• Keine Ergebnisse gefunden

Literaturarchive und ihre Funktion als Bibliothek und Archiv Zumindest strukturell entsprechen die Literaturarchive in Frankfurt, Berlin, Zumindest strukturell entsprechen die Literaturarchive in Frankfurt, Berlin,

Vorbemerkung zur publizierten Ausgabe

Kapitel 8 referiert als zweiten Teil der empirischen Studie Konzeption, Durchfüh- Durchfüh-rung, Auswertung und Ergebnisse einer Online-Befragung, an der Mitglieder des

4 Länderspezifische Faktoren als Einflussgrößen der präkustodialen Intervention

4.2 Literaturarchive und Special Collections – Entwicklung und Strukturen Strukturen

4.2.1 Entwicklung und Struktur der Literaturarchive in Deutschland Im Vergleich zu Bibliotheken und Archiven sind Literaturarchive sehr junge Im Vergleich zu Bibliotheken und Archiven sind Literaturarchive sehr junge

4.2.1.3 Literaturarchive und ihre Funktion als Bibliothek und Archiv Zumindest strukturell entsprechen die Literaturarchive in Frankfurt, Berlin, Zumindest strukturell entsprechen die Literaturarchive in Frankfurt, Berlin,

Wei-mar und Marbach Diltheys Vorstellung von einer selbstständigen Einrichtung ne-ben Archiven und Bibliotheken. Ulrich Ott, der eine zweigliedrige Modellskizze für Literaturarchive aufstellte, bezeichnete sie als Institutionen „sui generis“. Dem gegenüber stehen Literaturarchive, die an eine Bibliothek angegliedert sind.404 In der Bundesrepublik Deutschland sammeln die großen Regionalbibliotheken, also Universitäts- und Landesbibliotheken sowie große Stadtbibliotheken, literarische Nachlässe. Die aus daraus entstandenen Literaturarchive sind Abteilungen der Bibliotheken und als solche in die Strukturen des öffentlichen Dienstes eingebet-tet.405 Sie erfüllen damit eine Aufgabe, die erstmals für Bibliotheken der 3. Stufe im Bibliotheksplan’73 festgeschrieben wurde: Das Sammeln und Erschließen der

401 Museen sind nach Ulrich Ott auch heute noch ein wesentliches Merkmal von Literaturarchiven;

Literaturarchivalien dienen als Exponate in Museen und Ausstellungen. Vgl. Ott 1999, S. 35.

402 Rogalla von Bieberstein 1979, S. 29. Über die Aktivitäten ausgewählter regionaler Literaturar-chive informiert der ZfBB-Sonderband „Dichternachlässe. Literarische Sammlungen und Ar-chive in den Regionalbibliotheken von Deutschland, Österreich und der Schweiz“ aus dem Jah-re 2009. Vgl. Syré 2009.

403 Vgl. Ott 2003 , S. 87; Hellfaier 2009, S. 26.

404 Vgl. Ott 1999, S. 30f.

405 Eine Übersicht über Literaturarchive an Regionalbibliotheken in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt Syré 2009.

Nachlässe und Manuskripte von regional bedeutenden Persönlichkeiten.406 Die Neubearbeitung Bibliotheken‘ 93 wies 20 Jahre später dann schon ganz ausdrück-lich auch auf den Auf- und Ausbau von regionalen Literaturarchiven als Ausgabe von Regionalbibliotheken hin.407 Einschlägige Bibliotheksabteilungen firmieren allerdings nicht immer unter der Bezeichnung „Literaturarchiv“; sie können auch als Teil der Handschriftensammlung zu finden sein. Beide Planungspapiere schreiben die historisch gewachsenen Strukturen fest, da große Bibliotheken, in Anlehnung an die großen mittelalterlichen Handschriftenbestände, immer auch schon literarische Manuskripte aus der Neuzeit übernahmen.408 Auch hier begann man im 19. Jahrhundert, parallel zur Literaturarchiv-Bewegung, die ersten Dich-termanuskripte gezielt zu sammeln. Dies geschah nach 1806 im Zuge der Säkula-risierung und mit dem Wandel der Hofbibliotheken hin zu öffentlichen Bildungs-instituten, was mit dem Bemühen einherging, das regionale Schrifttum zu sammeln und zu dokumentieren.409 Im Rahmen dessen sind Regionalbibliotheken, obwohl diese zum Teil auch Universitätsbibliotheken sind, nicht als reine For-schungsinstitute, sondern auch als öffentliche Bildungseinrichtungen zu verstehen.

