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4. SCHIZOPHRENIE UND SUBSTANZABHÄNGIGKEIT: ZWEI FORMEN

4.2 S UBSTANZABHÄNGIGKEIT

Durch die häufigen Abgänge und Entweichungen und Unterbringungen in immer neuen Institutionen und teil-weise auch eine kriminelle Aktivität wurde unsere Fami-lie dermaßen belastet, dass wir uns nicht mehr wie andere Familien in der Öffentlichkeit im sozialen Netz bewegen konnten, weil das . . . fast alle Zeit und Kraft aufgesaugt hat.

Der Vater einer substanzabhängigen Patientin im Interview

Phänomenologie. Die Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen sind eben-so vielfältig, wie das Angebot an Suchtmitteln. Bei ihrer Klassifikation wird v.a. nach der Klasse der konsumierten Substanzen und zwischen schädlichem Gebrauch und Abhängigkeit unterschieden. Substanzabhängigkeit ist nach ICD-10 (WHO, 1992) gegeben, wenn über ein Jahr mindestens drei der folgenden Kriterien zutreffen:

ƒ Es besteht ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, die Substanz zu konsumieren

ƒ Die Kontrollfähigkeit bezüglich des Konsums ist vermindert

ƒ Bei Beendigung oder Reduktion des Konsums kommt es zu einem körperlichen Entzugs-syndrom

ƒ Es besteht eine nachgewiesen Toleranz gegenüber der Substanz, d.h. um die ursprünglich durch niedrigere Dosen erreichte Wirkung zu erzielen, sind zunehmend höhere Dosen der Substanz notwendig

ƒ Es findet eine fortschreitende Vernachlässigung von Interessen zugunsten des Substanz-konsums statt

ƒ Der Konsum wird trotz nachweislicher Folgeschäden sozialer, psychischer oder physi-scher Art fortgesetzt

Die Diagnostik von Substanzabhängigkeit ist nicht einfach, da sie (a) nicht an der konsumier-ten Menge der Substanz festgemacht werden kann, (b) Alkoholkonsum ein sozial toleriertes Verhalten darstellt und (c) bei den Betroffenen wegen Bagatellisierung und Verleugnung häu-fig nur eine geringe Bereitschaft besteht, ehrliche Auskünfte zu geben.

Wie ein historischer Rekurs von Schmidt (1986) zur Konzeption der „Trunksucht“ zeigt, ist die soziale Deutung des Phänomens Substanzabhängigkeit zwiespältig: Bis zum Ende des 19.

Jahrhunderts wurde Alkoholabhängigkeit weitgehend als moralisches Problem, als Willens- und Charakterschwäche gesehen, wenn auch vereinzelt in England und Nordamerika andere Stimmen laut wurden, die auf den Krankheitscharakter des Alkoholismus hinwiesen. Selbst wenn der Alkoholsucht seitens deutschsprachiger Psychiater Krankheitswert eingeräumt wur-de, so nannten sie als Hauptmerkmal dieser Krankheit doch die Willensschwäche. Diese Sichtweise blieb lange maßgebend, und erst ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 18.6.1968 führte dazu, dass Alkoholabhängigkeit als Krankheit im Sinne der Rentenverord-nung anerkannt wurde.33 Dennoch kam es in der Folge auch zu Urteilen, aus denen ein entge-gengesetztes Verständnis der Alkoholabhängigkeit spricht. Im Zusammenhang mit einem Streit über Lohnfortzahlung urteilte das Bundesarbeitsgericht 1972: „Trunksucht und deren Folgen sind nach der Lebenserfahrung, jedenfalls in aller Regel, selbstverschuldet.“ In der Urteilsbegründung hieß es, dass heute „der verständige Mensch, der verständige ArbN [Ar-beitnehmer, Anm. AB]“ weiß, „dass übermäßiger Alkoholkonsum zur Trunksucht führt“.34 Leshner (2001) kritisiert – in Bezug auf die USA – diesen auch heute noch beobachtbaren polarisierten Diskurs über die wahre Natur der Substanzabhängigkeit:

The United States is stuck in its drug abuse metaphors and in polarized arguments about them.

Everyone has a opinion . . . People see addiction as either a disease or as a failure of will. None of this bumpersticker analysis moves us forward. The truth is that we will make progress in dealing with drug issues only when our national discourse an our strategies are as complex and comprehensive as the problem itself (Leshner, http://www.issues.org/issues/17.3/).

