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Stoffstrommanagement und Ordnungspolitik

Im Dokument Diskurs und Nachhaltigkeit (Seite 116-124)

3 Der Metabolismus mit der Natur: das Wirtschaftssystem

3.5 Stoffstrommanagement und Ordnungspolitik

D. Hecht hat ein ordnungspolitisches Konzept der Stoffstromsteuerung vorgestellt, in welchem das ökonomische Subsystem als zentraler Ort der demokratischen, gesellschaftlichen Selbst-steuerung ausgezeichnet wird. Dort bildeten sich Preise, in die dezentrales Wissen einfließe. Ebenso generiere Wissen Regeln, die das Miteinander auf Märkten koordinieren. Hecht nennt als Regeln:

Privateigentum, Verträge, Haftung, die Verhütung von Gewalt und Betrug sowie die Sicherung des Wettbewerbs. Er gesteht zu, daß Ziele der Stoffnutzung bei ökologischen Grenzen mit Abstrichen zu versehen seien und nähert sich teilweise der Position starker Nachhaltigkeit. Der (Heraus)Forderung einer makroökonomischen Dematerialisierungspolitik, der er zentralistische Planung unterstellt, stellt er eine liberale, stoffliche Ordnungspolitik entgegen. Dabei versteht Hecht Ordnungspolitik als Politik, die "über einmalige Akte der Rechtsetzung Regeln für privates – und auch staatliches – Handeln vorgibt, die den Bereich zulässiger Handlungen beschränken." (Hecht, 1999, 14)

Bei der Begründung einer liberalen stofflichen Ordnungspolitik geht Hecht von der zentralen Institutionen des Libertarismus aus, dem Eigentumsrecht. Für Hecht ist die eigentumsrechtlich abgesicherte Nutzung endlicher Ressourcen angesichts der davon ausgehenden ökologischen Probleme mit der Aufgabe versehen, die Folgen der entstehenden Emissionen (und auch Abfällen, die Hecht aber vernachlässigt) abzuschätzen und zu internalisieren. Die ökologische Verantwortung des Eigentums an Ressourcen will Hecht durch Kostenzurechnung erreichen. Für die staatliche Politik ergebe sich daraus die Aufgabe, "private oder staatliche Eigentumsrechte an Stoffvorräten [zu] schaffen, die entweder einen Ausschluß der Nutzung konkurrierender Dritter durch Private

86 Allerdings haben prominente Vertreter einer Dematerialisierung konkrete Zahlen genannt: So spricht sich E. U. von Weizsäcker (1995) für den Faktor 4 aus, und Schmidt-Bleek (1998) für einen Faktor 10; vgl. dazu auch Reijnders, 1999.

87 So auch Meyerhoff, Petschow 1996, 187.

oder durch Kollektivrepräsentanten ermöglicht. Diese Eigentumsrechte müssen an den Ressourceneigenschaften orientiert und so ausgelegt sein, daß sie vom Inhaber kontrolliert werden können." (Hecht, 1999, 166) Dazu müßte schon bei der Konstitution des Ressourcenmarktes Wissen über Ressourcen einfließen. Dies wird jedoch erst im Zuge der Verwendung der Ressource in der Produktion und als Externalität bzw. Müll generiert. Wie Verantwortung für unbekannte und bekannte ökologische und gesundheitliche Folgen von Ressourcen durch die Produktionskette hindurch an die Eigentümer zurückgegeben werden soll, bleibt zunächst offen.

