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Einkommenslage bei Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit

V. Arbeitsmarkt

V.6 Einkommenslage bei Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit

Nicht ausreichend ist es, das Armutsrisiko eines Erwerbs-tätigen oder eines Arbeitslosen allein an der individuellen Einkommenslage zu messen. Vielmehr ist es erforderlich,

96 Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf ersten Ergebnissen eines noch laufenden Gutachtens, das von Prof. Dr. Walter Hanesch im Auftrag der Bundesregierung erstellt wird.

den Haushaltszusammenhang, d. h. das gesamte dem Haushalt zur Verfügung stehende Einkommen einzube-ziehen. Als Armutsschwellen97werden nachfolgend 50 % bzw. 60 % des durchschnittlich verfügbaren, bedarfsge-wichteten Pro-Kopf-Einkommens verwandt. Die mögli-chen oder tatsächlimögli-chen Armutslagen von Erwerbstätigen und Arbeitslosen betreffen nicht nur sie allein, sondern in vielen Fällen sind weitere mit ihnen zusammenlebende Personen mit betroffen. Es wäre daher zu kurz gegriffen, nur die Erwerbstätigen oder Arbeitslosen zu betrachten.

Als Erwerbstätigenhaushalte gelten die Haushalte, in de-nen der Haushaltsvorstand oder sein Partner erwerbstätig sind. In Anlehnung an das „Labour-Force“-Konzept der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) gilt jeder als erwerbstätig, der nach eigenen Angaben einer Erwerbs-tätigkeit nachgeht, unabhängig davon, in welchem Um-fang und welcher Form die Erwerbstätigkeit stattfindet.

Außer Betracht bleiben erwerbstätige Kinder oder sons-tige Haushaltsmitglieder, soweit sie in Haushalten leben, in denen kein Haushaltsvorstand einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Der Haushaltsvorstand und dessen Partner wer-den nach diesem Ansatz als gleichermaßen maßgebliche Entscheidungsträger zur Sicherung des Wohlfahrtsni-veaus aller Haushaltsmitglieder angesehen. Unterschie-den werUnterschie-den drei Beschäftigtengruppen – sog. vollzeitbe-schäftigte Arbeitnehmer oder auch Normalarbeitnehmer (NAB), sonstige abhängig Beschäftigte (SAB) und Selbstständige einschließlich mithelfender Familienan-gehöriger (SEL).

Als Arbeitslose werden ausschließlich diejenigen Perso-nen gerechnet, die nach eigePerso-nen Angaben als solche bei den Arbeitsämtern registriert sind. Es kann zwar zu Über-lappungen zwischen Erwerbstätigen und registrierten Ar-beitslosen kommen, da gemäß dem Sozialgesetzbuch, Drittes Buch (SGB III), der Arbeitslosenstatus mit einer geringfügigen Beschäftigung vereinbar ist. Diese Über-lappungen halten sich jedoch in engen Grenzen. Aller-dings umfasst der Begriff des Arbeitslosen nicht nur Bezieher von Lohnersatzleistungen aus der Arbeitslosen-versicherung, sondern auch Personen ohne Leistungsbe-zug bzw. auch arbeitslos gemeldete Sozialhilfebezieher.

V.6.1 Einkommenslage bei Erwerbstätigkeit Der Anteil der Normalarbeitnehmer, d. h. der abhängig beschäftigten Personen in einem Vollzeitbeschäftigungs-verhältnis an allen Erwerbstätigen hat sich im früheren Bundesgebiet seit Mitte der 80er-Jahre von 61 % auf 58,3 % (1998) verringert. Gleiches gilt für den Anteil der Selbstständigen einschließlich der mitarbeitenden Famili-enangehörigen, der von 13,2 % auf 10,1 % gefallen ist.

