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Wachtdienst und sonstige Sicherheitsaufgaben

IV. Inhaltliche Aspekte

IV.2. Gesellen und Gesellenschaften

IV.2.6. Verhalten der Gesellen in der Öffentlichkeit und Pflichten

IV.2.6.4. Wachtdienst und sonstige Sicherheitsaufgaben

Zünfte und Gesellenschaften hatten in der Regel auch militärische Aufgaben inne, die zum Schutz der Stadt dienten, wie am Beispiel des spätmittelalterlichen Straßburg gezeigt wurde781. Auch Wien bildet in diesem Zusammenhang keine Ausnahme. Von der Auf-gebotsordnung des Jahres 1405 war bereits die Rede782. 1418 ist von aus dem Gefängnis entlassenen Weißgerbergesellen zu hören, für die ihre Meister bei ihrer Freilassung den Eid schwören mussten, dass sie der Stadt die an waygrung und an vertziehen all miteinan-der hinwimiteinan-der antwurten und stellen an gevèr783.

Ab den 1450er Jahren häufen sich schließlich die Bestimmungen, Meister – die als Wiener Bürger dazu verpflichtet waren784 – und Gesellen mögen zum Schutz der Stadt ihren Dienst verrichten, wenn sie dazu aufgefordert werden sollten. So legt der Rat 1453 für die Schustergesellen fest, dass diese bei Neuaufnahme in das Rathaus kommen

sol-775 Siehe Nr. 82 Art. 8; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 105.

776 Siehe Nr. 252 Art. 7; Zatschek, Handwerk 208.

777 Siehe Nr. 352b Art. 3; vgl. auch Beispiele für zeitliche Beschränkungen außerhalb Wiens: Müller, Arbeitsverbote 76; Pauser, Spiel Zwettl 88f.

778 Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 106.

779 Diese Beobachtung deckt sich mit der Auswertung Josef Pausers in Bezug auf die Städte Krems (15./16. Jh.) und Zwettl (16. Jh); auch hier wurde das Spielen an sich nicht verfolgt, sehr wohl wurde aber von der städtischen Obrigkeit dem Falschspiel nachgegangen. Im Laufe des 16. Jhs. kam es zu einer vermehrten Rezeption der in den landesfürstlichen Policeyordnungen enthaltenen Spielbeschränkungen, wenngleich diese erst im 17. Jh. in größerem Ausmaß in den Ratsprotokollen zu finden sind; vgl. Pauser, Leichtfertige spill 22;

ders., Spiel Zwettl 100f.; allgemein auch: ders., Lust passim.

780 Siehe Nr. 82 Art. 10.

781 Von Heusinger, Antwerk 52–55; dies., Zunft 102–113, 160–163; Gloor, Politisches Handeln 234f.

782 Siehe oben S. 31.

783 Siehe Nr. 176, und oben S. 87.

784 Zur Wach- und Wehrpflicht der Bürger allgemein Isenmann, Stadt 146; siehe auch speziell auf Wien bezogen rezent: Enderlin, Sicherheit 237.