Für ökologische Kollektivgüter sei eine einzelwirtschaftliche Kostenzurechnung (Nutzen/Schaden) von staatlicher Seite zu ermöglichen. Es sei nicht wie in den intertemporalen Maximierungsmodellen von einem unendlichen Planungshorizont auszugehen, sondern es bildeten sich aufgrund der angenommenen künftigen Angebot-Nachfrage-Konstellation zusammen mit der Diskontrate faktische Erwartungen. Dieser Kurzsichtigkeit des Marktes stellt Hecht die Unzulänglichkeiten des Staates entgegen: Eine zentralisierten, staatlichen Steuerung der Stoffentnahme durch Verstaatlichung der Rohstoffe oder durch eine Steuerung über ressourcenpolitische Instrumente wie Abgaben und Lizenzen brächten Probleme, "da Entnahme- oder Aufstockungsentscheidungen nicht mehr von vielen Akteuren mit unterschiedlichem Wissen, divergierenden Risikoeinstellungen und verschiedenen Erwartungen über die Zukunft getroffen werden, sondern von einer einzigen Organisation, genauer von den Entscheidungsträgern in dieser Organisation." (Hecht, 1999, 170) Dies sei nur von Vorteil, wenn die Regierung oder die Behörden über einen Wissensvorsprung gegenüber den Privaten verfügen würden. "Davon ist in der Regel nicht auszugehen. [...] Sinnvoller ist eine Bekanntmachung zentral verfügbarer Information, so daß sie mit dezentral verteiltem weiteren Wissen kombiniert werden können und zu unterschiedlichen Bewertungen der Zukunft führen." (ebd.) Obwohl Hecht die Schwächen der neoklassischen, intertemporalen Stoffallokation anerkennt, leitet er eine stoffliche Ordnungspolitik individualistisch her. Der Individualismus wendet sich nun normativ: "Sollen in einer Gesellschaft aber individuelle Präferenzen Entscheidungen determinieren, muß Myopie akzeptiert werden." (Hecht, 1999, 177)

Darauf aufbauend, entwirft Hecht eine vorgeblich positivistische Experimentiergesellschaft, die Wissen durch die experimentelle Verwendung von Stoffe generiere. Er schränkt aber ein, daß kollektive Güter der Experimentiergesellschaft entzogen werden müßten. Ohne Kausalitäts-probleme oder Transaktionskosten zu berücksichtigen, erwartet Hecht, daß sich bereits durch Wissen über Schadstoffe das Output verteuere. "Sofern Schadeffekte von Stoffen bekannt werden und das Wissen darum zu einer geringeren Verwendung dieser Substanzen führt, werden bei einer zunächst relativ hohen Stoffeinbringung die steigenden Schäden zu einer stärkeren Begrenzung der Nutzung von der Outputseite her führen. So gesehen werden die Folgen der Ineffizienzen beim Input durch eine effiziente Outputsteuerung aufgefangen." (Hecht, 1999, 226; kursiv FS) Nur scheinbar beruht die effiziente Outputsteuerung auf marktwirtschaftlicher Selbstregulation:

Der Staat soll derartiger Fehlallokation entgegenwirken, indem er kurzfristig orientierte private Entscheidungen korrigiert und Regeln und Bedienungen dafür schafft, "daß sich private Präferenzen zugunsten längerfristig ausgerichteten Handelns am Markt umsetzen kann." (Hecht, 1999, 186)

Hecht verweist dazu auf Grundlagenforschung, Finanzierung von Substitutionsforschung und der Erforschung und Entwicklung stoffsparender Techniken etc. Um die Sicherheitsbedürfnisse von Privaten bezüglich des Stoffflusses zu erfüllen, seien Öko-Audits oder ökologisch orientierte Unternehmensbewertungen ausreichend (vgl. Hecht, 1999, 187). Damit verbleiben jedoch noch immer ökologische Kollektivgutprobleme und die Frage, wie diese zu bewältigen sind. Diese Rolle spricht Hecht dem Staat zu, schränkt aber sogleich ein, daß an der Wiederwahl interessierte Politiker einen kürzeren Planungshorizont aufwiesen als Private und deshalb kaum besser handeln könnten (vgl. Hecht, 1999, 190).88

Hecht spricht davon, daß das ökonomische System derartig vielfältiges Wissen (und Schäden) produzieren könne, daß eine Extension des Regelsystems notwendig werde.89 Die Vielzahl von Stoffen und Wirkungen, die Schwierigkeiten, Inhaltsstoffe von Produkten und in Umweltmedien zu erkennen, und die Probleme bei der Bestimmung von Schadensquellen, stellten eine alleinige Koordination der Stoffeinbringung und -nutzung über die Grundbausteine des Marktsystems in Frage. Deshalb könnten ressourcenpolitische Instrumente zur Beeinflussung der Entnahmemengen von Ressourcen eingesetzt werden. "Diese beinhalteten unter anderem Entnahmelizenzen, die zum Abbau bestimmter Vorkommen berechtigen oder maximale Entnahmemengen pro Periode festlegen, Versteigerungen, wenn der Staat das Eigentum an den Ressourcen hält, Ge- und Verbote, Abgaben und anderes." (Hecht, 1999, 193) Es sind also zusätzliche Regeln erforderlich, die das Inverkehrbringen, die Nutzung und den Verbleib von Stoffen und aus Stoffströmen resultierende Schäden regeln. Kriterium der Legitimation derartiger Regeln ist nach Hecht der Schutz vor negativen Stoffwirkungen auf der einen Seite und nicht zu starke Beschneidung der positiven Effekte der Stoffnutzung auf der anderen. Hecht führt an, daß sich Regelsysteme immer erst im Laufe der Zeit als zieladäquat oder nicht-zieladäquat erwiesen, woraus er einen Spielraum für eine Vielfalt von Institutionen ableitet.

