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2 Rahmenbedingungen der Leistungsentlohnung in der Landwirtschaft

2.3 Arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen

2.3.2 Kollektives Arbeitsrecht

Das kollektive Arbeitsrecht regelt die Existenz, Organisation und Funktion der arbeitsrechtlichen Vertretungsorgane (z.B. Betriebsräte, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände).

2.3.2.1 Tarifvertragsrecht

Das deutsche Arbeitsrecht ist geprägt vom Grundsatz der sozialen Selbstverwaltung.

Hierzu zählen die Koalitionsfreiheit und die Tarifautonomie (RICHARDI 2006: XXXIV).

Das Tarifvertragsgesetz (TVG) regelt Inhalt und Form des Tarifvertrags. Dieser besteht aus einem schuldrechtlichen Teil, der die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien bestimmt und dem normativen Teil, in dem Inhalt, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverhältnissen geregelt werden (EBENDA: XXXV).

Im Unterschied zum Arbeitsvertrag bedürfen Tarifverträge der Schriftform, die Tarifvertragsparteien sind Gewerkschaften sowie Arbeitgeberverbände und einzelne Arbeitgeber.

Für Tarifverträge gilt das Unabdingbarkeitsprinzip, d.h. seine Rechtsnormen gelten unmittelbar und zwingend. Ausnahmen hiervon sind die Gestattung von abweichenden Vereinbarungen im Tarifvertrag oder veränderte Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers (Günstigkeitsprinzip).

Manteltarifverträge regeln die allgemeinen Arbeitsbedingungen, während die Höhe der Löhne und Entgelte in Vergütungs- und Entgelttarifverträgen geregelt ist. Tarifverträge haben Vorrang vor Betriebsvereinbarungen, sind jedoch gegenüber den Gesetzen die rangniedere Rechtsquelle (EISENFÜHR UND THEUVSEN 2004: 188-189).

Tarifgebunden sind die Mitglieder der Vertragsparteien und die Arbeitgeber, die selbst eine Vertragspartei darstellen (§ 3 Absatz 1).

In den Tarifgebieten Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen bestehen Tarifverträge mit einem Leistungsbezug nur in der Entgeltgestaltung für die Melker in Schleswig-Holstein und Niedersachsen und für die Außendienstmitarbeiter der Rinderzucht Schleswig-Holstein (WEIDEL 2006).

Der Tarifvertrag über die Vergütung von Außendienstmitarbeitern der Rinderzucht Schleswig-Holstein eG vom 01.09.2002 sieht das folgende Entlohnungsschema vor:

• Die Außendienstmitarbeiter erhalten eine Grundvergütung von 50 % der Entgeltgruppen III bzw. IV des Entgelttarifvertrages der RSH. Nach Vollendung des 50. Lebensjahres erhalten die Mitarbeiter 55 % der Entgeltgruppe IV als Grundvergütung. Die Grundvergütung gilt 3.015 Besamungen bei einem Index von 1,8 ab (§ 2 Nr. 1).

• Ab der 3016. Besamung erhielten die Mitarbeiter zum September 2002 4,35 € pro Besamung. Die Anpassung des Betrages erfolgt nach den jährlichen Tarifabschlüssen (§ 2 Nr. 2).

• Außerdem sieht der § 2 einen so genannten Zonenzuschlag vor (Nr. 4), der als Ausgleich für einen erhöhten Zeitaufwand durch schwierige Verkehrswege, eine

geringe Kuhbestandsdichte oder das Zuchtniveau vorgesehen ist. Es werden im oben genannten Tarifvertrag drei verschiedene Stufen der Ausgleichszahlung ausgewiesen.

• Für durchgeführte und abgerechnete Trächtigkeitsuntersuchungen erhalten die Techniker einen Stücklohn von 1,02 € (§ 6).

• Zusätzliche Prämien gibt es für die vom Tierzuchttechniker angemeldeten und verkauften Tiere in Höhe von 5,11 € (§ 7) und für die Neuanwerbung von Betrieben eine Zahlung von 2,6 € pro Besamung für die Dauer von 2 Jahren (§

8).

Für die Melker in Schleswig-Holstein sieht der Lohntarifvertrag vom 01.01.2000 die folgenden Prämien vor (§ 3), die zusätzlich zum tarifvertraglich geregelten Grundlohn bezahlt werden:

• Eine Milchleistungsprämie differenziert nach der Anzahl der melkenden Personen je volle 100 Einheiten Fett und Eiweiß (FE) (Nr. A).

• Eine Abkalbeprämie für Betriebe mit überwiegender Abkalbung aus dem eigenen Bestand von 14 DM für jedes innerhalb von 13 Monaten nach dem letzten Abkalben lebend geborene Kalb (Nr. B).

• Eine Aufzuchtprämie in den ersten drei Lebensmonaten des Kalbes von 8 DM je Kalb (Nr. C).

• Prämien für den Verkauf von Tieren gestaffelt nach Schlachtkalb, Jungvieh und Großvieh zum Schlachter sowie Zucht- und Nutzvieh.

2.3.2.2 Betriebsverfassungsrecht und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer

Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die betriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmer.

Die Gruppe der Arbeitnehmer wird vom Betriebsrat repräsentiert. Für Arbeitgeber und Betriebsrat ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit geboten (RICHARDI 2006: XVII).

