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3 Leistungsorientierte Entlohnung im theoretischen Kontext

3.1 Institutionen- und personalökonomische Forschungsansätze

3.1.1 Prinzipal-Agenten-Theorie

Neoklassischen Forschungsansätzen liegt das Menschenbild des rational handelnden eigennützigen homo oeconomicus zugrunde. Modifikationen lassen begrenzte Rationalität und Informationsasymmetrien zu. Zählt man diese Erweiterungen zur neoklassischen Ökonomie und betrachtet sie nicht als eigenständigen Forschungsansatz, was nach BRANDES ET AL.(1997)undSHAPIRO UND STIGLITZ (1984) zulässig ist, dann ist die Prinzipal-Agenten-Theorie (PA) wohl einer der prominentesten neoklassischen Ansätze zur Lösung von Anreizproblemen.

Die Prinzipal-Agenten-Theorie ist zusammen mit der Theorie der Verfügungsrechte (Property-Rights-Theorie) und der Transaktionskostentheorie der Neuen Institutionenökonomik zuzuordnen, die sich mit der Analyse von Institutionen (Märkte, Verfügungsrechte, Verträge, Hierarchien) beschäftigt (PICOT 1991: 144 ff.)

Die Prinzipal-Agent-Theorie beschäftigt sich mit Delegationsbeziehungen bzw. -verträ-gen zwischen (im Normalfall) einem Auftraggeber bzw. einer Instanz (Prinzipal) und einem Auftragnehmer (Agent). Das Vorhandensein von Hierarchiebeziehungen zwischen den beiden Vertragspartnern unterscheidet u.a. die Prinzipal-Agenten-Theorie von der Spieltheorie.

Eine wesentliche Annahme der Prinzipal-Agenten-Theorie ist das Vorliegen von Informationsasymmetrien zwischen dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer und darüber hinaus eine implizite Annahme von opportunistischem Verhalten des Auftragnehmers (ODENING 1994: 271). Durch die Unterstellung von Informationsasymmetrien, die opportunistisch von Seiten des Agenten ausgenutzt werden können, wird das neoklassische Menschenbild des vollständig informierten, rational handelnden homo oeconomicus erweitert.

Hinsichtlich des Informationsstandes der Akteure kann zwischen sicherer und unsicherer Information unterschieden werden. Sichere Information liegt vor, wenn keine stochastischen Elemente auftreten. Demzufolge liegt unsichere Information vor, wenn stochastische Elemente auftreten.

Es werden die folgenden Formen von Informationsasymmetrien in der Prinzipal-Agenten-Theorie unterschieden: Unter dem Begriff hidden action wird die Möglichkeit verborgener Handlungen des Agenten verstanden, die der Prinzipal nur kaum oder nur unter Inkaufnahme hoher Kosten kontrollieren kann (JOST 2001:25). Die Gefahr, dass der Agent dies zu seinem eigenen Vorteil ausnutzt, wird als moral hazard bezeichnet.

Als hidden information werden Informationsasymmetrien bezeichnet, die den Inhalt der Vertragsdurchführung betrifft. Das heißt, der Agent hat zusätzliche Informationen, die ihn den Erfolg der Aufgabendurchführung besser einschätzen lässt.

Die dritte Form von Informationsasymmetrien betrifft die Eigenschaften des Agenten.

Für den Prinzipal kann es ex ante schwierig sein, sicher festzustellen, welche Eigenschaften, die bedeutend für die Durchführung der Arbeit sind, der Agent hat. Der Agent hingegen ist viel besser über diese Charakteristiken informiert (hidden characteristics). Dies kann zur so genannten adverse selection führen. In diesem Fall hat der Prinzipal den falschen Agenten für die erfolgreiche Durchführung der Arbeit gewählt. Bei Neueinstellungen versucht man als Reaktion auf die Gefahr der adversen Selektion verschiedene Formen von Arbeitsverträgen, z.B. mit unterschiedlichen Lohnhöhen, anzubieten oder Stellenanzeigen so zu gestalten, dass möglichst nur geeignete Agenten zur Einstellung kommen. Diese Verfahren werden als screening bezeichnet.

Die Prinzipal-Agenten-Theorie lässt sich in zwei wissenschaftliche Strömungen unterteilen. Man unterscheidet die normative (oder quantitativ-modelltheoretische Variante) und die positive Prinzipal-Agenten-Theorie (qualitativ-empirische Variante) (JENSEN UND MECKLING 1976, ELSCHEN 1991).