Als Beispiele für Literaturarchive an Regionalbibliotheken seien das Literaturar-chiv Saar-Lor-Lux-Elsaß an der Saarländischen Universitäts- und thek Saarbrücken, das Lippische Literaturarchiv an der Lippischen Landesbiblio-thek Detmold und das Literaturarchiv der WienbiblioLandesbiblio-thek genannt. Zu dieser Gruppe gehören auch die Literaturarchive in den Bibliotheken bedeutender Kör-perschaften, z.B. das Literaturarchiv der Berliner Akademie der Künste. Als eine Abteilung der Regionalbibliotheken finden sich häufig auch Sammlungen, die sich dem Nachlass eines Autors widmen, etwa Hölderlin-Archiv an der Württem-bergischen Landesbibliothek in Stuttgart.

Die beiden Modelle – Literaturarchive „sui generis“ und Literaturarchive an Bib-liotheken – bieten nur eine grobe Bestandsaufnahme der möglichen Organisati-onsformen. Es gilt aber die Aussage, dass Literaturarchive sehr häufig organisato-risch einer Bibliothek angegliedert sind. Aber auch als Institutionen „sui generis“

406 Vgl. Deutsche Bibliothekskonferenz 1973, S. 17.

407 Vgl. Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände 1994, S. 38.

408 Hellfaier beschreibt dies stellvertretend für andere Bibliotheken am Beispiel der Lippischen Landesbibliothek in Detmold. Vgl. Hellfaier 2009, S. 27ff. Weitere Beispiele geben die ande-ren Beiträge in Syré 2009.

409 Zum Bestreben des 19. Jahrhunderts, Bibliotheken der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, vgl. Schmitz 1984, S. 119f. Zur wissenschaftlichen Stadtbibliothek aber auch zu Landesbiblio-theken vgl. Leyh 1929, S. 30ff.

nehmen sie bibliothekarische Aufgaben wahr.410 Diese Nähe drückt sich unter anderem auch in ihrer Funktion als philologische Forschungsstätten und generell als Stätten der Literaturvermittlung aus. Auch dort, wo ein Literaturarchiv nicht einer Bibliothek angegliedert ist, erfordert dies notwendig den Aufbau einer For-schungsbibliothek, die die Literatur zum Sammelgebiet möglichst vollständig sammelt und bibliothekarische Mehrwerte – von der sachlichen Erschließung bis zum Informationsdienst – anbietet.

Die Nähe zu Bibliotheken wird jedoch relativiert, wenn man die Literaturarchiva-lien selbst betrachtet. Qualitativ stehen Sie, wie in Kapitel 2 ausgeführt, dem Ar-chivgut näher. Die organisatorische Bindung an Bibliotheken und die gleichzeiti-ge, durch die physische Beschaffenheit der Literaturarchivalien bedingte, Annäherung an archivische Arbeitsmethoden, indizieren ein Changieren der Ein-richtung Literaturarchiv zwischen Bibliothek und Archiv.411 Diese Dichotomie bestimmt dann im 20. Jahrhundert den Diskurs um Organisation, Aufgaben und Arbeitsmethoden der Literaturarchive in Deutschland. Sie führte zum sog. Kom-petenzstreit412 – einer langjährigen und heftigen Diskussion über die Frage, ob

410 Rogalla von Bieberstein stellt in seiner Erhebung für Nordrhein-Westfalen fest, „dass es bezüg-lich der literarischen Nachlässe keine klare Abgrenzung zwischen ‚literarischen Archiven und Bibliotheken‘ gibt“ (Rogalla von Bieberstein 1979, S. 5.). Vgl. hierzu auch Umlauf 2007, S.

215f.

411 Deutliche Bezugspunkte hierfür sind schon bei Dilthey angelegt, etwa wenn er einerseits die charakterliche Ähnlichkeit von Literaturarchiven zu Staatsarchiven und deren Arbeitsmethoden betont und andererseits auf die Nähe zu den Handschriftenabteilungen der Bibliotheken hin-weist. Je nach Sammelschwerpunkt sah er Literaturarchive, wenn auch als selbstständige Insti-tutionen, in der Nähe renommierter Bibliotheken oder Archive verortet. Vgl. Dilthey 1889, S.

373f.

412 Auslöser dieses „Kompetenzstreites“ war der im Jahre 1926 vom Direktor der Staatlichen Ar-chive Bayerns, Ivo Striedinger, gehaltene Vortrag „Was ist Archiv-, was ist Bibliotheksgut“.

