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3 Leistungsorientierte Entlohnung im theoretischen Kontext

3.3 Experimentelle Ökonomie und Mitarbeitermotivation

3.3.2 Verdrängungseffekt

Für die Frage, welche Form des Entlohnungssystems – leistungsorientiert oder nicht leistungsorientiert – gewählt werden soll, ist ein Blick auf die Motivationswirkung verschiedener Systemen zu richten. Die Motivation von Menschen kann intrinsischer oder extrinsischer Natur sein. Intrinsisch motivierte Mitarbeiter erledigen die Arbeit um ihrer selbst willen (BECKER 1995: 37, WOLFF UND LAZEAR 2001: 13). Zum Beispiel auf Grund von Freude an der Tätigkeit, dem Wunsch nach Anerkennung der Leistung oder aus altruistischen Zielen (z.B. in der ehrenamtlichen Tätigkeit). Extrinsische Motivation zielt hingegen auf eine indirekte Nutzenerfüllung ab. Die Tätigkeit wird ausgeführt, um dadurch etwas anderes zu erreichen (z.B. mehr Freizeit, teure Hobbies).

Wie in Kapitel 3.1 dargelegt wurde, gehen neoklassische Forschungsansätze zur Motivation von Mitarbeitern von einer durchweg positiven Wirkung extrinsischer Anreize aus und klammern intrinsische Anreize aus den Betrachtungen weitgehend aus, da sie ökonomisch schwer operationalisierbar sind (WOLFF UND LAZEAR 2001: 25-26) Leistungsorientierte Entlohnungssysteme zielen auf die Förderung extrinsischer Motivation ab. Die Motivationswirkung beruht auf dem Preiseffekt, d.h. auf den Opportunitätskosten, die mit „Bummeln“ bei der Arbeit verbunden sind. Ein Kritikpunkt an leistungsorientierten Entlohnungssystemen liegt im möglichen Auftreten eines Verdrängungseffekts (auch Crowding-Out-Effekt genannt). Experimente haben gezeigt, dass intrinsische Motivation durch extrinsische Motivation verdrängt werden kann (FREY ET AL. 2001: 563 ff., THEUVSEN 2003: 489).

Die Möglichkeit negativer Wechselwirkungen zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation basiert auf sozialpsychologischen Theorien.13 Eine unter ihnen, die in die ökonomische Theorie Eingang gefunden hat, ist die kognitive Bewertungstheorie von DECI (zitiert in FREY ET AL. 2001 oder auch THEUVSEN 2003). Kinder zeigen zum Beispiel weniger intrinsische Motivation ihren Eltern im Haushalt zu helfen, wenn sie dafür Geld erhalten, da dadurch Altruismus untergraben wird.

13 Eine ausführliche Metanalyse zu Experimenten, die den Zusammenhang zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation untersuchen, findet sich in DECI ET AL. 1999.

Der Verdrängungseffekt wurde von FREY und Co-Autoren in die ökonomische Theorie eingeführt. Zahlreiche Experimente zeigten, dass unter bestimmten Umständen der Verdrängungseffekt auftaucht. Der Preiseffekt extrinsischer Motivation wird dabei nicht in Frage gestellt. D.h., es wird grundsätzlich angenommen, dass die neoklassische Theorie greift und extrinsische Anreize isoliert betrachtet einen durchweg positiven Einfluss auf die Arbeitsmotivation haben. Zum Preiseffekt kommt jedoch der Verdrängungseffekt hinzu, also die Wirkung von extrinsischen Anreizen auf die intrinsische Motivation. Dieser kann in Abhängigkeit von der individuellen Situation positiv, neutral oder negativ wirken. Preis- und Verdrängungseffekt ergeben zusammen den Netto- oder Gesamteffekt, der die letztendliche Wirkung der extrinsischen Belohnung zeigt.

Der Gesamteffekt wird beeinflusst von der Höhe des (immer positiven) Preiseffekts und der Richtung des Verdrängungseffekts. Der Verdrängungseffekt wird von den folgenden Größen beeinflusst.

• Die Höhe der intrinsischen Motivation hat eine Auswirkung auf den Verdrängungseffekt. FREY geht davon aus, dass Arbeiter ohne Verantwortung und monotonen Arbeiten kaum über ein nennenswertes Maß an intrinsischer Motivation verfügen. Aus diesem Grund kann hier intrinsische Motivation auch nicht verdrängt werden. Der Effekt ist neutral. Es lässt sich ableiten, dass die Gefahr einer negativen Beeinflussung durch extrinsische Belohnungen bei Führungskräften, denen tendenziell ein hohes Maß an intrinsischer Motivation zugeschrieben wird, größer ist als bei Arbeitern.