Dies zielt indes nicht auf die institutionelle Ausgestaltung von Nachhaltigkeit. Hecht übergeht geflissentlich die bisherigen Operationalisierungsversuche von Nachhaltigkeit und führt keine Institutionen an, die explizit den nicht-nachhaltigen Stoffstrom reduzieren könnten und somit Nachhaltigkeit gewährleisten würden. Er übergeht das physikalisch-chemische Begründungsniveau der ökologischen Ökonomie und fällt damit hinter den Nachhaltigkeitsdiskurs zurück, was u.a. bei seiner Unterscheidung zwischen essentiellen und inessentiellen Ressourcen, wo er sich auf die utilitaristische Ethik Birnbachers beruft, ebenso deutlich wird, wie bei der von Hecht verworfenen aber dennoch als Blaupause dienenden neoklassischen Ressourcenökonomie. Der fehlende Nachhaltigkeitsbezug von Hechts stofflicher Ordnungspolitik hat hier seinen Ursprung.

Die pragmatische Annäherung an die stoffliche Dimension des ökonomischen Systems läßt sich nicht mit einer normativen Superiorität des präferenzbasierten Individualismus und subjektiver

88 Diese Befürchtung wird auch in der Nachhaltigkeitsstudie des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschafts-forschung in Essen vertreten und als Beschränkung für die Korrektur eines defizitären Preissystems durch das politische System gesehen; vgl. Klemmer et al., 1996, 319 ff.

89 Dies erinnert an Buchanans (1975) Theorie konstitutioneller Revolutionen.

Risikoentscheidungen begründen. Hecht mißversteht aufgrund seiner individualistischen Mikrofundierung das ökonomische System als einen intentionalen Suchprozeß, der nur an wenigen Stellen durch nicht-intendierte Externalitäten und strukturellen Ineffizienzen der Ressourcennutzung durchbrochen wird, und durch Wissen wieder internalisiert werden kann. Dies erklärt keinesfalls die gewöhnlich dem politischen System zugeschriebenen Probleme, umweltökonomische Instrumente überhaupt anzuwenden. Wissen motiviert auch innerhalb des ökonomischen System noch keinesfalls zu Handlungen! Offensichtlich sperrt sich die ökonomische und politische Wirklichkeit dieser ordnungspolitischen Theorie. Es bleibt offen, wie ökonomische und staatliche Regeln aus dem gleichen Suchprozeß heraus generiert werden könnten. Hecht diagnostiziert zwar einen Hiatus zwischen ökonomischer Empirie und ökonomischer Theorie, doch seine pragmatische Inanspruchnahme von Wissen und Rationalität verfehlt eine nachhaltig-keitsgerechte Zielsetzung systematisch und kann eine stoffliche Ordnungspolitik nicht begründen.

Grundfrage einer Ordnungspolitik der Nachhaltigkeit ist die Reform der Wirtschaftsverfassung.

Die Notwendigkeit zur Ordnungspolitik ergibt sich aus der Sicht des ökonomischen Systems aus der Abwesenheit theoretischer erstbester Lösungen. Aus diesem Grund sind Kriterien für zweitbeste Lösungen zu benennen, die eine möglichst ordnungskonforme Politik der Nachhaltigkeit ermöglichen (so Rennings et al., 1996, 233 f). Um Nachhaltigkeit durchzusetzen, müssen vom Staat gezielt Institutionen geschaffen werden, welche auch den Prinzipien der Marktwirtschaft Rechnung tragen sollen.

Für eine derartige institutionellen Reformen zur Nachhaltigkeit stehen in der ökonomischen Tradition die ordnungspolitischen Konzeptionen von F. A. von Hayeks, M. Buchanan und W.