Parallel dazu hat sich der Anteil der sonstigen abhängig Beschäftigten laufend von 25,7 % auf zuletzt 31,7 % er-höht. Der rückläufige Anteil der Normalarbeitnehmer muss allerdings vor dem Hintergrund einer steigenden

Er-werbsbeteiligung der westdeutschen Bevölkerung gese-hen werden: Dadurch hat sich zwar der Anteil der Nor-malarbeitnehmer verringert, ihre absolute Zahl hat dage-gen zudage-genommen. In den neuen Ländern ist seit 1992 ein vergleichbarer Prozess zu beobachten, wobei der Anteil der Normalarbeitnehmer nach wie vor etwas höher ist als im früheren Bundesgebiet (siehe Anhangtabelle V.11).

Die Verteilung der Bruttomonatsverdienste (siehe An-hangtabelle V.12) zeigt, dass 1998 18,9 % der Erwerb-stätigen im früheren Bundesgebiet einen Bruttomonats-verdienst bis zur Hälfte des DurchschnittsBruttomonats-verdienstes erzielten (1. Einkommensklasse), 15,3 % im Bereich 51 % bis 75 % (2. Ein-kommensklasse) und 22,4 % im Bereich 76 % bis 100 % (3. Einkommensklasse) lagen. Mehr als den Durchschnittsverdienst erzielten 43,4 % (4. Einkom-mensklasse). Diese Verteilung ist im Zeitablauf recht sta-bil, es gab lediglich kleine Änderungen. So ist von 1985 bis 1998 die Besetzung der untersten Einkommensklasse um gut einen Prozentpunkt zurückgegangen, und die Be-setzung der dritten Klasse hat sich in gleichem Umfang erhöht. Differenziert nach den drei Beschäftigungsfor-men, fällt bei den Selbstständigen das starke Auseinan-derklaffen der Verteilung mit relativ hohen Besetzungs-zahlen in den ganz niedrigen und ganz hohen Verdiensten auf. Bis Ende der 90er-Jahre war der Anteil der sehr nied-rigen Verdienste jedoch stark – auf weniger als die Hälfte – zurückgegangen. Bei den sonstigen abhängig Beschäf-tigten zeigt sich eine starke Gruppe in der niedrigsten Ein-kommensklasse. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass von der Gruppe der sonstigen abhängig Beschäftigten vor allem auch teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer erfasst wer-den und niedrige Einkommen damit auch durch niedrige Wochenarbeitszeiten bedingt sind. Bei den Normalarbeit-nehmern spielen definitionsgemäß geringe Wochenar-beitszeiten keine Rolle. Die Normalarbeitnehmer sind da-her in dieser untersten Einkommensklasse kaum vertreten.

In den neuen Ländern fiel die Besetzung der untersten Ein-kommensklassen – allerdings bei steigender Tendenz – schwächer aus als im früheren Bundesgebiet, während die zweite Klasse – ebenfalls mit steigender Tendenz – etwas stärker besetzt war. Insgesamt hat in den neuen Ländern das Gewicht dieser beiden Klassen stark zugenommen.

Demgegenüber lagen 1998 Besetzungszahlen der beiden oberen Klassen in ähnlicher Größenordnung wie im frühe-ren Bundesgebiet, wobei die Besetzung der dritten Klasse kontinuierlich zurückgegangen, die oberste Klasse dage-gen nahezu unverändert geblieben ist.

Das Ausmaß der relativen Einkommensarmut trotz Er-werbstätigkeit war 1998 im früheren Bundesgebiet mit 8,4 % (50 % des arithmetischen Mittels und Alte OECD-Skala) geringer als das der Gesamtbevölkerung (9,5 %);

insofern gehörten die Erwerbstätigen nicht zu den Pro-blemgruppen der Armut im engeren Sinne. Wird auf die anderen Konzepte abgestellt, ergibt sich die gleiche Si-tuation. Unter Zugrundelegung des Median und 50 % so-wie der Neuen OECD-Skala lag die relative Armutsquote der Bevölkerung in Erwerbstätigenhaushalten (3,9 %) ebenfalls unter der der Gesamtbevölkerung (5,8 %), wo-bei hier der relative Abstand höher ausfiel als wo-beim ersten Konzept, die Quoten aber beide niedriger lagen.

