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Diachron: die Geschichte von ‚Information’

4 Informationsbegriffe in den Sprachen

4.1 Diachron: die Geschichte von ‚Information’

Capurro hat in [Capurro 1978] einen ausführlichen „Beitrag zur etymologischen und ideengeschichtlichen Begründung des Informationsbegriffs“ geleistet.62 Capurro regis-triert zu dieser Zeit die zunehmende Bedeutung von Information und diagnostiziert, dass

„[d]ie Bemühungen der Einzelwissenschaften, den Informationsbegriff im Hinblick auf die eigenen Bedürfnisse zu bestimmen, […] in Kürze eine verwirrende Anzahl von De-finitionen [ergaben], die oft ohne Beziehung zueinander standen.“ [Capurro 1978: 2].

Aus dieser misslichen Lage heraus scheint es nicht unbegründet, „den Informationsbe-griff grundsätzlich zu durchdenken, d.h. durch philosophische Reflexion auf die Hinter-gründe dieses Begriffs […] aufmerksam zu machen, um daraus Schlußfolgerungen zur Begründung eines allgemeinen Informationsbegriffs zu ziehen.“ [Capurro 1978: 2].

Hierzu scheint die Rekonstruktion der Herkunft und Bedeutungsentwicklung von ‚Infor-mation’ aus seinen griechischen und lateinischen Wurzeln ein vielversprechendes Mittel zu sein. Damit lassen sich auch die Missverständnisse aufklären, die bei der Annexion des Informationsbegriffs in der Nachrichtentechnik und beim weiteren Übertrag auf an-dere Disziplinen entstanden sind. Der Ausschluss von Semantik und Pragmatik in die-sem Bereich hat zu einer Kollision mit dem alltagssprachlichen Verständnis geführt, das

„in einem naiven bzw. unreflektierten Sinne, etwa als Synonym von Erkenntnis, Wis-sen, Mitteilung, Botschaft usw. gebraucht“ [Capurro 1978: 1]. Um solchermaßen einge-engte und naive Sichtweisen zu überwinden, ist die „in eine Sackgasse geratene Diskus-sion um den Informationsbegriff […] durch eine Rückführung auf die etymologischen und ideengeschichtlichen Ursprünge dieses Begriffs neu zu beleben“ [Capurro 1978:

11].63

62 Die ausführliche Darstellung Capurros ist hier stark gerafft, wobei auf die von Capurro dargelegten speziellen Verständnisse verschiedener Autoren nicht gesondert eingegangen wird.

63 Bald dreißig Jahre danach hat sich an der beklagten Situation nichts gerändert.

4.1.1 Vergangene und gegenwärtige Informationsverständnisse

Um ‚eine kurze Geschichte der Information’ nachzeichnen zu können, ist es zunächst ratsam, die von Capurro dargelegten Informationsverständnisse, wie sie sich im Laufe der Zeit sukzessive in den Sprachen entfaltet haben, voran zu stellen. Dadurch wird auch aufgezeigt, welche Bandbreite das Phänomen Information insgesamt aufweist. Ge-mäß Capurro ergeben sich demnach sechs Verwendungsbereiche, in denen die Rede von Information Fuß gefasst hat: (i) der artifizielle und organologische Bereich, (ii) der phi-losophische, d.i. ontologische und erkenntnistheoretische Bereich, (iii) der pädagogische Bereich, (iv) der juristische Bereich, (v) der wissenschaftliche Bereich und schließlich (vi) der alltagssprachliche Bereich [vgl. Capurro 1978: 276].

