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4. SCHIZOPHRENIE UND SUBSTANZABHÄNGIGKEIT: ZWEI FORMEN

4.1 S CHIZOPHRENIE

Man sieht, die Zeit verrinnt, und er kommt nicht vor-wärts.

Der Vater eines schizophren erkrankten Patienten im Interview

Phänomenologie. Die Schizophrenie ist eine Erkrankung mit vielen Gesichtern. Dies gilt zum Einen für die Manifestation verschiedenartigster Symptome auf den Ebenen Erleben und Verhalten, die dieser Erkrankung zugeschrieben werden. Zum Anderen ist auch die psychi-sche Verfassung von Menpsychi-schen, die an schizophrenen Episoden leiden, Gegenstand unter-schiedlichster gesellschaftlicher Deutungen. Die Vielfältigkeit der Syndrome aus dem schizo-phrenen Formenkreis lässt sich an den erlebens- und verhaltensnahen Kriterien ablesen, die in der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen der World Health Organization (WHO) in ihrer 10. Fassung (ICD-10) und im Diagnostischen und Statistischen Manual Psy-chischer Störungen der American Psychiatric Association (APA) in seiner vierten Fassung (DSM-IV) eine klassifikatorische Diagnostik dieser Störung ermöglichen (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1

Klassifikation der Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis ICD-10,

ƒ Geruchs-, Geschmacks- oder

ƒ Köperhalluzinationen

Paranoider Typus

F20.1 hebephrene Schizophrenie

ƒ inadäquater oder verflachter Affekt

ƒ Denken und Sprache desorganisiert

ƒ Antriebsverlust

F20.3 undifferenzierte Schizophrenie Undifferenzierter Typus F20.6 Schizophrenia simplex ---

F20.8 sonstige Schizophrenie Schizophreniforme Störung

F20.9 nicht näher bezeichnete Schizophrenie Nicht näher bezeichnete psychotische Stö-rung

F21 schizotype Störung

Exzentrisches Verhalten und Anomalien des Den-kens und der Stimmung, die schizophren wirken, obwohl nie eindeutige und charakteristische schi-zophrene Symptome aufgetreten sind

Schizotypische Persönlichkeitsstörung

Im DSM-IV auf Achse II, Persönlichkeitsstörungen

F22.0 wahnhafte Störung

Einzelne oder mehrere aufeinander bezogene Wahnideen ohne akustische Halluzinationen oder Affektverflachung

Wahnhafte Störung

F23 akute vorübergehende psychotische Stö-rungen

Kurze psychotische Störung

F24 induzierte wahnhafte Störung (folie à deux)

Gemeinsame psychotische Störung

F25 schizoaffektive Störungen

Episodische Störung, bei der sowohl affektiveals auch schizophrene Symptome in der selben Krankheitsphase auftreten

Schizoaffektive Störung

F1x.5x psychotische Störung hervorgerufen durch psychotrope Substanzen

Substanzinduzierte psychotische Störung Anmerkung: Angegeben sind die bei der jeweiligen Störungsform im Vordergrund stehenden Sym-ptome gemäß ICD-10.

Charakteristisch für Störungen aus dem schizophrenen Formenkreis sind Erscheinungen, die (a) als positive Symptome, d.h. als über das normale Erleben und Verhalten hinausgehend und (b) als negative Symptome, d.h. als hinter der Qualität und Quantität normalen Erlebens und Verhaltens zurückbleibend gewertet werden (Andreasen & Olsen, 1982, Andreasen, Swayze, Tyrell, & Arndt, 1990; s. zur Übersicht auch Kay, 1991). In die Gruppe der positiven Sym-ptome lassen sich folgende Phänomene einordnen:

ƒ formale Denkstörungen wie Gedankenausbreitung, Gedankenlautwerden, Gedanken-entzug, Gedankeneingebung, Gedankenabreißen, Zerfahrenheit

ƒ inhaltliche Denkstörungen, d.h. Wahnvorstellungen, die einfach oder komplex sein kön-nen

ƒ Halluzinationen jeder Sinnesmodalität

ƒ inadäquater Affekt

ƒ Motorische Störungen wie Haltungsstereotypien oder wächserne Biegsamkeit Zur Gruppe der Negativsymptomatik gehören:

ƒ Störung des Antriebs, Apathie

ƒ Sprachverarmung

ƒ Sozialer Rückzug, verminderte soziale Leistungsfähigkeit

ƒ Affektverflachung

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, die Taxonomie von Positiv- und Negativsymptomatik und ihre Zuordnungen sind Gegenstand fortwährender Diskussion. Bei-spielsweise fügen Green und Nuechterlein (1999) als weiteren Symptomkomplex neurokogni-tive Einschränkungen hinzu und erklären, dass diese gemeinsam mit der Negativsymptomatik einen größeren Beitrag zur Erklärung der allgemeinen Leistungsfähigkeit schizophren er-krankter Patienten haben als die Positivsymptomatik.

