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4 Gestaltungsmöglichkeiten materieller Anreizsysteme

4.2 Outputorientierte Entlohnungssysteme

4.2.6 Turnierentlohnung

Die Turnierentlohnung (oder Rank-Order-Tournament) ist eine relative Entlohnungsform. Die Mitarbeiter werden bei der Turnierentlohnung nach ihrer relativen Leistung in eine Rangfolge gebracht und entlohnt.

Für diese Form der leistungsorientierten Entlohnung ist es daher nicht notwendig, die Leistung kardinal zu messen. Die Leistung wird durch ordinale Messung, nämlich durch Einstufung in Rangreihen, bestimmt. Dies unterscheidet die Turnierentlohnung von der relativen Leistungsbewertung, wo neben dem Rang der Wettbewerber auch der Leistungsabstand zwischen den Teilnehmern in die Entgelthöhe einfließt (BUDDE UND

WIELENBERG 1997: 924 f., KNOEBER UND THURMAN 1994:155).

Die Turnierentlohnung hat dann Vorteile, wenn die Leistung nicht kardinal messbar ist und stochastische Einflüsse den Output beeinflussen. Außerdem ist sie vorteilhaft, wenn noch keine Erfahrungen über sinnvolle Werte zur Entlohnung des Outputs fehlen.

Mit der Turnierentlohnung sind jedoch auch einige mögliche Nachteile verbunden. Es ist zum Beispiel möglich, dass sich die Wettbewerber untereinander absprechen.

Außerdem hat sie dort Nachteile, wo ein Teamverhalten für die Produktion des Outputs notwendig ist, denn Turnierentlohnung unterdrückt vollständig Teamproduktion (BUDDE UND WIELENBERG 1997: 943).

Die Anreizwirkung von Turnierentlohnungen ist ferner vom Informationsstand der Wettbewerber bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit abhängig. Handelt es sich um gleich leistungsfähige Mitarbeiter, so ist von einer positiven Anreizwirkung eher auszugehen als bei heterogenen Leistungspotenzialen der Mitarbeiter. Ist die Leistung der Mitarbeiter nämlich heterogen und sind die Leistungsunterschiede den Mitarbeitern bekannt, so führt dies zu einer verminderten Leistungsbereitschaft der leistungsstarken und leistungsschwachen Mitarbeiter. Die leistungsstarken Mitarbeiter brauchen nur eine geringere Anstrengung aufbringen als im Wettbewerb mit gleich starken Wettbewerbern. Die leistungsschwachen Mitarbeiter hingegen bemühen sich weniger, da sie davon ausgehen, dass sie den Wettbewerb ohnehin nicht gewinnen können (KNOEBER UND THURMAN 1994: 157).

KNOEBER UND THURMAN schlagen zwei Maßnahmen vor, um die Anreizwirkung bei vollständiger Information heterogenen Wettbewerber über die Fähigkeiten der Mitspieler zu sichern. Organisatoren von Turnieren können weitere Spieler beauftragen, am Spiel teilzunehmen oder ein Handicap-System einführen, das dem schlechteren Wettbewerber einen Vorsprung einräumt (ebenda: 170).

Turnierentlohnungen erhöhen – wie Stücklohnsysteme übrigens auch – Durchschnitt und Varianz der Leistungen. Heterogene Spieler unterscheiden sich auch in der Risikofreudigkeit ihrer Aktivitäten. Die fähigeren Spieler verhalten sich eher risikoavers und vollbringen Leistungen mit geringerer Varianz und die schwächeren Mitbewerber verhalten sich eher risikofreudig, um durch riskante Aktionen ihre Chancen auf einen Gewinn des Turniers zu erhöhen.

Ein Beispiel für Turnierentlohnung stellen Beförderungen dar, da Mitarbeiter in Abhängigkeit von ihrer relativen Leistung in der Hierarchie aufsteigen. Weitere Beispiele finden sich in der Zulieferindustrie von Automobilherstellern oder bei Forschungs- und Entwicklungswettbewerben (BUDDE UND WIELENBERG 1997: 923).

KNOEBER UND THURMAN (1994) testen zwei verschiedene Entlohnungssysteme in der Vertragsproduktion von Mastbroilern. In einem Fall handelt sich um ein Entlohnungssystem des Turniertyps und im zweiten Fall um ein Vergütungssystem mit einer linearen relativen Leistungsbewertung. Die Leistung des Mästers bemisst sich in beiden Entlohnungstypen anhand der Mastkosten je produziertes Mastgewicht. Im Turniermodell werden die Mäster nach ihrer Rangfolge in der Höhe der Mastkosten pro Pfund bezahlt. Im Modell der relativen Leistungsbewertung wird die Entlohnung nach dem Abstand zum durchschnittlichen Mäster bestimmt.

In den beobachteten Fällen der Mastbroilerproduktion gibt es zwei Parteien. Der Integrator ist eine Hähnchen verkaufende Firma, die dem Mäster (Grower) Küken, Futter, tierärztliche Leistungen und Beratungsdienst zur Verfügung stellt. Alle Mäster erhalten das gleiche „Ausgangsmaterial“ und Service. Der Mäster zieht die Küken zum Mastbroiler auf und stellt Unterbringung und Arbeitskraft. Der Integrator „erntet“ und verkauft die ausgemästeten Broiler.