len, wo sie vor Bürgermeister und Rat den Eid schwören müssen, dem Landesfürsten als Stadtherrn und der Stadt selbst in allen Dingen gehorsam zu sein und ihre Meister bei der Nachtwache (schkart) und sonstigen Wachtdiensten zu unterstützen, wofür sie extra besoldet wurden785. Im sogenannten Copeybuch der Stadt Wien wird für den 30. März 1454 berichtet, dass der berüchtigte Söldnerführer Nabuchodonosor Ankelreuter vor den Toren mit seinem Gefolge lagert, weswegen Verfügungen zur Sicherung der Stadt getrof-fen werden786. Den Handwerksgesellen wird vorgeschrieben, gegen einen Lohn von sie-ben Pfennigen jederzeit bereit zu sein, für die Verteidigung der Stadt zu dienen787. Auch für Brandlöschung konnten Handwerker und ihre Gesellen eingesetzt werden, wie die ebenfalls im Copeybuch überlieferte Feuerordnung von 1454 zeigt788. Im HWOB selbst findet sich beispielsweise bei den Gürtlern im Jahre 1454 die Bestimmung, dass die Gesel-len jeglicher Aufforderung nachkommen solGesel-len, sich zum Dienst für die Stadt zu versam-meln789. Bei den Taschnern wird im Jahre 1473 ausdrücklich der Skart-Dienst erwähnt790. Mitunter kann die militärische Verpflichtung der Handwerksmeister und -gesellen auch indirekt aus den Ordnungen erschlossen werden. Bei den Schustern wird beispiels-weise im Jahr 1453 festgelegt, dass jeder, der das Meisterrecht erwerben will, unter an-derem 60 Pfennige zur pessrung irs harnasch zu zahlen hat791. In der Baderordnung von 1463 wird bestimmt, dass ein Pfund Pfennige in die Zeche gezahlt werden muss, bevor man als Meister in das Handwerk aufgenommen werden kann; das Geld soll dazu benutzt werden, um zu gemainer stat nutz auf irm hantwerch dest fuglicher harnasch zu bestellen792. Im selben Jahr wird auch den Krämern vorgeschrieben, nach der Aufforderung der städ-tischen Obrigkeit Söldner, Geld oder Waffen bereitzustellen und die Ausgaben aus der Zeche zu bestreiten793. Aus all diesen Bestimmungen kann geschlossen werden, dass man-che Zeman-chen in Wien über gewisse Waffen- und Ausrüstungsbestände verfügten, nähere Aussagen darüber lassen sich jedoch allein aus den Ordnungen nicht tätigen794.

Gegen Ende des 15. Jahrhunderts und in den ersten Jahrzehnten nach 1500 ging die Stadt allmählich dazu über, dauerhaft bedienstete Arbeitskräfte in verschiedenen

785 Siehe Nr. 85 Art. 12; Uhlirz, Gewerbe 635; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 115.

786 FRA II/7 3–5. Zu Ankelreuter und dessen Involvierung in die Unruhen der Jahre 1461–1463 vgl.

unter anderem: Schalk, Faustrecht 202f.; Csendes, Wien 8f.; Csendes–Opll, Geschichte Wiens 159–162;

Langmaier, Albrecht VI. 478f., 541f., 550–552, 570f.; zum Copeybuch vgl. oben Anm. 104.

787 FRA II/7 4: Item die redlichisten hantwercherknecht sol man bestellen, und mit denselben reden, das sy der stat gehorsam und mit dinsten warttund sein, und das man ainem jeden hantwercherchnecht ain wochen geben sol siben phenning, und sicz dennoch saim maister in der werchstat solang, uncz das wir der bedurffen und ze schulden kumbt, so sullen sy und denn dien und zusteen umb ainem gleichen sold. Die Jahreszahl dieses Erlasses ist mit 1434 falsch angegeben, jedoch findet sich im Inhaltsverzeichnis (IX) mit dem 30. März 1454 das richtige Datum.

Siehe dazu auch Uhlirz, Gewerbe 635; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 115.

788 FRA II/7 6; Rechte und Freiheiten 2, ed. Tomaschek 85 Nr. CLIV. Vor allem die Zimmerleute und ihre Gesellen bzw. die Bader werden explizit mehrmals in der Ordnung genannt. Vgl. dazu auch Czeike, Feuerlöschwesen 35.

789 Siehe Nr. 91 Art. 3; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 155f.

790 Siehe Nr. 93 Art. 7.

791 Siehe Nr. 85 Art. 1; Zatschek, Handwerk 137.

792 Siehe Nr. 211 Art. 1.

793 Siehe Nr. 293 Art. 2.

794 Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 117. Vgl. auch ein Testament in T₂ fol. 212v (FRA III/10/2 Nr. 2316), in dem ein Zimmermann einen in seinem privaten Besitz befindlichen Brustpanzer (prust-plech), ein Kettenhemd (gollier; FWB 7/1 [2001] 99f.) und einen Beinschutz (paingeret; FWB 3 [2002] 955) vererbt.

