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Veränderung von Familienrollen

3 FAMILIEN IM WANDEL

3.3 Auswirkungen der gesellschaftlichen Veränderungen auf die Familie

3.3.4 Veränderung von Familienrollen

Die gesellschaftlichen Veränderungen haben auch zu einem Wandel der Rollenbilder innerhalb der Familien geführt. Dabei haben sich jedoch nicht nur die Elternrollen, sprich die Rollen von Männern und Frauen, Vätern und Mütter, verändert sondern auch die Eltern-Kind-Beziehung an sich und die Rolle des Kindes/der Kinder. Heute existie-ren zum größten Teil egalitäre Umgangsformen innerhalb der Familien sowie partner-schaftliche Familienstrukturen. Kinder werden als gleichberechtigt innerhalb der Fami-lienbeziehung angesehen, man begegnet ihnen auf Augenhöhe. Dies steht in engem Zu-sammenhang mit dem gestiegenen Eigenwert des Kindes und der Tatsache, dass Kinder heute vielfach dem Leben Erwachsener einen Sinn geben (Kinder als Sinnstifter).

Gleichzeitig ist die Elternrolle heute aufgrund veränderter Erziehungsleitbilder wie auch

prinzipiell gestiegener Erwartungen an die Bevölkerung anspruchsvoller und schwieri-ger geworden14 (vgl. Peuckert 2007, S. 48-53).

Langsam scheinen alte Rollenbilder aufzubrechen, auch wenn sich diese Bilder hartnä-ckig in den Köpfen der Menschen festgesetzt haben. Im Laufe der Geschichte und vor allem innerhalb des 18. Jahrhunderts entwickelten sich die allseits bekannten Rollenbil-der von Mann und Frau. Die Geschlechterverhältnisse veränRollenbil-derten sich, was aus dama-liger Perspektive ein Fortschritt (vor allem für die Frauen) war. Heute wird dies jedoch vielfach als hineindrängen in eine Rolle, die sich bis in die Gegenwart gehalten hat, be-zeichnet. Die Geschlechtervorstellungen, das Bild der guten Hausfrau und Mutter, Ehe-frau und Gefühlsexpertin, die geleitet ist von Emotionalität und dem rein von Vernunft gesteuerten Mann und Ernährer, setzte sich fest und wurde von Wissenschaften, wie Medizin, Anthropologie und Psychologie, als naturgegebene Bestimmung beschrieben (vgl. Burkart 2008, S. 128ff.). Ziel der verschiedenen Rollen- und Aufgabenzuschrei-bungen von Männern und Frauen war damals einerseits die Absicherung der männli-chen Herrschaft und andererseits der Versuch auf eine natürliche Ergänzung zwismännli-chen Mann und Frau hinzuweisen (vgl. Burkart 2008, S. 131).

„Die Menschlichkeit vollendet sich in der Ergänzung von Mann und Frau, die Gegen s-ätze ergänzen sich zur harmonischen Einheit. Und deshalb ist auch die Trennung von Familien- und Erwerbsleben, von privat-weiblicher und öffentlich-männlicher Sphäre, nicht nur naturgegeben, sondern sogar ideal: Sie dient der Vollendung natürlicher Menschlichkeit“ (Burkart 2008, S. 131).

In den letzten Jahren kam es zu einer Loslösung vom patriarchalischen Bild innerhalb der Gesellschaft, einer Abkehr von der traditionellen Frauenrolle und einem Wandel in den Geschlechterrollen (vgl. Schulz/Hummer 2005, S. 352f.). Höpflinger und Fux (vgl.

2007, S. 65f.) sprechen jedoch von einem asymmetrisch familial-beruflichen Rollen-wandel, da sich mit der erhöhten Erwerbstätigkeit der Frauen und dem damit einherge-henden veränderten Rollenbild, die Mithilfe der Männer bei der Erziehung sowie bei familialen Arbeiten nicht maßgeblich erhöht hat – zumindest nicht in dem Ausmaß, in welchem die Berufstätigkeit von Frauen gestiegen ist. Es bestehen somit immer noch

14 Siehe Kapitel 3.3.2 Vorstellungs- und Wertewandel in Familien

Ungleichheiten in der geschlechtsspezifischen familiären Arbeitsteilung, wodurch es für Frauen aufgrund der zusätzlichen Erwerbstätigkeit häufig zu Doppelbelastung sowie Zeit- und Rollenkonflikten kommt. Die zusätzliche Erwerbstätigkeit sorgt jedoch in den meisten Fällen für eine notwendige Erhöhung des familiären Einkommens, welches zur Verbesserung der Qualität des Familienlebens beiträgt (vgl. Höpflinger/Fux 2007, S.