Im Wettbewerb befinden sich alle Mäster des Integrators, die im Zeitraum von 1-2 Wochen die Broiler „ernten“. Die Leistung des Mästers besteht im Wesentlichen in einer guten Futterumsetzung der Tiere, geringen Mortalitätsraten und schweren Tieren, die die Höhe der Mastkosten bestimmen (KNOEBER UND THURMAN 1995: 487). Die Entlohnung nach Turnier oder relativer Leistungsbewertung eignet sich in diesem Fall, da zwar stochastische Einflüsse die Produktion beeinflussen, diese jedoch alle Mäster im gleichen Maße betreffen (KNOEBER UND THURMAN 1994: 162).

Die Autoren konnten hinsichtlich der theoretischen Vorhersagen zur Turnierentlohnung feststellen, dass die Leistung der Mäster vom Entlohnungsabstand zwischen den Wettbewerbern abhängt und nicht von der absoluten Höhe der Entlohnung – sofern der Lohnabstand zwischen Gewinnern und Verlierern gleich bleibt. Die Implikation für Arbeitgeber, die die Turnierentlohnung anwenden, ist, dass ein Anreiz zur Leistungssteigerung nur über eine Erhöhung des Lohnabstands zwischen Gewinnern und Verlierern gesetzt werden kann. Diesen Sachverhalt verdeutlicht Abbildung 13.

ABBILDUNG 13:BESTIMMUNG DER ARBEITSANSTRENGUNG BEI DER TURNIERENTLOHNUNG

GK der Anstrengung: Grenzkosten der Anstrengung, Arbeitsleid GE: Grenzerlös des Gewinnens

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Vorlesungsunterlagen von SHELDON 2007

Der Nutzen maximierende Wettbewerber wird nur so viel Arbeitsanstrengung aufbringen, bis der Grenzerlös des Gewinnens gleich den Grenzkosten seines Bemühens ist. Die Grenzkosten der Anstrengung können auch als Arbeitsleid bezeichnet werden.

Ist der ausgelobte Preis des Gewinnens gering, so wird ein Wettbewerber ein niedriges Anstrengungsniveau wählen (verdeutlicht durch den Punkt X). Bei einem hohen Grenzerlös des Gewinnens wird sein Anstrengungsniveau steigen (Punkt Y). Wie hoch die Anstrengung ausfällt, hängt außerdem vom Verlauf der Grenzkostenkurve und vom Ausmaß der Unsicherheit ab. Verläuft die Grenzkostenkurve oberhalb der in Abbildung 13 dargestellten Grenzkostenkurve, so muss der Arbeitgeber einen höheren Preis für den Gewinner ausloben. Unterliegt der Output größeren Schwankungen, so muss sich ebenfalls das Gewinnen des Turniers mehr lohnen, da es für die Mitarbeiter schwieriger wird abzuschätzen, ob sich die Bemühung lohnt. Da also die Wahrscheinlichkeit das Turnier durch die individuelle Arbeitsleistung zu gewinnen bei zunehmender

Lohn

Anstrengung GEhoch

GEniedrig

Anstrengung gering Anstrengung hoch

X

Y Lohnabstand

zwischen Gewinnern und Verlieren

GK der Anstren gung

Unsicherheit sinkt, muss die Lohnspreizung zwischen Gewinnern und Verlieren steigen (BACKES-GELLNER ET AL. 2001: 173).

KNOEBER UND THURMAN (1994: 178) konnten außerdem anhand ihres Datenmaterials zeigen, dass sich die Varianz der Leistung bei den Turnierteilnehmern bei heterogener Wettbewerberstruktur unterscheidet. Die leistungsschwächeren Mäster zeigten höhere Varianzen in der Leistung als die Leistungsstärkeren. Ineffizienzen in gemischten Wettbewerbssituationen werden dadurch vermieden, dass immer die Mäster im Wettbewerb stehen, die ähnlich lange Produktionsperioden haben. Die Länge der Produktionsperiode ist Ausdruck für die Arbeitsleistung der Mäster, da die erfolgsreichen Mäster kürzere Produktionszyklen als die leistungsschwächeren Mäster haben.

Zwar wird ein Mäster schon durch kürzere Mastzyklen zusätzlich entlohnt, die Turnier-entlohnung bietet aber sowohl dem leistungsstärkeren als auch dem -schwächeren einen Anreiz, die Mastkosten weiter zu senken. Dadurch sinken die durchschnittlichen Mast-kosten für den Integrator insgesamt.

Die Turnierentlohnung hat einen Nebeneffekt. Das Preisrisiko wird vom Mäster an den Integrator übertragen, da für die Entlohnung der Mäster nur die relative Höhe der Mastkosten eine Rolle spielt. Die Firmen, die die fertigen Broiler vermarkten, verfügen über ein großes Portfolio an Produkten, wodurch ihr Risiko diversifiziert wird. Für den Integrator ist die Übernahme des Preisrisikos kein Nachteil, da durch diesen Mechanismus das Angebot an Broilern konstant bleibt (KNOEBER UND THURMAN 1994).