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3 Leistungsorientierte Entlohnung im theoretischen Kontext

3.2 Ausgewählte Motivationstheorien

3.2.2 Herzbergs Zweifaktoren-Theorie

Herzbergs Zweifaktoren-Theorie begründet sich auf die Annahme, dass Motivation von Mitarbeitern von innen heraus kommen muss, also nur intrinsische Motivation eine dauerhafte Verbesserung der Leistung bewirken kann. In Anlehnung an Maslows Bedürfnispyramide (vgl. Kapitel 3.2.1), geht Herzberg davon aus, dass nur Anreize, die das Bedürfnis des Menschen nach Selbstverwirklichung befriedigen, wirklich motivieren. Eine Motivation durch extrinsische Anreize, z.B. Flexibilisierung der Arbeitszeit, Lohngestaltung und Zusatzleistungen (fringe benefits) würden den Menschen „verführen“, anstatt die Motivation aus sich heraus zu fördern. Dies sei langfristig kontraproduktiv und kostspielig. Er kritisiert explizit die Ansätze der Industrieökonomik und der Human-Relations-Bewegung, die den Schlüssel der Motivation im Design des Arbeitplatzes („work flow“) bzw. im positiven Miteinander sehen (HERZBERG 19878: 110 f.).

Herzbergs Theorie stützt sich auf zwölf verschiedene Untersuchungen, die überwiegend in Amerika durchgeführt wurden (ebenda: 120). Die befragten Personen sollten benennen, welche Faktoren im Zusammenhang mit ihrer Arbeit Gefühle von extremer Zufriedenheit und Unzufriedenheit herbeigeführt hätten. Das Balkendiagramm der Abbildung 7 zeigt die prozentualen Häufigkeiten nach denen ein Faktor in Verbindung mit positiven oder negativen Erlebnissen am Arbeitsplatz genannt wurde. Es wird deutlich, dass die Faktoren, die zu Zufriedenheit oder Unzufriedenheit der Mitarbeiter am Arbeitsplatz führen, sich deutlich unterscheiden.

Die Faktoren, die zu Unzufriedenheit führen, bezeichnet Herzberg als Hygienefaktoren.

D.h., sie sind notwendig, damit die Menschen Grundbedürfnisse wie die Sicherung des Lebensunterhalts befriedigen können, führen jedoch darüber hinaus zu keiner weiterge-henden Motivation. Zu den Hygienefaktoren gehören Firmenpolitik und –verwaltung, Betreuung bzw. Überwachung, die Beziehung zu Vorgesetzten und Kollegen, Arbeits-bedingungen, Gehalt, Status und Sicherheit.

Die Faktoren, die zu Zufriedenheit führen, bezeichnet Herzberg als Motivatoren. Sie spiegeln das Bedürfnis des Menschen nach Selbstverwirklichung und

8 Die zitierte Quelle ist ein Wiederabdruck des Originalartikels aus dem Jahr 1968, der ebenfalls im Harvard Business Review erschien. Der Originalabdruck wird ergänzt durch abschließende Bemerkungen des Autors zu den in der Zwischenzeit hinzugewonnen Erkenntnissen.

Entwicklungsmöglichkeiten bei der Arbeit wider. Hierzu gehören Erfolg, Anerkennung, die Arbeit selbst, Verantwortung, Beförderung und Entwicklung.

ABBILDUNG 7:FAKTOREN, DIE DIE HALTUNG ZUR ARBEIT BEEINFLUSSEN

Ein weiterer interessanter Aspekt an Herzbergs Theorie ist seine These, dass Zufriedenheit nicht das Gegenteil von Unzufriedenheit sei. Fehlt beispielsweise ein Motivator, so führe das nicht automatisch zu Unzufriedenheit, sondern eher zu Nicht-Zufriedenheit. Die Anwesenheit eines Hygienefaktors schaffe wiederum nicht Zufriedenheit, sondern Nicht-Unzufriedenheit (ebenda: 112 f.).

Wie können Unternehmen nach Herzbergs Theorie Motivation ihrer Mitarbeiter herbeiführen? Herzberg empfiehlt „job enrichment“, der Arbeitsplatz des Menschen muss mit Verantwortung angefüllt werden. Die folgende Tabelle 8 zeigt, mit welchen Maßnahmen dieser „vertical job load“9 erreicht werden kann.

9 Herzberg verwendet den Begriff des vertical job load als Gegensatz zum horizontal job load. Letzterer besteht seiner Meinung nach darin, Arbeitsplätze so umzustrukturieren, dass der Beitrag der einzelnen Mitarbeiter entweder reduziert wird oder weitere monotone Arbeiten dem alten Arbeitsplatz hinzugefügt werden.

TABELLE 8:PRINZIPIEN DES „VERTICAL JOB LOADS

Prinzip Einbezogene Motivatoren

(1) Einige Kontrollen wegnehmen, aber zugleich Übernahme von Verantwortung für Handlungen erhalten.

Verantwortung und persönliche Leistung (2)Verantwortlichkeit jedes einzelnen für die

eigene Tätigkeit Verantwortung und Anerkennung der eigenen Leistung

(3)Eigener Verantwortungsbereich für jeden

Mitarbeiter Verantwortung, persönliche Leistung und Anerkennung

(4) Persönliche Freiheit und Weisungsbefugnis der Mitarbeiter in ihrem Aufgabenbereich gewähren.