Eucken bereit, die wesentlichen Kriterien einer funktionsfähigen Markwirtschaft zu benennen versucht haben. Da keiner dieser drei Ordnungstheoretiker als Verfechter von Umweltpolitik oder gar Nachhaltigkeit gelten kann, ist anzunehmen, daß ihr Reiz für ökologische Ordnungstheoretiker auf die ökonomische Methodik zurückzuführen ist, die sich erfolgversprechend auf das Problem der Nachhaltigkeit anwenden läßt. Bei Hayek ist Wissen und die Evolution der Wirtschaft zentral (vgl.

Hinterberger, 1996). Hayek nimmt an, daß Wissen über konkrete Tatsachen der Zeit und des Raums grundsätzlich nicht zentral bearbeitet werden kann und daß deshalb ein evolutionäres, nicht reguliertes ökonomisches System, der Kapitalismus, die beste Gesellschaftsform sei. Wie soeben dargestellt, hat sich Hecht an Hayek orientiert. Der Wissensaspekt wird auch in der evolutorischen Ökonomie aufgenommen und ist in bezug auf Nachhaltigkeit modelliert worden (Beckenbach, 1996, Pasche, 1994). Auf Buchanan geht die Neue Politische Ökonomie (NPÖ) zurück, welche strukturelle Grenzen des politisch-administrativen Systems und die Legitimation staatlicher Interventionen in den Markt analysiert hat. Einer erfolgreichen Ordnungspolitik stehen auf Seiten des politisch-administrativen Systems beschränkte Öffentlichkeitsperioden, Wahlzyklen, Rent-Seeking und budgetmaximierende Bürokratien entgegen (Horbach, 1992; Holzinger, 1987).

Schließlich ist Eucken zu nennen, der den Staat explizit als Ordnungshüter des ökonomischen Wettbewerbs einfordert und einen funktionsfähigen und menschenwürdigen Ordnungsrahmen für die Marktwirtschaft als unerläßlich ansieht. Neben konstitutiven Prinzipien der Wirtschaftsordnung

sichern regulierende Prinzipien die Funktionsfähigkeit der Wettbewerbsordnung. (Auf Eucken baut der Vorschlag einer ökologischen Wirtschaftspolitik von F. Hinterberger, F. Luks und M. Stewens auf.)

Gegen den Hintergrund der ordnungspolitischen Theorien von Hayek, Buchanan et al.

(Ökonomische Theorie der Politik) und Eucken haben Gerken und Renner versucht, eine systematische Einschätzung der Konformität umweltpolitischer Instrumente zu unternehmen (nach Gerken, Renner, 1996, 69):

Eucken Hayek Buchanan et al.

Umweltabgaben o o –

Subventionen – – –

Umweltzertifikate + + +

Haftungsrecht ++ ++ ++

Ordnungsrecht + – o

freiwillige

Selbstverpflichtung – + – –

informatorische

Instrumente ++ ++ o

++ = sehr gut geeignet, + = gut geeignet, o = geeignet, – = schlecht geeignet, – – = ungeeignet

Letztlich halten Gerken und Renner jedoch alle drei Referenzsysteme für wenig brauchbar, um die ordnungspolitische Aufgabe einer Politik der Nachhaltigkeit zu bewältigen90: Sie verweisen statt dessen auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit, also auf die sozialen, die ökonomischen und die ökologischen Teilziele.

Eine direkte Bestimmung von Kriterien für einen ökologischen Ordnungsrahmen wird so unumgänglich. M. Stewens hat instrumentelle Subsidiarität, Praktikabilität der Instrumente, Funktionsfähigkeit der Märkte und des Preismechanismus91, Innovationsanreize und die Möglichkeit zur Dosierung der Maßnahmen als Maßstäbe einer ökologischen Ordnungspolitik