Katschnig unterscheidet vier Muster der sozialen Deutung schizophrenen Erlebens und Ver-haltens und schlussfolgert aus dieser Mehrdeutigkeit, dass der Umgang mit diesem Phänomen als „Seiltanz“ verstanden werden kann (Katschnig, 1977, S. 13): (a) „Schizophrenie als Kli-schee“ (S. 6) wird getragen durch eine Trivialisierung mittlerweile überholter psychiatrischer Begriffe, die bei Laien ein Eigenleben entwickelt hat, das der „heutigen Realität von Schizo-phrenie in keiner Weise mehr entspricht“ (S. 6). Der klischeehafte SchizoSchizo-phreniebegriff löst

Schrecken aus, wird mit einer Spaltung der Persönlichkeit gleichgesetzt (vgl. auch die Ergeb-nisse einer Umfrage bei Holzinger, Angermeyer, & Matschinger, 1998) und ist der Inbegriff der Geisteskrankheit an sich. Gleichzeitig., so Katschnig, wurde der klischeehafte Schizo-phreniebegriff zu einem ebenso banalen wie viel verwendeten Synonym für alles, was als widersprüchlich oder unverständlich gedeutet wird. Hoffmann-Richter, Forrer und Finzen (2003) konnten in einer Inhaltsanalyse von 83 Beiträgen in der Frankfurter Allgemeinen Zei-tung zeigen, dass die Verwendung des Begriffes als Metapher häufig eine diskriminierende und abwertende Form annimmt. (b) Die Konzeptualisierung von Schizophrenie als Nicht-Krankheit im Rahmen der Antipsychiatrie (vgl. 2.2) verwässerte den Begriff oft bis zur Un-kenntlichkeit, verstand psychotische Phänomene allein als soziale Konstruktion und trug nichts zu erfolgreichen Behandlungsmaßnahmen bei.

(c) Doch auch die heute übliche Verwendung des Begriffs im Rahmen diagnostischer Klassi-fikation bringt laut Katschnig Schwierigkeiten mit sich, denn sie wird dem dimensionalen, kontinuierlichen Charakter psychischer Störungen nicht gerecht und legt nahe, dass es sich bei den vorgeschlagenen Zuordnungen von Symptomen und Diagnosen um eindeutige Wahr-heiten handelt, obwohl besser von einem mehrdeutigen Verhandlungsergebnis die Rede sein sollte. Dennoch zieht Katschnig die Einstufung der Schizophrenie als Krankheit, die mög-lichst genau, differenziert und verhaltensnah beschrieben werden kann, allen anderen Konzep-tualisierungen vor. (d) Das Verständnis von „Schizophrenie als Behinderung“ (S. 12) war mit dem Versuch einer Neuorientierung in der Behandlung schizophrener Störungen hin zu einem

„Management“ verbunden (Leff, 1977). Dennoch, so Katschnig, haftet diesem Begriff die Idee eines endgültigen Defekts an, die so für schizophrene Störungen gerade nicht gilt.

Jede dieser Möglichkeiten, die Bedeutung der Schizophrenie zu erfassen, hat eine gewisse Berechtigung und ist Teil der Bemühungen, ein komplexes Phänomen aus beeinträchtigenden und Leiden verursachenden Erlebens- und Verhaltensweisen zu verstehen. Vor dieser Heraus-forderung stehen tagtäglich nicht allein Forscher und Kliniker, sondern vor allem auch die Erkrankten und ihre Angehörigen. Weil diese zunächst ohne systematisches Wissen, beein-flusst von sozialen Stereotypen und Vorurteilen und ohne professionelle Distanz um ein Ver-ständnis dessen ringen, was mit ihnen geschieht, ist davon auszugehen, dass diese Herausfor-derung für sie in der Tat und in besonderem Maße einen „Seiltanz“ darstellt. Dazu kommt, dass Patienten in der ersten schizophrenen Episode ein geringeres Bewusstsein haben, an ei-ner Krankheit zu leiden, als Patienten, die bereits mehrfach eine psychotische Episode durch-lebt haben (Thompson, McGorry, & Harrigan, 2001). Dementsprechend ist von einem

zess einer sich entwickelnden Krankheitseinsicht auszugehen, der ebenso die engen Angehö-rigen betrifft.