97 Letztlich stehen hinter jeder Interpretation des Armutsbegriffs und hinter jedem darauf beruhenden Messverfahren Wertüberzeugungen, über deren Richtigkeit sich wissenschaftlich nicht abschließend ur-teilen lässt. Siehe hierzu ausführlich Fußnote 10.

In den neuen Ländern lag die Quote der relativen Ein-kommensarmut mit 3,5 % (50 % des arithmetischen Mit-tels und Alte OECD-Skala) bei Erwerbstätigenhaushalten niedriger als im Westen, bewegte sich aber in ähnlicher Relation zur Quote der Gesamtbevölkerung (4,6 %) wie im früheren Bundesgebiet. Allerdings bewegten sich die Quoten bei Erwerbstätigkeit in West- sowie in Ost-deutschland auf einem Niveau, das nur ein bis zwei Pro-zentpunkte niedriger lag als die allgemeine Armutsquote.

Je nach angewandter Definition unterschieden sich die Quoten jedoch deutlich.

Seit Mitte der 80er-Jahre ist die Quote bei allen Haushalten im früheren Bundesgebiet von 11,2 % auf 9,5 % gefallen.

Auch bei den Erwerbstätigenhaushalten war ein Rückgang vom 9,4 % auf 8,4 % zu beobachten, der allerdings nicht ganz so deutlich ausfiel. Weiter war zu berücksichtigen, dass diese Entwicklung stark von der konjunkturellen Ent-wicklung beeinflusst wurde (siehe Anhangtabelle V.13).

Das Armutsrisiko in Erwerbstätigenhaushalten konzen-trierte sich im früheren Bundesgebiet auf Selbstständi-genhaushalte (13,6 %) und Haushalte von sonstigen Ar-beitnehmern (17,2 %), während die Betroffenheit in

Normalarbeitnehmerhaushalten mit im Durchschnitt 5,7 % vergleichsweise gering ausfiel. In den neuen Län-dern zeichnete sich ein ähnliches Bild ab, auch wenn auf-grund der geringen Fallzahlen gesicherte Aussagen kaum möglich sind.

Hinsichtlich der relativen Armutsbetroffenheit (50 % des arithmetischen Mittels und Alte OECD-Skala) im Jahr 1998 nach Erwerbskonstellationen und Haushaltstypen (siehe Anhangtabelle V.16) traten im früheren Bundesge-biet die höchsten Quoten in der Konstellation mit einem erwerbstätigen und einem nicht erwerbstätigen Haus-haltsvorstand auf, wobei dies vor allem für Paarhaushalte mit minderjährigen Kindern galt (29,6 %). Überdurch-schnittliche Quoten zeigten sich auch für erwerbstätige al-lein Erziehende mit 14,5 %. In den neuen Ländern ergab sich neben der oben genannten ersten Gruppe mit 7,6 % auch für die Gruppe der Einpersonenhaushalte eine über-durchschnittliche relative Armutsquote (4,9 %).

V.6.2 Einkommenslage bei Arbeitslosigkeit Auf Basis des SOEP waren 1998 im früheren Bundesge-biet 3,0 Mio. Arbeitslose registriert, zugleich lebten

Ta b e l l e V.6

Armuts- und Niedrigeinkommensquoten in 1998 nach unterschiedlichen Messkonzepten

( ) = Fallzahl 0 - 30; (X) = Fallzahl 31–50

* Getrennter Mittelwert für Ost- und Westdeutschland

** Gemeinsamer Mittelwert

Datenbasis: Sozio-Ökonomisches Panel

Quelle: Hanesch, W.: Einkommenslage von Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit

5,6 Mio. Personen in 2,3 Mio. Arbeitslosenhaushalten. In den neuen Ländern waren laut SOEP 1,7 Mio. Personen als Arbeitslose registriert, denen 3,4 Mio. Personen in 1,4 Mio. Arbeitslosenhaushalten gegenüberstanden. Im Vergleich zur amtlichen Statistik ergaben sich im früheren Bundesgebiet – trotz Unterschieden im Erhebungskon-zept – nur geringe Differenzen. In den neuen Ländern tra-ten diese stärker hervor.

