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III. Lebenslagen von Familien und Kindern

III.1 Familien in Deutschland

In Deutschland gab es 1998 rund 13 Mio. Haushalte von Familien mit Kindern, in denen insgesamt 46 Mio. Men-schen lebten. Damit sind 56 % der Bevölkerung zusam-menlebende Familienangehörige, größtenteils Eltern und Kinder, gelegentlich (3 %) auch Großeltern und Enkel, die gemeinsam wohnen und wirtschaften.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben sich die Formen und Lebensstile der Familien in Deutschland – wie in den westlichen Industrienationen überhaupt – verändert. Im Hinblick auf die materielle Lebenssituation der Familien ist hier insbesondere auf die Lockerung der Verbindung von Ehe und Elternschaft, die wachsende Be-teiligung verheirateter Mütter am Erwerbsleben und die geringer gewordene Stabilität der Ehen und Familien hin-zuweisen.

III.1.1 Familienformen

Mehr als drei Viertel (78 %) der Haushalte von Familien des Jahres 1998 waren verheiratete Paare mit ihren Kin-dern, fast ein Fünftel (rund 18 %) waren allein Erziehende und bei 4 % handelt es sich um nicht eheliche Lebensge-meinschaften mit Kindern.

Die Anzahl und der Anteil nicht ehelicher Familien haben in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen.

Nicht verheiratete Paare mit Kindern und allein Erzie-hende kommen zudem in Ostdeutschland häufiger vor als in den alten Ländern.

Die Eltern-Kind-Konstellationen in den Familienhaushal-ten sind vielfältiger geworden. Die Zahl nicht ehelich ge-borener Kinder steigt seit längerem (1998: 20 % der Neu-geborenen), und nicht wenige Kinder erleben eine Trennung ihrer Eltern und die Aufnahme eines neuen Partners bzw. einer Partnerin ihrer Mütter oder Väter in

62 Um verlässliche Informationen über die Lebenssituation von Fami-lien und Kindern in Deutschland zu erhalten, führt die Bundesregie-rung eine regelmäßige Berichterstattung durch. Dem Deutschen Bundestag werden in jeder zweiten Wahlperiode ein Bericht zur Lage der Familien in Deutschland – zuletzt Ende des Jahres 2000 – und in jeder Wahlperiode ein Kinder- und Jugendbericht vorgelegt.

Siehe beispielhaft: 6. Familienbericht zur Situation von Familien ausländischer Herkunft in Deutschland, Bundestagsdrucksache 14/4357 vom 20. Oktober 2000.

63 Das Gesamtverzeichnis der Expertisen ist dem Materialband Kap. III.3 zu entnehmen.

die Familie. Es ist davon auszugehen, dass sich unter den verheirateten und nicht verheirateten Paaren mit Kindern aufgrund der gestiegenen Trennungs- und Scheidungs-häufigkeit ein wachsender Anteil an Stieffamilien64 be-findet.

Umbrüche in der Familienstruktur im Laufe des Auf-wachsens von Kindern sind keine Seltenheit. Während von den 1950 geschlossenen westdeutschen Ehen in den

darauf folgenden 25 Jahren nur rund 10 % geschieden wurden, waren es von den 1990 geschlossenen Ehen be-reits nach fünf Jahren ebenfalls 10 %. Gemessen an den gegenwärtigen ehedauerspezifischen Scheidungsziffern muss damit gerechnet werden, dass heute mehr als jede dritte Ehe mit einer Scheidung endet. Spezielle Auswer-tungen der Scheidungsstatistik haben gezeigt, dass schät-zungsweise 12 % bis 15 % der Kinder von Ehepaaren mit der elterlichen Scheidung konfrontiert werden, bevor sie volljährig sind.65 1994 lebten nach Ergebnissen des Fa-miliensurveys des Deutschen Jugendinstituts 17 % der

64 Genaue Angaben zur Zahl der Stieffamilien liegen nicht vor. Diese Wissenslücke soll durch ein Forschungsprojekt geschlossen werden.

Das Thema Stieffamilien in Deutschland wird auf der Grundlage des Familiensurveys im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstmals empirisch untersucht und re-präsentativ abgebildet.

