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3 Vier Informationstheorien

3.2.6 Daten und Information

Der Begriff des Datums scheint nicht weniger verwickelt als der der Information und bedarf daher ebenfalls einer Explikation. Trotz der Wichtigkeit und Allgegenwärtigkeit von Daten gibt es erstaunlich wenig Übereinstimmung in den Ansichten, was Daten sind [Fox & al. 1994: 9]. Auf der einen Seite sind Daten relativ greifbar, wie etwa in der Aussage ‚The data on this graph prove my point’, auf der anderen Seite scheinen sie we-niger handlich, wie in ‚The data misled us because they were wrong’ oder ‚Here are the data we need’, die vor allem aufgrund ihres Einflusses auf Handlung und Entscheidung offenbar werden [vgl. Fox & al. 1996: 101]. Die Autoren diskutieren aufgrund einiger bestehender Ansätze, welche Eigenschaften Daten (nicht) zukommen. Da Daten biswei-len falsch sind, ist eine Explikation als Menge von Fakten ausgeschlossen, da diese die Welt nur in ihrem tatsächlichen (wahren) Zustand repräsentieren. Bestimmt man Daten als etwas allein durch Messung oder Beobachtung Erlangtes, blendet man alle Arten von zugewiesenen Eigenschaften als Daten aus, z.B. Telefon- oder Sozialversicherungsnum-mern, die Personen in Formulare eintragen können. Auch kann ein Datum nicht gleich-bedeutend sein mit einer symbolischen Darstellung, denn ein und dieselbe Dateneinheit ist auf verschiedene Weise repräsentierbar, z.B. der Wert der Zahl Pi als ‚3.14’ vs.

‚3.1415926535’ usw.

Um bestimmen zu können, was ein Datum ist, muss als Rahmen zunächst die abstrakt-konzeptuelle Beschreibung oder Modellierung realer Objekte der Welt zugrunde gelegt werden, die sich als Entitäten samt ihren Attributen und Werten im Modell wiederfin-den. Ein konzeptuelles Modell für Publikationen benötigt z.B. den Entitätstyp ‚Doku-ment’ mit den Attributen ‚Titel’, ‚Autor’, ‚Erscheinungsjahr’ usw., die bestimmte Werte aus einer Wertedomäne annehmen können (z.B. für ‚Erscheinungsjahr’ Zahlen zwischen 1900 und 2000). Eine konkrete Entität des Entitätstyps ‚Dokument’ wäre dann etwa das Buch ‚Information and Misinformation’ des Autors ‚Fox, Christopher John’ mit dem Erscheinungsjahr 1983. Diese Entität lässt sich durch mehrere Dateneinheiten bestim-men, die als Tripel <e(ntity), a(ttribute), v(alue)> in einer Datenkollektion zusammenge-fasst werden, die zumindest <‚Information and Misinformation’, author, ‚Fox, Christo-pher John’> und <,Information and Misinformation’, publication year, 1983> umfasst.

Ein Datum oder eine Dateneinheit ist dann allgemein als Tripel <e, a, v> definiert, wo-bei e eine Entität des konzeptuellen Modells der Welt ist – das ein Gegenstück in der re-alen Welt hat –, a ein Attribut der Entität e und v der konkrete Wert des Attributs a.

Als Datenrepräsentation wird eine Menge von Regeln bezeichnet, mit deren Hilfe Tri-pels (Dateneinheiten) auf einem Medium aufgezeichnet werden können [vgl. Fox & al.

1994: 13; Fox & al. 1996: 103]. Eine Datenaufzeichnung ist die physische Realisierung, die für eine Datenkollektion gemäß einer Datenrepräsentation steht (z.B. eine Aufzeich-nung auf Papier oder in einer Datenbank):

Abb. 3-1: Zusammenhang von Welt, Weltmodell und Repräsentation/Aufzeichnung [vgl. Fox & al. 1994: 12 f.]

Die Stärke des Ansatzes sehen die Autoren darin [Fox & al. 1994: 13], dass erstens Da-ten und FakDa-ten sauber getrennt sind, indem Letztere durch Erstere modelliert werden;

zweitens wird ausgeblendet, wie man zu den Daten gelangt; und drittens wird die Be-zugnahme auf Information vermieden, so dass diese durch den Datenbegriff bestimmt werden kann: „No matter how ‚information’ is defined […] one may regard a represen-tation of a body of information as data. For example, the represenrepresen-tation via text and gra-phics of the information contained in an article […] may be regarded as data […]“ [Fox

& al. 1996: 115, Herv. im Orig.]. Zudem erlaube dieser Ansatz auch, dass Daten ohne Repräsentation und Aufzeichnung existieren; dies ermöglicht, dass Daten auf verschie-dene Weise repräsentiert und diese Repräsentationen wiederum auf einem Medium auf-gezeichnet werden können.