67).

Für die Männer kam es durch die Trennung von Haushalt und Arbeitsplatz zu Verände-rungen in ihrer Geschlechterrolle, was zunächst verbunden war mit Funktionsverlusten innerhalb der Vaterrolle. Ihre Funktion als Erzieher und Lehrer ging an die Mütter über.

Die Rolle des Hausvorstandes und Ernährers behielten die Männer jedoch (Frieberts-häuser/Matzner/Rothmüller 2007, S. 182f.). In der nahen Vergangenheit kam es aller-dings wieder zu deutlichen Veränderungen in den väterlichen Rollenzuschreibungen.

Die wichtige Bedeutung der Väter für ihre Kinder wird aktuell immer wieder von der Wissenschaft und der Väterforschung betont. Dabei werden die sogenannten Neuen Väter als engagierte, gefühlvolle, partnerschaftliche und kompetenten Männer mit Kind/ern bezeichnet (vgl. Friebertshäuser/Matzner/Rothmüller 2007, S. 183). Diesbe-züglich besteht aktuell jedoch noch eine große Rollenunsicherheit von Seiten der Män-ner, wie denn so ein neuer Vater sein soll. Josef Aigner (vgl. 2015, S. 2f.) betont hier-bei, dass Väter keine Kopien von Müttern sein sollen. Das Alternative, das Andere zur weiblichen Bezugsperson, macht sie gerade so wichtig für die Kinder. Denn Müttern und Vätern kommen in der Erziehung und Entwicklung des Kindes unterschiedliche und spezifische Funktionen zu, die allesamt von Bedeutung für das Kind sind (vgl. Aig-ner 2015, S. 3; Friebertshäuser/MatzAig-ner/Rothmüller 2007, S. 184). Er schreibt dazu:

„Die Vaterrolle hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt: War einst der ein guter Vater, der die Familie finanziell gut versorgte, so reicht das heute bei Weitem nicht mehr. Heute muss der Mann viel präsenter sein, hat er doch nach allen psycholo-gischen Erkenntnissen eine hohe Entwicklungsbedeutsamkeit sowohl als triangulie-rende Kraft neben der Mutter, als dritter und alternativer Bezugspunkt, als auch als Bin-dungsperson für Spielen, Lernen, Körpererfahrung. Väter bringen andere, körperbeton-tere, raumgreifendere, lebhaftere und risiko-(=Abenteuer-) freudigere Haltungen in die Erziehung ein und fördern damit die Entwicklung ihrer Kinder!“ (Aigner 2015, S. 3).

Auch Friebertshäuser, Matzner und Rothmüller (vgl. 2007, S. 184f.) betonen diese aktiv herausfordernden aber zugleich vorsichtig und einfühlsamen Eigenschaften eines mo-dernen Vaters. „Im Gegensatz zum Vater als dominus manifestiere sich Väterlichkeit [heute] in der Figur des paters in Form von Schutz und Geborgenheit, Sorge, materieller und emotionaler Zuwendung sowie dem Zeigen der Welt“ ( Friebertshäu-ser/Matzner/Rothmüller, S. 185).

Und obwohl sich die traditionellen Rollenbilder gelockert haben und es bei Männern wie auch Frauen zu Veränderungen innerhalb der Frauen- und Mutterrolle bzw. der Männer- und Vaterrolle gekommen ist, liegt der Großteil der unbezahlten familialen Arbeiten (z.B. Haushalt und Kinderbetreuung) noch immer bei den Frauen (vgl. Bu-ber/Neuwirth 2009, S. 287). Fragt man Mütter und Väter nach der Aufteilung familialer Aufgaben, teilen Elternpaare über die Verteilung der Kinderbetreuung ähnliche Ansich-ten. Jedoch geben Frauen „öfter an, für Aufgaben allein zuständig zu sein, während Männer eher meinen, dass beide Partner gleich oft bestimmte Kinderbetreuungsaufga-ben übernehmen“ (Buber/Neuwirth 2009, S. 288).

Anzumerken ist außerdem, dass die Geburt eines Kindes, starke Auswirkungen auf die Rollen von Männern und Frauen hat. Es kommt zu einer Art Retraditionalisierung in-nerhalb der Rollen. Frauen reduzieren ihre Arbeitszeiten, steigen kurz- oder auch lang-fristig aus dem Erwerbsleben aus und später meist in reduziertem Ausmaß wieder ein, um sich auch auf die Familie konzentrieren zu können, während Männer ihre Arbeits-zeiten kaum verändern. Vielfach arbeiten Männer nach der Geburt eines Kindes sogar in höherem Ausmaß als zuvor, um mehr Geld für die Familie zu verdienen – sie kommen ihrer Ernährerrolle dementsprechend voll nach (vgl. Haas 2009, S. 739).