Hämmig (2002) weist daraufhin, dass auch der von Leshner verwendete Begriff disease nicht alle Aspekte der Substanzabhängigkeit, sondern nur deren körperlichen Anteil abdeckt, und damit mit den sozial-kulturell gefärbten Kriterien kontrastiert, die im ICD-10 ausreichen, um Subtanzabhängigkeit zu diagnostizieren. Auch wird auf eine etymologische Doppeldeutigkeit des Begriffes Sucht hingewiesen, dieser lasse sich sowohl aus dem Verb suchen als auch aus siechen ableiten (Tretter, 1998). Aus soziologischer Sicht wird weiter eine Doppelmoral im Umgang mit dem Substanzkonsum von Jugendlichen festgestell:

Einerseits gehört das Trinken und Rauchen integral zu vielen Veranstaltungen und Feierlichkei-ten dazu und gerade bei solchen im Umkreis der Familie oder des Vereins haben Kinder oftmals

33 BSG , Urteil vom 18.06.1968, BRK 63/66; BSGE, 28, S.114 ff.

34 BAG, Urteil vom 07.12.1972, 5 AZR 340/72, AP §1 LohnFG Nr. 26. Dieses Urteil wurde 1983 in einem weiteren Urteil des Bundesarbeitsgerichts revidiert: „Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach der Arbeiter eine krankhafte Alkoholabhängigkeit in der Regel selbstverschuldet hat“. BAG, Urteil vom 01.06.1983, 5 AZR 536/80, BAGE 43, S. 54 ff.

den ersten Kontakt mit den Alltagsdrogen....Drogenkonsum ist eine gesellschaftlich und kultu-rell verankerte Verhaltensweise, die vor allem als Kompensation von Konflikt- und Belastungs-situationen weitgehend akzeptiert zu sein scheint. Auf der anderen Seite wird aber der autonome Genuss der Jugendlichen gebrandmarkt (Lange, 2003, S. 5).

Schönherr (1997) spricht mit Bezug auf die Alkoholabhängigkeit von einer „Ambivalenz zwischen moralischer Verurteilung und augenzwinkernder Komplizenschaft“ (S. 272).

Versucht man, sich der Definition von Substanzabhängigkeit zu nähern, so stößt man also auf folgende Gegensätze:

ƒ Die Annahme, es handele sich um eine unverschuldete Krankheit, steht der Idee von der Substanzabhängigkeit als Ausdruck von Willensschwäche oder gar Charakterlosigkeit ge-genüber, womit zumindest im Ansatz Schuldhaftigkeit impliziert ist.

ƒ Der Begriff Substanzabhängigkeit ist doppeldeutig: Substanzabhängigkeit wird einerseits als körperliche Krankheit mit Toleranzentwicklung und Entzugssymptomen auf physiolo-gischer Ebene und andererseits als dysfunktionales Verhalten mit sozial-kulturell konzep-tualisierten Symptomen wie Verlust der Kontrollfähigkeit, Vernachlässigung und Konsum trotz sozialer Folgeschäden definiert, der Begriff bezieht sich also auf verschiedene As-pekte eines Gegenstandes.

ƒ Der institutionalisierte, gemäßigte und kontrollierte Konsum ausgewählter psychotroper Substanzen ist sozial erwünscht, autonomer Konsum dagegen, der außerhalb gesell-schaftlicher Regelungen stattfindet, sozial unerwünscht.

Epidemiologie und Verlauf. Nach einer repräsentativen, prospektiv-longitudinalen Verlaufs-studie von Lieb et al. (2000) stellen Jugendliche und junge Erwachsene eine besondere Risi-kogruppe für missbräuchlichen Konsum und Abhängigkeit von psychotropen Substanzen dar:

Für die Altersgruppe von 14 bis 24 Jahren zeigte sich, dass der Konsum legaler Drogen wie Alkohol und Nikotin mit 90% und der illegaler psychotroper Substanzen mit 35% häufiger verbreitet ist als bisher angenommen. Bei der Alkoholabhängigkeit lag die Lebenszeitpräva-lenz bei 2.5 % der weiblichen und 10% der männlichen und für Alkoholmissbrauch bei 4.5%

der weiblichen und 15.1% der männlichen Jugendlichen. Die Lebenszeitprävalenz für die Abhängigkeit von einer beliebigen illegalen Droge lag bei 1.6% und 2.5%. In einer Nachun-tersuchung konnte gezeigt werden, dass der Konsum in den jüngeren Altersgruppen noch ansteigt.

