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Vorbemerkung zur publizierten Ausgabe

Kapitel 8 referiert als zweiten Teil der empirischen Studie Konzeption, Durchfüh- Durchfüh-rung, Auswertung und Ergebnisse einer Online-Befragung, an der Mitglieder des

3 Persönliche Archive, Langzeitarchivierung und präkustodiale Intervention – ein Literaturbericht

3.2 Exemplarische Forschungsvorhaben

3.2.2 Digital Lives

Das Projekt „Digital Lives: Personal Digital Archives for the 21st century“ startete im September 2007, die Forschungsphase endete im Februar 2009; für die Veröf-fentlichung der Projektergebnisse war der Zeitraum bis September 2009 vorgese-hen.Das Projekt wurde vom Arts and Humanities Research Council (AHRC) ge-fördert und bestand aus einem institutionenübergreifenden Projektteam unter Federführung der British Library.239

236 Vgl. Paradigm project 2007, S. 277ff.

237 Thomas schreibt: „The workbook is intended to be used by IT and archival staff involved in the preservation of digital materials, though we think that Paradigm will be most relevant to col-lecting institutions, especially those caring for the personal papers of individuals, whether they be writers, scientists, politicians or academics. The workbook will include basic guidelines for individuals creating digital records likely to have long-term historical value.” (Thomas, Martin 2006, S. 38.)

238 Vgl. Bodleian Library 2012; Thomas 2011.

239 Vgl. John u. a. 2010, S. iii. Die beteiligten Bibliotheken waren die British Library, das Univer-sity College London und die UniverUniver-sity of Bristol.

Projektbeschreibung und Ziele

Auch Digital Lives war als explorative Studie angelegt, allerdings mit einem we-sentlich weiteren Horizont als Paradigm. Aufgabe von Digital Lives war es:

[…] to help (i) to enable personal digital archives to attain their far-reaching research potential, (ii) to understand the way both academics and people generally engage with and use the personal computer, (iii) to progress the capture, holding and use of personal archives throughout an individual’s life, and (iv) to impart to the individual the option of passing the personal archive to a repository or to other individuals such as family members.240 Digital Lives untersuchte nicht nur persönliche Archive von besonderem histori-schen oder literaturwissenschaftlichen Wert, sondern bezog ausdrücklich die Ar-chive von Durchschnittsbürgern mit ein und diskutierte hierfür einen post-, bzw.

non-kustodialen Ansatz. Im Rahmen des Projekts wurden auch Nachlasskuratoren und Forscher als potentielle Nutzer digitaler Sammlungen, befragt.241 Zudem ver-suchte man die neuartigen Phänomene terminologisch zu erfassen242 und Entwick-lungen in einen historischen Kontext zu stellen.243 Großen Raum nahmen zudem rechtliche und ethische Aspekte und technologische Fragen ein.244 Damit wurde erstmals der Versuch unternommen, alle Aspekte des Themenkomplexes in einem Projekt zu bearbeiten.

Forschungsmethode

Neben einer ausführlichen Literaturauswertung wurde ein Methodenmix verwen-det. Qualitative und quantitative Methoden der empirischen Forschung wurden explorativ eingesetzt: Privatpersonen wurden mit Hilfe von Interviews und Onli-ne-Fragebögen befragt, Workshops und Gruppendiskussionen kamen bei Kurato-ren und Archivnutzern zum Einsatz. Im Anschluss daran testeten die Projektmitar-beiter diverse Technologien und integrierten sie in die Prozesse der British

240 John u. a. 2010, S. 2.

241 Vgl. John u. a. 2010, S. 59ff.

242 Vgl. John u. a. 2010, S. 2f.

243 Vgl. John u. a. 2010, S. 107.

244 John u. a. 2010, S. 51ff, 65ff und 107ff.

Library. Dem Wissensaustausch mit projektfremden Forschern diente die For-schungskonferenz am Ende der Projektlaufzeit.245

Ergebnisse

Entsprechend seiner sehr umfangreichen Anlage erbrachte Digital Lives eine Fülle von Daten und Lösungsvorschlägen. Der ganzheitliche Ansatz in Verbindung mit dem explorativen Charakter des Projekts bedingte zudem, dass mehrere Aspekte erstmals ausführlich bearbeitet wurden. Eine vollständige Dokumentation der Er-gebnisse würde allerdings den Rahmen dieser Arbeit sprengen, daher sollen nur die für die vorliegende Arbeit relevanten Punkte genannt werden:

 Daten aus der präkustodialen Phase: Digital Lives lieferte erstmals in großem Umfange empirische Daten auf breiter Basis. Die Stichprobe der Online-Umfrage umfasste sowohl Akademiker als auch die breite Öffentlichkeit und erhob Daten zum Informationsmanagement in persönlichen Archiven. Zudem ermöglichten die Daten eine Bestandsanalyse persönlicher Archive, welche die bislang nur auf heuristischer Ebene geäußerten Thesen zur Binnenstruktur der Archivinhalte untermauerte.

 Daten aus der kustodialen Phase: In Workshops wurde mit Nachlasskuratoren und den Benutzern digitaler Nachlassbestände diskutiert. So konnten einer-seits Anforderungen an die Aus- und Weiterbildung von Kuratoren, Archivaren und Bibliothekaren, anderseits die Anforderungen der Bestandsnutzer ermittelt werden.

 Technologien und Methoden der Langzeitarchivierung wurden evaluiert und adaptiert. Dazu gehörten Migration, Emulation, digitale Forensik, Ancestral Computing oder die Nutzung des Cloud Computing. Ebenso wurden Angebote von Online Service Providern wie etwa SouthForge, Flickr oder Facebook in die Untersuchung einbezogen.

 Strategien für die präkustodiale Intervention wurden entwickelt: Hier seien vor allem zwei Projektentwicklungen genannt. Enhanced Curation ermöglicht das Sammeln von kontextuellen und ergänzenden Informationen insbesondere am Arbeitsplatz des Bestandsbildners. Dies geschieht etwa durch Videoaufnah-men, Panoramafotografie und den Einsatz von Methoden der Oral History.246 Unter iCuration versteht Digital Lives das Angebot von online-gestützten Dienstleistungen, die eine vorübergehende oder dauerhafte Archivierung

245 Vgl. John u. a. 2010, S. vi sowie die Einleitungen zu einzelnen Kapiteln des Projektberichts.

246 Vgl. John u. a. 2010, S. 5, Schaubild S. 189. Methoden der Oral History sind in diesem Falle Liveinterviews in der Arbeitsumgebung, Moderierte Diskussionen.

taler Objekte beim Bestandsbildner unterstützen. E-Learning-Angebote gehö-ren ebenso dazu, wie der Internet-gestützte Fernzugriff auf Archivobjekte.247

 Eine modulare Langzeitarchivierungs-Strategie für persönliche digitale Archi-ve wurde entwickelt und ausführlich dokumentiert. Die Strategie integriert die Ergebnisse der einzelnen Arbeitspakete zu einem Gesamtergebnis. Hierzu schlägt sie unter anderem die Vernetzung persönlicher Archive („Archives in the wild“) unter Obhut eines Archivs oder einer Bibliothek vor.

Dem Austausch mit Forschern, Kuratoren und der Öffentlichkeit galt die vom 09.

bis 11. Februar 2009 stattfindende „The First Digital Lives Research Conference“.

Die Veranstalter bezeichneten sie als eine Konferenz „in the character of 2.0.”248 So war der dritte Tag ausschließlich Web 2.0 und Cloud Computing gewidmet.