Sicherheitsdiensten der Stadt anzustellen795. Ein Indiz dafür bietet unter anderem die im HWOB überlieferte Ordnung der Wächter auf der Stadtmauer, welche die Aufnahme von 16 Wächtern vorsieht, für jedes Stadtviertel jeweils vier796. Trotz allem versahen bis um 1540 auch noch Bürger regelmäßig ihre diesbezüglichen Dienste, wobei die Profes-sionalisierung in diesem Bereich weiter zunahm. Die Entwicklung gipfelte schließlich 1546 in der in diesem Jahr stattfindenden endgültigen „Militarisierung“797 des Wiener Wachtdienstes, obwohl auch danach viele Angehörige dieser Truppen im Nebenberuf ein Handwerk ausübten798.

IV.2.6.5. Zusammenfassung

Die Bestimmungen bezüglich des öffentlichen Verhaltens der Gesellen beziehen sich vor allem auf übermäßigen Weinkonsum, Streitereien bzw. Schlägereien, das Glücksspiel und den Umgang mit bzw. sexuelle Beziehungen zu Frauen. In allen Bereichen sind die Ordnungen relativ restriktiv. Öffentliches Betrinken mit anschließender Ruhestörung wurde beispielsweise strengstens untersagt und mit empfindlichen Zahlungen an die Gesellenbüchse bestraft. Das Glücksspiel betreffend gab es zwei Möglichkeiten: Entwe-der untersagten die Ordnungen das öffentliche Spielen komplett – wie zum Beispiel bei den Fleischhauern – oder es wurde ein Höchstbetrag festgelegt, um den gespielt werden durfte. In Bezug auf Frauen war den Gesellenschaften bzw. den Handwerksmeistern ein guter Umgang wichtig, manche Ordnungen enthalten explizite Verbote des Schimpfens vor Frauen. Überhaupt nicht gern gesehen wurde allerdings der Umgang von Gesellen mit Prostituierten. Allgemein scheinen die Bestimmungen der Ordnungen eher darauf abzuzielen, den näheren – auch sexuellen – Kontakt zwischen den Gesellen und Frauen generell zu unterbinden: In zahlreichen Statuten findet sich die Vorschrift, keine unehr-baren Frauen zu den gemeinsamen Trink- und Essveranstaltungen mitzunehmen bzw. in den Gesellenwohnstätten übernachten zu lassen. Wie bereits mehrmals erwähnt, scheinen jedoch oft auch verheiratete Gesellen nicht gerne gesehen gewesen zu sein, in manchen Handwerken wurde den Gesellen die Ehe sogar dezidiert verboten.

Der Einsatz von Handwerkern zur Sicherung und Verteidigung der Stadt betraf Meis-ter wie Gesellen gleichermaßen. In Notsituationen, beispielsweise einer akuten Bedrohung der Stadt, mussten die Handwerker damit rechnen, in das städtische Aufgebot einberufen zu werden. In manchen Ordnungen ist sogar zu lesen, dass ein Teil des Einschreibbetrages für die Zeche zur Anschaffung von Harnischen und Waffen aufgewendet wurde. Die stän-dige Bereitschaft der Handwerker änderte sich wohl erst während der ersten Hälfte des 16.

Jahrhunderts, als die Stadt Wien dazu überging, besoldete Verteidigungskräfte anzustellen, die allerdings wieder oft handwerkliche „störende“ Nebenberufe hatten.

An den immer wieder in den Ordnungen auftauchenden öffentlichen Pflichten und Normen kann gut beobachtet werden, mit welchen Aktivitäten die Gesellen sich

offen-795 Zusammenfassend dazu Fischer, Anfänge 396–400.