90 Dabei bemängeln sie die Fixierung Hayeks und Euckens auf die ökonomische Teilordnung und charakterisieren dies als externe Bewertung. Die Bewertung einer nachhaltigen Ordnung müsse demgegenüber auf Präferenzsouveränität fußen und insofern eine innere Bewertung ermöglichen. Gerken und Renner skizzieren Nachhaltigkeit dann als Urzustand à la Buchanan und Rawls, wobei als Gegenstand der Wahl die ordnungstheoretischen Konzepte der Nachhaltigkeit auftreten. Die Ungewißheit über Präferenzen bezüglich des Verhältnisses der drei Teilordnungen von Nachhaltigkeit könne nur durch die Generierung von Wissen im (nunmehr: umweltpolitischen) Wettbewerb überwunden werden. Da der politische Wettbewerb defizitär sei – weshalb Gerken und Renner u.a. für eine ökologische Verfassungsreformen plädieren – müsse Reformdruck in einem zwischenstaatlichen, politisch-ökonomischen Ordnungswettbewerb erzeugt werden. Doch entgegen dieser Annahme ist ein internationaler Wettbewerb um die effizienteste Umweltordnungspolitik angesichts des Gefangenendilemmas bei der Etablierung internationaler, öffentlicher Güter nicht zu erwarten.

91 Stewens lehnt deshalb auch Ressourcenquoten ab, für die H. Daly plädiert hatte; vgl. Daly, 1991, 61 ff.

genannt (Stewens, 1999-2000, 15 ff). Kurz et al. nennen als Prinzipien eines ordnungspolitischen Ansatzes ebenfalls die Funktionsfähigkeit des Preissystems, daneben die Freiheit des Wettbewerbs (verstanden als jeweils zu qualifizierende Wahlfreiheit der Konsumenten, Dispositionsfreiheit der Produzenten und Offenheit des Marktes), Privateigentum, Haftung, konstante Wirtschaftspolitik, korrigierte VGR und Berücksichtigung sozialer, politischer und ökonomischer Interdependenzen (Kurz et al., 1996, 120 ff). Klemmer et al. (1996) verweisen insbesondere auf die Koordinations- und die Selektionsfunktion des Marktes, die ein ordnungspolitischer Nachhaltigkeitsrahmen gefährden würde. Allerdings ist die These einer Entmachtung der Ökonomie "bei der neben einer mit großen Risiken verbundenen Strangulierung der Wirtschaft auch die Marktwirtschaft auf der Strecke bleiben muß" (Klemmer, 1996, 18) normativ. Das bisherige ökologische Versagen des Marktes wird nicht durch ein ähnliches umweltpolitisches Versagen des Staates legitimiert. Im Gegenteil sollte sich die ordnungsrechtliche Diskussion der normativen gesellschaftlichen Zielfindung öffnen (vgl. Becker Soest, Wink, 1996). Rennings et al. haben festgestellt, daß eine am Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ausgerichtete Wirtschaftspolitik zu kurz greift, "wenn sie sich lediglich mit Fragen der effizienten Allokation von Gütern auf Märkten befaßt." (Rennings et al., 1996, 268) Eine Ordnungspolitik der Nachhaltigkeit müsse vielmehr die Frage des Umfangs (Daly) wirtschaftspolitisch thematisieren und zweit- und drittbeste Lösungen konsensfähig machen, da erstbeste Lösungen systematisch versagten. Sie haben die Instrumente einer Ordnungspolitik der Nachhaltigkeit nach folgenden Kriterien beurteilt: Effektivität (Zielkonformität), Erforderlichkeit (Systemkonformität), ökonomische Effizienz und institutionelle Beherrschbarkeit.

Das ordnungsrechtliche Instrumentarium stellt ihrer Einschätzung zufolge die sicherste Maßnahme zur akuten, lokalen Gefahrenabwehr dar, da sie den Normadressaten bindende Restriktionen vorschreibt. Demgegenüber erlauben Abgaben und Zertifikate Anpassungsreaktion der Unternehmen; sie kommen vor allem bei der Reduktion von Emissionsflüssen und im vorsorgenden Umweltschutz zum Einsatz. Für die Behörden sind Zertifikate vergleichsweise weniger informationsaufwendig. Theoretisch ließen sich von Subventionen ähnliche Effekte erhoffen; allerdings würden sie hohe Informationsanforderungen stellen und langfristig falsche Preissignale aussenden und zu ökonomischer Ineffizienz führen. In der Praxis werden Subventionen nur zur Unterstützung umweltpolitischer Maßnahmen eingesetzt. Das Haftungsrecht kann das umweltpolitische Instrumentarium dort ergänzen, wo für eine staatliche Nachhaltigkeitspolitik keine Informationen über Umweltschäden vorliegen oder reparable Umweltschäden vermieden werden sollen. Die Verschuldungshaftung kann nur Anreize bieten, die gesetzlichen Standards einzuhalten, wohingegen die Gefährdungshaftung Anreize zur Vermeidung von Schäden entfalten soll. Allerdings kann ein System von Gefährdungshaftungen keine politisch erwünschten Emissionsminderungsziele umsetzen, da sich das Niveau der Umweltqualität marktendogen einstellt (Wätzold, 1998, 2000). Auch weisen Rennings et al. auf die praktischen Beschränkungen der Gefährdungshaftung hin, die eine verursachergerechte Zurechenbarkeit erheblich erschweren.