Dieser sich über lange Zeiträume erstreckende Seiltanz ist in hohem Maße relevant für das Selbstverständnis des Erkrankten und seiner Angehörigen. Die Mehrdeutigkeit des Phäno-mens Schizophrenie bildet für Betroffene die Basis für Dilemmata in den Bereichen des Selbstverständnisses und der Gestaltung sozialer Beziehungen, die sich u.a. in zwischen-menschlichen Ambivalenzerfahrungen niederschlagen könnten.

Epidemiologie und Verlauf. In einer großangelegten internationale Studie im Auftrag der WHO variierte das Risiko, irgendwann im Leben an einer Form der Schizophrenie zu erkran-ken, nur erstaunlich gering zwischen europäischen (England, Dänemark, Irland, Russland) und asiatischen (Japan, Indien) Ländern sowie den USA und lag im Mittel bei etwa 1%

(Jablensky et al., 1992; Sartorius et al., 1986). Die Inzidenzraten32 erreichten in allen unter-suchten Gebieten bei Männern ihren Höhepunkt im Alter zwischen 15-24 Jahren, während Frauen am häufigsten zwischen 35-54 Jahren erkrankten. Das Lebenszeitmorbiditätsrisiko dagegen unterschied sich nicht zwischen Männern und Frauen.

Für das Verständnis der Schizophrenie ist insbesondere die Erforschung ihrer Verläufe von Bedeutung, die sehr häufig episodischen Charakter haben. Jablensky et al. (1992) fanden in ihrer internationalen Studie mit 50% zwar einen recht hohen Anteil an Erkrankungsverläufen, in denen es über einen 2-Jahre-Zeitraum nach einer einzigen Episode zu keinem Rezidiv kam, in einer US-amerikanische Studie von Sheperd, Watt, Faloon und Smeeton (1989) dagegen lag dieser Anteil innerhalb eines 5-Jahres-Zeitraumes mit 22% weit niedriger, und es ist anzu-nehmen, dass dieser Wert für die westliche Welt realistischer ist, da auch die Werte aus der WHO-Studie bzgl. westlicher Industrienationen in diesem Bereich lagen. In 35% der Fälle zeigten sich in dieser repräsentativen Stichprobe diskrete Episoden mit zwischenzeitlicher Vollremission, in 8% der Fälle ein episodischer Verlauf mit zwischenzeitlicher Residualsym-ptomatik und in 35% der Fälle ein chronisch florides Bild bei progressiver Entwicklung. Auch Ciompi und Müller (1976) fanden in gut 40% der Fälle episodische Krankheitsverläufe, wo-bei es innerhalb dieser wo-bei mehr als der Hälfte zu zwischenzeitlichen Vollremissionen und später zu einem vollständigen Abklingen der Erkrankung kam.

32 Inzidenz ist definiert als die Auftretenshäufigkeit von Neuerkrankungen innerhalb eines definierten Zeitrau-mes

In der Age-Beginning-Course-Studie (Häfner & an der Heiden, 1999) zeigte sich, dass eine schizophrene Episode meist mit negativen und unspezifischen Symptomen – wie Verände-rungen im Affekt und eine Einbruch der Leistungsfähigkeit – begann, und dies häufiger schleichend als akut war. Positive Symptome, welche dazu führen, dass diese Beeinträchti-gungen erst über die Schwelle für eine diagnostizierbare Episode gehoben werden, setzten oft erst Jahre später ein und wurden erst kurz vor dem Maximum der Episode häufiger als die unspezifische und Negativ-Symptomatik. Die Prodromalphase hatte eine mittlere Länge von 5 Jahren, und die Phase, innerhalb derer die ersten produktiven Symptome zu beobachten wa-ren, dauerte bis zu deren Klimax im Mittel 1.1 Jahre. Zu einer Hospitalisierung kam es im Durchschnitt erst zwei Monate später.

Die Follow-up Studien der WHO-Studie (Jablensky et al., 1992; Sartorius et al., 1986) erga-ben eine angesichts der kaum streuenden Prävalenz besonders interessante hohe internationale Variabilität im Verlauf der schizophrenen Erkrankungen, insbesondere zwischen Industriena-tionen und Entwicklungsländern. In letzteren sind Vollremissionen häufiger und Beeinträchti-gungen des sozialen Funktionsniveaus im Follow-up seltener als in entwickelten Ländern.

