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Diplomarbeit. Zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra iuris an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens Universität Graz

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(1)

Diplomarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra iuris

an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens Universität Graz

Der Weg der Gesetzgebung in Österreich und der Schweiz im Vergleich

eingereicht von Isabella Theny

am Institut für Österreichisches, Europäisches und Vergleichendes Öffentliches Recht, Politikwissenschaft und Verwaltungslehre

bei

Univ. Prof. DDr. Bernd Wieser

Graz, 2014

(2)

I

Ehrenwörtliche Erklärung

Ich, Isabella Theny, versichere, dass ich die eingereichte Diplomarbeit selbständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfsmittel bedient habe. Ich versichere ferner, dass ich diese Diplomarbeit bisher weder im In- noch im Ausland in irgendeiner Form als wissenschaftliche Arbeit vorgelegt habe.

Graz, am 26. Jänner 2014

Unterschrift

(3)

II

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei all jenen Menschen bedanken, die mich bei der Arbeit an dieser Diplomarbeit und während meiner gesamten Studienzeit unterstützt haben.

Mein besonderer Dank gilt meiner Familie, insbesondere meinen Eltern und Großel- tern, nicht nur für den finanziellen sondern vor allem für den moralischen Beistand und den bedingungslosen Rückhalt während meines Studiums.

Ich danke meiner Mama für ihre Begleitung durch alle Höhen und Tiefen in dieser Zeit und ihren immerwährenden liebevollen Zuspruch sowie meinem Papa für seine uneingeschränkte und geduldige Unterstützung.

Bedanken möchte ich mich auch bei Heinz, der mein Studium immer mit großem In- teresse verfolgt und mir mit bestem Wissen zur Seite gestanden ist sowie meinen Freundinnen, allen voran Anna-Lisa, die meine Studienzeit zu einer unvergesslich schönen Zeit gemacht haben.

Schließlich möchte ich mich auch bei meinem Betreuer Univ. Prof. DDr. Bernd Wieser für die Übernahme der Betreuung meiner Diplomarbeit und für die Zusam- menarbeit bedanken.

(4)

III

Gleichbehandlung

Der Leserlichkeit Willen wird in der nachstehenden Arbeit von der Verwendung weib- licher Formen Abstand genommen. Soweit personenbezogene Bezeichnungen nur in männlicher Form angeführt sind, beziehen sich diese auf Frauen und Männer in glei- cher Weise.

(5)

IV

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 1

2 Organe der Bundesgesetzgebung ... 4

2.1 Schweiz ... 4

2.1.1 Nationalrat und Ständerat ... 4

2.2 Österreich ... 9

2.2.1 Nationalrat und Bundesrat ... 9

2.3 Vergleich Schweiz – Österreich ... 14

3 Die Kompetenzverteilung auf dem Gebiet der Gesetzgebung ... 19

3.1 Schweiz ... 19

3.1.1 Grundsätzliches ... 19

3.1.2 Bundeskompetenzen ... 20

3.2 Österreich ... 22

3.2.1 Grundsätzliches ... 22

3.2.2 Bundeskompetenzen ... 23

3.3 Vergleich Schweiz – Österreich ... 25

4 Der Weg der einfachen Bundesgesetzgebung ... 28

4.1 Schweiz ... 28

4.1.1 Initiative ... 28

4.1.2 Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs ... 29

4.1.3 Behandlung in den Räten ... 30

4.1.4 Referendum ... 34

4.1.5 Publikation ... 35

4.1.6 Inkrafttreten ... 37

4.2 Österreich ... 37

4.2.1 Initiative ... 37

4.2.2 Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs und Begutachtungsverfahren ... 39

4.2.3 Notifikationsverfahren ... 40

4.2.4 Behandlung im Nationalrat ... 40

4.2.5 Mitwirkung des Bundesrates ... 45

4.2.6 Volksabstimmung ... 49

4.2.7 Beurkundung ... 50

4.2.8 Kundmachung ... 50

(6)