Im Bereich des vorsorgenden, unterhalb der Gefahrenschwelle ansetzenden Umweltschutz erweist sich das Haftungsrecht rechtlich als ungeeignet (vgl. Lübbe-Wolff, 1995, 52 f).

Rennings et al. halten am Verursacherprinzip orientierte ökonomische Instrumente (Abgaben, Zertifikate) für systemkonformer als ordnungsrechtliche Gebote, denn Umweltabgaben würden gegenüber Auflagen größere Verhaltensspielräume eröffnen, obwohl sie breiter wirkten. Am vorteilhaftesten beurteilen auch sie Zertifikate. Freiwillige Selbstverpflichtungen könnten langfristig nicht das Gemeinwohl wahren, und seien auf Branchenebene nur dann marktkonform, wenn branchenintern auf Marktmechanismen (z.B. private Zertifikate) zurückgegriffen werden würde. Es gebe aber aufgrund des Einzelfallcharakters von Selbstverpflichtungen durchaus kartell- und wettbewerbsrechtliche Bedenken.

Die ökonomische Effizienz von Auflagen ist gering, da sich sowohl auf der gesamt- als auch auf der einzelwirtschaftlichen Ebene keine statische Allokationseffizienz erzielen läßt. Da sie keine (umwelttechnische) Innovationsdynamik induzieren können, sind sie auch dynamisch ineffizient.

Die allokativen Vorteile der ökonomischen Instrumente basieren auf ihrem geringen Informationsbedarf. Abgaben weisen Kostenvorteile für die Unternehmen auf und können dynamische Anreize für umwelttechnologische Innovationen vorweisen. Dies wird Zertifikaten mitunter abgesprochen, da Zertifikatpreise bei technischem Fortschritt fallen und bei gleichbleibender Zertifikatmenge weitere mögliche Innovationen unterbleiben. Außerdem können bei der räumlichen Ausgestaltung von Zertifikatsystemen Konflikte zwischen ökologischer und ökonomischer Zielsetzung auftreten, die – je nach dem – zu Lasten der ökonomischen Effizienz führen könnten. Freiwillige Instrumente können bei bestimmten Regelungen effiziente Instrumente sein; sie müssen jedoch das Trittbrettfahrerproblem lösen, das mit der Zahl der Akteure und der Heterogenität der Branche wächst. Da sich keine einheitlichen Preise für die Umweltnutzung einstellen, ist eine effiziente Allokation nicht zu erwarten. Auch stellen sich keine dynamischen Anreize zur Entwicklung von Umwelttechniken ein.

Die Umweltpolitik hat bisher aus vielfältigen Gründen vornehmlich ordnungsrechtliche Auflagen implementiert. Diese boten jedoch Raum für erhebliche Fehlentwicklungen sowohl des politisch-administrativen Systems (Vollzugsdefizit) als auch des ökonomischen Systems (Ineffizienz). Absehbar führt eine auflagenzentrierte Umweltpolitik bei anhaltendem Wirtschaftswachstum ihr eigenes Versagen herbei, indem sie Rechtssystem und ökonomisches System mit Detailregulierungen zu blockieren droht. Gegen Abgaben und Zertifikate bestehen aber erhebliche Widerstände seitens des ökonomischen und des politisch-administrativen Systems.