Weitere positive Einflussfaktoren auf den Verlauf waren u.a. das Leben in einer Partnerschaft oder die Unterstützung durch ein soziales Netzwerk (Jablensky, 2000). Jablensky führt diese Unterschiede im Verlauf bei gleichem Erkrankungsrisiko auf eine Interaktion aus genetischen und Umgebungsfaktoren zurück.

Diese Daten legen nahe, dass der häufig episodische Verlauf der Erkrankung einen deutlichen Einfluss auf die Lebensführung der Betroffenen und ihrer Angehörigen – und möglicherweise umgekehrt – haben sollte. Der Erkrankungsbeginn ist häufig schleichend, selbst für Fachleute schwierig zu erkennen und durch unspezifische Symptome gekennzeichnet, die zwar das Zu-sammenleben in der Familie stark stören, aber keinen Eindruck von eindeutiger Krankheit machen. Bis fachliche Hilfe aufgesucht wird, vergehen oft Jahre und selbst nach dem Einset-zen der produktiven Symptomatik dauert es noch Monate bis zur Ersthospitalisierung. Ver-mutlich ist diese Zeit der Prodromalphase gekennzeichnet durch besonders starke Unsicher-heit der Eltern, wie das Verhalten des Kindes zu deuten ist, während die erkrankten Kinder ohnehin Schwierigkeiten haben, ihr Erleben und Verhalten – auch bzgl. der Generationenbe-ziehung – einzuordnen. Ebenso kann für spätere Zeitpunkten des Krankheitsverlaufes ange-nommen werden, dass viele Familien psychisch Kranker ein Auf und Ab von Symptomen, ein Hin und Her von Verständnis und Ablehnung, ein Schwanken zwischen Hoffnung und Hoff-nungslosigkeit erleben.

Soziale Folgen. Der Einfluss, den die schizophrene Erkrankung eines Menschen auf seine Generationenbeziehungen hat, kann jedoch nicht allein phänomenologisch verstanden wer-den. Vielmehr zeitigt die schizophrene Erkrankung auch soziale Folgen, die weit über das hinausgehen, was für somatische Erkrankungen beschrieben werden kann. Bzgl. des allge-meinen sozialen Funktionsniveaus fanden Sheperd, Watt, Faloon und Smeeton (1989) in der bereits oben angeführten Studie in 45% der Fälle ihrer repräsentativen Stichprobe aus Schizo-phreniekranken eine minimale, in 43% eine mild-moderate und in 12% eine schwere Beein-trächtigung. In 14% lag eine mild-moderate und in 16% eine schwere Verminderung der Ar-beitsfähigkeit vor. Die Freizeitgestaltung war in 50% der Fälle mild bis moderat und in 15%

schwer geschädigt und auch bzgl. der Familienbeziehungen zeigte sich in 36% der Fälle ein mild-moderate und in 14% der Fälle ein schwere Beeinträchtigung. Häfner und an der Heiden (1999) konnten anhand von Daten aus der ABC-Studie zeigen, dass vor allem jung erkrankte Patienten von Beginn an in ihrer sozialen Entwicklung benachteiligt sind, da in der Adoles-zenz neue Entwicklungsaufgaben anstehen und neue soziale Rollen bewältigt werden müssen und dieser Prozess durch die Erkrankung und ihre Folgen unterbrochen wird. In diesem Zu-sammenhang wird auch von einem Knick in der Lebenslinie gesprochen (Riecher, 1999).

Im Rahmen des von Wing entwickelten Konzepts von Schizophrenie als Behinderung (1963, 1987) wird die unspezifische Vorläufer-Symptomatik als prämorbide Behinderung, die schi-zophreniespezifische Symptomatik als primäre Behinderung und die sozialen Folgeschäden als sekundäre Behinderung verstanden. Dazu gehören nicht allein die aus der prämorbiden und spezifischen Symptomatik resultierende Beeinträchtigungen im sozialen Funktionsni-veau, sondern auch Behinderungen im wahrsten Sinne des Wortes: Diese entstehen aus der Interaktion zwischen psychischer Beeinträchtigung und dem gesellschaftlichem Umgang mit ihr, so kann es zu sozialer Unsicherheit, mangelndem Selbstvertrauen und Angst vor Erwerbs-tätigkeit kommen. Katschnig nennt diese sekundären Behinderungen „sozial determiniert“

und merkt an, dass diese durch die Erfahrung entstehen können, „dass man nicht verstanden oder nicht akzeptiert wird“ (1977, S. 13).