796 Siehe Nr. 279, und unten S. 170; vgl. dazu auch Veltzé, Stadtguardia 1 533; ders., Stadtguardia 2 9; Pils, Rand 117; Fischer, Anfänge 361.

797 Fischer, Anfänge 398f.; einem Kommandanten wurden sieben Rottmeister und 63 Soldaten un-terstellt, daneben gab es noch 20 Nachtwächter und diverse diese Sicherheitsdienste ergänzende Truppen. Die Zahl der Bediensteten konnte je nach entsprechenden Erfordernissen der Stadt oder des Landesfürsten weiter ausgebaut werden.

798 Vgl. dazu Ehmer, Zünfte 98.

bar ihre Freizeit vertrieben und welche Dienste sie gegenüber der Stadt zu leisten hatten.

Gerade die Einschränkungen, die das Trinken, das Spielen und den Umgang mit Frauen betreffen, bieten mittelbar Einblicke in die Lebenswelt zahlreicher Gesellen. Diese wa-ren oftmals – aber nicht ausschließlich – junge, ledige Erwachsene, die sich für Dinge interessierten, die man als ungebundener junger Mann im Sinne einer Jugendphase ein-fach erleben wollte. Dass von Seiten der Meister und der Gesellenschaften normierend eingegriffen wurde, überrascht dabei nicht, auch wenn die Frage nach der Wirksamkeit der Verbote auf Grundlage des vorliegenden Materials nicht ausreichend geklärt werden kann.

IV.2.7. Zusammenfassung

Die in diesem Kapitel besprochenen Ordnungen regeln in Summe gesehen alle Le-bensbereiche der sich in der Stadt aufhaltenden und arbeitenden Gesellen. Sehr umfang-reich gestalten sich die einzelnen Bestimmungen in Bezug auf die normgerechte Einstel-lung und Entlohnung der Gesellen. Hier sicherten sich beide Seiten ab: Der Meister hatte eine gewisse Orientierung, wie viel er seinen Bediensteten zahlen musste, während die gerade in die Stadt gekommenen Gesellen eine Grundlage hatten, auf deren Basis sie ver-handeln konnten. Mit ziemlicher Sicherheit stellen die in den Ordnungen festgehaltenen Beträge meistens Höchstlöhne dar, oftmals war es dem Meister möglich, seine Gesellen nach Fertigkeiten und Wochenleistungen zu bezahlen. Trinkgelder sollten nur in gerin-gem Maße ausgezahlt werden, manche Handwerke – wie beispielsweise die Sporer – regel-ten genau, für welche Leistungen der Geselle ein Trinkgeld erhalregel-ten durfte.

Das richtige Verhältnis von Arbeits- und Freizeit war es vor allem, das im ersten Drit-tel des 15. Jahrhunderts vermehrt zu Konflikten zwischen Meistern und Gesellen führte.

Während sich die Gesellen für fix geregelte Arbeitszeiten und einen freien Tag in der Wo-che einsetzten, versuchten die Meister zumindest das unerlaubte Feiern unter der WoWo-che einzuschränken. Besonders die Ankunft eines fremden Gesellen in der Stadt lieferte für die in Wien anwesenden Gesellen oft den Grund, sich während der Arbeitszeit unerlaubt freizunehmen und den Neuankömmling mit einem Umtrunk zu begrüßen. Gerade diese Konfliktfelder waren es auch, die in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein spürbar stär-keres Hervortreten der die Interessen ihrer Mitglieder vertretenden Gesellenvereinigungen bedingten. 1439 wurde vom Rat der Stadt Wien eine allgemeine Gesellenordnung erlassen, die unter anderem diese Frage des unerlaubten Freinehmens während der Arbeitswoche regelte. In Summe konnten sich die Meister mit ihrer Forderung nach einem Verbot des werktäglichen Feierns zwar durchsetzen, trotzdem legte die allgemeine Gesellenordnung von 1439 wohl den Grundstein für die endgültige Etablierung von Gesellenschaften in Wien, auch wenn ihre Rolle dabei nicht überbewertet werden darf. Der zunehmende Be-deutungsgewinn dieser Gesellenorganisationen ging ebenso mit dem vermehrten Gebrauch des Wortes geselle statt der bis dahin weitgehend üblichen Bezeichnung knecht einher; beide Begriffe sind jedoch bis in das 16. Jahrhundert in den Texten des HWOB vorzufinden.