Die positive Prinzipal-Agenten-Theorie beschäftigt sich mit der Beschreibung und Interpretation der institutionellen Gestaltung von Auftragsbeziehungen. Sie erklärt zum Beispiel, warum unterschiedliche Vertragsgestaltungen in der Praxis vorkommen und wie sich Agenten gegenüber Prinzipalen innerhalb bestimmter institutioneller Rahmenbedingungen verhalten (FRANKE 1993: 38). Sie erlaubt Tendenzaussagen

hinsichtlich der optimalen Vertragsgestaltung von Anreizsystemen. Neben einigen Veröffentlichungen, die der positiven Prinzipal-Agent-Theorie zuzuordnen sind (JENSEN UND MECKLING 1976), dominieren stark mathematisch geprägte Lösungen, die sich auf die normative Agenten-Theorie stützen. Die normative Prinzipal-Agenten-Theorie stellt der ökonomischen Forschung ein analytisches Instrument zur Verfügung, das durch mathematische Beweise und logische Herleitungen Empfehlungen zur Gestaltung von Vertragsbedingungen ableitet.

Annahmen der normativen Prinzipal-Agenten-Theorie

Das Grundmodell der normativen Prinzipal-Agenten-Theorie enthält einige grundlegende Annahmen, auf denen die mathematische Lösung basiert. Nachfolgend werden die wesentlichen Grundannahmen vorgestellt (LAUX UND LIERMANN 2003:

526 ff.,LAUX 1988: 24 f., JOST 2001: 17 ff.)

1) Die Prinzipal-Agenten-Theorie geht von einem einperiodischen Handlungsspielraum aus.

2) Der Agent kann aus mehreren Handlungsalternativen eine Alternative auswählen.

Der mit den Handlungsalternativen verbundene Erfolg hängt von einem unsicheren Umweltzustand ab. Es liegt folglich eine Entscheidungssituation unter Risiko vor.

3) Prinzipal und Agent lösen die Entscheidungssituation rational, d.h. unter Maximierung des Erwartungswertes ihres jeweiligen Nutzens (Bernoulli-Prinzip7).

4) Der Agent realisiert die Handlungsalternative, die seinen individuellen Erwartungsnutzen maximiert. Der Prinzipal wählt die Entlohnungsfunktion, die seinen Erwartungsnutzen maximiert und bezieht dabei in seine Überlegungen das individuelle Nutzenmaximierungsprinzip des Agenten mit ein.

5) Der Agent empfindet Arbeitsleid. Sein Erwartungsnutzen ist eine monoton fallende Funktion des Arbeitsaufwandes. Der Arbeitaufwand ist seine zweite Zielgröße in der Nutzenfunktion. Die erste Zielgröße ist die finanzielle Belohnung. Der Arbeitsaufwand

7 Das „Bernoulli-Prinzip“ wird auch synonym als „Erwartungsnutzen-Prinzip“ oder „von-Neumann-Morgenstern-Nutzen“ bezeichnet. Diesem Prinzip zufolge existiert für den Entscheidungsträger eine monoton steigende Risikonutzenfunktion u(x) auf der Menge der Ergebnisse x. Die Handlungsalternativen können anhand des Erwartungswertes der Nutzen in eine Rangfolge gebracht werden. Die Alternative mit dem größten Erwartungsnutzen wird gewählt. Der Erwartungsnutzentheorie liegt ein kardinaler Nutzenbegriff zugrunde (BRANDES UND ODENING 1992).

des Agenten kann mit Hilfe eines Skalars angegeben werden. Dieses bezeichnet man als Aktivitätsniveau. Es ist kardinal messbar und kann z.B. folgende Merkmale haben:

• Arbeitszeit,

• Arbeitsgeschwindigkeit,

• Gründlichkeit.

6) Der Agent akzeptiert eine Entlohnungsfunktion nur dann, wenn er einen Erwartungsnutzen von u erreichen kann. Dieser ist exogen vorgegeben. Es ist das Nutzenniveau, das der Agent bei alternativer Beschäftigung erreichen kann und als Reservationsnutzen bezeichnet wird. Es entspricht dem Nettonutzen aus der Arbeit für den Prinzipal. Diese Grundannahme wird als so genannte Teilnahmebedingung oder auch participation constraint bezeichnet.

7) Der Prinzipal ist indifferent zwischen den Handlungsalternativen. Der Nutzen des Prinzipals ist allein abhängig vom ökonomischen Erfolg nach Abzug der Belohnung (Nettoerfolg).

8) Als Bemessungsgrundlage werden nur solche Variablen berücksichtigt, die von beiden Parteien beobachtet werden können. Der Prinzipal kann ex post den Erfolg überprüfen, allerdings nicht den eingetretenen Umweltzustand und die realisierte Handlungsalternative.

9) Mit zunehmendem Aktivitätsniveau wird eine immer „günstigere“

Wahrscheinlichkeitsverteilung über den Erfolg erzielt.

10) Der Prinzipal kennt die Nutzenfunktion des Entscheidungsträgers sowie dessen Wahrscheinlichkeitsurteil hinsichtlich der denkbaren Umweltzustände.

11) Der Agent bezieht außerhalb der betrachteten Kooperationsbeziehung keine ungewissen Einkünfte.

12) Der Prinzipal ist risikoneutral oder schwach risikoavers.

Bestimmung eines optimalen Entlohnungsschemas mit Hilfe eines PA-Modells

Im Folgenden soll ein optimales Entlohnungsschema für den Fall einer Arbeitsdelegation dargestellt werden (vgl. ODENING 1994).

Gemäß Annahme 2) ist es dem Agenten möglich, zwischen verschiedenen Handlungsalternativen (hier vereinfacht nur zwei Alternativen)

2

des Arbeitseinsatzes ist monetär und stochastisch (ebenfalls Annahme 2).

In Abhängigkeit von den gewählten Handlungsalternativen/Aktionen ai des Agenten treten die bedingten Wahrscheinlichkeiten des Outputs pij auf. Prinzipal und Agent haben dieselbe Einschätzung hinsichtlich der bedingten Wahrscheinlichkeiten.

Die Entlohnung des Agenten wird mit

)

Der Nettoerfolg (das Einkommen)

)

des risikoneutralen Prinzipals aus der Vertragsbeziehung ergibt sich als Residuum aus dem stochastischen Produktionsergebnis und dem Lohn des Agenten.

Der Nutzen des risikoaversen Agenten

)

ist abhängig von seiner Entlohnung.

Das Arbeitsleid des Agenten ci differiert zwischen den Handlungsalternativen. Bei Handlungsalternative 1 sei es kleiner als bei Handlungsalternative 2:

2

Der Reservationsnutzen (Annahme 6) wird als u bezeichnet.

Ziel ist es, ein Entlohnungsschema s zu finden, dass den Agenten die Alternative a2

wählen lässt. Es handelt sich um ein lineares Optimierungsproblem mit nicht-linearen Nebenbedingungen:

Maximiere den erwarteten Nettoerfolg/das Einkommen des Prinzipals unter den Nebenbedingungen:

u 1. Nebenbedingung (Teilnahmebedingung)

Die Differenz aus dem Erwartungsnutzen der Entlohnung und dem mit der Tätigkeit verbundenen Arbeitsleid (Nettonutzen des Agenten) muss größer sein als der Reservationsnutzen.

1 ( ) 1 1 2. Nebenbedingung (Anreizbedingung) Damit der Agent die vom Prinzipal erwünschte Handlungsalternative 2 wählt, muss der Nettonutzen aus dieser Alternative größer sein als aus Alternative 1.

Zur Bestimmung des optimalen Entlohnungsschemas wird die folgende Lagrangefunktion gebildet:

nach einigen Umformungen ergibt sich die folgende Gleichung:

(5) ⎟⎟

Diese kann Folgendermaßen interpretiert werden (ODENING 1994: 272): Ein optimales Entlohnungssystem setzt sich unter Berücksichtigung der oben genannten Annahmen aus einer erfolgsabhängigen und einer erfolgsunabhängigen Komponente zusammen.

Dieses Ergebnis des P-A-Modells deckt sich mit vielen in der Praxis vorkommenden Empfehlungen zur Gestaltung von anreizkompatiblen Entlohnungssystemen. Eine grundlegende Annahme ist die Risikoaversion des Agenten. Wäre der Agent risikoneutral, dann sollte seine Entlohnung alleine auf einer erfolgsabhängigen Entlohnung basieren. Der risikoaverse Agent verlangt hingegen bei erfolgsabhängiger Entlohnung eine Risikoprämie.

Anwendungsmöglichkeiten

Die Prinzipal-Agenten-Theorie stellt der Betriebswirtschaft ein logisches Modell zur Lösung von Anreizsystemen zur Verfügung. Sie überzeugt durch ihre mathematisch präzise Lösung. Die Lösung des Standard-PA-Problems für Entlohnungssysteme in Form eines Grundgehalts mit einer leistungsabhängigen Entlohnungskomponente findet auch in der betrieblichen Praxis Anwendung, so dass auch empirisch nachweisbare Entlohnungssysteme durch die P-A-Theorie erklärt werden können.

Problematische Verhaltensannahmen

Kritisch zu sehen sind u.a. die Annahmen zum Risikoverhalten. So merktROUMASSET

1995: 161 ff.) in seinen Ausführungen zu Share-Cropping-Verträgen, die ein ähnliches Vertragsproblem wie die Beziehung von Arbeitgeber zu Arbeitnehmer darstellen (OTSUKA ET AL.1992: 1968), an:“[…], there is little or no evidence [either] that tenants are substantially more risk averse than landlords […]“.

Bei der Lösung komplexer Vertragsbeziehungen (z.B. bei mehrstufigen Agency-Beziehungen oder mehreren Agenten) gerät die normative Prinzipal-Agent-Theorie an ihre Grenzen und sollte durch andere Theorien erweitert werden (ELSCHEN 1991: 1011).

Ein weiterer Kritikpunkt an der normativen Prinzipal-Agenten-Theorie ist die wenig empirische Ausrichtung. Die mathematisch hergeleiteten optimalen Vertragsgestaltungen weichen teils erheblich von den in der betrieblichen Praxis anzutreffenden Vertragsformen ab (MÜLLER 1995: 62). Hauptkritiker der

Prinzipal-Agenten-Theorie ist die verhaltenswissenschaftlich geprägte empirische Wirtschaftsforschung.