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I. Einkommen, Vermögen und Überschuldung

I.1 Die Verteilung von Einkommen auf Personen und Haushalte

I.1.6 Höhere Einkommen

In den bisherigen Einkommensanalysen waren hohe Ein-kommen aus unterschiedlichen methodisch bedingten Gründen ausgeklammert. So beschränkt sich die EVS auf Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen bis 35 000 DM. Erstmals konnte für den Armuts- und Reich-tumsbericht die Lohn- und Einkommensteuerstatistik 1995 (ESt-Statistik) als Informationsquelle für Analysen zu höheren Einkommen herangezogen werden.30 Einge-bettet in die gesamte Verteilung werden – mit alternativen Abgrenzungen – die hohen Einkommen hinsichtlich ihrer Struktur und Verteilung untersucht und quantifiziert. Der Einkommensbegriff der ESt-Statistik ist auf steuerliche Belange ausgerichtet. Benötigt wird jedoch ein ökonomi-scher und mit dem Einkommensbegriff der EVS

ver-gleichbarer. Dieser musste auf Basis der ESt-Statistik erst konstruiert werden.31

Vor Messung des Einkommensreichtums bedarf es der Klärung der relevanten Einkommenshöhe. Eine scharfe Grenzziehung gibt es hier nicht. Es werden daher alterna-tiv die in Tabelle I.5 aufgeführten Einkommensabgren-zungen betrachtet.

Der Mittelwert lag 1995 bezogen auf alle Steuerpflichti-gen bei 66 823 DM Bruttojahreseinkommen und damit die 200 %-Grenze bei 133 646 DM; die Abgrenzungen für die 10 % und 5 % Reichsten liegen nicht weit davon ent-fernt bei 116 801 und 148 628 DM. Damit verdienen 95 % aller Einkommensbezieher weniger als 148 628 bzw.

netto 95 510 DM.

Im Folgenden wird das obere Einkommenssegment nur noch exemplarisch anhand zweier Gruppen analysiert, die Millionäre und – in Analogie zur Gruppe der relativ Ein-kommensarmen, die weniger als die Hälfte des Durch-schnittseinkommen beziehen – diejenigen, deren Ein-kommen das Doppelte des Durchschnitts übersteigt.

I.1.6.1 Bezieher höherer Einkommen nach beruflicher Stellung

Auf der Grundlage des Bruttoeinkommens gab es 1995 in Deutschland 27 230 Einkommensmillionäre, davon wa-ren 76 % Selbstständige und 24 % abhängig Beschäftigte (siehe Tabelle I.6). Das mittlere Jahreseinkommen der Millionäre lag bei 2,7 Mio. DM; für Selbstständige bei knapp 3 Mio. und für abhängig Beschäftigte bei knapp 2 Mio. Es gab damit nicht viele Einkommensmillionäre:

31 Zu den methodischen Problemen siehe im Materialband Kap. I.1.6.

Im Materialband findet sich für methodisch Interessierte die Be-schreibung einer mikroanalytisch fundierten Kombination der EVS mit der ESt-Statistik, womit die in der EVS nicht enthaltenen hohen Einkommen geschätzt wurden. Damit ist zudem die Grundlage ge-legt für eine Ergänzung vorliegender Ergebnisse der Verteilungsfor-schung anhand eines integrierten Mikrodatenfiles, mit dem die Vor-teile zweier Datenbasen genutzt werden können.