Die Gesellenverbände nahmen neben der Vertretung von arbeitsrechtlichen Fragen gegenüber den Meistern vor allem religiöse und karitative Funktionen wahr. Meistens standen sie unter der Leitung von anfangs vier – später auch weniger – Vorständen (alt-gesellen, vierer, puchsenmayster), denen zum einen die Verwaltung der zentralen Kassa der Organisation (Gesellenbüchse) oblag, in die Mitgliedsbeiträge und Strafzahlungen für

genau festgelegte Vergehen eingezahlt wurden, die sich zum anderen aber auch um alle mit den Zuständigkeiten der Gesellenschaft in Verbindung stehenden Aktivitäten küm-merten. Sie wurden – soweit die im HWOB überlieferten Ordnungen darüber Aufschluss geben – in der Regel durch die Gesellen selbst gewählt, nur selten (wie bei den Tuch- und Kotzenmachern) waren auch die Meister an der Wahl beteiligt. Dass die Gesellenschaften jedoch in zahlreichen Fällen nicht komplett unabhängig von der Meisterzeche waren, ist beispielsweise bei den Schneidern, Kürschnern oder Schustern zu sehen, bei denen neben den üblichen vier puchsengesellen auch zwei Handwerksmeister die Verwaltung der zent-ralen Kassa überwachten. Teilweise kam es auch vor, dass Gesellen und Meister explizit in einer gemeinsamen Organisation vereint waren, wie es zum Beispiel bei den Tuch- und Kotzenmachern im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts der Fall gewesen zu sein scheint.

Auch bei den Tischlern – deren Zeche um 1500 in die Wiener Fronleichnamsbruder-schaft zu St. Stephan inkorporiert wurde – dürften die Gesellen ab diesem Zeitpunkt wenig Spielraum für eine eigenständige bruderschaftliche Organisation gehabt haben.

Die Wiener Gesellenschaften unterschieden sich in ihren Funktionen kaum von an-deren Gesellenvereinigungen im deutschsprachigen Raum. Sie bildeten für einen Stadt-fremden, der ein neu ankommender Geselle ja in der Regel war, eine gewisse soziale und spirituelle Absicherung. Die Gesellenschaften kümmerten sich im Krankheitsfall um eine zeitlich befristete finanzielle Versorgung des betroffenen Mitglieds. Die in den Ordnun-gen des HWOB fast durchgehend auftretende Unterstützungsform war hierbei das Dar-lehen, die Leihe einer gewissen Geldsumme an den kranken Gesellen; das Geld dafür wurde aus der Gesellenbüchse vorgestreckt und musste meist innerhalb einer gewissen Frist zurückbezahlt werden. Gerade ein Krankheitsfall dürfte zu gröberen finanziellen Einbußen der Gesellen geführt haben, da es mitunter vorgekommen zu sein scheint, dass die Meister für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Bediensteten keinen Lohn zahlten und sich auch weigerten, den Kranken zu pflegen. Starb ein Mitglied der Gesellenschaft, so sorgte diese für ein Begräbnis. Die Kosten dafür wurden der Norm gemäß offenbar meist aus dem Nachlass des Gesellen beglichen, doch scheint es durchaus üblich gewesen zu sein, dass eine Bestattung auf jeden Fall von der Gesellenschaft organisiert wurde, auch wenn die Verlassenschaft des Toten nicht zur Kostendeckung reichte.