• Ob ein negativer Verdrängungseffekt auftritt, hängt unter anderem davon ab, ob die Mitarbeiter die Einführung leistungsorientierter Entlohnungssysteme als Einschränkung ihrer Selbstbestimmung und als verstärkte Fremdkontrolle interpretieren Diese Gefahr ist besonders bei Mitarbeitern groß, für die finanzielle Anreize von untergeordneter Bedeutung sind (THEUVSEN 2003: 490).

• Eine entgegengesetzte Wirkung ergibt sich, wenn der extrinsische Anreiz als Unterstützung oder Anerkennung der Arbeit angesehen wird. In diesem Fall führen extrinsische Belohnungen also nicht zum „crowding out“, sondern zum

„crowding in“ (FREY UND JEGEN 2000: 9).

• Die Crowding-out-Wirkung kommt vor allem dann zum Tragen, wenn der extrinsische Anreiz von der Person, die ihn erhält, erwartet wird. Gelegentliche Belohnungen wirken folglich anders als regelmäßige.

• Die extrinsische Belohnung muss nicht monetär sein. Auch fiktive Belohnungen wie z.B. Smilies oder Goldsterne für besonders fleißige Schüler können einen negativen Verdrängungseffekt auslösen.

Als Spillover-Effekt wird die Übertragung der Erwartung von Belohnungen auf andere Arbeitsbereiche bezeichnet. Wird man für eine bestimmte Tätigkeit regelmäßig belohnt, so erwartet man diese Belohnung auch für andere Tätigkeiten. Die nicht belohnten Tätigkeiten werden womöglich nach einiger Zeit ohne zusätzliche Belohnung gar nicht mehr ausgeführt (ebenda: 311).

Von weiterer Bedeutung ist die wahrgenommene Fairness. Wird die ausgelobte Belohnung im Vergleich zu einer Referenzgröße als zu niedrig angesehen, kann die intrinsische Motivation ebenfalls sinken. Jedoch kann sie auch positiv oder neutral wirken, nämlich dann, wenn beispielsweise unterdurchschnittliche Lohnerhöhungen mit externen Gründen, wie einer angespannten Wirtschaftslage in Zusammenhang gebracht werden können (ebenda: 311).

Altruismus und die Erfüllung bürgerlicher Pflichten können ebenfalls durch extrinsische Belohnungen verdrängt werden. Dies zeigen Experimente mit Ehrenamtlichen oder NIMBY-Projekte, bei denen den Bürgern Geld als Entschädigung für den Bau des Projektes angeboten wird. Bei NIMBY-Projekten kommt hinzu, dass das Angebot einer Entschädigung auch mit dem Eingeständnis einer damit verbundenen Gefährdung angesehen werden könnte, obwohl dieser Effekt empirisch nicht bestätigt werden kann (FREY UND OBERHOLZER-GEE 1997: 750).

Aus dem Verdrängungseffekt ergeben sich für die Gestaltung von Anreizsystemen in der Landwirtschaft unter Umständen weit reichende Konsequenzen. Da das Auftreten des Verdrängungseffekts von verschiedenen Faktoren abhängt, ist es schwer abzuschätzen, ob extrinsische Anreize bei den Mitarbeitern in der Landwirtschaft zu einem negativen, neutralen oder positiven Effekt auf die Mitarbeitermotivation führen.

Aus den theoretischen Vorüberlegungen ist davon auszugehen, dass ein negativer Verdrängungseffekt auf den oberen Hierarchieebenen, sofern es diese im landwirtschaftlichen Betrieb überhaupt gibt, eher auftritt. Hier sind die Voraussetzungen für eine verantwortungsvolle, inhaltlich anspruchsvolle Aufgabe, die intrinsische Motivation fördert, in der Regel gegeben.

Aber auch auf der Ebene einfacherer Tätigkeiten in der Produktion sind die Arbeitsabläufe in der Landwirtschaft in der Regel abwechslungsreich und kaum mit monotonen, sich ständig wiederholenden Tätigkeiten verbunden. Deshalb ist auch hier ein gutes Maß an intrinsischer Motivation nicht auszuschließen.

Ob ein extrinsischer Anreiz als Kontrolle oder als Bestätigung angesehen wird, hängt wohl vor allem von der Persönlichkeit des Mitarbeiters ab, so dass hier keine allgemeingültige Antwort gegeben werden kann.