer Zeche bzw.

ohne Erlangung des Meister- und Bürgerrechts ein Handwerk trieben, nämlich auf die Stö-rer. Dieser Begriff leitet sich wahrscheinlich ursprünglich von der ausschließlichen Lohn-arbeit im Haus des Kunden ab, für die der Ausdruck „auf/in die Stör gehen“ gebräuchlich war1066. Die Bezeichnung „Störer“ umfasste allerdings auch diejenigen Handwerker – egal ob Meister oder Gesellen – die in den die Stadt umgebenden Dörfern wohnten, nicht Mit-glied in einer Zunft/Zeche waren und bei den Bürgern um Aufträge warben1067.

Im Sinne der zweiten Definition ist bereits bei den Schneidern im Jahr 1368 von Stö-rern zu lesen, obwohl diese in der Ordnung nicht explizit mit diesem Begriff bezeichnet werden. Die Schneidermeister Wiens beschweren sich 1368 über Meister und Gesellen, die ab dem lannd herin lauffend und sich nidersetzent in den herrenhèwsern und annderswo in haimlichen hewsern, der ettlich weib habent und ettlich nicht und mit der stat nichtz leident1068. Häufiger werden die Nachrichten über die Störer jedoch ab der Mitte des 15.

Jahrhunderts, besonders in Hinblick auf die Arbeit von Gesellen bei denselben. So legen die Schneidergesellen in Absprache mit ihren Meistern im Jahr 1442 fest, dass sie auf keinen Fall für einen Störer arbeiten bzw. mit diesem irgendwelche Absprachen treffen wollen1069. Die Ordnung der Kummetmacher von 1451 spricht in aller Kürze ein gänzli-ches Verbot des Störens aus: Und sol auch ir kainer auf dem lannd nicht stòrn1070. Bei den Lebzeltern wird 1516 festgesetzt, dass kein Geselle aufgenommen werden darf, wenn er bei den Störern gedient hat1071.

1062 Siehe Nr. 314 Art. 18.

1063 Siehe Nr. 200. Der Meistersohn muss hier vor der Heirat das Handwerk auf jeden Fall beweisen.

1064 Siehe Nr. 177 Art. 3. Sollte der Meistersohn das Handwerk außerhalb des Landes gelernt haben, dann muss er sein Können beweisen und ist auch sonst verpflichtet, die anderen geforderten Nachweise vorzu-bringen.

1065 Siehe Nr. 243 Art. 4.

1066 Zatschek, Handwerk 248; Schulz, Störer 685; Kluge, Zünfte 249. Der Zusammenhang mit dem Verb: „stören“, ist evident; wahrscheinlich ist damit eine Person gemeint, die die rechtmäßige, gute Hand-werksordnung stört, vgl. DWB 19 (1957) 412f. Auch bei einigen Zechen war es üblich, Lohnarbeit im Haus des Kunden zu betreiben, dies jedoch mit der Herstellung im eigenen Betrieb und dem Verkauf auf dem Markt zu verbinden. Als Beispiele dafür sind die Schneider (siehe dazu oben S. 85), die Kürschner oder die Hafner zu nennen; vgl. Schulz, Störer 685.

1067 Schulz, Störer 685.

1068 Siehe Nr. 77 Narratio, und oben S. 85.

1069 Siehe Nr. 82 Art. 7; Zatschek, Handwerk 251.

1070 Siehe Nr. 258 Art. 7.

1071 Siehe Nr. 336 Art. 5; Zatschek, Handwerk 251.

Mehr Informationen sind dem HWOB über Störer nicht zu entlocken. Weitere Be-stimmungen über diese finden sich vor allem in Ordnungen des späten 16. bis zum 18.

Jahrhundert, doch liegen diese Nachrichten außerhalb des Untersuchungszeitraums der vorliegenden Studie1072.

IV.3.5. Zusammenfassung

Die im HWOB enthaltenen Bestimmungen zu den Meistern beziehen sich großteils auf die wirtschaftlich-arbeitsbezogene Seite der Zechen. Einen großen Raum nehmen dabei die Voraussetzungen für die Aufnahme eines neuen Meisters ein. Aufnahmebedin-gungen finden sich in den Ordnungen seit den 1360er Jahren, doch wurden sie besonders im Laufe des 15. Jahrhunderts immer mehr ausgeweitet. Zum in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts herausgebildeten Kanon des Herkunfts- und Leumundsnachweises, der Eheschließung, des Erwerbs des Bürgerrechts und der allgemeinen Forderung nach dem Nachweis der Handwerksfertigkeiten traten im 15. Jahrhundert sukzessive die Vorausset-zungen des vereinzelt schon früher geforderten Beitritts in die Zeche, der Meisterprüfung mit festgelegten Meisterstücken sowie des Nachweises des Ausdienens der Lehrjahre und der ehelichen Geburt.

Von den Amtsträgern innerhalb der Zeche erfährt man einerseits über die Zech- und andererseits über die Beschaumeister am meisten. Die Zechmeister waren regelmäßig ge-wählte Vorstände der Handwerksorganisationen, ihnen oblagen zahlreiche Aufgaben und es ist wohl nicht übertrieben, ihre Position innerhalb des Verbandes als hervorragend zu bezeichnen. Die Zechmitglieder waren zu Gehorsam gegenüber den Zechmeistern ver-pflichtet, die jedoch wiederum Bürgermeister und Rat als oberste Instanzen über sich hatten. Die Wahl der Zechmeister wurde durch den Rat bestätigt und die Vorsteher der Zeche mussten in den besprochenen Fällen jährlich öffentlich Rechnung über die Ein-nahmen und Ausgaben ihrer Organisation legen. Die Verwaltung der Finanzen im Allge-meinen oblag ihnen also ebenso wie die Kontrolle der Einzahlungen in die Zechbüchse.