3.2.7 Fazit und Bewertung

Fox hat durch seine sprachanalytischen Untersuchungen wichtige Erkenntnisse im Hin-blick auf ‚information’ und ‚misinformation’ bzw. ‚inform’ und ‚misinform’ gewonnen:

Information ist reduzierbar auf Proposition(en); ‚information’ muss nicht wahr sein,

‚misformation’ hingegen muss notwendig falsch sein; Information muss weder auf Seite des Informanten noch auf Seiten des Informierten geglaubt werden. Allerdings lassen sich diese Ergebnisse nicht einfach auf das Deutsche übertragen oder überhaupt auf eine einzelsprachunabhängige Ebene verallgemeinern, da der Ausgangspunkt ja die engli-schen Begriffe und deren semantiengli-schen Eigenheiten waren. Ob daher auch ‚Information’

Reale Welt

<e,a,v>

<e,a,v>

<e,a,v>

Fox, C. J., 1983 Keller, R., 1995 Morris, C. W., 1938

Datenmodellierung Datenrepräsentation

und ‚Falschinformation’ bzw. ‚informieren’ und ‚falschinformieren’ diese Eigenschaf-ten besitzen, ist völlig offen und bedürfte einer eigenen Untersuchung. Man kann jedoch zumindest vorläufig davon ausgehen, dass die Ergebnisse auf das Deutsche übertragbar sind. In jedem Falle scheint eine sprachunabhängige Analyse von Information mittels Zeichen, wie sie etwa Nauta durchgeführt hat, in dieser Hinsicht im Vorteil zu sein, zu-mal sie sich auch nicht auf Sätze bzw. die durch sie ausgedrückten Propositionen be-schränkt: Wie etwa erklärt Fox die Informationsübertragung durch natürliche Zeichen?

Durch die Forderung, dass Information nur dann vermittelt würde, wenn eine Änderung in der Glaubensstruktur des Informierten auftritt, verhindert Fox eine Ausweitung der Analyse auf künstliche Informationssysteme wie Computer, da diese ja nicht über Glau-bens- bzw. Kenntnisstrukturen verfügen. Dies ist insofern widersinnig, als Fox den In-formationsbegriff für die Informationswissenschaft klären wollte, die auf Computer zu-rückgreift. Desweiteren strapaziert Fox die Intuition etwas stark, wenn eine Informie-rung über P auf Seiten des Informierten kein Glauben von P erfordert – und damit ein Computer doch plötzlich zumindest informiert werden könnte –, die Vermittlung der In-formation P durch einen Satz S jedoch nur dann zustande kommt, wenn der Empfänger P auch glaubt, d.h. eine Änderung in der Kenntnisstruktur erfährt. Zudem stellt sich die Frage, warum Fox – wenn er schon die Alltagssprache befragt und die Intuitionen des Sprechers hochhält – Information auf Proposition reduziert, obgleich die Alltagssprache im Englischen diese beide Ausdrücke klar trennt. Dies muss ja einen guten Grund ha-ben, denn eine Sprache leistet sich keine echten Synonyme.

3.3 Janich

50

Der streitbare Philosoph Janich widmet sich dem Problem und Phänomen der Informati-on aus Sicht des Kulturalisten, der die raumgreifende Naturalisierung vInformati-on InformatiInformati-on argwöhnisch verfolgt und ihren Status als kulturelle und kommunikationelle Erschei-nung wieder ins Zentrum rücken will. Hierzu hat Janich in einer Reihe von Beiträgen seine Standpunkte dargelegt und verteidigt, nicht zuletzt in der mittlerweile schon ‚his-torischen’ und ebenso hysterischen Debatte um den Informationsbegriff in der Zeit-schrift ‚Ethik- und Sozialwissenschaften’ von 1998 (mit einer Fortsetzung 2001, in der jedoch Ropohl federführend war). Hier unterbreitete Janich seinem wissenschaftlichen Publikum einige zum Teil provokant vorgebrachte Thesen zu seinem Verständnis von

50 Auch bei der Rekapitulation der Positionen Janichs handelt es sich um eine Zusammenschau einer Rei-he inhaltlich vergleichbarer Texte zum Informationsbegriff. Zudem stütze ich mich auf [Hammwöhner 2004a] und [Hammwöhner 2004b]. Die Janich-eigene Zusammenfassung konnte hier nicht mehr be-rücksichtigt werden [Janich 2006]; sie bringt im Kern jedoch auch nichts Neues ein.

Information, wohl ahnend, dass er weniger Applaus als vielmehr Widerspruch heraus-fordern würde. Deutlich wurde dabei vor allem, dass es tatsächlich fast so viele Infor-mationsverständnisse wie Autoren gibt. Wir wollen diese Debatte hier allerdings nicht nachzeichnen, sondern allein die Position Janichs anhand der verschiedenen Darstellun-gen seiner Standpunkte über die Jahre hinweg herausarbeiten.