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Vorstellungs- und Wertewandel in Familien

3 FAMILIEN IM WANDEL

3.3 Auswirkungen der gesellschaftlichen Veränderungen auf die Familie

3.3.2 Vorstellungs- und Wertewandel in Familien

Im Laufe der Menschheitsgeschichte haben sich die Formen des Zusammenlebens im-mer wieder gewandelt und damit einhergehend auch die Werte und Vorstellungen dar-über, wie richtiges Zusammenleben auszusehen hat. So hat beispielsweise die Ehe heu-te nicht mehr dieselbe Bedeutung wie früher – sie gilt nicht mehr als zwingende Vo-raussetzung für gelingende und gute Familienbeziehungen (vgl. Schulz/Hummer 2005,

9 Siehe dazu Kapitel 3.1 Ein Definitionsversuch von Familie

S. 352; Münz/Reiterer 2009, S. 51). All die Entwicklungen, wie Geburtenrückgang, sinkende Heiratsquoten, getrennte Haushalte, zunehmende Individualisierung etc. ha-ben allerdings nichts am Wert der Familie geändert. Unabhängig von der Tatsache, dass in den Medien oft Gegenteiliges geschrieben wird, gehört die Familie innerhalb der Be-völkerung zu den wichtigsten Werten und gilt als höchstes Lebensziel (vgl.

Münz/Reiterer 2009, S. 50f.; Burkart 2008, S. 38), auch bei den Jugendlichen (vgl.

Institut für Jugendkulturforschung 2012, S. 30ff.). Soll heißen, der größte Teil der Ge-sellschaft „spricht sich (...) [auch heute noch] für Familie und Kinder aus, wenngleich sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zur Realisierung dieser Wünsche ver-ändert haben“ (Lange/Kränzl-Nagl 2009, S. 99). Was sich in den letzten Jahrzehnten

„im Zuge einer allgemeinen kulturellen Liberalisierung“ (Burkart 2008, S. 38) verän-dert hat, ist die Toleranz gegenüber anderen alternativen (familialen) Lebensformen. So wurden (und werden immer noch) auch alternativen Lebensformen, wie beispielsweise der (nichtehelichen) Lebensgemeinschaft immer mehr Rechte zugesprochen, die früher nur für die Ehe galten (vgl. Münz/Reiterer 2009, S. 51).

Beeinflusst wird die Bevölkerung in ihren Werten, Einstellungen zur und Vorstellungen über Familie vor allem durch Familienbilder, die innerhalb der Gesellschaft präsent sind sowie in Medien dargestellt werden (vgl. Lange/Kränzl-Nagl 2009, S. 101f.).

„Über global weitgehend standardisierte Medienformate dringen (Leit-)Bilder und Wer-te betreffend Familie generell sowie betreffend die alltägliche Lebensführung, die Ge-staltung von Partner- und Generationenbeziehungen tief in die Familien hinein und be-schleunigen damit den vielfach konstatierten Wertewandel in der österreichischen Ge-sellschaft“ (Kränzl-Nagl/Lange 2009, S. 138).

Gewandelt haben sich im Laufe der Zeit aber nicht nur die familialen Lebensformen und die damit einhergehenden Werte, sondern auch Vorstellungen über Familie sowie Anforderungen und Ansprüche, die an Familien von der Öffentlichkeit herangetragen werden bzw. welche diese selbst an sich stellen (vgl. Beham/Zartler 2009, S. 368). Vor allem Familien mit Kindern sind davon betroffen. Denn der Druck (verantwortungsvol-ler) Elternschaft ist heute höher denn je, auch aufgrund der Tatsache, dass Familie und

„familiäre Werte dem Leitbild einer wettbewerbs- und profitorientierten Wirtschaft[s- und Arbeitswelt] entgegenstehen und die Rolle von Müttern und Vätern mit

wachsen-den Ansprüchen sowie vielfältigen, heterogenen und ambivalenten Erwartungen über-frachtet wird“ (Beham/Zartler 2009, S. 369; S. 388).

„Selbstverständlich gewordene Forderungen nach einer optimalen (Früh-)Förderung und der Orientierung an pädagogisch-psychologischem Expert/-innen-Wissen sowie die Norm verantworteter Elternschaft lassen das Elternsein heute zu einer komplexen und anspruchsvollen Aufgabe werden. Viele Eltern mit Kleinkindern stellen an sich als Müt-ter und VäMüt-ter hohe Anforderungen und haben das Bedürfnis und Pflichtgefühl, keine Chancen verpassen zu dürfen, möglichst alle Anlagen des Kindes zu fördern und Berei-che geringerer Begabung auszugleiBerei-chen. Es sind keineswegs nur Eltern in bildungsna-hen Kreisen, die sich diesbezüglich unter Druck setzen“ (Beham/Zartler 2009, S. 368).

