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4 Gestaltungsmöglichkeiten materieller Anreizsysteme

4.2 Outputorientierte Entlohnungssysteme

4.2.3 Akkordlohn

Der Akkordlohn ist im Gegensatz zur Leistungszulage oder dem Prämienlohn eine rein leistungsabhängige Entlohnungsform.

Man unterscheidet den Geldakkord vom Zeitakkord. Beim Geldakkord erhält der Arbeiter pro geleistetes Stück einen zuvor definierten Geldbetrag.

In die Berechnung des Zeitakkords fließen zwei Größen ein. Zum einen der Akkordgrundlohn, der sich aus dem tariflich festgelegten Zeitlohn bemisst zuzüglich eines Akkordzuschlags, der etwa 30 bis 50 % beträgt. Akkordgrundlohn und –zuschlag ergeben zusammen den Akkordrichtsatz in Euro/h. Dividiert durch die Anzahl der Stücke, die pro Stunde produziert werden können, ergibt sich das Entgelt/Stück. Der Geldfaktor besagt, wie viel Euro/Minute bezahlt werden (EISENFÜHR UND THEUVSEN

2004: 215). Besondere Bedeutung bei der Bemessung des Akkords kommt Arbeitsstudien zu, auf deren Grundlage festgelegt wird, wie lange die Erstellung einer Arbeitseinheit (eines Werkstücks) dauert.

Der Akkordlohn kann auf individueller oder Gruppenbasis bezahlt werden. Der letztere Fall findet Anwendung, wenn der Einzelne das Ergebnis nicht alleine beeinflusst. Die Vor- und Nachteile von Gruppenentlohnungen werden in Kapitel 4.2.4 diskutiert.

Ein sinnvoller Einsatz des Akkordlohns ist an verschiedene Bedingungen geknüpft (ebenda: 216):

• Es müssen eindeutig messbare Leistungskriterien zu finden sein.

• Das Ergebnis muss von den betreffenden Mitarbeitern wirklich beeinflussbar sein.

• Damit sich der Aufwand der Arbeitsstudien lohnt und die Mitarbeiter eine normale Leistung erreichen können, muss die Arbeit über längere Zeit gleich bleibend sein. Diese Eigenschaft bezeichnet man als Akkordfähigkeit.

• Der Arbeitsablauf muss akkordreif, d.h. störungs- und mängelfrei sein.

Die Vorzüglichkeit des Akkordlohns wird sich in der Landwirtschaft nicht allzu leicht einstellen, denn die meisten Tätigkeiten in der Landwirtschaft unterliegen

stochastischen Einflüssen und sind nicht über länger Zeit gleich bleibend. In der Landwirtschaft findet der Akkordlohn daher vor allem in der Gemüse- und Obsternte Anwendung. Vor allem Erntehelfer werden in diesen Bereichen im Akkord bezahlt.

BILLIKOPF (2003: 103) berichtet von einem landwirtschaftlichen Obstanbauer, der nach der Einführung des Geldakkordsystems feststellte, dass die Leistung seiner Mitarbeiter deutlich höher als erwartet ausfiel. Daraufhin beschloss er den Lohn/Stück zu senken.

Daraufhin verließen ihn die besten Mitarbeiter und die Motivation der verbleibenden Mitarbeiter nahm beträchtlich ab. Das Beispiel zeigt, dass der Bemessung des Lohns/Stück und der exakten Feststellung der Normalleistung besondere Bedeutung zukommt, denn einmal eingeführte Lohnhöhen pro Arbeitseinheit lassen sich im Nachhinein schwer senken. Die Reaktion der Mitarbeiter ist konsistent mit der theoretischen Bedeutung des Status Quo und der Verlustaversion.

Die Vorteile des Akkordlohns sind die Bindung der Bezahlung an die Leistung, sofern diese wirklich vom Mitarbeiter beeinflussbar ist. Außerdem können die Mitarbeiter zu starken Bemühungen motiviert werden und eine positive Selektion der Mitarbeiter ist ebenfalls möglich.

Die oben genannten Vorteile des Akkordlohns können durch empirische Ergebnisse gestützt werden. LAZEAR (2000b) beschreibt eine Fallstudie aus dem Unternehmen Safelite Glass Corporation, einem Unternehmen, das Autoscheiben herstellt und einbaut. Durch den Übergang zum Akkordsystem ergab sich ein Anstieg der Produktivität um 44 %. Er besteht nach LAZEAR (2000b: 1347) aus zwei Effekten.

Erstens steigt durch die Akkordentlohnung die Produktivität der durchschnittlichen Arbeiter und zweitens werden durch das System fähigere Arbeiter angezogen und hoch produktive Arbeiter verlassen seltener die Firma. Im obengenanten Beispiel erhalten die Arbeiter im Akkordsystem durchschnittlich eine 10 %ige Erhöhung ihres Lohnes im Vergleich zum Stundenlohnssystem.