(a) Alkohol: Der Pro-Kopf-Verbrauch reinen Alkohols lag im Jahr 2001 in Deutschland auf unverändert hohem Niveau bei 10.51 Litern, damit war Deutschland im internationalen Ver-gleich in der Spitzengruppe (Meyer & John, 2003). Für mehr als 200 Krankheiten und 80 Formen von Unfällen wurde bei riskantem Alkoholkonsum ein erhöhtes Mortalitätsrisiko nachgewiesen (Bühringer et al., 2000). Bisherige Schätzungen gehen für die BRD von 40.000 durch Alkoholkonsum bedingten Todesfällen pro Jahr aus (Hüllinghorst, 1995), wobei ange-sichts in Deutschland noch fehlender Monitoring-Systeme, wie sie die WHO vorschlägt (WHO, 2000, s. dazu auch Meyer & John, 2003) mit einer Unterschätzung gerechnet werden kann (s.a. Bühringer et al., 2000). In einer Repräsentativerhebung zum Gebrauch psychoakti-ver Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland 1997 (Kraus & Bauernfeind, 1998) zeigten 16% der 18-59-Jährigen ein riskantes Konsummuster, als alkoholabhängig wurden 3% der Befragten in dieser Altergruppe klassifiziert. Alkoholabhängigkeit gehört nach einer Reprä-sentativerhebung im Auftrag der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) aus dem Jahre 2000 zu den häufigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland (Kraus & Augustin 2001).

Jellinek (1947, 1960) unterscheidet fünf Typen des Trinkverhaltens, von denen bei zwei schädlicher Gebrauch von Alkohol und bei drei Abhängigkeit von Alkohol festgestellt wird.

Bei letzteren handelt es sich um Alkoholabhängige vom Gamma-, Delta- und Epsilon-Typ.

Für den Gamma-Typ wid ein schleichender, chronifizierend-progredienter und für den Epsi-lon-Typ ein episodischer Verlauf beschrieben. Auf Basis dieser Typologie ist erkennbar, dass Alkoholabhängigkeit häufig einen episodischen Charakter hat und vor allem Angehörige ei-nen schleichenden, schwer zu interpretierenden Beginn und ein Auf- und Ab der Symptoma-tik zu gewärtigen haben. Nach einer Meta-Analyse von Süß (1995) kann nach einer Entwöh-nungsbehandlung von 34-48% für die Dauer von 6 Monaten bis 4 Jahren abstinenten ehemals Alkoholabhängigen ausgegangen werden, die Rückfallraten sind also entsprechend hoch.

Auch dies verdeutlicht den episodischen Charakter vieler Krankheitsverläufe.

(b) Psychotrope Medikamente: Rund ein Drittel aller in Deutschland ärztlich verschriebenen psychotropen Medikamente mit Suchtpotential werden in Deutschland nicht zur Behandlung einer akuten medizinischen Problematik, sondern langfristig zur Vermeidung von Entzugser-scheinungen und damit letztlich zur Suchtunterhaltung verordnet (Glaeske, 2003). In der Re-präsentativerhebung von Kraus und Augustin (2001) lag die 12-Monats-Prävalenz für Medi-kamentenabhängigkeit im Jahre 2000 in Deutschland bei 2.9%, dies entspricht insgesamt ca.

1.4 Mio. Medikamentenabhängigen, davon sind ca. 1.1 Mio. von Benzodiazepinen35 und 300.000 von anderen Arzneimitteln abhängig. Für die Benzodiazepinabhängigkeit fanden Luderer, Mayer und Schulz (1995) einer retrospektiven Verlaufsuntersuchung einen chronifi-zierenden Verlauf und berichteten, dass bei 80% der Patienten die Verschreibung sofort in eine Dauerverschreibung überging.

(c) Illegale Drogen: Zu den illegalen Drogen zählen Halluzinogene bzw. Psychedelika wie z.B. LSD und Cannabis, Analgetika bzw. Opiate wie z.B. Heroin sowie Stimulantien, z.B.

Kokain und Amphetamine. Die Anzahl der Erstkonsumenten illegaler harter Drogen stagnier-te im Jahr 2001 mit 22.551 Personen auf dem Niveau des Vorjahres (Dewald, 2003). Die 18-24-Jährigen stellten hier mit 53% die größte Gruppe dar, dem entsprechen auch die Ergebnis-se der Erhebung von Kraus und Augustin (2001), welche die höchste Prävalenz des Konsums von illegalen Drogen bei den 18-24-Jährigen fanden. Außerdem manifestierten sich in dieser Repräsentativerhebung im Auftrag der DHS bzgl. des Konsums illegalen Drogen ein Ge-schlechtsunterschied, die 12-Monats-Prävalenz bei den Männern war gegenüber den Frauen um das 1.4-2.4-fache erhöht.

