• Keine Ergebnisse gefunden

Familienformen im Laufe der Geschichte

3 FAMILIEN IM WANDEL

3.2 Geschichte und historisch-gesellschaftlicher Wandel von Familie

3.2.2 Familienformen im Laufe der Geschichte

Das Christentum förderte die Monogamie und trug durch die Einführung von Vorschrif-ten, wie dem Verbot von Verwandten-Ehen, der Ächtung des Konkubinats oder der Ein-führung des Zölibats, zum Abbau der Machtverhältnisse in verwandtschaftlichen Bezie-hungen bei. Dort wo beispielsweise weiter innerhalb Verwandter geheiratet wurde, ließ die Kirche sich die Erlaubnis dafür bezahlen (vgl. Burkart 2008, S. 112f.). Aufgrund der eingeführten Regelungen der Kirche wurden die Voraussetzungen für die moderne Ehe und Familie geschaffen. Mit der „kirchlichen Politik [wurde] die Eigenständigkeit des Paares gegenüber Verwandtschaft und Familie gestärkt (...) und damit auch die Indivi-dualisierung der Partnerwahl erleichtert (...)“ (Burkart 2008, S. 113). Aufgrund der Be-stärkung der Eigenständigkeit der Paare trug die Kirche bzw. die christliche Religion allerdings in Folge unbeabsichtigt zur Säkularisierung von Familie und Ehe bei. Die Stärkung der Autonomie wurde vor allem durch protestantische VertreterInnen, wie den PuritanerInnen, unterstützt. Sie drängten allmählich die Kirche und den Einfluss der Priester auf die Ehe und Familie zurück (vgl. Burkart 2008, S. 115). Man könnte die Familien der PuritanerInnen somit als Urfamilie der heutigen modernen Familie be-trachten, denn

„sie war eine frühe Form einer Reflexionsgemeinschaft, in der das Individuum anfing, sich selbst im Rahmen der Familie zu thematisieren. Die Gattenbeziehung war als Ka-meradschaftsbeziehung zweier vernünftiger Individuen gedacht. Die Stellung der Frau war deutlich besser, wenngleich patriarchale Züge auch hier noch vorhanden waren (Burkart 2008, S. 115).

Schließlich ging die Legitimationsmacht von der Kirche auf den Staat über und die Ehe wurde zum privatrechtlichen Vertrag (vgl. Burkart 2008, S. 115).

Während des Mittelalters bis in die Neuzeit wurden die Familienformen geprägt durch den Feudalismus und die damit einhergehenden wirtschaftlichen, sozialen und politi-schen Strukturen. Auch durch die Standesunterschiede kam es zu unterschiedlichen Fa-milienformen: Familien des Adels, bäuerliche Familien, städtisch-bürgerliche Familien, Handwerker Familien und Händler Familien. Ab dem 16. Jahrhundert, dem Beginn der frühen Neuzeit (16.-19. Jhdt.), galt die Hausgemeinschaft als bevorzugte Lebensform in Europa. Man kann diese nicht als herkömmliche Familienform bezeichnen, da der Fo-kus auf einer ökonomischen Arbeitsgemeinschaft lag und nicht auf Blutsverwandtschaft und Kernfamilie. D.h. auch entfernte Verwandte und nichtverwandte Personen und Ar-beitskräfte wurden dazugezählt (vgl. Burkart 2008, S. 116).

In Europa hat sich demnach die Kleinfamilie aus der weitverbreitetsten Lebensform, der Hausgemeinschaft, entwickelt (vgl. Burkart 2008, S. 117). Ehe war innerhalb dieser nicht unwichtig, jedoch war sie

„eingebettet in den sozialen Kontext: in die Hausgemeinschaft und die Stände -Gesellschaft. Sie war keine Institution zur Erfüllung persönlicher Bedürfnisse (wie Lie-be oder Geborgenheit) außer jenem, sozial abgesichert oder integriert zu sein“ (Bu r-kart 2008, S. 117).

Erst mit dem Übergang vom Feudalismus zur bürgerlichen Gesellschaft entstehen schließlich Familien in der Form, wie wir sie kennen. Diese sind geprägt durch Repro-duktion und nicht mehr durch ProRepro-duktion (vgl. Burkart 2008, S. 117f.). Das bedeutet, dass Frau, Mann oder Kinder nicht mehr unmittelbar als Arbeitskraft im Vordergrund stehen, sondern, dass der Zweck der Familie die Familie selbst ist.

Burkart beschreibt diesen Übergang als „Geburt der modernen Familie, die durch das historisch ungewöhnliche Prinzip der Liebesehe gekennzeichnet ist. Mit der bürgerli-chen Familie setzte sich auch die Trennung von Wohnen und Arbeiten, von Privatheit und Öffentlichkeit durch“ (Burkart 2008, S. 111).

Mit der Entstehung der bürgerlichen Familie rückten also das Ehepaar sowie die Ge-schlechteraufteilung der Aufgaben verstärkt in den Vordergrund (vgl. Burkart 2008, S.

121). Kulturelle Entwicklungen wie der Empfindsamkeitsdiskurs oder das vorherr-schende Lebensideal der Aufklärung, nämlich die Orientierung an der Vernunft und eine selbstbestimmte Ausrichtung des Individuums, beeinflussten die Entstehung einer neuen Familienform ebenso wie sozioökonomische Entwicklungen (z.B. die Trennung von Arbeit und Wohnen) (vgl. Burkart 2008, S. 122). Wurden Ehen zuvor aus sachli-chen und zweckorientierten Gründen geschlossen, so ist die bürgerliche Familie charak-terisiert von Liebesehen. Die Gefühlsebene rückte in den Vordergrund und der Gatten- wie auch Mutterliebe wurde große Bedeutung zugeschrieben. Dies wiederum hatte zur Folge, dass die Mutter-Kind-Beziehung intensiviert wurde und Erziehung wie auch die Entwicklung der Kinder wichtig wurde. Durch diese Entwicklungen und die Aufteilung von Wohnen und Arbeiten, kam es dazu, dass für die Familie ein Privatraum entstand.

Dieser grenzt sich von der Außenwelt ab und soll Privatheit und Intimität gewährleisten.

Die ökonomische Versorgung war nun Aufgabe des Mannes und Vaters in Form außer-häuslicher Erwerbsarbeit. So entwickelten sich die modernen Geschlechterverhältnisse.

Frauen waren von da an als gute Mutter, Hausfrau und Gattin für das Private, das Heim und die Gefühle zuständig. Männer waren für die Arbeit, die ökonomische Versorgung der Familie und das öffentliche Leben verantwortlich (vgl. ebd., S. 123).

Es lässt sich somit sagen, „dass der historische Übergang von der traditionellen, vorbü r-gerlichen Familie hin zur modernen bürr-gerlichen Familie mit Prozessen der Intimisie-rung, PrivatisieIntimisie-rung, Individualisierung und mit einer Stärkung des Gefühls verbunden war“ (Burkart 2008, S. 124f.).

Man könnte es auch so ausdrücken, dass „die Entwicklung in den letzten drei bis vier Jahrhunderten eine Schwerpunktverlagerung vom Verwandtschaftsverband hin zur Kernfamilie und schließlich zum Individuum“ brachte (Burkart 2008, S. 125). Beson-ders England gilt dabei als Basis für die Entwicklung, Herausbildung und Entstehung des modernen Paares und der modernen Familie. Grund dafür ist, dass die englische Gesellschaft schon viel früher fortschrittlicher war. Sie war im 17. Jhdt. bereits indivi-dualistischer, marktorientierter und mobiler als andere Gesellschaften zur gleichen Zeit (vgl. Burkart 2008, S. 125).

Im 19. Jhdt. existierten zunächst noch Familientypen, die von der sozialen Lage und dem Stand abhängig waren. Zwei moderne Formen, die bürgerliche und die proletari-sche Familie und zwei zur damaligen Zeit traditionale Familienformen wie die der Handwerker und Bauern (vgl. Burkart 2008, S. 111). Das bürgerliche Familienideal entwickelte sich schließlich im Laufe des 20. Jhdt. zum allgemeinen modernen Famili-enmodell (vgl. Burkart 2008, S. 136).

„Die moderne Kleinfamilie teilweise in Form der bürgerlichen Kleinfamilie mit kom-plementärer Rollenteilung zwischen den Geschlechtern, dem Mann als Alleinversorger und der Frau als Hausfrau und Mutter war eine kulturelle Selbstverständlichkeit und wurde von der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung auch unhinterfragt gelebt (so genannte Normalfamilie)“ (Peuckert 2007, S. 36).

Familiale Lebensformen, wie wir sie gegenwärtig vorfinden, haben sich im Laufe eines historischen Prozesses entwickelt. Dieser zieht sich von der Antike über das Mittelalter, die Neuzeit sowie das 20. und 21. Jahrhundert. Jede geschichtliche Epoche hatte dabei ganz charakteristische Familienformen. Was, wie bereits erwähnt, kennzeichnend für die Familien von heute ist, im Vergleich zur Vergangenheit, ist die Bedeutung von Lie-be, Emotionalität und Solidarität (vgl. Peuckert 2007, S. 36). Außerdem charakterisieren sich familiale Lebensformen in der Gegenwart vor allem dadurch, dass eine deutliche Verringerung der Personen stattfindet, die zu einer Familie gehören. Einpersonenhaus-halte (Singles, Alleinstehende und alleinlebende Personen) und Ein-Elter-Familien, Le-bensgemeinschaften, Geburtenrückgang, viele Scheidungen, kinderlose Familien stehen heute an der Tagesordnung und tragen zu diesem Trend bei. Die typische Großfamilie, wo alle in einem Haushalt leben, mehrere Generationen umfassend, ist nur mehr sehr selten bis gar nicht aufzufinden (vgl. Karsten/Otto 1996, S. 12).

Nachdem in diesem Kapitel (3.2) die Geschichte und der historisch gesellschaftliche Wandel der Familie beschrieben wurde, soll das nachfolgende Kapitel (3.3) Überblick über die Auswirkungen der gesellschaftlichen Veränderungen auf die Lebensform Fa-milie geben.