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3 Leistungsorientierte Entlohnung im theoretischen Kontext

3.1 Institutionen- und personalökonomische Forschungsansätze

3.1.3 Die Theorie der Effizienzlöhne

Unter dem Begriff „Personalökonomik“ versteht man die Anwendung mikroökonomischer Prinzipien auf Personalfragen (LAZEAR 2000a: F611).

Personalökonomische Fragestellungen haben vorwiegend in den letzten 20 Jahren Eingang in ökonomische Publikationen gefunden.

Die Hauptgründe für die Bearbeitung personalwirtschaftlicher Fragestellungen durch Ökonomen liegen zum einen in der ökonomisch unbefriedigenden Bearbeitung durch Human-Resource-Spezialisten und zum anderen in der Verbreitung der Agency- und Kontrakttheorie, durch die die Ökonomen geeignete Konzepte zur Behandlung personalwirtschaftlicher Fragestellungen zur Verfügung haben (ebenda: F611).

Das Ziel der Personalökonomie ist es, ökonomische Instrumente anzuwenden, um die Handlungsweisen von Praktikern und Beratern a) zu verstehen und b) Handlungsempfehlungen zu geben (ebenda: F611). Die Personalökonomik nimmt die Rationalität der handelnden Akteure an. Die Herangehensweise lässt imperfekte Information und das Vorhandensein von Transaktionskosten zu, jedoch geht sie davon aus, dass das Verhalten der Akteure von ihrer Interaktion bestimmt wird und nicht durch Kräfte außerhalb ihres Einflussbereiches. Effizienz ist ein zentrales Konzept der Personalökonomik. In der Personalökonomik werden alle Formen der Kompensation in monetärer Form ausgedrückt. Nicht-monetäre Formen der Kompensation werden durch ein Äquivalent ausgedrückt (ebenda: F613).

Eine personalökonomische Lösung von Anreizproblemen bietet die Effizienzlohntheorie (STIGLITZ 2002: 464-465,SHAPIRO UND STIGLITZ 1984: 433 f.). Sie basiert auf der Beobachtung interindustrieller Lohnunterschiede. Demnach gibt es Unternehmen, die ihren Mitarbeitern überdurchschnittliche Löhne zahlen und diese über den überdurchschnittlichen Lohn an sich binden. Die Gewährung überdurchschnittlicher Löhne hat wirtschaftspolitische Auswirkungen, denn sie führen zu Arbeitslosigkeit, da zu dem überhöhten Preis mehr Menschen arbeiten wollen, als Angebot vorhanden ist.

Informationsasymmetrien führen nach dem Modell von SHAPIRO UND STIGLITZ dazu, dass es nicht zur Markträumung kommt und Arbeitslosigkeit im Marktgleichgewicht vorkommt.

Abbildung 5 zeigt das Effizienzlohnmodell, das im Folgenden in seinen Grundzügen erklärt werden soll. Auf der Ordinate ist das Lohnniveau und auf der Abszisse die Menge an Arbeit abgetragen.

ABBILDUNG 5:DAS EFFIZIENZLOHNMODELL VON SHAPIRO UND STIGLITZ DL

L NSC

L*

SL w

we

w*

Le

Arbeitslosigkeit

Legende: w = Lohn, L = Arbeitsmenge, NSC = No-Shirking-Constraint, SL = Arbeitsangebotskurve (aggregiert), DL= Nachfrage nach Arbeit (aggregiert)

Quelle: Eigene Abbildung nach SHAPIRO UND STIGLITZ 1984: 439

Mit SL wird die Angebotskurve an Arbeit bezeichnet, sie ist vollkommen unelastisch, da kurzfristig unabhängig vom Lohnsatz nur eine bestimmte Menge an Arbeit angeboten werden kann. Die aggregierte Nachfragekurve nach Arbeit ist mit DLgekennzeichnet.

Die Effizienzlohnnebenbedingung, die im ursprünglichen Modell von SHAPIRO UND

STIGLITZ als „No-Shirking-Constraint“ (NSC) bezeichnet wird, bewirkt, dass sich das Marktgleichgewicht nicht im Schnittpunkt von aggregierter Nachfrage- und Angebotskurve von Arbeit einfindet (mit dem zugehörigen Lohn w* und der Arbeitsmenge L*), sondern im Schnittpunkt von Nachfragekurve und Effizienzlohnnebenbedingung mit dem höheren Lohnniveau we und der verringerten Arbeitsmenge Le. Die Effizienzlohnnebenbedingung ist eine steigende Kurve, da sie die kritische Lohnuntergrenze darstellt, unter der Arbeiter bummeln und diese mit dem Beschäftigungsniveau steigt.