V

4.2.9 Inkrafttreten ... 51

4.3 Vergleich Schweiz – Österreich ... 52

4.3.1 Initiative ... 52

4.3.2 Vorparlamentarische Phase ... 54

4.3.3 Parlamentarische Phase ... 55

4.3.4 Referendum ... 58

4.3.5 Kundmachung und Inkrafttreten ... 59

5 Der Geltungsbereich von Gesetzen ... 60

5.1 Schweiz ... 60

5.1.1 Zeitlicher Geltungsbereich ... 60

5.1.2 Örtlicher Geltungsbereich ... 62

5.2 Österreich ... 63

5.2.1 Zeitlicher Geltungsbereich ... 63

5.2.2 Örtlicher Geltungsbereich ... 65

5.3 Vergleich Schweiz – Österreich ... 66

6 Der Weg der Verfassungsgesetzgebung ... 68

6.1 Schweiz ... 68

6.1.1 Grundsätzliches ... 68

6.1.2 Besonderheiten bei der Erzeugung von Verfassungsrecht ... 70

6.2 Österreich ... 72

6.2.1 Grundsätzliches ... 72

6.2.2 Besonderheiten bei der Erzeugung von Verfassungsrecht ... 75

6.2.3 Erzeugung von Verfassungsgesetzen unter weitergehender Mitwirkung des Bundesrates ... 76

6.3 Vergleich Schweiz – Österreich ... 77

7 Instrumente der direkten Demokratie ... 80

7.1 Schweiz ... 80

7.1.1 Volksinitiative ... 80

7.1.2 Referendum ... 85

7.2 Österreich ... 88

7.2.1 Volksbegehren ... 88

7.2.2 Volksabstimmung ... 91

7.2.3 Volksbefragung ... 94

7.3 Vergleich Schweiz – Österreich ... 96

(7)

VI

8 Resümee ... 101

Literaturverzeichnis ... 104

Judikaturverzeichnis ... 108

Rechtsquellenverzeichnis ... 109

(8)

VII

Abkürzungsverzeichnis

Abs = Absatz

ABl = Amtsblatt der Europäischen Union, Reihe C: Mitteilungen und Bekanntmachungen, Reihe L: Rechtsvorschriften,

Reihe S: Ausschreibungen

Art = Artikel

AS = Amtliche Sammlung

BGBl = Bundesgesetzblatt

BGBlG = Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 2004 BGBl 2003/100

BMG = Bundesministeriengesetz 1986 BGBl 1986/76

BPR = Bundesgesetz über die politischen Rechte vom 17. Dezember 1976 (SR 161.1)

BV = Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (SR 101)

BVerfG = (deutsches) Bundesverfassungsgericht B-VG = Bundes-Verfassungsgesetz BGBl 1930/1

bzw = beziehungsweise

dh = das heißt

EMRK = Europäische Menschenrechtskonvention BGBl 1958/210

EU = Europäische Union

f = und der, die folgende ff = und der, die folgenden

GO-BR = Geschäftsordnung des Bundesrates BGBl 1988/361 GOG-NR = Geschäftsordnungsgesetz 1975 BGBl 1975/410

hL = herrschende Lehre

Hrsg = Herausgeber

idgF = in der geltenden Fassung

idR = in der Regel

iSd = im Sinne des, - der

Lfg = Lieferung

lit = litera (Buchstabe)

NRWO = Nationalrats-Wahlordnung 1992 BGBl 1992/471

(9)

VIII ParlG = Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesver-

sammlung (SR 171.10)

PublG = Bundesgesetz über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt vom 18. Juni 2004 (SR 170.512)

PublV = Verordnung über die Sammlungen des Bundesrechts und das Bundesblatt vom 17. November 2004 (SR 170.512.1)

RL = Richtlinie der Europäischen Union

ROVG = Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetz vom 21.