Im artifiziellen und organologischen Bereich (i) „kommt der Informationsbegriff im Sin-ne von Gestaltung eiSin-nes Stoffes bzw. eiSin-nes Organismus vor“ [Capurro 1978: 276]. Die Bedeutungen des Informationsbegriffs im Bereich (i) umfassen „die Momente des Ver-änderns, Ordnens und Bewältigens sowie der anschaulichen Darstellung im Hinblick auf einen Zweck“ [Capurro 1978: 276]. Die heutige Rede von Erbinformation etwa gehört in diesen Bereich, da ein Organismus einen geordneten Ausformungsprozess durchläuft, der auf ein bestimmtes Endergebnis hin wirkt. Der Zusammenhang zwischen organolo-gischer und artifizieller Deutung von Information tritt besonders dort hervor, wo es um die artifizielle (künstliche und künstlerische) Gestaltung des menschlichen Körpers geht: „der Bildhauer gestaltet göttliche Figuren […], die Natur erzeugt und formt [… ] Tiere und Menschen“ [Capurro 1978: 64]. Aber auch die Gestaltung eines Schildes (zur Verteidigung) war ein (Ein-)Formungsprozess, zumal auf dem Schild auch Episoden aus dem Leben eines Helden plastisch dargestellt waren [vgl. Capurro 1978: 59].

Im philosophischen Bereich (ii) „kommt der Informationsbegriff sowohl im ontologi-schen Sinne von Formung des Stoffes […] als auch im erkenntnistheoretiontologi-schen Sinne von Formung der Erkenntnis […] vor“ [Capurro 1978: 277], wobei im letzteren Falle gleichermaßen die Erkenntnisformung (genitivus obiectivus: ‚Etwas formt die Erkennt-nis’) als auch die Formung durch die Erkenntnis (genitivus subiectivus: ‚Die Erkenntnis gibt etwas [erst] eine Form’) gemeint ist. Dabei sind die „ontologischen und erkenntnis-theoretischen Bedeutungen […] durch die Momente der Veränderung, der Wirkung und der Neuigkeit bzw. des anschaulichen Darstellens, des Vorstellens und Erfassens des Wesens einer Sache gekennzeichnet“ [Capurro 1978: 277]. Die erkenntnistheoretische Bedeutung ist hierbei vor allem als Ermittlung und Vermittlung von Wissen zu verste-hen, wobei der „Vorgang der Erkenntnisgewinnung als ein Aufnehmen der Form des Er-kenntnisgegenstandes ohne dessen materiellen Stoff“ zu verstehen ist [Oeser 1976: 15 f., zit. nach Capurro 1978: 170]. Ding und Erkenntnis des Dings bilden darüber hinaus

eine Einheit insofern, als die Gestalt eines Einzelgegenstands erst durch die Erkenntnis seines Wesens (Art, Kategorie) gewährleistet ist, das seinerseits nur in Abhängigkeit von einer Menge vergleichbarer Einzeldinge gedacht werden kann.

Im pädagogischen Bereich (iii) „kommt der Informationsbegriff im Sinne von Wissens-mitteilung und von sittlicher Bildung vor“ [Capurro 1978: 278]. Dabei steht die gezielte Unterrichtung im Vordergrund, die zusätzlich einen (moralisch) erzieherischen Charak-ter besitzt: „[Es] wird nicht lediglich Wissen dem Bewußtsein […] mitgeteilt, sondern dieses Wissen wirkt auf grundlegende Prinzipien bzw. Geisteshaltungen ein.“ [Capurro 1978: 79]. Der pädagogische Informationsbegriff steht in enger Beziehung zum erkennt-nistheoretischen, wobei „[d]er Prozeß des Bildens, Darstellens, Entwerfens usw. […]

sich jetzt auf die Entfaltung der menschlichen Fähigkeiten des Einzelnen sowie der Ge-sellschaft“ [Capurro 1978: 90] bezieht. Der Schüler soll so im Lernprozess seine intel-lektuellen, künstlerischen und moralischen Fähigkeiten ausbilden [vgl. Capurro 1978:

171]; zuständig für diesen Bereich war u.a. der ‚Informator’ im Sinne eines unterwei-senden oder unterrichtenden Lehrers.