In Anbetracht der heutigen Vielfalt an existierenden familialen Lebensformen, kann es aufgrund eines Mangels an gesellschaftlichen Leitbildern und Vorstellungen gerade bei nicht-traditionellen Familienformen auch zu Unsicherheiten und Herausforderungen in der Rollenausbildung kommen. Gerade gegenüber nicht-leiblichen Kindern müssen Rollen vielfach erst im Sinne der gesamten Familie neu konstruiert werden (vgl. Kränzl-Nagl/Lange 2009, S. 149).

Legt man nun die Tatsache ins Zentrum der Aufmerksamkeit, dass alte traditionale Ge-schlechterbilder sich gelockert haben und aufgebrochen sind und gleichzeitig neue Rol-lenbilder von Männern und Frauen entstanden, dann wird deutlich, dass gegenwärtig eine Vielfalt an Vorstellungen über Männer wie Frauen, Väter wie Mütter, existiert, die sich teilweise ergänzen oder auch nebeneinander bestehen. Diesbezüglich konnten in-nerhalb der Forschung unterschiedliche Typen von Müttern wie auch Vätern und ebenso Typen der partnerschaftlichen und familialen Lebensgestaltung ausgemacht werden, welche sich an Rollenbildern über Männer und Frauen anlehnen und/oder orientieren.

Diese sollen folgend in Kürze beschrieben werden.

Hummer und Schulz (vgl. 2005, S. 353) verweisen beispielsweise auf vier Typen von Frauen in der heutigen Gesellschaft. Die moderne Gruppe der Frauen sieht eine Selbst-verständlichkeit im gleichzeitigen Bestehen von Erwerbsarbeit und Familie. Die Frau-engruppe der Selbstverwirklicher zieht der Familiengründung eine Erwerbstätigkeit vor – Kinder haben für diese Frauen keinen Einfluss auf das persönliche Glück. Die Kon-servativen bevorzugen hingegen eine Familiengründung und sehen prinzipiell keine Bedeutung in weiblicher Erwerbstätigkeit. Die vierte Gruppe ist die der Verweigerer.

Sie lehnen sowohl die weibliche Beteiligung am Arbeitsmarkt als auch eine Familien-gründung ab. Zur Verteilung innerhalb der Gesellschaft lässt sich, laut Schulz und Hummer, sagen, dass die modernen Frauen (von 12% auf 27%) sowie die Gruppe der Selbstverwirklicher (von 13% auf 20%) zugenommen haben. Die Anzahl der konserva-tiven und verweigernden Frauen hat gleichzeitig abgenommen (von 50% auf 36%/ von 26% auf 17%) (vgl. Schulz/Hummer 2005, S. 353).

Auch Catherine Hakim (2000) unterteilt im Rahmen ihrer Präferenztheorie die Frauen in drei Gruppen. Sie geht davon aus, dass zwischen einem Leben, welches auf Arbeit, Karriere und die Verpflichtungen eines Fulltime Jobs ausgerichtet ist und einem Leben, welches sich auf Hochzeit, Kinderkriegen und Kindererziehung sowie die Verpflichtun-gen des Familienlebens fokussiert, ein Konflikt besteht. Kurz gesagt: Es existiert, laut Hakim, ein Konflikt zwischen Produktion und Reproduktion als zentrale Aufgabe des Lebens und als Hauptmerkmal der persönlichen Identität und Leistung. Und da Frauen sich untereinander in ihren Präferenzen und Prioritäten in Bezug auf den Konflikt zwi-schen Erwerbstätigkeit und Familiengründung unterscheiden, haben sich drei

unter-schiedliche Typen von Frauen ausgebildet (vgl. Hakim 2000, S. 4). Die Familien- und Heimzentrierte Frau, die Arbeits- oder Karrierezentrierte Frau und die Anpassungsfähi-ge (Adaptive). Die Gruppe der Familien- oder Heimzentrierten Frauen, die ca. 20% in-nerhalb der weiblichen Bevölkerung ausmacht, legt ihre Prioritäten rein auf Familienle-ben und Kinderbetreuung. Eine zusätzliche Berufstätigkeit kommt kaum in Frage.

Ebenfalls zu etwa 20% sind die arbeits- und karrierezentrierten Frauen vertretem. Ihr Ziel ist es berufliche (oder auch sportliche, politische etc.) Erfolge zu verzeichnen und Karriere zu machen. Der Großteil der Frauen dieser Gruppe hat keine Kinder. Die größ-te Gruppe, ca. 60%, machen jedoch die anpassungsfähigen Frauen aus. Charakgröß-teristisch für diese Gruppe ist der Wunsch Familienleben und Erwerbstätigkeit zu kombinieren.