Es besteht bei der Akkordentlohnung aber die Gefahr, dass durch den Akkord die Qualität des Produkts leidet (WOLFF UND LAZEAR2001: 274, SCHOLZ 2000: 752). Ist die Produktqualität entscheidend, so kann der Akkordlohn an eine Qualitätsprämie gekoppelt werden. In der Firma Safelite müssen die Arbeiter Qualitätsmängel unbezahlt nachbessern, bevor sie bezahlte Aufträge ausführen dürfen (LAZEAR 2000b: 1358). Der

Qualitätsmangel äußert sich im oben genannten Beispiel durch gebrochene Autoscheiben, die auf unsachgemäßen Einbau zurückzuführen sind.

Ein weiterer Nachteil des Akkordlohns ist eine mögliche Überforderung der Mitarbeiter durch das Entlohnungssystem. Außerdem kann sich bei dauerhafter Erhöhung der Normalleistung der Akkordlohn zu einem Fixlohn entwickeln, wenn sich die Mitarbeiter mit ihrer Leistung immer an der Obergrenze bewegen (SCHOLZ 2000: 752).

In diesem Fall würde vom Akkordlohnsystem kein zusätzlicher Leistungsanreiz mehr ausgehen.

Die nachstehende Abbildung 12 zeigt den Verlauf des Akkordlohns in Euro in Abhängigkeit von der Anzahl der Besamungen nach dem Tarifvertrag der Rinderzucht Schleswig-Holstein (RSH) eG, dessen Entlohnungsregelungen für Außendienstmitarbeiter in Kapitel 2.3.2.1 dargestellt wurden.

ABBILDUNG 12:STUNDEN- VERSUS AKKORDENTLOHNUNG IN DER RINDERZUCHT

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000

2600 2700 2800 2900 3000 3100 3200 3300 3400 3500 3600 Besamungen

Euro

Akkordlohn Zeitlohn 3237

Quelle: Eigene Darstellung, Entgelttarifvertrag für die Beschäftigten der Rinderzucht Schleswig-Holstein eG vom 16.01.2002 und Tarifvertrag für die Vergütung von Außendienstmitarbeitern der Rinderzucht Schleswig-Holstein eG vom 16.06.2003

Im hier angeführten Beispiel setzt sich der Akkordlohn aus einem Grundlohn von 50 % der Entgeltstufe III (Alterstufe 24. bis 30. Lebensjahr) und einem Akkordzuschlag von 4,35 Euro pro Besamung, der ab der 3016. Besamung greift, zusammen. Zum Vergleich

ist der Lohn bzw. das Gehalt der entsprechenden Entgeltstufe III dargestellt, den die Außendienstmitarbeiter in der Realität jedoch nicht erhalten, da sie ausschließlich im Akkordsystem arbeiten. Der Tarifvertrag sieht weitere Prämien vor. Diese sind aus Gründen der Vereinfachung hier nicht aufgeführt.

Es wird deutlich, dass ein Unternehmen, das ein Zeitlohnsystem bietet, vor allem für Mitarbeiter attraktiv ist, die weniger als 3.237 Besamungen im Jahr durchführen. Ab dieser Anzahl der Besamungen wird das Arbeiten im Akkordsystem attraktiver.

Akkordlohnsysteme haben deshalb einen positiv wirkenden selektiven Charakter in Bezug auf die Leistung der Mitarbeiter. Das Beispiel ist insofern hypothetisch, als dass Mitarbeiter von Rinderzuchtgenossenschaften in einer bestimmten Region in der Regel nicht die Auswahl zwischen verschiedenen Genossenschaften haben.

Die Grafik verdeutlicht außerdem, wie stark die Einkommensmöglichkeiten mit der Anzahl der Besamungen steigen. Eine Obergrenze sieht der Entgelttarifvertrag nicht vor. Die Anzahl der Besamungen wird jedoch alleine durch die Anzahl der Rinderhalter im Bezirk und der technisch möglichen Besamungen (inklusive Anfahrt) beschränkt.

Damit die Qualität der Besamungen nicht leidet, wird ein Besamungsindex von 1,8 als Standard bei der Bemessung des Akkordlohns zugrunde gelegt.

Der fortschreitende Strukturwandel und die Milchleistungssteigerungen in den landwirtschaftlichen Betrieben führen dazu, dass im Zeitablauf die Anzahl der Besamungen im Bereich der RSH für die Besamungstechniker sinken wird. Dadurch wird die Möglichkeit, durch das Leistungslohnsystem ein großes zusätzliches Einkommen zu erzielen, geringer. Dieser Problematik wird im oben genannten Tarifvertrag Rechnung getragen. In Paragraf 11 ist verankert, dass von Seiten der Genossenschaft alles getan wird, um die 3.350 grundgebührenpflichtigen Besamungen pro Tierzuchttechniker zu erhalten.