• Keine Ergebnisse gefunden

Prognosen zum Fachkräftebedarf in der Landwirtschaft

2 Rahmenbedingungen der Leistungsentlohnung in der Landwirtschaft

2.2 Zur Beschäftigungssituation in der Landwirtschaft in Deutschland

2.2.3 Prognosen zum Fachkräftebedarf in der Landwirtschaft

In Industriegesellschaften ist ein Rückgang der Arbeitsleistung in den landwirtschaftlichen Betrieben um durchschnittlich 2-3 % zu erwarten. Folgende Faktoren führen zum Rückgang der Beschäftigung in der Landwirtschaft:

• Das Engelsche Gesetz bedingt, dass in Industrienationen der Anteil der Lebensmittel an den Gesamtausgaben zurückgeht. Importe und Substitution heimischer Nahrungsmittel durch exotischere Nahrungsmittel führen zu abnehmendem Verbrauch heimischer Nahrungsmittel.

• Technischer Fortschritt führt dazu, dass Arbeit vermehrt durch Kapital ersetzt wird (ANDERMANN UND SCHMITT 1996: 631, BLANC UND PERRIER-CORNET

1999: 9).

• Die Verarbeitung von Rohstoffen wird zunehmend aus den landwirtschaftlichen Betrieben ausgelagert.

Im Folgenden soll zunächst auf die Altersstruktur der in der Landwirtschaft Beschäftigten eingegangen werden, da diese gemeinsam mit den Berufseintritten und -austritten in vielen Analysen als wichtiger Bestimmungsgrund des zukünftigen Fachkräftebedarfs betrachtet wird (WIENER ET AL. 2004, FOCK UND FECHNER 2003, FASTERDING 2003: 350).

Abbildung 3 zeigt die Altersstruktur der ständig beschäftigten landwirtschaftlichen Lohnarbeitskräfte für das frühere Bundesgebiet und die neuen Länder. Es wird deutlich, dass die jüngeren Altersklassen zwischen 15 und 34 Jahren in den neuen Bundesländern deutlich schwächer besetzt sind als im früheren Bundesgebiet. Die Altersgruppen 35 bis 44 Jahre und stellen im früheren Bundesgebiet die meisten Lohnarbeitskräfte. In den neuen Bundesländern konzentriert sich das Alter der Beschäftigten auf die mittleren Altersgruppen. Betrachtet man lediglich die Altersgruppe 60 Jahre und älter, so könnte der Nachwuchsmangel im früheren Bundesgebiet größer sein. Ansonsten sind die Überalterungstendenz bei den Lohnarbeitskräften und die Dringlichkeit, Nachwuchskräfte zu gewinnen, in den neuen Bundesländern größer.

ABBILDUNG 3:ALTERSSTRUKTUR DER STÄNDIG BESCHÄFTIGTEN LOHNARBEITSKRÄFTE IN DER

LANDWIRTSCHAFT IM JAHR 2005

0%

2%

4%

6%

8%

10%

12%

14%

16%

18%

15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60 und älter Altersgruppen

Früheres Bundesgebiet Neue Länder

Quelle: STATISTISCHES BUNDESAMT, Fachserie 3, Reihe 2.18

WIENER ET AL. (2004: 32 ff.) analysiert ergänzend die Altersstruktur der Lohnarbeitskräfte in den verschiedenen Rechtsformen. Im früheren Bundesgebiet sind demnach die Mitarbeiter der Unternehmen in der Rechtsform juristischer Personen besonders jung und die Mitarbeiter in den Unternehmen der Rechtsform natürlicher Personen besonders alt. In den neuen Bundesländern gilt das Gegenteil: Die Mitarbeiter in den Unternehmen der Rechtsform juristischer Personen sind hier im Durchschnitt erheblich älter.

Die Überalterung der Lohnarbeitskräfte in den neuen Bundesländern wird in vielen Studien als Indikator für einen sich ankündigenden Fachkräftemangel betrachtet (FOCKUND FECHNER 2003, DAHMS 1998, WIENER ET AL. 2004), da die Verrentungsphase der Mitarbeiter mit dem Berufseintritt geburtenschwacher Jahrgänge der Nachwendephase zusammenfällt. Die Überalterungstendenz betrifft nach den vorliegenden Analysen vor allem den Bereich der Führungskräfte (WIENERET AL. 2004:

11).

Ein weiterer Hinweis auf einen drohenden Fachkräftemangel in der Landwirtschaft wird in den zitierten Studien in der geringen Ausbildungsbeteiligung landwirtschaftlicher Unternehmen gesehen.

Die meisten Analysen zum Fachkräftemangel in der Landwirtschaft beziehen sich auf die neuen Bundesländern; sie sind teils bundeslandspezifisch durchgeführt worden.

Ergebnisse für das frühere Bundesgebiet liegen aus dem IAB-Betriebspanel 1999 vor.

In diesem Rahmen wurden Betriebsleiter nach den erwarteten Problemen aufgrund von Nachwuchsmangel befragt. Hier zeigte sich bei den Betrieben im früheren Bundesgebiet ein größeres Problem als bei den Betrieben in den neuen Bundesländern (FASTERDING

2003: 351 f.).

Analysen, die auf Auswertungen der gemeldeten und nachgefragten Stellen der Arbeitsämter im früheren Bundesgebiet basieren, kommen zu einem anderen Ergebnis.

Demnach gibt es dort keinen Fachkräftemangel in der Landwirtschaft, da die Anzahl der Arbeitsuchenden in den „grünen Berufen“ die der gemeldeten Stellen deutlich übersteigt und die Nachfrage der Landwirte nach den Bewerbern bei den Arbeitsämtern besonders gering ausfällt (KRÜGER 2005). Es ist jedoch fraglich, ob die Daten der Bundesagentur für Arbeit eine geeignete Datengrundlage zur Abschätzung des Fachkräftebedarfs darstellen, da nicht bekannt ist, wie viele Landwirte dem Arbeitsamt offene Stellen melden und/oder über diese Institution Mitarbeiter suchen. Es ist anzunehmen, dass viele Stellen in der Landwirtschaft auf anderen Wegen vergeben werden und gerade die Suche nach qualifizierten Arbeitskräften nicht über das Arbeitsamt geschieht.

Aus den vorliegenden Analysen lässt sich folglich keine eindeutige Prognose hinsichtlich des Fachkräftebedarfs ableiten. Im Rahmen der durchgeführten Betriebsleiterbefragung, die in Kapitel 5 vorgestellt wird, wurden die Betriebsleiter deshalb um eine Einschätzung des zukünftigen Fachkräftebedarfs für die Region und für den eigenen Betrieb gebeten. Auf einer fünfstufigen Skala konnten sie den Fachkräftebedarf von „stark sinkend“ bis „stark steigend“ angeben.

TABELLE 7:EINSCHÄTZUNG DES BETRIEBLICHEN FACHKRÄFTEBEDARFS5 Ackerbau

n=76 Futterbau

n=45 Veredlung

n=20 Verbund

n=64 Gesamt n=255

stark sinkend 1,3 % 0 % 0 % 1,6 % 0,8 %

etwas sinkend 35,5 % 24,4 % 5 % 31,3 % 27,1 % gleich bleibend 40,8 % 48,9 % 30 % 42,2 % 45,9 % etwas steigend 18,4 % 20 % 65 % 17,2 % 21,2 % stark steigend 2,6 % 6,7 % 0 % 7,8 % 4,8 % Quelle: Eigene Erhebung, Betriebsleiterbefragung

In Tabelle 7 ist die Einschätzung des betrieblichen Fachkräftebedarfs in Abhängigkeit von der betriebswirtschaftlichen Ausrichtung dargestellt. Es zeigt sich, dass die Betriebsleiter durchschnittlich mit einem gleich bleibenden betrieblichen Fachkräftebedarf rechnen. Es gibt jedoch einen hoch signifikanten Unterschied hinsichtlich der Prognose des zukünftigen Fachkräftebedarfs zwischen den verschiedenen betriebswirtschaftlichen Ausrichtungen. Während in 36,8 % der untersuchten Ackerbau-, 24,4 % der Futterbaubetriebe und 32,9 % der Verbundbetriebe ein sinkender betrieblicher Fachkräftebedarf prognostiziert wird, gehen die Betriebsleiter der Veredlungsbetriebe bis auf eine Ausnahme von einem gleich bleibenden bis steigenden Bedarf aus. Hervorzuheben ist, dass 65 % der befragten Betriebsleiter der Veredlungsbetriebe einen steigenden betrieblichen Fachkräftebedarf erwarten. Bei den Leitern von Acker- und Futterbaubetriebe ist es hingegen nur ein Viertel bis ein Drittel der Befragten, die einen steigenden Fachkräftebedarf prognostizieren. Dieses Ergebnis lässt sich wie folgt interpretieren: Im Acker- und Futterbau wirken Rationalisierungsmaßnahmen und der technische Fortschritt tendenziell arbeitssparend, während der technische Fortschritt in der Veredlung zwar auch rationalisierend wirkt, die Veredlung jedoch arbeitsintensiver ist.