Abgabepflichtige Wirtschaftsakteure und Rennings et al. zufolge auch ordnungsrechtlich kooperierende Genehmigungsbehörden gehören zu den Gegnern von Umweltabgaben. Die Verselbständigung des polisch-administrativen Systems scheint den Autoren sogar insoweit möglich, als daß bei Umweltabgaben das ökologische Lenkungsziel ganz hinter die Betrachtung der Steuer als Einnahmequelle des Staate zurücktreten würden (Rennings et al., 1996, 267). Freiwillige Selbstverpflichtungen sind schwer zu implementieren und im Vollzug schwer zu kontrollieren. Der Schatten staatlicher Intervention mag den geringen Anreiz zur Selbstverpflichtung zwar erhöhen, doch löst er weder das Koordinations- noch das Kontrollproblem, da die vereinbarten Ziele i.d.R.

rechtlich nicht verbindlich sind.

J. Minsch hat ein Konzept ökologischer Grobsteuerung vorgestellt, welches das Ordnungsmodell von Rennings et al. z.T. konkretisiert (Minsch, 1994). Die Grobsteuerung konzentriert sich auf wenige strategische Inputs, um die gegenwärtigen quantitativen Ursachen ökologischer Gefährdung zu beseitigen. Dazu sei eine ökologische Rahmenordnung zu realisieren, "die einen marktwirtschaftlichen Suchprozeß in Richtung nachhaltiger Entwicklung initiiert." (ebd., 23) Eine derartige ökologische Grobsteuerung soll eine Inputorientierung aufweisen, die bei der Wirk-, Material- und Raumursache der Naturschädigung ansetzt. Sie habe eine quantitative Perspektive, da ökologische Gefährdung primär ein Mengen- und Größenproblem sei, und gestatte dem ökonomischen System eine offene Anpassung an den ordnungspolitischen Rahmen. Diese Offenheit gelte auch im größeren Kontext der gesellschaftlichen Zielsetzung nachhaltiger Entwicklung. Als zentralen Ansatzpunkt nennt Minsch Energie und daneben Material und Abfall sowie Raum mit seinen Elementen Boden, Landschaft und Verkehr. Auf einer der quantitativen Ebene nachgeordneten Ebene soll von der Umweltpolitik eine ökologische Feinsteuerung implementiert werden. Die Instrumente einer solchen inputorientierten, umweltpolitischen Grobsteuerung könnten nach Stewens (1999-2000, 5) bei 1. der Ressourcenentnahme; 2. einzelnen gefährlichen Stoffen; 3.

der Senkung der Emissions- und Abfallströme und 4. Immissionen ansetzen.

Die ökologische Grobsteuerung folgt den etablierten Politikfeldern mit den darin bestehenden Ministerien. Sie führt zu keiner Aufgabenentlastung der administrativen Institutionen, sondern zu einer Neuordnung, die ihre potentielle Konfliktstellung zu anderen Politikfeldern und Ministerien nicht reflektiert.92 Es ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich, welche Indikatoren bzw.

welches Indikatorensystem eine kohärente ökologische Grobsteuerung mit Inputorientierung gewährleisten soll, denn die ökologischen Problemfelder müssen erst wieder (mit entsprechenden politischen Transaktionskosten) an das ökonomische System akkomodiert werden. Eine Stoffstrompolitik nach dem MIPS-Konzept kann demgegenüber die notwendige Kohärenz der ökologischen Zielsetzung gewährleisten und direkt auf das ökonomische System bezogen werden.

Wesentlich für einen solchen Ansatz ist ein ökologisch-ordnungspolitischer Rahmen, der Nach-haltigkeit möglichst einfach und kohärent umsetzt. Dieser wird von F. Hinterberger, F. Luks und M.

Stewens nicht wie im Konzept konstanten Naturkapitals statisch definiert, sondern dynamisch durch ökologisch-ökonomische Leitplanken innerhalb derer nachhaltige Entwicklung verlaufen soll. Darin fungiert das MIPS-Konzept als ökologisches Leitbild. Eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit übernehmen Institutionen, welche die Entwicklung einerseits beschränken und andererseits überhaupt erst ermöglichen. Diese Doppelrolle, die auch dem Rahmen insgesamt

Stewens nicht wie im Konzept konstanten Naturkapitals statisch definiert, sondern dynamisch durch ökologisch-ökonomische Leitplanken innerhalb derer nachhaltige Entwicklung verlaufen soll. Darin fungiert das MIPS-Konzept als ökologisches Leitbild. Eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit übernehmen Institutionen, welche die Entwicklung einerseits beschränken und andererseits überhaupt erst ermöglichen. Diese Doppelrolle, die auch dem Rahmen insgesamt

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