Verantwortung, persönliche Leistung und Anerkennung

(5) Erstellen von periodischen Berichten für die

anderen Mitarbeiter Interne Anerkennung (6) Unbekannte und schwierigere Aufgaben

einführen. Entwicklung und Lernen

(7) Zuteilung von speziellen oder spezifischen Aufgaben an die Mitarbeiter, damit sie die

Möglichkeit haben Expertise zu erlangen. Verantwortung, Entwicklung und Beförderung Quelle: In Anlehnung an EISENFÜHR UND THEUVSEN 2004, HERZBERG 1987: 114

Neben den in der Tabelle aufgeführten Maßnahmen des „job enrichments“ ist es nach Herzberg förderlich, wenn sich die Mitarbeiter als interne Kunden und Lieferanten einer bestimmten Kernaufgabe im Unternehmen ansehen. Wahrgenommenes „job enrichment“ nimmt demnach zu, wenn sich die Mitarbeiter der von ihnen erzeugten

„Produkte“ und „Kunden“ gefühlsmäßig bewusst seien. Dadurch, dass die Mitarbeiter in einem gegenseitigen Austauschverhältnis zueinander stehen und Bericht erstatten, erfolgen Feedback und resultierender Lernprozess quasi automatisch (ebenda: 120).

Da Herzbergs Modell empirisch leicht prüfbar ist, wurde die Studie in mehreren Ländern wiederholt. Die Ergebnisse ähneln im Wesentlichen den ursprünglichen Untersuchungen.

Ein Kritikpunkt an Herzbergs Theorie ist die methodenbedingte Verzerrung der Ergebnisse. Die Mitarbeiter wurden erst nach den Faktoren, die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit schufen befragt, bevor diese in das Theoriegerüst eingingen. Außerdem werden Schwächen in der Messmethodik und ein unwissenschaftlicher Umgang mit der Datenbasis moniert (SCHOLZ 2000: 886, EISENFÜHRUND THEUVSEN 2004:56f.).

Für die Bedeutung leistungsorientierter Entlohnungssysteme prognostiziert das Modell von Herzberg die folgende Konsequenz: Da Entlohnung nur ein Hygienefaktor ist, ist es alleine notwendig, dass sie den notwendigen Lebensunterhalt deckt, damit der

Mitarbeiter seine Grundbedürfnisse decken kann. Einen Antrieb zur Arbeitsmotivation würde dadurch nicht hervorgerufen werden.

Ausgehend von den in Tabelle 8 dargestellten Maßnahmen des vertikalen job loads ist zu untersuchen, wie diese in der landwirtschaftlichen Praxis umgesetzt werden könnten, um zu einem „job enrichment“ nach Herzberg zu führen. Zunächst ist es möglich, den Mitarbeitern in gewissem Maße Verantwortung für die eigene Tätigkeit zu geben.

Betrachtet man den Arbeitsgang „Aussaat“ im Pflanzenbau, so trägt ein Schlepperfahrer, der zum Beispiel die Aussaat vornimmt, eine relative hohe Verantwortung für seine Tätigkeit. Zwar wird wohl in vielen Fällen die Aussaatstärke durch den Betriebsleiter oder den Abteilungsleiter der Pflanzenproduktion vorgegeben, die Durchführung der eigentlichen Aussaat beeinflusst aber das Arbeitsergebnis stark.

Dies trifft zum Beispiel die Saattiefe, das exakte Einsetzen der Drillmaschine und die Kontrolle der Särohre auf eventuelle Verstopfungen. Die Bedeutung dieser ausführenden Arbeiten kann durch Kommunikation und Anerkennung guter Arbeitsverrichtung klargestellt werden. Hiermit wären die Prinzipien 1 bis 3 und sogar das Prinzip 7 erfüllt, denn der betreffende Schlepperfahrer kann im Bereich Aussaat ein hohes Maß an Expertise erreichen, denn die Arbeit bietet an sich eine herausfordernde Aufgabe mit Möglichkeiten zur Perfektion in Abhängigkeit von der Erfahrung.

Die Übertragung von persönlicher Freiheit und Weisungsbefugnis (Prinzip 4) im Bereich „Aussaat“ kann jedoch nicht vollständig erfolgen, wenn sie Bereiche der Betriebleitung (Aussaatstärke, Sortenwahl) betreffen.

Die Erstellung von internen Berichten (Prinzip 5) in schriftlicher Form zwischen den Mitarbeitern scheint in der landwirtschaftlichen Praxis kaum vorstellbar. In mündlicher Form könnte dies jedoch gut möglich sein. Bleibt man bei dem oben genannten Beispiel, so kann der Mitarbeiter, der für die Aussaat zuständig ist, besondere Vorkommnisse den anderen Kollegen mitteilen.

Die Entwicklungsmöglichkeiten im landwirtschaftlichen Betrieb werden unter Umständen von der nächsten Hierarchieebene begrenzt, denn nur wenige landwirtschaftliche Lohnarbeitsbetriebe bieten auf Grund ihrer Größe oder Organisationsstruktur überhaupt Aufstiegsmöglichkeiten. Der fortschreitende technische Fortschritt impliziert jedoch schon lebenslanges Lernen im technischen Bereich.