Druck entsteht dabei vor allem dadurch, dass gesellschaftliche Entwicklungen und An-forderungen vielfach noch nicht (zur Gänze) mit Vorstellungen und Werten der Bevöl-kerung übereinstimmen. Es werden von der Gesellschaft ambivalente Anforderungen geschaffen. Auf der einen Seite wird erwartet, dass man sich liebevoll und verantwor-tungsbewusst, mit voller Hingabe der Elternschaft widmet, auf der anderen Seite soll man Karriere machen und sich dem Wettbewerb von Wirtschaft und Arbeit hingeben.

Wird die Erwerbstätigkeit und vor allem die Erwerbsintegration von Müttern in Öster-reich heute, trotz des noch weit verbreiteten bürgerlichen Familien- und Mutterideals, grundsätzlich positiv bewertet und als notwendig angesehen, so steht aber der Großteil der Bevölkerung einer Vollzeitbeschäftigung von Müttern mit Kindern im schulpflichti-gen Alter skeptisch geschulpflichti-genüber. Dies macht den großen Anteil teilzeitbeschäftigter Müt-ter nachvollziehbar (vgl. Beham/Zartler 2009, S. 388). Aber nicht nur MütMüt-ter sind von der Ambivalenz gesellschaftlicher Anforderungen betroffen. Viele Väter würden heute gerne mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen. Wunsch und Realität klaffen jedoch leider weit auseinander, sei es aus finanziellen Gründen, dass die Versorgungsfunktion (die noch immer Teil des Vaterbildes ist) in erster Linie vom Mann getragen wird und der Fokus deshalb auf der Arbeit liegt oder aufgrund der beruflichen Situation und man-gelnden Verständnisses von Seiten der ArbeitgeberInnen (vgl. Aigner 2015, S. 2).

Josef Aigner betont, dass

„Junge Männer (...) im Streben nach einer gewissen Jobsicherheit unter enormem Druck [stehen], sich möglichst viel für die Firma zu engagieren. Familienfreundlich heißt in

Betrieben fast immer nur frauenfreundlich. Männer werden [daher] eher belächelt und haben teilweise massive Nachteile, wenn sie länger in Karenz gehen“ (Aigner 2015, S.

2).

Er verortet die Ursachen für den entstehenden Druck bei den Männern in der Unsicher-heit der Gesellschaft, wie heute ein Vater sein soll (vgl. Aigner 2015, S. 2).

Unseres Erachtens trifft dies auf Männer wie auch auf Frauen zu. Alte und neue Einstel-lungen, Vorstellungen und Werte über Familie, Mütter und Väter existieren nebenei-nander und vermischen sich.

„Einerseits kommt es durch die Individuen selbst zu einer Abschwächung von bislang gültigen Normen und Standards, deren Erfüllung angesichts des voranschreitenden so-zialen Wandels u. U. nicht mehr einsichtig oder nachvollziehbar ist, und andererseits werden neue Normen und Standards geschaffen, die den veränderten Bedürfnis- und In-teressenslagen eher entgegenkommen als alte, tradierte“ (Kränzl-Nagl/Lange 2009, S.

152).

Dadurch werden einerseits vielfältige Möglichkeiten geschaffen, andererseits jedoch verschwimmt durch das Aufbrechen der Grenzen traditioneller vormals eindeutiger Vorstellungen die Klarheit darüber was richtig und was falsch ist. Somit entsteht Unsi-cherheit und folglich Druck, der daraus resultiert den unterschiedlichen Einstellungen und Ansichten gerecht werden zu wollen. Dies wirkt sich wiederum auf die Familie sowie das familiäre Zusammenleben aus (vgl. Kränzl-Nagl/Lange 2009, S. 152).

Neben den Veränderungen der gesellschaftlichen Werte und Vorstellungen kam es auch zu Umgestaltungen in den Haushalts- und Familiengrößen sowie zum Entstehen neuer alternativer Lebens- und Familienformen. Diese Aspekte werden im folgenden Unter-kapitel beschrieben.

3.3.3 Veränderung der Haushalts- und Familiengröße sowie der Lebens- und