Da bei L* Vollbeschäftigung herrschen würde, ist die Differenz zwischen L* und Le das Ausmaß der Arbeitslosigkeit. Die Abbildung macht deutlich, dass im Marktgleichgewicht ein gewisses Maß an Arbeitslosigkeit erzeugt wird.

Vier Erklärungsansätze existieren für die Gewährung überdurchschnittlicher Löhne als Anreizsystem zur Produktivitätssteigerung der Mitarbeiter (STIGLITZ 2002: 464 f.):

Shirking-Modell

Die klassische Erklärung für die Gewährung von Effizienzlöhnen ist das Shirking-Modell. Durch die Zahlung überdurchschnittlicher Löhne steigen die Opportunitätskosten für das Faulenzen für den Mitarbeiter. Wenn der Mitarbeiter beim

„Bummeln“ ertappt wird, riskiert er den Verlust des gut bezahlten Arbeitsplatzes. Das Unternehmen kann dadurch Kontrollkosten sparen.

Turnover-Modell

Das Turnover-Modell erklärt die Zahlung überdurchschnittlicher Löhne aus der Motivation, die Kosten, die mit häufigem Mitarbeiterwechsel in Verbindung stehen, gering zu halten. Diese Kosten beinhalten z.B. Investitionen in Weiterbildung, aber auch die Aufwendungen, die mit dem Anwerben neuer Mitarbeiter verbunden sind (STIGLITZ 1987: 21).

Adverse-Selection-Modell

Dieser Erklärungsansatz erklärt überdurchschnittliche Löhne mit dem Anziehen überdurchschnittlicher Mitarbeiter. Durch das vergleichsweise hohe Lohnniveau werden zwar unzureichend qualifizierte Personen nicht abgehalten, sich zu bewerben, es

bewerben sich aber mehr hoch qualifizierte Personen als bei einer niedrigen Lohnofferte (STIGLITZ 1987: 24 ff., YELLEN 1984: 203).

Fair-Wage-Modell

Ein weiterer Erklärungsansatz für „efficiency wages“ ist die Lohngerechtigkeit. Dieser Ansatz geht auf die Publikationen von YELLEN und Co-Autoren zurück (YELLEN 1984, AKERLOF UND YELLEN 1990). Demnach können durch hohe Löhne Produktivitätssteigerungen induziert werden, weil die Mitarbeiter den Lohn als

„gerecht“ empfinden. Produktivitätssteigerungen sind nach diesem Ansatz durch moralische Effekte zu erklären.

Befragungen von Managern nach ihren Motiven, Effizienzlöhne einzusetzen bzw.

Gehaltskürzungen zu vermeiden, sprechen eher für das Fair-Wage-Modell als für das Shirking-Modell. CAMPBELL UND KAMLANI 1997 (zitiert in GÄCHTER 2003: 45) konnten in einer Befragung zeigen, dass über 69 % der Manager angaben, das Absenken von Löhnen würde dazu führen, dass die Mitarbeiter sich weniger loyal und dankbar ihrem Unternehmen gegenüber zeigen. Nur 4,4 % der befragten Personalverantwortlichen gaben an, die Mitarbeiter würden sich bei niedrigeren Löhnen weniger anstrengen, da sie einen Verlust der Arbeitsstelle weniger fürchteten. 26,4 % der Befragten hielten beide Argumente für gleich wichtig.

Empirische Analysen zur Anwendung der Effizienzlohntheorie in der Landwirtschaft beschränken sich auf die Veröffentlichung von MORETTI UND PERLOFF (2002). Die empirische Analyse anhand eines Datensatzes der National Agricultural Worker Survey zeigt in einigen Punkten Konsistenz mit der Effizienzlohntheorie.

Effizienzlöhne können eine Alternative zu leistungsorientierter Entlohnungssysteme darstellen, wenn die Erfolgsbedingungen für eine solche Lohngestaltung nicht gegeben sind (MILGROM UND ROBERTS 1992: 253). So schlussfolgert HELLER in einem kritischen Beitrag zum Einsatz leistungsorientierter Entlohnung und zur Bedeutung finanzieller Anreize, die relativ geringen Löhne in der Landwirtschaft, würden dem Ruf der Agrarunternehmen schaden und böten vor allem jungen Nachwuchskräften wenig Anreiz für einen landwirtschaftlichen Werdegang. Außerdem würden niedrige Löhne demotivierend wirken und zu Fairnessdefiziten führen (HELLER 2003: 16 f.).