Im juristischen Bereich (iv) „kommt der Informationsbegriff im Sinne von Wissenser-mittlung vor“ [Capurro 1978: 279]. Dabei findet eine Objektivierung des Informations-begriffs insofern statt, als die Ermittlungsergebnisse schriftlich fixiert wurden und dieser Bericht als Grundlage des Urteils diente [vgl. Capurro 1978: 186]; dadurch wurde auch wiederum eine Wissensmitteilung möglich. Durch den Ermittlungsprozess wird zudem das Moment der Erkundigung und Neuigkeit betont. Auch der juristische Informations-begriff steht wie der pädagogische in enger Beziehung mit dem erkenntnistheoretischen der Wissens(v)ermittlung unter Erweiterung des Verständnisses durch schriftliche Auf-zeichnung der Ergebnisse in einem Bericht.

Im wissenschaftlichen Bereich (v) „spielt der Informationsbegriff erst in der Gegenwart eine größere Rolle. Er tritt dabei in einer Reihe von Bedeutungen auf, z.B. im Sinne von Wissen, Struktur, Nachricht, Bedeutung usw.“ [Capurro 1978: 279]. Dabei sind insbe-sondere die quantitativen Ansätze von [Hartley 1928] bzw. [Shannon & Weaver 1949]

sowie [Bar-Hillel & Carnap 1953/1964] zu erwähnen, die ein syntaktisches bzw. seman-tisches Maß der Information bestimmt haben. In jedem Fall wird Information dabei als objektive Größe betrachtet, die mathematisch erfasst und berechnet werden kann; von subjektiven Faktoren (wie Erkenntnis oder verstandene Bedeutung) wird gerade abstra-hiert.

Im alltagssprachlichen Bereich (vi) fließen – je nach Zeitabschnitt – die bisher genann-ten Bereiche zusammen: „In der Antike und im Mittelalter gehören die artifiziellen, or-ganologischen, philosophischen und pädagogischen Bedeutungen des

Informationsbe-griffs zum allgemeinen Sprachgebrauch. In der Neuzeit und der Gegenwart wird der In-formationsbegriff […] im Sinne von Wissensmitteilung sowie von Wissensermittlung gebraucht.“ [Capurro 1978: 278 f.]. In den wichtigsten europäischen Sprachen lässt sich dabei eine gewisse Konvergenz der Bedeutungen feststellen. Aufgrund seiner langen Geschichte und der zahlreichen Verwendungsfelder zeigt der Alltagsbegriff vielfältige Gebrauchsweisen.

4.1.2 Eine kurze Geschichte der Information

Der heutige Informationsbegriff hat seine Wurzeln in der griechischen Sprache. Die mo-dernen Ausdrücke mit dem Wortstamm ‚in-form[at]-’ gehen auf den lateinischen Wort-stamm ‚forma’ zurück, der „etymologisch und ideengeschichtlich von folgenden grie-chischen Begriffen abgeleitet ist: τύπος [= typos] µορφή [= morphe] είδος / ίδέα [= ei-dos / idea]“ [Capurro 1978: 17]. Das lateinische ‚forma’ bedeutet dabei sowohl die äu-ßere Gestalt eines Gegenstandes und entspricht in diesem Sinne ‚typos’ und ‚morphe’

als auch das Wesen einer Sache mit dem Äquivalent ‚eidos’ und ‚idea’ [vgl. Capurro 1978: 17]. ‚Typos’ im engeren Sinne bedeutet zum einen das durch den Wahrnehmungs- und Erkenntnisprozess (der Gegenstände) in den Geist (Auf-/Ein-)Geprägte; zum ande-ren ist damit auch das Prägende im Sinne eines Vorbilds gemeint, mit dem der Erzieher den Geist eines Heranwachsenden prägt; schließlich meint ‚typos’ auch den Umriss im Sinne einer sprachlichen Skizze, wobei die Wörter und Sätze (nur) die Grundzüge der Dinge enthalten [vgl. Capurro 1978: 19–23]. ‚Morphe’ bezieht sich zum einen auf die äußere Gestalt, zum anderen auf das Prinzip des Seienden, d.i. etwas Beständiges, wel-ches das Wesen eines Dings ausmacht [vgl. Capurro 1978: 23–27]. ‚Eidos’ / ‚idea’

schließlich meinen, ähnlich wie ‚typos’ und ‚morphe’, sinnlich wahrnehmbare Gestalt, aber auch die Art oder das Wesen eines Dings, d.h. die allen Exemplaren gemeinsame Form [vgl. Capurro 1978: 27 ff., 44].