Ta b e l l e III.1 Familien mit ledigen Kindern im Haushalt nach Familientyp 1972, 1991 und 1998

1) 1972 und 1991: Zwei nicht miteinander verheiratete oder verwandte Personen unterschiedlichen Geschlechts mit ledigen Kindern, aber ohne wei-tere Personen im Haushalt (einschl. Paare, bei denen beide Partner jeweils eigene Kinder im Haushalt haben); Schätzung aus Ergebnissen des Mikrozensus; 1998: Selbstdeklaration der Lebenspartnerschaft mit der Haushaltsbezugsperson durch nicht mit ihr verwandte Haushaltsmitglie-der

2) Ohne Lebenspartner im Haushalt; Schätzung

Quelle: Engstler, H.: Der Wandel der Lebens- und Familienformen im Spiegel der amtlichen Statistik, in: Maywald, J. u. a. (Hrsg.): Familien haben Zukunft, Reinbek 2000, S. 227–240

65 Engstler, H.: Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik, heraus-gegeben vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 1998, S. 93.

westdeutschen und 35 % der ostdeutschen Jugendlichen im Alter von 16 bis 17 Jahren nicht – mehr – bei beiden leiblichen, miteinander verheirateten Eltern.66

III.1.2 Allein Erziehende

Kennzeichnend für die heutige Dynamik der Familien-entwicklung in der Phase des Aufwachsens der Kinder ist die Zunahme der allein Erziehenden: 1992 hatten 21 % der westdeutschen und 46 % der ostdeutschen Mütter im Alter von 20 bis 39 Jahren eine oder mehrere Phasen als allein erziehende Mutter bewältigt.67

84 % der allein Erziehenden (ohne Partner) sind Frauen.

Der größte Teil von ihnen (79 %) lebt getrennt vom Ehe-partner, ist geschieden oder verwitwet.68In den vergange-nen Jahrzehnten ist es zu Verschiebungen bei den Entste-hungsgründen von Ein-Eltern-Familien gekommen:

Immer seltener ist der Tod eines Ehegatten, immer häufi-ger das Scheitern einer Ehe oder einer nicht ehelichen Partnerschaft die Ursache. 1970 waren im früheren Bun-desgebiet noch drei Fünftel der allein Erziehenden ver-witwete Frauen, 1996 nur noch ein Fünftel. Bei 37 % der allein erziehenden Mütter und bei 53 % der allein erzie-henden Väter ist das jüngste – noch – im Haushalt lebende

ledige Kind bereits volljährig, bei 40 % bzw. 43 % im Al-ter von 6 bis 18 Jahren.69

Allein Erziehende sind u. a. aufgrund unterschiedlicher Partnerschaftsbiografien, Erwerbsstatus und Einkom-mensverhältnissen eine sehr heterogene Gruppe, die ent-sprechend mit sehr unterschiedlichen Problemlagen kon-frontiert ist. Je nachdem aus welchen Gründen und zu welchem Zeitpunkt es zu einer Phase des allein Erziehens kommt und wie lange diese andauert, erwachsen daraus unterschiedliche finanzielle und soziale Risiken.

III.1.3 Erwerbsbeteiligung

Das Rollenverständnis von Frauen und Männern hat sich in den letzten Jahrzehnten spürbar gewandelt und damit auch die Aufgabenteilung in den Familien. Vor dem Hin-tergrund gestiegener schulischer und beruflicher Bildung betrachten Frauen die Erwerbsarbeit heute als selbstver-ständlichen Teil ihrer Lebensplanung. In den letzten De-kaden ist die Erwerbsbeteiligung von Frauen demzufolge kontinuierlich gestiegen. Auch die Beteiligung von Müt-tern mit minderjährigen Kindern am Erwerbsleben hat deutlich zugenommen.

Der Anteil der erwerbstätigen Mütter stieg in den alten Ländern zwischen 1972 und 1996 von 40 % auf 51 %.

Diese Erhöhung erstreckt sich nahezu ausschließlich auf die Zunahme von Teilzeittätigkeiten und betrifft hauptsächlich Frauen, deren Kinder bereits das Schulalter erreicht haben. Die Erwerbstätigenquote der Mütter mit Kindern unter 6 Jahren hat sich kaum erhöht, die Quote vollzeit erwerbstätiger Frauen war 1972 sogar höher als

66 Alt, C. und Weidacher, A.: Familien- und Betreuungssituation von Kindern 1994, in: Bien, W. (Hrsg.): Familie an der Schwelle zum neuen Jahrtausend, 1996, S. 214.

67 Roloff, J. und Dorbritz, J. (Hrsg.): Familienbildung in Deutschland Anfang der 90er-Jahre, 1999, S. 111.

68 Schneider, N. F. u. a.: Wie leben die Deutschen? Lebensformen, Fa-milien- und Haushaltsstrukturen in Deutschland – Sonderauswertun-gen mit Daten des Mikrozensus 1998. Materialien zur Familienpoli-tik Nr. 10, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2000, S. 50 und 55.

Ta b e l l e III.2

Erwerbsbeteiligung der Mütter nach Alter des jüngsten Kindes – 1996

1) ohne vorübergehend Beurlaubte (z.B. Mütter im Erziehungsurlaub)

Quelle: Eigene Zusammenstellung aus Engstler, H.: Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Se-nioren, Frauen und Jugend, Bonn 1998, S. 115

69 Schneider, N. F. u. a.: a. a. O., S. 53.

1996.70Anfang der 70er-Jahre hatten junge Mütter man-gels flexibler Arbeitszeitregelungen und des damals noch nicht möglichen Erziehungsurlaubs oft nur die Wahl zwi-schen dem Ausstieg aus dem Erwerbsleben oder der Fort-führung ihrer Vollzeiterwerbstätigkeit.

In den neuen Ländern ist der zu DDR-Zeiten sehr hohe Anteil erwerbstätiger Mütter nach der Deutschen Einheit erheblich gesunken. Waren 1991 noch 83 % der Frauen mit Kindern unter 18 Jahren erwerbstätig, betrug dieser Anteil 1998 nur noch 71 %. Besonders ausgeprägt war der Rückgang der Erwerbsbeteiligung bei den Müttern mit Kindern unter 6 Jahren, wozu unter anderem die sich neu bietenden Möglichkeiten der Inanspruchnahme von Er-ziehungsurlaub beigetragen haben. Allerdings stieg auch der Anteil Erwerbsloser unter ihnen.

In den alten wie in den neuen Ländern zeigt sich bei Müt-tern von Kleinkindern eine vergleichsweise geringe Er-werbsbeteiligung. Sind die Kinder älter, steigt auch die Erwerbsbeteiligung der Mütter. Der Rückgang der Er-werbstätigenquote bei Müttern, deren jüngstes Kind be-reits 15 Jahre oder älter ist, hängt mit dem im Schnitt höheren Lebensalter der Mütter zusammen: Sie sind häu-figer arbeitslos bzw. nicht (mehr) erwerbstätig.

Bei Ehepaaren mit kleinen Kindern sind 25 % der Mütter erwerbstätig.71Allerdings sind schon ab dem dritten Le-bensjahr des jüngsten Kindes in fast jeder zweiten Ehe beide Ehegatten erwerbstätig. Die reine Versorgerehe wird immer seltener und beschränkt sich zusehends auf die ersten Jahre der Familie, in der die Kinder noch klein sind und die Mütter ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen.

Sie tun dies zum Teil länger als geplant, unter anderem auch mangels geeigneter Möglichkeiten außerhäuslicher Kinderbetreuung (siehe Anhangtabelle III.4).

Häufiger als bei Ehepaaren sind bei nicht verheirateten Paaren mit Kindern beide Partner erwerbstätig. Dies gilt besonders in der Zeit, in der sich das jüngste Kind im Kin-dergarten- und Vorschulalter befindet. Hierbei ist aller-dings zu berücksichtigen, dass Ehepaare im Durchschnitt mehr Kinder haben als nicht eheliche Lebensgemein-schaften und allein Erziehende. Zu berücksichtigen ist auch, dass Mütter in den neuen Ländern zu einem höhe-ren Grad erwerbstätig sind als in den alten Ländern.

Wesentlichen Einfluss auf die finanzielle und soziale Lage allein erziehender Frauen hat die Frage, ob sie nach dem Übergang in das allein Erziehen weiterhin oder wie-der erwerbstätig sein und damit Erwerbseinkommen er-zielen können. Wenn Frauen mit Kindern bereits in der Phase der Ehe oder Partnerschaft keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, sind ihre Arbeitsmarktchancen nach Tren-nung oder Scheidung stark beeinträchtigt. Auch junge, le-dige allein erziehende Mütter erleben Restriktionen bei der Erwerbsbeteiligung. Die Statistiken zeigen, dass die Erwerbsbeteiligung allein erziehender Mütter unter ande-rem vom Alter des jüngsten Kindes abhängt. Solange

die-ses noch keine drei Jahre alt ist, damit auch noch kein Rechtsanspruch auf familienergänzende außerhäusliche Kinderbetreuung geltend gemacht werden kann, gleich-zeitig jedoch die Möglichkeiten der Elternzeit bestehen, sind nur wenige allein erziehende Mütter erwerbstätig.

1998 waren es 27 %.72Befindet sich das jüngste Kind im Kindergartenalter (3 bis unter 6 Jahre), sind schon fast doppelt so viele allein erziehende Mütter erwerbstätig (52 %), und wenn das jüngste Kind zwischen 6 und 17 Jah-ren alt ist, gehen 70 % der Mütter einer Erwerbstätigkeit nach.73Allein erziehende Väter sind jeweils häufiger er-werbstätig.

III.1.4 Geburtenentwicklung und Kinderzahl in den Familien

Deutschland gehört in Europa zu den Ländern mit den niedrigsten Geburtenraten und einem auffällig hohen An-teil von Menschen, die kinderlos bleiben. Auf die 1965 geborenen Frauen werden im Durchschnitt nur noch 142 Kinder auf 100 Frauen kommen. Nach neueren Schätzungen ist davon auszugehen, dass in den alten Län-dern mehr als 30 % der 1965 geborenen Frauen keine ei-genen Kinder haben werden. Seit einigen Jahren nimmt Kinderlosigkeit nun auch in Ostdeutschland zu, bei den jüngeren Jahrgängen geradezu sprunghaft. Während vom Jahrgang 1955 nur 6 % kinderlos blieben, muss damit ge-rechnet werden, dass in den neuen Ländern mehr als ein Viertel der 1965 geborenen Frauen nicht Mutter wird.74 Auch die Zahl der Familien wird dadurch geringer (siehe Anhangtabelle III.5).

Diejenigen, die eine Familie gründen, entscheiden sich al-lerdings nicht seltener als ihre Eltern für mindestens zwei Kinder. In Ostdeutschland hat die Bereitschaft, nach dem ersten auch ein zweites Kind zu bekommen, sogar zuge-nommen. Die durchschnittliche Zahl der Kinder in den Familien ist seit einigen Jahrzehnten einigermaßen kon-stant bei 2,0 bis 2,05 im Westen und rund 1,95 Kindern im Osten Deutschlands geblieben. Es gibt bislang keinen er-kennbaren Trend zur Ein-Kind-Familie. Vielmehr besteht die Tendenz einer Aufteilung in den größer werdenden Teil derjenigen, die kinderlos bleiben, und diejenigen mit mindestens zwei Kindern.

III.1.5 Generationensolidarität in Familien Kennzeichnend für unsere Gesellschaft sind auf der einen Seite Familien, die generationen- und haushaltsübergrei-fend in einem Netz solidarisch verbunden sind. Dieses Netz stützt die Lebensbewältigung und individuelle Ent-faltung der Familienmitglieder und fördert die Entwick-lung von Kindern und Jugendlichen zu autonomen Per-sönlichkeiten.

Auf der anderen Seite wirken sich gesellschaftliche Ent-wicklungen dahin gehend aus, dass der Zusammenhalt in

70 Engstler, H.: a. a. O., S. 116.

71 Mütter im Erziehungsurlaub werden als nicht erwerbstätig gezählt.

72 Schneider, N. F. u. a.: a. a. O., S. 54.

73 ebd.

74 Roloff, J. und Dorbritz, J.: a. a. O., S. 21.

Quellen: Dritter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland: Alter und Gesellschaft, Bundestagsdrucksache Nr. 14/5130, S. 224; Kohli, M. et al.: Generationenbeziehungen, in: Kohli, M./Künemund, H. (Hrsg.): Die zweite Lebenshälfte. Gesellschaftliche Lage und Partizipation im Spiegel des Alters-Survey, Opladen 2000

Familiennetzen geringer geworden ist (Entsolidarisie-rung), Jung und Alt, Arm und Reich stärker denn je ge-trennte Wege gehen (Segmentierung), Familien sich zurückziehen und nur für sich selbst interessieren (Priva-tisierung) und die materielle Organisation des Zusam-menlebens zunehmend an Bedeutung gewinnt (Kommer-zialisierung).

Untersuchungen zum Zusammenleben und Austausch in Familien zeigen auf, dass die gemeinsame Wohnung und der gemeinsame Haushalt nicht Voraussetzung für inten-sive Beziehungen zwischen den Generationen sind. Über Haushaltsgrenzen hinweg findet meist ein regelmäßiger Austausch zwischen den Generationen statt. Ein Großteil der erwachsenen Kinder wohnt nicht weit von den Eltern entfernt und hat regelmäßig Kontakt mit ihnen.

Soweit ältere Menschen Kinder haben, wohnt mindestens eins dieser Kinder bei mehr als zwei Dritteln der 70- bis 85-Jährigen im selben Ort. In der Regel kümmern sich diese Kinder oder, falls keine Kinder vorhanden sind, an-dere Verwandte um die allein lebenden älteren Menschen (siehe Anhangtabellen III.6 und III.7).