Bei Betrachtung der Personen in Arbeitslosenhaushalten nach Erwerbskonstellationen (siehe Anhangtabelle V.14) lebten im früheren Bundesgebiet 1998 51,2 % der Ar-beitslosen mit einer weiteren Person mit Erwerbseinkom-men in einem Haushalt zusamErwerbseinkom-men. 19,4 % lebten alleine, wäh-rend in 27,4 % ein arbeitsloser mit einem nicht er-werbstätigen Haushaltsvorstand zusammen lebte. Nur in 2 % befanden sich zwei arbeitslose Haushaltsvorstände in demselben Haushalt. In den neuen Ländern ergab sich ein ähnlicher Trend: 56,1 % der Arbeitslosen lebten in Haus-halten mit einem weiteren Erwerbseinkommen. 18,1 % lebten alleine, während in 13,2 % ein arbeitsloser mit ei-nem nicht erwerbstätigen Haushaltsvorstand zusammen lebte. Der gravierendste Unterschied gegenüber dem früheren Bundesgebiet zeigte sich bei Haushalten mit zwei arbeitslosen Haushaltsvorständen, 12,6 % lebten in den neuen Ländern in dieser Konstellation.

Die Struktur der relativen Einkommensarmut (Tabelle V.7) von Haushalten registrierter Arbeitsloser für das Jahr 1998 nach verschiedenen Messkonzepten war – bei durchgängig höherem Niveau – ähnlich wie bei Erwerbs-tätigenhaushalten (siehe Tabelle V.6). Bei getrennter

Er-mittlung für Ost und West (50 % arithmetisches Mittel und Alte OECD-Skala) waren im früheren Bundesgebiet 31,6 % (bei einer Spannweite über die unterschiedlichen Konzepte von 20,3 % bis 48,1 %) und in den neuen Län-dern 12,5 % (Spannweite: 10,5 % bis 47,8 %) aller Perso-nen in Arbeitslosenhaushalten von relativer Einkom-mensarmut betroffen.

Gegenüber 1985 hat sich im früheren Bundesgebiet die Quote (50 % arithmetisches Mittel und Alte OECD-Skala) nach zwischenzeitlichen Schwankungen leicht er-höht (siehe Anhangtabelle V.15). Im Vergleich zur Ge-samtbevölkerung war die relative Einkommensarmut der Bevölkerung in Arbeitslosenhaushalten rund drei Mal so hoch. In den neuen Ländern lag sie mit 12,5 % auf we-sentlich niedrigerem Niveau.

Bei Kombination der Erwerbskonstellationen der Haus-haltsvorstände und Haushaltstypen ergaben sich im frühe-ren Bundesgebiet für das Jahr 1998 die höchsten Quoten für Paarhaushalte mit minderjährigen Kindern mit einem arbeitslosen und einem nicht erwerbstätigen Partner mit 49,3 %, gefolgt von den arbeitslosen Einelternhaushalten mit 31,9 % und Einpersonenhaushalten mit 29,9 %.

In den neuen Ländern waren wegen der geringen Fallzah-len Aussagen zur relativen Einkommensarmut für die ge-nannten Konstellationen nur bedingt möglich. Höhere Quoten waren in Haushalten mit zwei arbeitslosen Vor-ständen (38,4 %), in Einelternhaushalten mit minder-jährigen Kindern (25,6 %) und Einpersonenhaushalten (23,3 %) anzutreffen.

Ta b e l l e V.7 Armuts- und Niedrigeinkommensquoten in Arbeitslosenhaushalten 1998

nach unterschiedlichen Messkonzepten

( ) = Fallzahl 0 - 30; (X) = Fallzahl 31 - 50

* Getrennter Mittelwert für Ost- und Westdeutschland

** Gemeinsamer Mittelwert

Datenbasis: Sozio-Ökonomisches Panel

Quelle: Hanesch, W.: Einkommenslage von Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit