• Keine Ergebnisse gefunden

IV. Bildung

IV.2 Bildungsbeteiligung der Bevölkerung

Die Bedeutung des Elementarbereichs als wichtige Wei-chenstellung für die Entwicklung von Anlagen und Bega-bungen wie auch zum Ausgleich von sozialbedingten Chancenungleichheiten ist bildungspolitisch mittlerweile unbestritten. Hier – wie auch im Primarbereich – erfolgen Weichenstellungen, die biografieprägend sind und später im Hinblick auf eingetretene Fehlentwicklungen oft nur schwer, meist nur unter großen Mühen und immer nur mit hohen Kosten korrigiert werden können. Auch die Grund-lagen für geschlechtsspezifische Prägungen, die erhebli-che Konsequenzen für das Bildungs- und Berufswahlver-halten von Jungen und Mädchen haben, werden hier gelegt.

Die Versorgungsrelation im früheren Bundesgebiet ist in den letzten 20 Jahren zwar um 62 % auf 85 % gestiegen;

als ausreichend kann sie gleichwohl noch nicht bezeich-net werden. Hinzu kommt, dass nur 20 % aller Kinder-gärten im früheren Bundesgebiet als Ganztagseinrichtun-gen (mit Mittagessen) arbeiten. Die Abstimmung von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit wird unter diesen Bedingungen für berufstätige Elternpaare zu einem

schwer lösbaren Problem; für allein Erziehende birgt sie gar das Risiko zu verarmen, zumal Betreuungsmöglich-keiten für Kinder unter drei Jahren besonders rar sind. An-ders hingegen die Situation in den neuen Ländern: Hier ist für das Jahr 1994 nicht nur ein Überangebot an Kinder-gartenplätzen zu verzeichnen, sondern auch ein fast flächendeckender Anteil von Ganztagskindergärten mit Mittagessen (97 %). Der auffallend prägnante Unter-schied in der Versorgung mit Kinderkrippen kommt hinzu.

Durch spezifische demographische Entwicklungen be-dingt hat sich allerdings die schichtenspezifische Inan-spruchnahme von Kindergärten verändert. Der Anteil von Eltern mit höherem beruflichen Bildungsabschluss bzw.

höherem beruflichen Status hat sich zwischen 1986 und 1998 erheblich verringert, wohingegen der Anteil von Kin-dern, deren Eltern keinen beruflichenAbschluss aufweisen, deutlich angestiegen ist. In diesem Zusammenhang ist zu klären, inwieweit die Einrichtungen des Elementarbereichs in der Lage sind, einen eher bildungsfernen Hintergrund bei einer steigenden Zahl von Kindern auszugleichen.

Die Bedeutung des vorschulischen Bildungsbereichs kon-trastiert mit der mageren Datenbasis, die nur bedingt Ein-schätzungen der Leistungsfähigkeit dieser Einrichtungen erlaubt. Ansatzpunkte für eine gezielte bildungspolitische Intervention im Sinne einer Förderung dieser Kinder sind bereits in der vorschulischen Zeit gegeben. Dies erfordert vor allem eine hinreichende Versorgung mit Betreuungs-einrichtungen, vor allem auch für Kinder unter drei Jah-ren, verbesserte Betreuungsrelationen und gezielte Maß-nahmen zur Steigerung der Bildungsqualität dieser Einrichtungen.

IV.2.2 Primarbereich

Die Datenlage zum Primarbereich ist ebenfalls unzurei-chend. Der Befund, dass der Anteil von Kindern, deren El-tern ohne beruflichen Bildungsabschluss sind, von 1986 bis 1998 stark zugenommen hat, weist dem Anspruch auf Qualität dieser Einrichtungen, über die empirisch gesi-cherte und repräsentative Informationen nicht vorliegen, ein umso größeres Gewicht zu. Wahlmöglichkeiten zwi-schen Ganztagsschulen und Halbtagsschulen mit verläss-lichen Anfangs- und Schlusszeiten, zusätzlich verbunden mit einer pädagogisch profilierten Hortbetreuung, sind in Deutschland – im Vergleich zum europäischen Ausland – noch immer die Ausnahme.