Ta b e l l e I.5

Alternative Abgrenzungen höherer Einkommen, Einkünfte und Äquivalenzeinkommen (jeweils Jahreswerte 1995, Brutto und Netto)

1) Einkommen = ökonomisch; bezogen auf den Steuerpflichtigen

2) Einkünfte = Steuerlicher Einkommensbegriff

3) Äquivalenzeinkommen nach neuer OECD-Äquivalenzskala

Quelle: Merz, J.: „Hohe Einkommen, ihre Struktur und Verteilung – Mikroanalysen auf Basis der Einkommensteuerstatistik“

30 Der Bericht zu hohen Einkommen stützt sich auf das Gutachten

„Hohe Einkommen, ihre Struktur und Verteilung – Mikroanalysen auf Basis der Einkommensteuerstatistik“ von Prof. Dr. Joachim Merz.

von allen Steuerpflichtigen sind es nur 0,09 %; Selbst-ständige: 0,07 %, abhängig Beschäftigte: 0,02 %. Über-proportional war hingegen mit 3,8 % ihr Anteil an allen Einkommen.

Unter Berücksichtigung der zu zahlenden Steuern und Ab-gaben und staatlicher Transfers waren in Deutschland 12 707 Netto-Einkommensmillionäre zu zählen. Der An-teil der abhängig Beschäftigten war mit 19 % im Vergleich zum Bruttoergebnis (24 %) deutlich geringer. Der Anteil der Netto-Millionäre an allen Einkommensbeziehern be-trug 0,043 %; er verringerte sich somit im Vergleich zum Bruttoeinkommen (0,093 %) deutlich. Halbiert hat sich der Anteil der selbstständigen Netto-Millionäre auf 0,035 %. Ein stärkerer Rückgang war für die abhängig Be-schäftigten festzuhalten von 0,022 % Brutto-Millionäre auf 0,008 % Netto-Millionäre mit einer Gesamtanzahl von nur noch 2 431 Steuerpflichtigen. Der Anteil am gesamten Netto-Einkommenskuchen betrug 2,93 % (Selbstständige:

2,53 %, abhängig Beschäftigte: 0,40 %).

Wurde das Doppelte des durchschnittlichen Bruttoein-kommens als Abgrenzung gewählt (133 646 DM), stieg die Anzahl der Bezieher höherer Einkommen sprunghaft an: etwa 2 Mio. Steuerpflichtige zählten dazu, wobei nun die abhängig Beschäftigten mit 74 % die dominierende Gruppe waren. Das mittlere Bruttoeinkommen war nicht mehr knapp das Dreifache der Abgrenzung wie bei den Millionären, sondern mit 243 514 DM das 1,8fache von 133 646 DM. 6,8 % der Steuerpflichtigen sind in diese Gruppe einzustufen (Selbstständige: 1,7 %, abhängig Be-schäftigte: 5,0 %). Ein Viertel des Gesamteinkommens (24,8 %) wurde von den Beziehern höherer Einkommen erzielt; Selbstständige: 9,9 %, abhängig Beschäftigte:

14,9 %. Hinsichtlich des Netto-Einkommens (85 047 DM)

gab es noch gut 1,9 Mio. Personen in dieser Gruppe; ihr mittleres Netto-Einkommen lag bei ca. 157 000 DM. Der Anteil der abhängig Beschäftigten erhöhte sich im Ver-gleich zum Bruttoergebnis leicht auf 77,0 %.

I.1.6.2 Bezieher höherer Einkommen nach Geschlecht

Mit der ESt-Statistik lassen sich Ergebnisse sozioökono-misch nur begrenzt gliedern. Die Einkommen von zusam-menveranlagten Steuerpflichtigen können nicht eindeutig personell zugeordnet werden. Es bleiben also für eine ge-schlechtsspezifische Analyse die alleinveranlagten Steuer-pflichtigen, das waren mit 12,8 Mio. immerhin fast die Hälfte aller Steuerpflichtigen (46,5 %). Die folgenden Er-gebnisse (siehe Tabelle I.7) beziehen sich auf diese Zahl.

Knapp 6 000 Brutto-Einkommensmillionäre waren unter den alleinveranlagten Steuerpflichtigen zu zählen (0,04 %). Die 1 527 Millionärinnen hatten einen Anteil von 26 % an den Personen mit Bruttojahreseinkommen ab 1 Mio. DM und 0,01 % an den alleinveranlagten Steuer-pflichtigen. Zwar führte das Steuer- und Transfersystem zu einer gegenüber der Bruttobetrachtung deutlich gerin-geren Anzahl von Millionären und Millionärinnen, deren mittleres Einkommen blieb indes mit ca. 3,1 Mio. für beide Geschlechter gleich und in der gleichen Größen-ordnung wie die Brutto-Werte. Auch die Relation zwi-schen reichen Männern und Frauen (75 % vs. 25 %) blieb in der Nettobetrachtung in etwa erhalten. Die Wahl der 200 %-Grenze des durchschnittlichen Einkommens der Alleinveranlagten als Abgrenzung führte zu einem sprunghaften Anstieg auf knapp 820 000 alleinveranlagte Bezieher höherer Einkommen. Der Frauenanteil lag dort Ta b e l l e I.6 Bezieher höherer Einkommen nach beruflicher Stellung 1995

Quelle: Merz, J.: Hohe Einkommen, ihre Struktur und Verteilung – Mikroanalysen auf Basis der Einkommensteuerstatistik

bei 31 % in der Brutto-Betrachtung und bei 36 % in der Netto-Betrachtung (siehe Anhangtabelle I.39).

I.1.6.3 Verteilung der Einkommen oberhalb der Abgrenzungen

Sowohl bei der Abgrenzung „mehr als 200 %“ als auch beim „Millionär“ zeigte sich unabhängig von Brutto- oder Netto-Betrachtung, dass die Einkommen der Selbststän-digen oberhalb der jeweiligen Grenze deutlich ungleicher verteilt waren als bei den abhängig Beschäftigten. Die 90/10-Relation als Konzentrationsmaß zeigt an, um wel-chen Faktor die Einkommensreichsten (oberstes Dezil) am Gesamteinkommen aller Haushalte mehr partizipier-ten als die Einkommensärmspartizipier-ten (unterstes Dezil). Sie weist an dieser Stelle aus, dass die obersten 10 % der Selbstständigen im Schnitt etwa das 12 bis 13fache des Einkommensanteils der untersten 10 % für sich beanspru-chen konnten. Bei den abhängig Beschäftigten betrug der Quotient das 3,4 bis 6fache (siehe Anhangtabelle I.40).

Wie aus Anhangtabelle I.41 hervorgeht, bestanden in die-ser Analyse keine geschlechtsspezifischen Unterschiede.

I.1.6.4 Sozioökonomische Merkmale der Bezie-her höBezie-herer Einkommen im Überblick Obwohl die ESt-Statistik nicht für tiefergehende sozioö-konomische Analysen konzipiert ist, eignen sich einzelne persönliche Merkmale sowie Haushalts- und regionale Merkmale für die Strukturanalyse. Dabei stehen in ein-deutiger Abgrenzung nicht für alle Steuerpflichtigen In-formationen zur Verfügung. Wie in den vorhergehenden Analysen bereits diskutiert, hat sich die

geschlechtsspezi-fische Analyse bspw. auf die alleinveranlagten Steuer-pflichtigen zu beziehen.

25 % der Millionäre (Brutto wie Netto) waren Frauen. Der Frauenanteil der Nicht-Millionäre betrug dagegen 45 % (Brutto und Netto). Diese Anteile blieben auch bei der er-weiterten Betrachtung hinsichtlich der 200 % des jeweili-gen Mittelwertes im Wesentlichen erhalten. Erwartungs-gemäß war der Anteil der Einkommensmillionäre und -millionärinnen unter 20 Jahren gering (0,3 % bzw. 0,2 %).

Hinsichtlich der 200 %-Grenze verringerte sich ihr relati-ver Anteil auf 0,045 % bei den Männern und 0,036 % bei den Frauen. Das heißt, die Anzahl der Bezieher höherer Einkommen erhöhte sich stark gegenüber der Millionärs-grenze; die Jungen blieben aber eine kleine Gruppe. Die stärksten Unterschiede der Bezieher höherer Einkommen zu anderen fanden sich in der Millionärsabgrenzung bei der Altersgruppe 20 bis 30 Jahre (geringste Anteile) und 50 bis 60 Jahre (höchste Anteile). Die 200 %-Grenze führte zu deutlichen Verschiebungen: Die jüngeren Altersklas-sen waren stärker vertreten, wobei der Anteil mit dem Al-ter aber auch hier anstieg (siehe Anhangtabellen I.42 und I.43).

Betrachtet man in Tabelle I.8 den Haushaltstyp, waren deutliche Unterschiede hinsichtlich der Singles zu finden.

Unter den Brutto-Millionärshaushalten befanden sich 17,2 % Singles, bei den Nicht-Millionärshaushalten wa-ren es 42,6 %. Zudem überwogen die Paare ohne Kinder mit 33,4 % aller Haushalte; bei den Nicht-Reichen waren dies 22,3 %. Die Unterschiede zwischen den anderen Paartypen waren kleiner. Die größte prozentuale Überein-stimmung gab es bei den allein Erziehenden: es gibt 4,5 % allein erziehende reiche und 5,6 % allein erziehende nicht-reiche Haushalte.

Ta b e l l e I.7

Bezieher höherer Einkommen nach Geschlecht 1995

Quelle: Merz, J.: Hohe Einkommen, ihre Struktur und Verteilung – Mikroanalysen auf Basis der Einkommensteuerstatistik

Während sich andere Strukturmerkmale bei der 200 %-Grenze Einkommensbeziehern ober- und unterhalb der Abgrenzung im Vergleich zur Millionärsabgrenzung we-niger auswirkten, zeigt Tabelle I.9 beim Haushaltstyp das Gegenteil: Der größte Unterschied war bei den Singles mit 36,8 Prozentpunkten zu finden (8 % der Haushalte oberhalb der Abgrenzung waren Singles ge-genüber 45,1 % unterhalb). Es waren zudem relativ weit mehr Paare mit zwei und mehr Kindern in diesem höhe-ren Einkommenssegment anzutreffen als bei den Mil-lionären.

Als regionales Strukturmerkmal kann die Zugehörigkeit nach den alten und neuen Ländern herangezogen werden.

2 % aller Millionäre und 14,3 % aller Nicht-Reichen wohnten in den neuen Ländern (fast übereinstimmend hin-sichtlich der Brutto- und Nettobetrachtung). Die 200

%-Grenze ergab, dass 6,6 % aller Reichen in den neuen Län-dern zu finden waren. Auch hier stimmen Brutto- und Net-toergebnisse nahezu überein. Beim Vergleich zwischen den Regionen ist zu bedenken, dass mit dem Erhebungs-jahr 1995 auch erst fünf Jahre seit der Vereinigung ver-gangen waren (siehe Anhangtabellen I.42 und I.43).

In Erweiterung zu den oben beschriebenen Merkmalen fanden sich interessante Befunde bezüglich

– der beruflichen Stellung: 10,5 % aller Brutto-Mil-lionäre waren Arbeiter und Angestellte, 5 % Beamte, 62 % Unternehmer und 8,5 % Freiberufler. Ganz an-ders dagegen verteilte sich die berufliche Stellung bei den Nicht-Millionären. Bei der 200 %-Abgrenzung dominierten Arbeiter und Angestellte bei weitem das Bild (siehe Anhangtabellen I.42 und I.43).

Ta b e l l e I.8 Haushaltstypen ober- und unterhalb der Millionärsgrenze 1995

Quelle: Merz, J.: Hohe Einkommen, ihre Struktur und Verteilung – Mikroanalysen auf Basis der Einkommensteuerstatistik

Ta b e l l e I.9 Haushaltstypen ober- und unterhalb der 200%-Grenze 1995

Quelle: Merz, J.: Hohe Einkommen, ihre Struktur und Verteilung – Mikroanalysen auf Basis der Einkommensteuerstatistik