Zwischen den Generationen bestehen vielfältige Hilfe-und Unterstützungsbeziehungen. Sie sind in den seltensten

Fällen einseitig gestaltet, sondern lassen eine gewisse, von den Einzelnen auch so empfundene Reziprozität zwischen den Leistungen der Generationen füreinander erkennen.

So leistet die ältere sehr häufig materielle Unterstützung an die jüngere Generation, während die jüngere Generation der älteren instrumentelle Hilfe und emotionalen Zuspruch gibt.

Gegenseitige Hilfeleistungen können auch mit vielfachen gegenseitigen Abhängigkeiten und widersprüchlichen Empfindungen verbunden sein. So erweisen sich auf der einen Seite die Hilfeleistungen innerhalb von Familien immer noch als besonders verlässlich. Auf der anderen Seite können sie zu Abhängigkeiten führen, die als be-sonders belastend empfunden werden.

III.1.6 Familien ausländischer Herkunft

Die Lebenslagen von Familien ausländischer Herkunft in Deutschland sind untereinander und im Vergleich zur deutschen Bevölkerung sehr verschieden. Da sie nicht nur durch die Bedingungen in Deutschland bestimmt werden, sondern auch durch die im Herkunftsland verbleibenden Haushaltssysteme, sind sowohl Aufnahme- als auch Her-kunftsgesellschaften betroffen. Die Sozialstruktur der S c h a u b i l d III.1

Geleistete und erhaltene materielle Transfers und instrumentelle Hilfen

a) 70–85-Jährige b) 40–54-Jährige

ausländischen Bevölkerung in Deutschland ist heute weit-aus heterogener und differenzierter als in früheren Jahr-zehnten.75

Die Lebenslagen von Familien ausländischer Herkunft werden wesentlich durch Fähigkeiten (sprachliche Fähig-keiten und berufliche Bildung) und MöglichFähig-keiten be-stimmt, den Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit zu si-chern und Einkommen zu erzielen. Es bestehen vielfache Zusammenhänge zwischen den Humanressourcen der Einzelnen, den mit der Migration verbundenen Absichten, den rechtlichen Rahmenbedingungen zum Zeitpunkt der Zuwanderung nach Deutschland und dem Gelingen der Integration in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben.

Auch Familien ausländischer Herkunft sichern ihren Le-bensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit; zuge-wanderte Beschäftigte weisen eine deutliche Überrepräsen-tanz bei Arbeitern auf. Die Selbstständigenquote hat mit 10 % fast die Quote der deutschen Bevölkerung erreicht.

Bezüglich der Erwerbssituation von Frauen stellten 1998 Migrantinnen 34 % der sozialversicherungspflichtig be-schäftigten Ausländer. Deutliche Unterschiede bestanden zwischen den Nationalitäten. Insbesondere in türkischen Fa-milien waren Ehefrauen im geringeren Ausmaß erwerbstä-tig. Ausländische Frauen sind hauptsächlich im Dienstleis-tungsbereich, im verarbeitenden Gewerbe und im Handel beschäftigt. Sie haben hauptsächlich Zugang zu Tätigkeiten mit niedrigem Status, geringer Bezahlung, geringen Auf-stiegschancen und mit hohem Arbeitsplatzrisiko.

Zugewanderte sind mit einer Quote von über 20 % dop-pelt so stark von Arbeitslosigkeit betroffen wie Deutsche.

Deutlich mehr Familien ausländischer Herkunft decken daher im Vergleich zu deutschen Familien ihren überwie-genden Lebensunterhalt durch Arbeitslosenunterstützung oder Sozialhilfe, wobei die Herkunftsnationalitäten unter-schiedlich betroffen sind.

Bildung ist ein wichtiger Schlüssel zur Integration aus-ländischer Familien in die Aufnahmegesellschaft. Pro-blemlagen erwachsen vor allem aus einer niedrigen Bil-dungsqualifikation. Seit Mitte der 80er-Jahre bis in die Mitte der 90er-Jahre ist ein Trend zu höherer Bildungsbe-teiligung und höheren Schulabschlüssen bei Kindern und Jugendlichen ausländischer Herkunft in Deutschland zu beobachten. Zu den am ungünstigsten im Bildungssystem Platzierten gehören vor allem die Kinder und Jugendli-chen türkischer Herkunft. Sie bleiben überdurchschnitt-lich oft ohne Bildungsabschluss und sind in Realschulen und Gymnasien entsprechend unterrepräsentiert.

III.2 Einkommenssituation von Familien