Die Größe des Betriebsrates hängt von der Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer des Betriebes ab.6 Dem Betriebsrat kommen allgemeine Aufgaben (§ 80 BetrVG Absatz 1) und besondere Aufgaben zu. Zu den allgemeinen Aufgaben des Betriebsrates gehört es, auf die Einhaltung der Gesetze und Regelungen zugunsten der Arbeitnehmer zu achten. Zu den besonderen Aufgaben gehören die sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten, hier hat der Betriebsrat Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte (RICHARDI 2006: XVII).

Die Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Einführung von Entlohnungsgrundsätzen, die Einführung, Anwendung oder Änderung von neuen Entlohnungsmethoden sowie die Festsetzung von Akkord- und Prämiensätzen gehören zu den sozialen Angelegenheiten (§ 87 Nr. 10 und 11 BetrVG).

D.h., für landwirtschaftliche Betriebe, die einen Betriebsrat haben, ist die Lohngestaltung nicht alleine durch die Betriebsleitung festzulegen. Nach Einschätzung der IG Bauen-Agrar-Umwelt gibt es in Deutschland derzeit 100 Betriebsräte in der originären Landwirtschaft (HEIL 2007). Folglich spielen Betriebsräte in der Landwirtschaft eine sehr geringe Rolle und nur wenige landwirtschaftliche Lohnarbeitskräfte werden in ihren Interessen durch Betriebsräte vertreten.

Neben dem, durch das Arbeitsrecht begründeten, betrieblichen Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer kommt in bestimmten Rechtsformen noch das unternehmerische Mitbestimmungsrecht zur Geltung. In einigen Unternehmen wird den Arbeitnehmern eine Beteiligung am Aufsichtsrat zu einem Drittel eingeräumt. Diese Beteiligung regelt das Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) vom 18.05.2004. Es betrifft alle Kapitalgesellschaften ab 500 Arbeitnehmern und die Aktiengesellschaften und KGaA unter 500 Arbeitnehmern, sofern es sich nicht um Familienunternehmen handelt.

Ausgeschlossen von diesem Gesetz sind ferner die so genannten Tendenzbetriebe (z.B.

Unternehmen mit politischer, konfessioneller, karitativer oder wissenschaftlicher Bestimmung) und die Unternehmen der Montanunternehmen. Für letztere finden nämlich das Mitbestimmungsgesetz der Montanindustrie oder das Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz Anwendung (§ 1 DrittelbG).

6 Zu den Arbeitnehmern im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzten gehören Mitglieder der Unternehmensleitung. Der Personenkreis, der nach dem BetrVG kein Arbeitnehmer ist, wird detailliert in

§ 5 beschrieben.

Nach der Agrarstrukturerhebung 2005 wurden im betreffenden Jahr 4.900 landwirtschaftliche Betriebe in der Rechtform juristischer Personen bewirtschaftet. In diesen Betrieben waren insgesamt 64.000 ständig beschäftigte Lohnarbeitskräfte beschäftigt. Der überwiegende Teil dieser Betriebe verfügt über mehr als 100 ha LF.

1.100 dieser Betriebe hatten mehr als 1.000 ha LF und benötigten für die Bewirtschaftung durchschnittlich 32,19 ständige Lohnarbeitskräfte. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass der überwiegende Teil der Arbeitnehmer in den juristischen Personen nicht vom Drittelbeteiligungsgesetz betroffen ist, da nur eine geringe Zahl der Kapitalgesellschaften in der Landwirtschaft mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen wird. Die AG und KGaA spielen in der Landwirtschaft eine geringe Rolle. Dies zeigt auch die Bedeutung der verschiedenen Rechtsformen in der Stichprobe der Betriebsleiterbefragung, die in Kapitel 5.2.1 dargestellt wird.

In diesem Kapitel wurden einige wichtige Rahmenbedingungen für die leistungsorientierte Lohngestaltung in der Landwirtschaft dargestellt. Es lässt sich festhalten, dass landwirtschaftliche Produktionsprozesse von stochastischen Größen beeinflusst werden, die die objektive Messbarkeit des individuellen Leistungsbeitrags der Mitarbeiter erschweren. Außerdem resultieren aus den Eigenheiten der agrarischen Produktion Flexibilitätserfordernisse an die Arbeitsorganisation und punktuell hohe Arbeitsbelastungen. In landwirtschaftlichen Familienbetrieben sind starke Verflechtungen zwischen Haushalt und Familie vorzufinden. Altruismus und Loyalität prägen in vielen Fällen die Arbeitshaltung der Familienmitglieder. Trotz der hohen Arbeitsbelastung sind Landwirte sehr zufrieden mit ihrer Tätigkeit. Sie bietet direktes Feedback und fördert dadurch intrinsische Motivation, die eine zentrale Stellung in der Frage nach der optimalen Anreizgestaltung einnimmt, wie das folgende Kapitel zeigen wird. Die genannten Besonderheiten der Agrarproduktion spiegeln sich zum Teil auch in der Agrarstatistik wider. So lässt sich z.B. die überdurchschnittliche Arbeitsbelastung statistisch nachweisen und kann gemeinsam mit vergleichsweise geringen Löhnen ein Hindernis für die Motivation, Bindung und Anwerbung von Lohnarbeitskräften darstellen. Diese erlangen eine wachsende Bedeutung für die deutsche Landwirtschaft, wie die Auswertung der statistischen Daten verdeutlichen. Neben den biologisch und klimatisch bedingten Grenzen der Leistungsentlohnung in der Landwirtschaft sind aber auch arbeitsrechtliche Restriktionen zu beachten, wie im letzten Abschnitt dieses Kapitels erläutert wurde.

3 Leistungsorientierte Entlohnung im theoretischen