IV.2.3 Sekundarbereich

Der Übergang der Schüler in die verschiedenen Schular-ten des Sekundarbereichs stellt eine zentrale Vorentschei-dung hinsichtlich der späteren Möglichkeiten zur berufli-chen Ausbildung dar, die ihrerseits wiederum mit der späteren beruflichen Zukunft in Zusammenhang steht.

Allgemein ist ein verstärkter Trend zum Gymnasium zu beobachten, ein Absinken des Hauptschüleranteils sowie eine leichte Zunahme der Realschüler. Dies gilt jedoch nicht für Schülerinnen und Schüler ausländischer Her-kunft. Zwar hat sich auch hier in der Entwicklung seit

90 In der Bundesrepublik Deutschland fehlt bislang eine regelmäßige Berichterstattung zum gesamten Bildungswesen; lediglich der Be-rufsbildungsbericht des BMBF stellt jährlich die Entwicklung im Bereich der Berufsbildung außerhalb der Hochschulen dar. Die im Rahmen des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung zusammengetragenen, (überwiegend) repräsentativen Daten, die im Gutachten von Prof. Dr. Gernot Weißhuhn, „Gutachten zur Bildung in Deutschland – im Rahmen des Berichts der Bundesregierung ,Le-benslagen in Deutschland‘„ zusammengefasst sind, (Veröffent-lichung des Gutachtens erfolgt im 1.Halbjahr 2001, hrsg. vom BMBF) stellen daher eine Grundlage von weit reichender Bedeutung zur Beurteilung der Lage und zu den Perspektiven des gesamten Bil-dungswesens in Deutschland dar.

1980 eine leichte Verschiebung in Richtung höherer All-gemeinbildung vollzogen; doch gravierende Beteili-gungsdefizite bleiben sichtbar: Während in Deutschland 1998 rund 40 % das Gymnasium besuchten, die Real-schule rund 23 % und die HauptReal-schule 20 % sowie die in-tegrierte Gesamtschule 17 %, so besuchten nur 9,4 % Kin-der ausländischer Herkunft das Gymnasium, 8,4 % die Realschule, aber 67,7 % Hauptschule. Im Hinblick auf die Chancengleichheit beim Schulbesuch – auch hier fehlt eine Aufspaltung der Beteiligungsquoten nach sozioöko-nomischen Schichten in der amtlichen Statistik – ergibt sich eine tendenziell eindeutig schichtenspezifische Chancenverteilung. Nach wie vor sind berufliche und ökonomische Positionen der Haushalte bzw. deren Vor-stände maßgeblich für die unterschiedliche Partizipation an den verschiedenen Schultypen.

Bei der Verteilung der Absolventen nach Abschluss der je-weiligen allgemein bildenden Schule spiegelt sich die be-reits in der Verteilung der Schüler auf die Schultypen sichtbar gewordene Tendenz, höherwertige Schulab-schlüsse (Fachhoch-, Hochschulreife) anzustreben.

Eine besondere Rolle spielen auch hier die Absolventen ausländischer Herkunft. Obwohl sich im langfristigen Trend die Anteile von Absolventen ausländischer Herkunft in den höheren allgemein bildenden Abschlüssen verbes-sert haben, erreichen Kinder ausländischer Herkunft nach wie vor vergleichsweise geringerwertige Abschlüsse.

Der Chancengleichheit beim Schulabschluss sind aber of-fenbar auch für andere Bevölkerungsteile gegenwärtig

noch Grenzen gesetzt: zwar hat sich der Anteil der Arbei-terkinder beim Erwerb einer Hochschulzugangsberechti-gung zwischen 1987 und 1996 um ca. 50 % erhöht (auf 12 %), der Abstand zum Anteil der Beamtenkinder (mit 64 %), der Selbstständigenkinder (mit 53 %) sowie der Angestelltenkinder (mit 38 %) ist nach wie vor erheblich.

Um die sozioökonomischen Hintergründe des Über-gangsverhaltens der Absolventen des allgemein bildenden Schulsystems in eine betriebliche Lehre, in Erwerbstätig-keit, Nichterwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit darzu-stellen und damit die Gleichheit bzw. Ungleichheit in den Übergangschancen zu untersuchen, fehlen im Wesentli-chen die amtliWesentli-chen Daten.

IV.2.4 Übergänge der Absolventen des allgemein bildenden Schulwesens

Die Qualität der schulischen Abschlüsse ist ebenfalls ein wesentlicher Faktor für das weitere Fortkommen in der nachfolgenden beruflichen Ausbildung. Es fehlen auch hier Längsschnitterhebungen in der amtlichen Bildungs-statistik. Der überwiegende Teil der Absolventen des all-gemein bildenden Schulsystems (etwa zwei Drittel) mün-det in den Bereich der betrieblichen Berufsausbildung ein.

Als Trend wird deutlich, dass Absolventen der Haupt-schule in der Entwicklung immer weniger direkt ins duale System übergehen, während immer mehr Gymnasialab-gänger zunächst eine Lehre beginnen. Dies bedeutet, dass sich formal gesehen die schulische Vorbildung der Aus-zubildenden verbessert hat und Hauptschüler zur Verbes-S c h a u b i l d IV.1

Verteilung der Schüler (14 Jahre alt) 1986 bis 1996 nach sozioökonomischen Merkmalen – Früheres Bundesgebiet

serung ihrer Chancen, eine Lehrstelle zu finden, Berufs-fachschulen besuchen.

Der Versorgungsgrad der Absolventen des allgemein bil-denden Schulsystems, die eine duale Ausbildung anstre-ben, mit weiter führenden Ausbildungsmöglichkeiten hängt naturgemäß wesentlich ab von der Zahl der zur Ver-fügung stehenden Ausbildungsplätze insgesamt. Die Ent-wicklung der Angebots-Nachfragerelationen zwischen 1974 und 1998 zeigt folgendes Bild: Im früheren Bun-desgebiet gab es 1974 zahlenmäßig in etwa einen Aus-gleich zwischen der Nachfrage nach Ausbildungsplätzen und dem Angebot an Plätzen. 1982 veränderte sich dieses Verhältnis zu Ungunsten der Nachfrage, um danach bis 1990 zu einem starken Überangebot an Ausbildungsplät-zen zu führen (rund 18 %). In den Folgejahren verringerte

sich das Angebot an Ausbildungsplätzen, sodass 1998 die Zahl der noch nicht vermittelten Bewerber um einen Aus-bildungsplatz wieder etwas höher war als die Zahl der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze. In den neuen Ländern bestand wegen der wirtschaftlichen Umbruchsi-tuation nach der deutschen Einheit, die sich auch auf die betriebliche Berufsausbildung auswirkte, ein Mangel an betrieblichen Ausbildungsplätzen, sodass Jugendlichen durch Sonderprogramme von Bund und Ländern außer-betriebliche Ausbildungsplätze zum Ausgleich angeboten werden mussten. Die Entwicklung der Relation von An-gebot und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen ist inso-fern ein wichtiger Indikator, weil durch betriebliche Be-rufsausbildung nach allen Erfahrungen die Chancen der Jugendlichen beim Übergang in Beschäftigung deutlich erhöht werden.

S c h a u b i l d IV.2 Verteilung der Schulabgänger nach Abschlussarten 1973 bis 1997 – %

S c h a u b i l d IV.3

Deutsche Studierende an Universitäten nach beruflicher Stellung der Väter – Früheres Bundesgebiet – % 1973 bis 1997

S c h a u b i l d IV.4

Auszubildende in der betrieblichen Berufsausbildung (duales System) nach schulischer Vorbildung – 1998 – %

IV.2.5 Tertiärer Bereich

Der Blick auf den tertiären Bereich (Fachhochschulen, Universitäten) ist im Rahmen einer Armuts- und Reich-tumsberichterstattung insofern von Belang, weil die Ab-solventen beider Hochschularten individuell bessere Chancen im Berufsleben haben und sie – neben den übri-gen Ausbildungsgänübri-gen – gesamtwirtschaftlich einen wichtigen Produktionsfaktor darstellen. Die Verdreifa-chung der Studierendenzahl zwischen 1970 und 1990 (früheres Bundesgebiet) sowie die Versechsfachung der Studierendenquote von 4,3 % (1960) auf rund 30 % (1997, Deutschland) kann ohne Zweifel als Indikator für Wohlstandszuwachs gewertet werden. Im Blick auf die Chancengleichheit beim Zugang zum Studium ist zu prü-fen, inwieweit schichtenspezifische Beteiligungsunter-schiede gegeben sind, bzw. ob diese im Zeitverlauf aus-geglichener geworden sind. Die entsprechende Analyse der Entwicklung von 1973 bis 1997 zeigt, dass der Anteil der Arbeiterkinder nicht wesentlich angestiegen ist, während Angestelltenkinder erheblich stärker vertreten sind (starke Verschiebungen vom Arbeiterstatus zum An-gestelltenstatus sind allerdings in Rechnung zu stellen).

Nach wie vor sind auch Bildungsselbstrekrutierungsef-fekte sehr stark. Aufschluss über Chancengleichheit in Bezug auf Bildungsbeteiligung ergibt auch die Analyse

des Zusammenhangs zwischen dem Bildungsniveau der jeweiligen Elterngeneration und deren Kinder. Insgesamt gesehen wird deutlich, dass sich das Bildungsniveau der jeweiligen „Kinderaltersgruppen“ im Vergleich zum Bil-dungsniveau der Eltern in Richtung auf eine erhebliche Höherqualifizierung verschoben hat.

IV.2.6 Weiterbildung

Chancen und Notwendigkeiten des lebenslangen Lernens waren noch nie so groß wie heute. Weiterbildungsmaß-nahmen tragen zu einer Stabilisierung der Erwerbs- und Einkommensverläufe bei und beugen Armutsprozessen vor. Insofern bildet der Bereich der Weiterbildung einen wesentlichen Beitrag zur Lebenslagensituation der Be-völkerung in der Bundesrepublik Deutschland. Dabei spielt zunächst das Ausmaß der Weiterbildungsbeteili-gung eine große Rolle – dies in der allgemeinen wie in der beruflichen Weiterbildung, weil nur so eine Anpassung an die sich rasch verändernden Anforderungen des Arbeits-und Berufslebens möglich wird. Insgesamt hat zwischen 1979 und 1997 im früheren Bundesgebiet fast jeder Zweite an mindestens einer Weiterbildungsmaßnahme teilgenommen. Eine entsprechend starke Expansion ab 1991 hat auch in den neuen Ländern stattgefunden.

S c h a u b i l d IV.5 Teilnahmequoten an beruflicher Weiterbildung nach Erwerbsstatus 1979 bis 1997 – %

Allerdings ist dieser insgesamt hohe Stand der allgemei-nen und beruflichen Weiterbildungsbeteiligung in grup-penspezifischer Differenzierung ungleich verteilt. An-hand des Kriteriums „berufliche Vorbildung“ zeigt sich, dass der Anteil von Personen mit Fachhochschul- bzw.

Universitätsabschluss im früheren Bundesgebiet von 24 % (1979) auf 48 % (1997) angestiegen ist, derjenige von Personen mit Fachhochschul-, Meister- bzw. Meis-terprüfungsabschluss von 20 auf 42 %. Der Anteil derje-nigen Personen mit Lehr- bzw. Berufsfachschulabschluss liegt deutlich unter diesen Werten und im Falle, dass kein normaler beruflicher Abschluss vorliegt, ist die berufliche Weiterbildungsquote am geringsten, obwohl auch hier in den letzten 20 Jahren eine leichte Zunahme der Beteili-gung zu verzeichnen ist. Hinzu kommt, dass eine Diffe-renzierung der beruflichen Weiterbildungsbeteiligung nach Erwerbsstatus und Geschlecht ergibt, dass erwerbs-tätige Männer eine etwas höhere Beteiligungsquote auf-weisen als erwerbstätige Frauen. Der starke Anstieg der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung zeigt, dass das Konzept des lebenslangen Lernens in Deutschland zwar deutlich an Boden gewonnen hat; dennoch bestehen aus gruppenspezifischer Sicht noch klare Defizite (beruf-liche Vorbildung, beruf(beruf-licher Status, Geschlecht).

IV.3 Bildung in der Wissens- und