Die vier angeführten griechischen Begriffe stellen nun das Fundament des lateinischen

‚forma’-Begriffs dar, der seinerseits Grundlage des Verbs formo’ ist, von dem ‚in-formatio’ durch Substantivierung mit dem Suffix ‚-tio’ abgeleitet ist (dies sollte nicht vergessen werden). Das Verb ‚in-formo’ ist durch Präfigierung des Stammes ‚form-’ mit

‚in-’ entstanden, wodurch „eine anfängliche Verstärkung bzw. eine Verortung der Hand-lung des Formens“ [Capurro 1978: 51] bezeichnet wird. Die Ableitung von ‚informo’

mit ‚-tio’ beschreibt sowohl eine geschehende Handlung als auch das Ergebnis dieser Handlung (vgl. dt. ‚Formation’ als Geformtes vs. Formierung). Neben dem Verb ‚infor-mare’ mit seinen Primärbedeutungen ‚formen’ oder ‚gestalten’ und den Sekundärbedeu-tungen ‚einprägen’ oder ‚eindrücken’ sowie dem Nomen ‚informatio’ im Sinne von

‚Formung’ oder ‚Gestaltung’ taucht im Lateinischen auch das Nomen ‚informator’ mit der Lesart ‚Bildner’ bzw. ‚Lehrer’ und das Adjektiv ‚informatus’ mit der Bedeutung ‚ge-formt’ bzw. ‚gelehrt’ auf [vgl. Capurro 1978: 51, 56]. Dabei lässt sich feststellen, dass

‚informo’ wie auch ‚informatio’ sowohl im materiellen wie immateriellen Bereich ver-wendet werden: Im ersteren Fall bezieht sich die Formung auf einen materiellen Gegen-stand, wobei der Informationsbegriff im artifiziellen wie organologischen Bereich einge-setzt wird; im letzteren Fall ist die Formung auf einen immateriellen Gegenstand bzw.

auf die Erkenntnis ausgerichtet, womit der Informationsbegriff vor allem im philosophi-schen und erkenntnistheoretiphilosophi-schen Bereich Anwendung findet [vgl. Capurro 1978: 56].

Der Informationsbegriff wird dabei auch im Sinne von Vorstellung oder Begriff bzw.

sprachlicher Darstellung gebraucht (entsprechend das Verb) [Capurro 1978: 82]; auch die Nähe zum pädagogischen Bereich wird angedeutet, wenn ‚informatio’ mit ‚instruc-tio’ bzw. ‚informo’ mit ‚instruo’ gleichgesetzt wird [vgl. Capurro 1978: 135 f.].

Der lateinische Informationsbegriff hinterließ seine Spuren in den Nationalsprachen der Neuzeit, wobei vor allem das Französische, Englische und Deutsche von Interesse ist.

Im Französischen wurde ‚information’ bzw. ‚informer’ im artifiziellen (Gestaltung z.B.

von Kleidung und Schuhen), pädagogischen (Erziehung, Unterrichtung), juristischen (Wissensermittlung), philosophischen (Formung des Stoffes) und alltagssprachlichen (jemanden in Kenntnis setzen, sich erkundigen) Bereich verwendet [vgl. Capurro 1978:

142]. Das Englische benutzte ‚information’ bzw. ‚inform’ im pädagogischen (Instruk-tion, Unterrichtung; lehren, unterweisen), juristischen (Ermittlungen), philosophischen (Formierung, Formgebung), artifiziellen (formen, gestalten, Form annehmen) und all-tagssprachlichen (Wissensmitteilung, Nachricht, Neuigkeit, Unterrichtung, Instruktion;

berichten, Wissen gewinnen) Bereich. Im Deutschen wird der Informationsbegriff vor allem im pädagogischen (Bildung, Wissensmitteilung, Unterweisung), aber auch im phi-losophischen (Erkenntnisgewinnung/-vermittlung, Stoff-Formung) und juristischen (Er-kundigung, Nachforschung, Untersuchung, Bericht) Sinne gebraucht; im alltagssprachli-chen Bereich kommt er dabei noch nicht vor [vgl. Capurro 1978: 146 ff.]. Darüber hin-aus wird im wissenschaftlichen Bereich (des Englischen) neben den Gesichtspunkten des Inhalts, der Aneignung und Mitteilung von Wissen auch der Aspekt seiner Nützlich-keit und ZweckhaftigNützlich-keit betrachtet [vgl. Capurro 1978: 181–184 mit Bezug auf den In-formationsbegriff von Spencer]. Im juristischen InIn-formationsbegriff des Französischen wie auch Englischen findet sich das Moment der Neuigkeit (neues Wissen) wieder [Capurro 1978: 190, 193], das auch heute noch maßgeblich ist.

Der Informationsbegriff der Gegenwart ist wie der der Neuzeit grundsätzlich durch den Aspekt der Wissensmitteilung gekennzeichnet; Information im Sinne von Nachricht, Botschaft und Mitteilung gehört in praktisch alle europäischen Sprachen [Capurro 1978:

196]. Der alltagssprachliche Bereich im Speziellen weist über die genannten Bedeutun-gen hinaus Lesarten wie ‚Auskunft’, ‚Belehrung’, ‚Anweisung’, ‚Aufklärung’, ‚Benach-richtigung’ auf; das entsprechende Verb ‚(sich) informieren’ umfasst Bedeutungen wie

‚unterweisen’, ‚unterrichten’, ‚in Kenntnis setzen’, ‚sich Kenntnis verschaffen’; das Ad-jektiv ‚informativ’ beinhaltet Lesarten wie ‚belehrend’ oder ‚aufschlussreich’ [Capurro 1978: 197 inkl. FN 366–369]. Dabei sind Momente wie Sachbezogenheit (Mitteilung von Tatbeständen), praktische Nützlichkeit und Neuigkeit von besonderer Relevanz; zu-dem wird erwartet, dass Information richtig, wichtig, zweckmäßig und zuverlässig ist.

Das Medium der Information ist vor allem die Sprache als Vermittler zwischen Sache und Erkenntnis bzw. als (Über-)Träger von Information. Insgesamt umfasst der alltags-sprachliche Informationsbegriff „den gesamten Prozeß der Wissensvermittlung bzw. die einzelnen Momente dieses Prozesses, d.h. 1) Information ist die Sache selbst oder der Sender. 2) Information ist der Inhalt der Mitteilung bzw. der Sendung. Hier wird der Schwerpunkt auf die Übereinkunft zwischen Sache und Sendung (Sachbezogenheit) ge-legt. 3) Information ist das Gesandte im Hinblick auf seine Wirkung in der Erkenntnis (Empfänger), bzw. das Wissen, insofern dieses neu oder nützlich ist. 4) Ein vierter Fak-tor wird schließlich im Vermittlungsprozeß Information genannt, nämlich das Mittel bzw. der Träger.“ [Capurro 1978: 199]. Die vier genannten Faktoren Sender, Empfän-ger, Mittel sowie Gegenstand sind die bestimmenden Größen bei der Auslegung des alltagssprachlichen Informationsbegriffs. Im wissenschaftlichen Bereich wird der Infor-mationsbegriff objektiviert und auf den verschiedenen semiotischen Ebenen verankert:

Shannons Informationsmaß ist nach allgemeiner Auffassung syntaktisch(-statistisch), Bar-Hillels & Carnaps Theorie der semantischen Information ist entsprechend der Be-deutungsebene zuzuorden, und MacKays Informationsbegriff – Information ist das, was auf etwas wirkt bzw. was eine Änderung oder eine Bestätigung der (wissenschaftlichen) Darstellungen und Modelle der Wirklichkeit verursacht [MacKay 1969; vgl. Capurro 1978: 226] – ist pragmatischer Natur. Bei C. F. von Weizsäcker sind der semantische und pragmatische Aspekt vereint in dem Sinne, dass Information nur das ist, was ver-standen wird und neue Information bewirkt [Weizsäcker 1974a]. Wersig betrachtet aus informationswissenschaftlicher Perspektive Information im pragmatischen Sinne als Re-duktion von Ungewissheit durch Kommunikationsprozesse [Wersig 1971; vgl. Capurro 1978: 235 f.].

4.1.3 Fazit und Zusammenfassung

Capurro konstatiert zusammenfassend, dass „[d]as wesentliche Ergebnis dieser Untersu-chungen […] die Einsicht [ist], daß der Informationsbegriff durch die ursprüngliche

Ein-heit des ontologischen und erkenntnistheoretischen Moments gekennzeichnet ist. Diese ursprüngliche Einheit besagt, daß der Informationsbegriff keinen dritten Seinsbereich neben Materie und Bewußtsein bezeichnet und daß er nicht einseitig zu dem einen oder dem anderen Seinsbereich gehörend aufgefaßt werden sollte“ [Capurro 1978: 282].

Grundsätzlich erweist sich Information durch seine ontologisch-erkenntnistheoretische Zweiköpfigkeit jedoch als eine Erscheinung, die in den zwei Seinsbereichen des Materi-ellen und Mentalen gleichermaßen verankert ist: „Der griechische Formbegriff drückt […] sowohl das ontologische Moment des Aussehens und des Wesens einer Sache als auch dessen Wahrnehmung und Begriff aus. Die Sache ist durch ihre Form bestimmt, und die Bestimmung der Form in der Wahrnehmung, der Vorstellung und im Denken stellt das, was die Sache als Vorbild zeigt, als Ebenbild wieder her.“ [Capurro 1978:

283, Herv. J. R.]. Weiter heißt es: „Der Informationsbegriff bezeichnet […] sowohl den Mitteilungsprozeß, wodurch etwas von der Möglichkeit in die Wirklichkeit übergeführt wird, als auch die Aktualisierung bzw. Hervorbringung der Formen in bzw. durch die Erkenntnis.“ [Capurro 1978: 283, Herv. J. R.]. Dieses materielle und immaterielle, po-tenzielle und aktuelle Verständnis von Information wird in den folgenden Abschnitten eine wesentliche Rolle spielen.

Capurro hat in anschaulicher Weise die etymologische und ideengeschichtliche ‚Karrie-re’ des Informationsbegriffs im Laufe der Jahrhunderte von der Antike bis zur Gegen-wart aufgezeigt. Der Sinn einer solchen Untersuchung liegt auf der Hand: Will man so etwas wie einen ‚vereinheitlichten’ oder ‚allgemeinen’ Informationsbegriff gewinnen, dann müssen die Wurzeln aller heutigen Informationsverständnisse in den zahllosen mo-dernen Alltags- und Fachsprachen rekonstruiert werden, um deren gemeinsamen Kern herauszuschälen. Ansonsten scheitert die Verallgemeinerung notwendig an zwischen-sprachlichen und/oder innerzwischen-sprachlichen Feinheiten und Spezialbedeutungen, die schon innerhalb nur einer Einzelsprache mit ihren jeweils unterschiedlichen Jargons keine ein-heitliche Bestimmung mehr ermöglichen. Die beste Methode zur Umgehung dieses Missstandes ist daher, die ursprünglichen Bedeutungen zu rekonstruieren, die als Kern-bedeutung in nur einer einzigen Ursprungssprache zu finden sind. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass eine Vereinheitlichung tatsächlich gelingt, denn der heutige In-formationsbegriff (der verschiedenen Einzelsprachen) könnte substanziell ein anderer sein als der damalige. Auch dieser Frage werden wir in den nachfolgenden Abschnitten nachgehen müssen.