Bei Zahlungsrückständen konnten sie auch Boten beauftragen, die offenen Beträge ein-zutreiben. Neben dieser finanziellen Seite agierten die Zechmeister als Organisatoren der Begräbnisfeierlichkeiten für verstorbene Zechmitglieder und der anschließenden Messfei-ern, verwalteten die Leihe der im Besitz der Zeche befindlichen Bahrtücher wie Kerzen und waren außerdem für die Verlautbarung von Zechzusammenkünften verantwortlich.

Die Beschaumeister, deren Funktion bereits in den Ordnungen der 1360er Jahre nachweisbar ist, hatten vor allem zwei Aufgaben: Sie überprüften erstens die Qualität der von ihren Handwerkskollegen hergestellten Waren und kontrollierten zweitens die Fertigkeiten der neuen Meisterschaftsanwärter. Im 15. Jahrhundert sind mehrere Hand-werke nachweisbar, in deren Ordnungen davon die Rede ist, dass die Zechmeister die ur-sprünglichen Aufgaben der Beschaumeister übernehmen sollten bzw. von vornherein als Beschaumeister agieren mussten. Als Qualitätsmerkmale dienten gut sichtbare Marken, Siegel oder sonstige Zeichen auf den Produkten, damit die Kunden auf den ersten Blick erkennen konnten, dass die Ware den erforderlichen Standards entsprach.

1072 Einen Überblick über die frühneuzeitlichen Bestimmungen bietet Zatschek, Handwerk 251–255.

Vgl. zu den diesbezüglichen Entwicklungen im 17., 18. und 19. Jh. auch: Ehmer, Familienstruktur 27f.; ders., Zünfte 98f.; Altfahrt, Professionisten passim; Buchner, Störer passim; Steidl, Mobilität 79f.; Haupt, Hof- und hofbefreites Handwerk 33–36.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Zechen war ebenso der gemeinschaftliche Einkauf von Rohstoffen und Arbeitsmaterialien, der meist von den Zechmeistern organisiert und in unterschiedlichen Formen durchgeführt wurde. In vielen Fällen erfolgte der Kauf auf Vermittlung durch die Zeche, die Zechmeister ließen dabei auf dem gesamten Handwerk die Verkaufszeiten der zentral in der Stadt gelagerten Waren verkünden. Der sogenannte Zunftkauf, also die Anschaffung der benötigten Waren durch die Zeche im Gesamten, ist ebenso im HWOB zu finden wie Bestimmungen zum Teilkauf, bei dem ein Meister einem anderen, beim Kauf anwesenden Kollegen einen Teil der Ware zum selben Preis überlassen musste.

Die Aufteilung der Verkaufsplätze unter den Zechmitgliedern war nicht allein Auf-gabe der Zechen, auch die Stadt und andere Einrichtungen hatten Interesse an diesbe-züglichen Regelungen. Es kamen unterschiedliche Möglichkeiten als Verkaufsstätten in Frage: das Zechhaus, die eigene Werkstatt, bestimmte Märkte oder andere Stände in ge-nau festgelegten Straßen. Auswärtige Gewerbetreibende – sogenannte Gäste – durften ihre Waren häufig nur in ihren Herbergen bzw. Gasthäusern verkaufen bzw. diese auf Märkten örtlich getrennt von den städtischen Meistern anbieten1073.

Zur religiös-bruderschaftlichen Seite der Meisterzechen äußern sich die Ordnungen des HWOB hingegen nur selten. Die wenigen enthaltenen Bestimmungen lassen auf eine zentrale Bedeutung der Begräbnisfeierlichkeiten und der Totenmemoria schließen, beson-ders die Ordnung der St. Oswald-Brubeson-derschaft bezieht sich in mehreren Artikeln darauf.

Als soziale, mit den Zechen in Verbindung stehende Sicherungsmaßnahmen können die Bestimmungen zur Wiederverheiratung von Witwen und – seltener – Witwern verstan-den werverstan-den. Oftmals wurde verstan-denjenigen Meisterschaftsanwärtern, die eine verwitwete Meisterin heirateten, der Zugang zu den Zechen deutlich vergünstigt, beispielsweise in-dem die Eintrittsgebühr verringert oder die Pflicht zur Meisterprüfung abgeschafft wurde.

Manche Ordnungen regelten auch das Fortführungsrecht der Meisterwitwe für die Werk-statt ihres Mannes. Lediglich die Ordnung der Tuchscherer von 1429 legte dabei eine Frist von einem Jahr fest, nach dem die Witwe erneut heiraten musste, andere Handwerke ließen die Frist offen oder sprachen der Witwe jedenfalls das Fortführungsrecht zu, ohne jedoch auf irgendwelche Einschränkungen einzugehen. In einigen Ordnungen können auch bevorzugende Bestimmungen im Hinblick auf die Meistersöhne gefunden werden, besonders Erleichterungen für den Erwerb der Meisterschaft in Form von ermäßigten Zahlungen an die Zeche oder den Erlass der Meisterprüfung betreffend.

Weiters sprechen manche der untersuchten Satzungen das Problem der Störer an.

Diese agierten als Handwerker ohne Meisterrecht oder zogen vom Land in die Stadt, um dort in den Häusern ihrer Kunden Arbeiten zu verrichten. Die wenigen im HWOB enthaltenen diesbezüglichen Bestimmungen beziehen sich vor allem auf das Verbot, Ge-sellen, die bei einem Störer gearbeitet haben, anzustellen.

1073 Zur Rolle von städtischen Verordnungen bezüglich fremder Gewerbetreibender als Herrschaftsinst-rument des Rats vgl. auch Dirlmeier, Obrigkeit 443f.