Striedinger unternahm darin den Versuch die Zuständigkeit von Bibliotheken und Archiven aus der Zweckbindung der zu übernehmenden Materialien herzuleiten. Brisant aus Sicht der Archi-vare war Striedingers Definition von Bibliotheksgut. Bestimmendes Merkmal für Bibliotheks-gut sei der „literarische Zweck“, den Striedinger in den Nachlässen von Dichtern, Musikern und Gelehrten als gegeben sah und diese demzufolge den Bibliotheken zuschlug, während die Nachlässe von Staatsmännern und Militärs in Archive gelangen sollten, weil hier der rechtliche Endzweck überwiege (Vgl. Striedinger 1926, S. 157). Striedingers Berufskollegen widerspra-chen dieser Formel und forderten auch literarische Nachlässe als Archivgut ein. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass Literaturarchivalien Registraturen von Privatpersonen seien und als unikale Dokumente in die Archive gehörten (Vgl. Meisner 1959, S. 119.). Von bibliothekari-scher Seite wurde hingegen immer wieder der literarische Zweck der Schriftstellernachlässe betont, die als Vorstufen von Publikationen Bibliotheksgut seien. Der Kompetenzstreit soll hier nicht in allen Einzelheiten referiert werden; er soll vielmehr als Indiz für das schwierige Ver-hältnis von Bibliotheken und Archiven dienen. Ausführliche Darstellungen des Kompetenz-streites finden sich bei Stoltzenberg 1987, S. 74 und Asmus 2010, S. 15ff.

literarische Nachlässe Bibliotheks- oder Archivgut seien und wo man demzufolge Literaturarchive zu verorten habe. Ein vorläufiger Endpunkt dieses Streits stellte die 2010 publizierte zweite Auflage der Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen (RNA) dar, die als bibliothekarisches Regelwerk in Zusammen-arbeit mit Archiven erZusammen-arbeitet wurde und sowohl die archivische Terminologie als auch die archivische Verzeichnispraxis stärker berücksichtigt.413 War der Kompe-tenzstreit vor allem eine theoretische Auseinandersetzung über literaturarchivische Aufgaben, so erfolgt in der Praxis die Deposition literarischer Nachlässe auch in diversen Archiven. Etwa im Falle Heinrich Bölls, der seinen Nachlass an das Stadtarchiv Köln übergab. Rogalla von Bieberstein stellte in seiner landesweiten Erhebung für Nordrhein-Westfalen 1979 sogar fest, dass lokale Bestände vorwie-gend von Stadtarchiven betreut würden.414 Auch das Goethe- und Schillerarchiv in Weimar sieht sich von seinem Selbstverständnis her in archivischer und nicht in bibliothekarischer Tradition.415

4.2.1.4 Zusammenfassung

In Deutschland nehmen Literaturarchive somit Aufgaben wahr, die den drei Ge-dächtnisorganisationen zugeordnet werden können, sie verkörpern die „Dreiein-heit der Dokumentationsbereiche Archiv, Bibliothek und Museum“416. Der litera-rische Zweck des Sammelgutes und die doch sehr häufig festzustellende organisatorische Zuordnung zu Bibliotheken bestimmen ihren Charakter als Bib-liothek. Aufgrund ihres Sammelgutes übernehmen sie archivische Arbeitsmetho-den; durch Ausstellungen oder in einigen Fällen durch Literaturmuseen erfüllen sie die Funktion eines Museums. Trotz dieser multifunktionellen Ausrichtung ist die Nähe zu Bibliotheken aufgrund der historischen gewachsenen Strukturen nicht zu übersehen. Konstituierend ist zudem – zumindest für die größeren Literaturar-chive – die Verbindung von wissenschaftlicher Forschung mit einem Bildungsan-gebot, das sich an die breite Öffentlichkeit richtet.417 Dieses Selbstverständnis speist sich aus der „Literaturarchiv-Bewegung“, die ihre Wurzeln in Stiftungen und Bildungsvereinen hatte und zugleich immer eng mit den Bibliotheken ver-bunden war. Welche Charakteristika weisen hingegen ihre angelsächsischen Pen-dants auf?

413 Vgl. Asmus 2010, S. 35f.

414 Vgl. Rogalla von Bieberstein 1979, S. 40.

415 Zur archivischen Tradition des Goethe- und Schiller-Archivs vgl. Schmid 1996, S. 105ff.

416 Rogalla von Bieberstein 1979, S. 14.

417 Vgl. Deutsche Schillergesellschaft 1996, S. 8; Golz 1996, S. 69; Webseite des Literaturarchivs Sulzbach-Rosenberg (http://literaturarchiv.de/start.html) (Überprüfungsdatum: 30.05.2011).

4.2.2 Das Sammeln literarischer Manuskripte und Nachlässe in den