Erwerbstätigkeit wird hier sehr wohl gewünscht, jedoch geht es nicht darum Karriere zu machen (vgl. Hakim 2000, S. 6).

Eine Typologie moderner Vaterschaft entwirft Matzner. Er benennt vier Väterformen.

Den traditionellen Ernährer, den modernen Ernährer, den ganzheitlichen Vater sowie den familienzentrierten Vater. Der traditionelle Ernährer erachtet seine Vaterschaft so-wie die Reproduktionsfuntkion als selbstverständlich. Er hat einen ausgeprägten Kin-derwunsch legt jedoch größeren Wert auf den Beruf sowie auf traditionelle Rollenver-teilungen (vgl. Matzner 2004, S. 350f.). Der moderne Ernährer sieht Vaterschaft und Reproduktion ebenfalls als selbstverständlich, allerdings wird seine Identität nicht allei-nig von beruflichen Erfolgen, sondern auch zu einem großen Teil von Familienzugehö-rigkeit bestimmt. Eine traditionelle Rollenverteilung steht auch hier im Vordergrund, allerdings sieht dieser Vatertyp sich zuhause als Assistent der Mutter (vgl. ebd., S.

380f.). Der ganzheitliche Vater zeichnet sich durch einen hohen Kinderwunsch aus.

Vaterschaft ist bewusst, geplant sowie gut vorbereitet. Die Identität dieses Vatertyps bestimmt sich durch die Familienzugehörigkeit, den Beruf und eigene Interessen. Hier lässt sich keine typische Rollenverteilung finden. Eine geteilte Elternschaft steht im Vordergrund (vgl. ebd., S. 423f.). Beim vierten Typ, dem familienzentrierten Vater sind ebenso ein hoher Kinderwunsch sowie die Bewusstheit der Vaterschaft zentral. Die Identität wird rein durch die Familienzugehörigkeit bestimmt und die Rollen sind egali-tär verteilt (vgl. ebd., S. 434f.).

Eine Typologie für partnerschaftliche und familiale Lebensgestaltung hat Huinink ent-worfen. Er unterscheidet drei verschiedene Haupttypen. Traditionell orientierte Akteure leben das Ideal der modernen bürgerlichen Familie. Sie heiraten aus Liebe und wollen unbedingt Kinder haben (vgl. Huinink 1995, S. 179). Eingeschränkt-traditionell orien-tierte Akteure wollen Kinder und eine Familie gründen, jedoch gehen sie auch individu-ellen Ansprüchen und Zielen nach. Gleichberechtigte Interessen werden in den Vorder-grund gestellt, allerdings ist die Geschlechterbeziehung traditionell ausgereichtet, das heißt familiäre Arbeiten gehören zum Aufgabenbereich der Frau (Doppelbelastung). Bei diesen Familien, so Huinink, handelt es sich meist um Ein-Kind-Familien (vgl. ebd., S.

180f.). Hingegen hat bei den post-traditionell orientierten Akteuren die traditionelle Familienform keinen Einfluss mehr. Die eigenen individuellen Interessen und Neigun-gen stehen im Vordergrund. Berufliche Karriere und Familiengründung stehen sich hier gegenüber. Eine Partnerschaft wird nur akzeptiert und kann nur zu einer Familiengrün-dung führen, wenn egalitäre Strukturen möglich sind (vgl. ebd., S. 181f.). Zentral für seine Aufstellung einer Typologie für eine partnerschaftliche und familiale Lebensge-staltung ist, dass immer die Interessen beider ParnterInnen in der gemeinsamen Lebens-form vertreten sein müssen (vgl. ebd., S. 174).

Diese unterschiedlichen Typologien von Frauen, Männern und auch Paaren, verdeutli-chen die verschiedenen Werthaltungen und Vorstellungen, die gegenwärtig in der Ge-sellschaft vorhanden sind. Es zeigt sich, dass die Rollenbilder sich verändert haben. Sie sind aufgebrochen und neue Bilder von Männern, Frauen, Paaren und Kindern sind ent-standen, auch wenn alte, traditionelle Rollenbilder teils immer noch Einfluss haben. Vor allem ab der Geburt eines Kindes lässt sich vielfach eine Retraditionalisierung in der Rollenverteilung feststellen. Aufgrund der Vielfalt an differenzierten Werthaltungen sowie Frauen-, Männer- und Paartypen, die heute nebeneinander bestehen, wird außer-dem deutlich, wie und warum es zum Entstehen zahlreicher alternativer Lebensformen kommen konnte.

Das nächste Kapitel geht nun auf die Veränderungen in den Funktionen von Familie ein.