Die Studie ergab bzgl. der Abhängigkeit von illegalen Drogen für die Stichprobe aus 18-59-Jährigen eine 12-Monats-Prävalenz von 0.6%, dies entspricht – für die Gesamtbevölkerung hochgerechnet – 290.000 Personen, die von illegalen Drogen abhängig sind. Männer sind dabei mit einer 12-Monats-Prävalenz von 0.9% häufiger von Abhängigkeit betroffen als Frau-en mit 0.4%. 0.3% der PersonFrau-en aus dieser Stichprobe betrieb schädlichFrau-en Gebrauch illegaler psychoaktiver Substanzen.1.835 Personen starben 2001 in Deutschland infolge ihres Rausch-giftkonsums, damit kam es erstmals zu einer deutlichen Verminderung der Drogentoten (De-wald, 2003). Ladewig (2000) charakterisiert die Opiatabhängigkeit als eine zur Chronifizie-rung neigende Erkrankung, bei der aber auch wellenförmige Verläufe beobachtet werden können. Für die Abhängigkeit von Kokain und Amphetaminen liegen laut Kraus, Kraus und Thomasius (2000) keine gesicherten Erkenntnisse zum Verlauf vor.

Allgemein wird für Abhängigkeitserkrankungen häufig ein zirkulärer und nichtlinearer Ver-lauf mit einer Schleife aus Konsum, Abhängigkeitsentwicklung, Abstinenzversuchen und Rückfällen beschrieben (z.B. bei Tretter, 1998; s. auch Marlatt & Gordon, 1985): „Phänome-nologisch liegt also der Sucht ein Kreisprozess zwischen Zuständen der Abhängigkeit und der

35 Benzodiazepine sind Schlaf- und Beruhigungsmittel

Unabhängigkeit zugrunde“ (Tretter, 1998, S. 126). Schwoon (2000) schildert entsprechend für Suchtkranke einen Weg durch die Institutionen der Suchthilfe, der im Rahmen der Kontakt-aufnahme mit verschiedensten Einrichtungen durch wiederholte Versuche der Abstinenz ge-kennzeichnet ist. Hierdurch entsteht ein stufenförmiger Prozess, bei dem zunächst Arztpraxen und Allgemeinkrankenhäuser kontaktiert werden, darauf folgen Begegnungen mit Fachbera-tungsstellen, die zur Entwöhnungsbehandlung auf Fachabteilungen oder Fachkliniken weiter verweisen und zu guter Letzt Anschlussbehandlungen im Rahmen von Selbsthilfegruppen oder weiterer Fachberatung. Je weiter Patienten in diesem System vorankommen, desto höher liegen die Abstinenzraten, so Schwoon. Es ist davon auszugehen, dass es sich hier um einen langfristigen Prozess handelt, der durch zahlreiche Rückfälle und Neuanfänge charakterisiert ist.

Soziale Folgen. Shedler und Block (1990) fanden in einer Längsschnittsuntersuchung einen kurvilinearen Zusammenhang zwischen dem Konsum von illegalen Substanzen bei Jugendli-chen und deren psychosozialem Anpassungsniveau: Jugendliche, die gelegentlich mit Drogen experimentierten, waren besser angepasst als Jugendliche, die keine Drogen konsumierten.

Jugendliche, die häufig und regelmäßig psychotrope Substanzen einnahmen, waren am schlechtesten angepasst, hatten das höchste emotionale Stressniveau, berichteten von interper-sonaler Entfremdung und wiesen mangelnde Impulskontrolle auf. Newcomb und Bentler (1989) berichten, dass jugendlicher Substanzkonsum das Risiko beinhaltet, dass ein beschleu-nigter Übergang in Erwachsenenrollen stattfindet, wobei die Qualität des so erreichten sozia-len Status leidet.

Silbereisen und Kastner (1984) stellen die These auf, dass Drogenkonsum für einen Teil der Jugendlichen durchaus funktional für die Bewältigung von Entwicklungsaufgaben ist, für diejenigen, die ein abhängiges Konsummuster entwickeln, jedoch mit dem Risiko einhergeht, dabei auf lange Sicht zu scheitern. Der Erwerb von Kompetenzen im Umgang mit psycho-tropen Substanzen als Mittel zur affektiven Selbstregulation ist nach Klein (2004) selbst eine Entwicklungsaufgabe. Schmidt (1986) schildert als Folgen der Alkoholabhängigkeit zahlrei-che psychosoziale Beeinträchtigungen, von der Erhöhung von Arbeitsunfällen und Ar-beitsausfällen über die Häufung von Aggressionsdelikten bis hin zur Einschränkung der Ver-kehrstüchtigkeit.