Ein Betriebsleiter merkte an, dass es für ihn aufgrund der Arbeitsbedingungen (z.B.

Geruchsbelästigung) schwierig sei, Mitarbeiter für den Schweinestall zu finden. Dies sei neben Rentabilitätsüberlegungen ein wichtiger Grund für die Aufgabe der Schweineproduktion gewesen. Der technische Fortschritt würde für junge Leute den Arbeitsplatz in der Pflanzenproduktion immer attraktiver machen. Seine Mitarbeiter

5 Nicht gesondert ausgewiesen sind Betriebe, deren betriebswirtschaftliche Ausrichtung nicht eindeutig zu benennen war und die aus diesem Grund mehrere Antwortkategorien angegeben hatten.

seien durch die Arbeit mit modernen Maschinen leicht für die Arbeit im Ackerbau zu begeistern (Betriebsleiter A).

Die Betriebsleiter aus den alten und neuen Bundesländern unterscheiden sich signifikant in Bezug auf die Prognose des betrieblichen Fachkräftebedarfs. Die Betriebsleiter der ostdeutschen Betriebe schätzen den Fachkräftebedarf eher sinkend und die westdeutschen Betriebsleiter eher als steigend ein. Vor dem Hintergrund der dargelegten Beschäftigungssituation in den alten und neuen Bundesländern ist diese Einschätzung nachvollziehbar. Der Personalbestand der Agrargenossenschaften befindet sich teilweise immer noch in der Abbauphase oder hat sich konsolidiert. Der zu Beginn der 90er Jahre drastische Personalabbau in den Agrargenossenschaften wurde von 90-95 % der Betriebsleiter möglichst sozialverträglich durchgeführt (FECHNER 2006). D.h., es bestehen immer noch Einsparungspotenziale, die dazu führen, dass 50,9 % der Betriebsleiter von den untersuchten Genossenschaften den Personalbedarf als sinkend einschätzen.

Die Einschätzung des regionalen Fachkräftebedarfs unterscheidet sich nicht wesentlich von der Prognose der betrieblichen Fachkräftebedarfs. Aus diesem Grunde, wird auf eine gesonderte Darstellung der regionalen Situation verzichtet.

Die Ergebnisse dieser (nicht repräsentativen) Studie zeigen, dass ein wachsender Fachkräftebedarf eher in den alten als in den neuen Bundesländern zu erwarten ist.

Außerdem wird ein steigender Fachkräftebedarf für den Veredlungssektor prognostiziert. Offensichtlich planen hier die Betriebe eine Expansion und technischer Fortschritt scheint in den meisten Betrieben keine Arbeitskräfte zu substituieren.

Interessanterweise wird der Erfolg von Initiativen der berufständischen Vertretungen zur Stärkung der grünen Berufe, die einem zukünftigen Fachkräftemangel entgegenwirken sollen, zum Teil durch die Betriebsleitermentalität eingeschränkt. So unternimmt das Land Brandenburg eine Managementfortbildung für zukünftige Führungskräfte in der Landwirtschaft. Interessierte junge Leute mit einer entsprechenden landwirtschaftlichen Ausbildung haben die Möglichkeit, in einem landwirtschaftlichen Großbetrieb erste Betriebsleitererfahrungen zu sammeln und parallel durch Seminare Führungskompetenz zu erwerben. Leider gibt es inzwischen mehr Bewerber als freie Traineeplätze in den Betrieben, da viele Betriebsleiter nicht

bereit sind, Nachwuchskräfte, die nicht aus der Nachbarschaft kommen und zu denen bereits ein persönliches Verhältnis besteht, aufzunehmen (FECHNER 2006).

Hinzukommt, dass es bei einigen Betriebsleitern eine Diskrepanz zwischen ihrem

„gefühlten“ und tatsächlichen Alter gibt, die dazu führt, dass die Nachwuchsproblematik nicht früh genug wahrgenommen wird (ebenda).