Neben dem Recht auf ein ordnungsgemäßes Begräbnis geben zahlreiche Ordnungen auch einen Hinweis darauf, dass die Gesellenschaften sich allgemein um die Memoria ihrer toten Mitglieder kümmerten – egal ob diese in Wien oder, sofern dies in Erfahrung gebracht werden konnte, in einer anderen Stadt verstorben waren. Überhaupt waren die gemeinsamen Messfeiern der Mitglieder einer Gesellenschaft zentrale Ereignisse im Jah-resablauf, ein Fernbleiben von diesen Anlässen wurde mit hohen Bußzahlungen belegt.

Neben der heiligen Maria, deren Verehrung des Öfteren in den Ordnungen erwähnt wird, hatten einzelne Gesellenschaften spezielle Heilige, zu deren Ehren sie Messen feierten.

So war beispielsweise der heilige Eligius Patron der Hufschmiedegesellen oder die heilige Barbara Patronin der Nadlergesellen. Neben diesen regelmäßigen Messfeiern stand vor allem die Teilnahme der Handwerker – sowohl der Meister als auch der Gesellen – an der jährlichen Fronleichnamsprozession im Mittelpunkt der religiösen Anliegen der Zechen und Gesellenschaften. Eine dem Papierbuchblock des HWOB nachgebundene Fronleich-namsprozessionsordnung von 1463 unterstreicht nochmals die Wichtigkeit dieses Festes in Bezug auf die Wiener Handwerker.

Die zum einen Teil religiös, zum anderen Teil sicher auch repräsentativ begründete Teilnahme an der Prozession war jedoch nicht der einzige Anlass, bei dem die Zechen und

Gesellenschaften deutlich wahrnehmbar in der Öffentlichkeit standen. Handwerksmeis-ter und ihre Gesellen wurden immer wieder zu Zwecken der Stadtverteidigung herange-zogen, auch für die Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit – zum Beispiel in Form einer Nachtwache (skart) – wurden im 15. Jahrhundert offenbar vermehrt Handwerksge-sellen eingesetzt.

Generell dürfte sowohl den Meisterzünften als auch den Gesellenschaften ein gutes Bild ihrer Mitglieder gegenüber der Öffentlichkeit wichtig gewesen sein. Die Gesellen-schaften bestraften öffentliche Unruhestiftung, das übermäßige Weintrinken in Gast-häusern bzw. auf den Gesellenversammlungen und den Umgang mit Prostituierten sehr streng. Das Verhältnis der Gesellen zu Frauen wurde den Ordnungen nach sehr restrik-tiv gehandhabt, verheiratete Bedienstete waren ungern gesehen, ja die Ehe wurde teil-weise sogar explizit verboten. Eine Ausnahme bildet dabei beispielsteil-weise die Ordnung der Tuch- und Kotzenmacher von 1530, laut der sogar die Teilnahme eines verheirateten Gesellen im Vorstand der gemeinsamen Zeche mit den Handwerksmeistern vorgesehen war. Das Verhalten von Gesellen Frauen gegenüber sollte den Ordnungen entsprechend im Allgemeinen höflich sein. In manchen Statuten – wie der Schneiderordnung von 1442 – wird sogar explizit auf rüpelhaftes Verhalten der Gesellen in Bezug auf Frauen hingewie-sen und dies mit einem Vierdung Wachs relativ streng bestraft.

Alles in allem zeigen die analysierten Ordnungen, dass ab dem beginnenden 15. Jahr-hundert die Gesellenthematik immer mehr an Bedeutung in den Augen des Stadtrates und der Handwerksmeister gewann. Die Gesellen treten als immer selbstbewusstere sozi-ale Gruppe hervor, die bei ausreichender Größe des Handwerks im Stande war, sich selbst in Form von Gesellenschaften zu organisieren und die – ebenso wie die Meister – ein umfassendes Zechleben führte.