Erst kürzlich untersuchten Bergmann und Horch (2002) die gesamtwirtschaftlichen Folgen der Alkoholabhängigkeit. Danach mussten in Deutschland im Jahr 2001 für medizinische

Behandlung und aufgrund von Arbeitsunfähigkeit, Invalidität und vorzeitiger Mortalität mit 40 Milliarden Euro etwa 1.13% des jährlichen Bruttosozialprodukts (BSP) aufgewendet wer-den. Damit stehen den 3.4 Milliarden Euro Steuereinnahmen im Jahre 2001 (Meyer & John, 2003) weit höhere Kosten durch Folgeschäden gegenüber. Rosen, Rosenheck, Shaner, Eck-man, Gamache und Krebs (2002) ermittelten vor allem für Substanzabhängige eine erhöhte Bedarf an finanzieller Unterstützung. In einer Befragung von Familien von 169 psychiatri-schen Patienten fanden Clark und Drake (1994), dass komorbide Substanzabhängigkeit eine zusätzliche finanzielle Belastung für die Familien darstellt, stärkerer Substanzkonsum jedoch dazu beiträgt, dass Familienmitglieder die finanzielle Unterstürzung reduzieren.

Die Abhängigkeit von psychotropen Substanzen ist außerdem mit Kriminalität und Gewalt assoziiert. 2001 wurden in Deutschland 246.518 Rauschgiftdelikte und 2.458 Fälle der direk-ten Beschaffungskriminalität registriert, damit kam es bei der drogenbezogenen Kriminalität zu einer Abschwächung des Aufwärtstrends (Dewald, 2003). Steinert (2001) stellte für sub-stanzabhängige Patienten ein moderat erhöhtes Risiko zur Ausübung von Gewalt fest, die sich vor allem gegen Angehörige richtet. Das Risiko für gewalttätiges Verhalten ist für Patienten mit Störungen im Zusammenhang mit dem Gebrauch psychotroper Substanzen deutlich höher als für schizophren Erkrankte, so Eronen, Angermeyer, und Schulze (1998) in einem Über-sichtsartikel.

Thomasius (2002) konstatiert, dass die Entwicklung einer Suchtstörung die Struktur von Fa-milien und die FaFa-milienbeziehungen unmittelbar betrifft, indem sich Rollen Aufgaben und Befindlichkeiten aller Familienmitglieder verändern. Eine Studie zum familiären Funktions-niveau zeigte in Familien mit einem substanzabhängigen Angehörigen entsprechende Ein-schränkungen bzgl. Problemlösefähigkeiten, Kommunikation, Rollenerfüllung, affektiver Ansprechbarkeit und Beteiligung im Vergleich mit Familien der Kontrollgruppe (Friedmann, McDermut, Solomon, Ryan, Keitner, & Miller, 1997). Hudson, Kirby, Firely, Festinger und Marlowe (2002) fanden bei Substanzabhängigen und ihren Bezugspersonen gegenüber einer Kontrollgruppe eine geringere soziale Anpassung.

Hier stellt sich die Frage, ob das schlechtere familiäre soziale Funktionsniveau und die gerin-gere soziale Anpassung als Antezedenz oder Konsequenz der Substanzabhängigkeit zu werten sind. Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung müssen beide Wirkungsrichtungen be-dacht werden. Für Letztere sprechen die Anpassungsleistungen, die Familien Substanzabhän-giger erbringen müssen: Jackson (1954) sieht die Anpassung der Familie an die

Alkoholab-hängigkeit durch wiederholte Rollenwechsel geleistet, die in AbAlkoholab-hängigkeit davon vollzogen werden, ob der Erkrankte sich gerade in einer Phase hohen Konsums samt Einschränkungen im sozialen Bereich oder in einer Phase versuchter Abstinenz befindet. Wilke und Ziegler (1984) beschreiben das Leben mit einem alkoholkranken Familienmitglied als einen durch Krisen, Zusammenbrüche und die Wiederherstellung eines labilen Gleichgewichtes gekenn-zeichneten Teufelskreis: Auf eine unerträglich werdende Situation folgt beispielsweise die Drohung der Partnerin, sich scheiden zu lassen, woraufhin der Erkrankte verspricht, fortan abstinent zu bleiben. Sein Rückfall in altes Trinkverhalten geht mit einem entsprechenden Rückfall der Partnerin einher, die ihre Drohung nicht wahrmacht, bis die Situation wiederum unerträglich wird und der Kreislauf von neuem beginnt.

4.3 Schizophrenie und Substanzabhängigkeit: Komorbidität