Schizophrene Psychosen gelten auch im Vergleich mit Volkskrankheiten wie Schlaganfall und Diabetes als kostenintensive psychische Erkrankung. Die direkten Behandlungskosten der liegen für einen Schizophreniekranken bei durchschnittlich 14.204 Euro, bei einem an Diabe-tes vom Typ 2 Erkrankten bei 3.576 Euro, wobei wegen der größeren Zahl der Erkrankten das Krankheitsbild Diabetes gesamtwirtschaftlich noch kostenintensiver ist (von der Schulenburg, 1999). Die jährlichen Kosten für das Gesundheits– und Sozialsystem Deutschlands wurden

1994 auf etwa 6.9 Mrd. DM geschätzt, und international wird fast die Hälfte der insgesamt für psychiatrische Versorgungsleistungen aufgewendeten Mittel für schizophrene Erkrankungen aufgebracht (Bundesamt für Statistik, 1998). Dazu kommt, dass die Kosten für die Versor-gung schizophren Erkrankter im Vergleich mit der allgemeinen Preissteigerungsrate in einem 15-Jahreszeitraum überproportional um fast 80% gestiegen sind, wobei dieser Kostensteige-rung auch eine erheblich gestiegene Versorgungseffektivität gegenüber steht, die mit einem hohen Nachholbedarf seit der Psychiatrie-Enquete zu erklären ist (Salize & Rössler, 1999).

Auch für die Patienten und ihre Familien stellt die Erkrankung eine hohe finanzielle Belas-tung dar, die Einfluss auf deren BeziehungsgestalBelas-tung haben könnte. Im Gesundheitsbericht des Bundes heißt es dazu:

Schizophren Erkrankte erfüllen aufgrund ihres frühen Erkrankungsalters zumeist nicht die An-spruchsvoraussetzungen für Leistungen der Sozialleistungsträger, insbesondere der Rentenver-sicherung und der Bundesanstalt für Arbeit. Daher hat sich für diesen Personenkreis faktisch eingebürgert, daß rehabilitative Leistungen in der Regel durch die Sozialhilfe finanziert werden.

Diese Regelung führt dazu, daß die Betroffenen und ihre direkten Angehörigen in weitaus grö-ßerem Maße zu finanziellen Eigenleistungen verpflichtet sind als bei der Zuständigkeit von an-deren Leistungsträgern. Betroffene und Angehörige gelangen dadurch nicht selten bis an die Armutsgrenze (Bundesamt für Statistik, 1998, S. 8).

Weiter wurde beschrieben, dass enge Angehörige, vor allem Mütter, ein erhöhtes Risiko ha-ben, Opfer von Gewalt durch psychotisch Erkrankte zu werden (Steinert, 2001; Vaddadi, Gil-leard & Fryer, 2002). Die sozialen Folgen der Schizophrenie haben also vielfältigen Einfluss auf die Familie als kleinste soziale Einheit innerhalb der Gesellschaft. Es ist davon auszuge-hen, dass für Schizophreniekranke vor allem die Herkunftsfamilie eine große Rolle spielt, da, wie Häfner und an der Heiden (1999) zeigen konnten, vor allem im Alter zwischen 12 und 35 Jahren Erkrankte zum Zeitpunkt ihrer ersten schizophrenen Episode meist noch keine eigene Partnerschaft aufgebaut hatten und zum Großteil weder über eine abgeschlossenen Berufsaus-bildung, einen Arbeitsplatz und ein eigenes Einkommen noch über eine eigene Wohnung verfügten.

Daraus lässt sich schließen, dass schizophren Erkrankte in weit höherem Maße auf ihre Eltern verwiesen sind als gesunde Erwachsene und an Eltern solcher Patienten weit höhere soziale und finanzielle Aufgaben in der Sorge für ihre Kinder herangetragen werden, als an Eltern nicht schizophren erkrankter Jugendlicher, Adoleszenter und junger Erwachsener. Vor dem Hintergrund schizophrener Symptomatik und ihrer sozialen Folgen sollte auch das Ergebnis von Friedmann, McDermut, Solomon, Ryan, Keitner & Miller (1997) gesehen werden, die in

37% der von ihnen untersuchten Familien von Patienten mit einer schizophrenen Spektrums-störung ein ungesundes familiäres Funktionsniveau feststellten. Dabei unterschieden sich diese Familien signifikant von gesunden Kontrollen, nicht aber von Familien mit Mitgliedern, die an anderen psychischen Störungen litten.