März 1997 (SR 172.010)

Rz = Randzahl

sog = sogenannt, -e, -er, -es

SR = Systematische Rechtssammlung

UNO = United Nations Organization (Organisation der Vereinten Nationen)

UVS = Unabhängiger Verwaltungssenat

VlG = Bundesgesetz vom 18. März 2005 über das Vernehmlassungsverfahren (SR 172.061) VAbstG = Volksabstimmungsgesetz 1972 BGBl 1973/79 VBefrG = Volksbefragungsgesetz 1989 BGBl 1989/356 VBegG = Volksbegehrengesetz 1973 BGBl 1973/344 VfGH = Verfassungsgerichtshof

WKG = Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft 1998 BGBl 1998/103

(10)

1

1 Einleitung

„Rechtsstaatlichkeit bedeutet, daß die Ausübung staatlicher Macht nur auf der Grundlage der Verfassung und von formell und materiell verfassungsmäßig erlasse- nen Gesetzen mit dem Ziel der Gewährleistung von Menschenwürde, Freiheit, Ge- rechtigkeit und Rechtssicherheit zulässig ist.“1

Dieser Gedanke findet sich auch in den Verfassungen der Schweiz und Österreichs wieder, ausgedrückt durch den Kern der Rechtsstaatlichkeit, dem Legalitätsprinzip, welches in Art 5 Abs 1 BV2 bzw in Art 18 Abs 1 B-VG3 verankert ist.4

Die Regelung der Gesetzgebung, welche neben der Verwaltung und der Gerichts- barkeit zu den drei klassischen Staatsfunktionen zählt, ist somit essentieller Bestand- teil rechtsstaatlicher Verfassungen5 und Thema dieser Arbeit.

Ziel dieser Arbeit ist es, den Weg der Bundesgesetzgebung und damit in engem Zu- sammenhang stehende Themen in der Schweiz und in Österreich darzustellen, die Verfahren und Regelungen der beiden Staaten zu vergleichen sowie Gemeinsamkei- ten und Unterschiede herauszuarbeiten.

Eine wesentliche Rolle im Gesetzgebungsprozess spielen die Gesetzgebungsorga- ne, Nationalrat und Ständerat in der Schweiz bzw Nationalrat und Bundesrat in Ös- terreich. Aus diesem Grund erfolgt im zweiten Kapitel ein Überblick über das Zustan- dekommen, die Organisation bzw Zusammensetzung und die Auflösung dieser Or- gane.

1Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band I: Grundbegriffe und Grundlagen des Staatsrechts. Strukturprinzipien der Verfassung2 (1984) 781.

2Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999 (BV; SR 101).

3Bundes-Verfassungsgesetz BGBl 1930/1 idgF.

4Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 (2012) Rz 74; Tschannen, Staatsrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft3 (2011) § 45 Rz 10.

5Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 75.

(11)

2 Ebenfalls von großer Bedeutung für das Gesetzgebungsverfahren ist die Kompe- tenzverteilung auf dem Gebiet der Gesetzgebung. Diesem Thema ist das dritte Kapi- tel gewidmet, in welchem die Verteilung der Zuständigkeiten auf Bund und Kantone bzw Länder dargestellt wird. Es wird außerdem ein Überblick über die Bundeskompe- tenzen in den beiden Staaten gegeben.

Den Hauptteil der Arbeit bildet das vierte Kapitel, in welchem der Weg der einfachen Bundesgesetzgebung näher behandelt wird, wobei eine genaue Darstellung der ein- zelnen Schritte im Gesetzgebungsverfahren erfolgt. Zunächst werden die unter- schiedlichen Formen der Gesetzesinitiative sowie der vorparlamentarische Bereich behandelt, bei dem der Fokus hauptsächlich auf die Ausarbeitung eines Gesetzes- entwurfs sowie auf bestimmte Begutachtungsrechte gelegt wird. Weiters erfolgt eine Erörterung der parlamentarischen Phase, der Behandlung der Gesetzesvorlage in den beiden Räten, dem Nationalrat und dem Bundesrat bzw dem Ständerat. An- schließend wird ein kurzer Überblick über das Referendum gegeben, wobei eine aus- führliche Darstellung dieses Instrumentes in einem späteren Kapitel erfolgt. Schließ- lich werden die weiteren Schritte im Gesetzgebungsverfahren, die Beurkundung, die Kundmachung und abschließend das Inkrafttreten von Gesetzen näher behandelt.

Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit dem Geltungsbereich von Gesetzen. Behan- delt werden einerseits der zeitliche Geltungsbereich, wobei hier insbesondere die Bereiche Inkrafttreten und Außerkrafttreten sowie die Rückwirkung von Gesetzen eingehend erläutert werden, andererseits der örtliche Geltungsbereich von Gesetzen.

Ein besonderes Verfahren auf dem Gebiet der Bundesgesetzgebung stellt das Ver- fahren zur Verfassungsgebung dar, welchem das sechste Kapitel gewidmet ist. Zu- nächst erfolgt eine Darstellung der grundsätzlichen Regelungen in Bezug auf die Verfassungsänderung. Näher betrachtet werden hier die Unterscheidung zwischen Total- und Teilrevision der Verfassung sowie die Voraussetzungen bzw Schranken der Verfassungsänderung. In weiterer Folge werden die Besonderheiten bei der Er- zeugung von Verfassungsrecht behandelt.

Da auch die Instrumente der direkten Demokratie in engem Zusammenhang mit dem Verfahren der Gesetzgebung stehen, ist diesen das siebte Kapitel dieser Arbeit ge-

(12)

3 widmet. Es erfolgt eine ausführliche Darstellung der Volksinitiative bzw der Volksbe- fragung, des Referendums bzw der Volksabstimmung sowie der Volksbefragung.

Den Abschluss dieser Arbeit bildet ein Resümee, welches die für jedes Kapitel ge- sondert dargestellten Vergleiche zusammenfasst und die wichtigsten Gemeinsamkei- ten und Unterschiede im Gesetzgebungsverfahren der Schweiz und in Österreich herausstreicht.

(13)

4

2 Organe der Bundesgesetzgebung

2.1 Schweiz

2.1.1 Nationalrat und Ständerat

Das Parlament der Schweiz, die Bundesversammlung,6 besteht nach Art 148 Abs 2 BV aus dem Nationalrat und dem Ständerat, somit aus zwei Kammern.7

Von großer Bedeutung für das Zweikammernsystem ist die bundesstaatliche Funkti- on.8 Diese kommt in der Schweiz dadurch zum Ausdruck, dass beiden Kammern ein unterschiedlicher Repräsentationszweck zukommt. Während der Nationalrat das Volk repräsentiert,9 vertritt der Ständerat die Kantone,10 also die Gliedstaaten. Durch diese Aufteilung werden sowohl das demokratische als auch das föderalistische Prinzip verwirklicht.11

Daneben spielt auch die diskursive Funktion eine Rolle. Durch die Beratung eines Geschäftes in beiden Kammern wird die Qualität der parlamentarischen Prozesse dadurch gesteigert, dass aufgrund der erforderlichen Rechtfertigung in der jeweils anderen Kammer gründlicher gearbeitet wird, was gleichzeitig übereilten Beschlüs- sen vorbeugt.12

Nationalrat und Ständerat sind einander nach Art 148 Abs 2 BV ausdrücklich gleich- gestellt, was sich zunächst darin widerspiegelt, dass beide Kammern über die glei- chen Zuständigkeiten verfügen. Die Art 163 ff BV regeln die Kompetenzen der Bun- desversammlung insgesamt, und nehmen dabei keine Unterscheidung zwischen den beiden Kammern vor. Daneben äußert sich die Gleichberechtigung auch darin, dass

6 http://www.admin.ch/org/parlament/index.html?lang=de (16.11.2013).

7Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 (2009) Rz 2300; Tschannen, Staatsrecht3 § 30 Rz 5.

8Häfelin/Haller/Keller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht8 (2012) Rz 1439.

9 Art 149 Abs 1 BV.

10 Art 150 Abs 1 BV.

11 Tschannen, Staatsrecht3 § 30 Rz 8.

12 Tschannen, Staatsrecht3 § 30 Rz 6.

(14)

5 gemäß Art 156 Abs 2 BV für die Beschlussfassung die Übereinstimmung beider Räte erforderlich ist. Können etwaige bestehende Differenzen auch in einem gesonderten Verfahren nach Art 89 ff ParlG13 nicht bereinigt werden, kommt der Beschluss nicht zustande.14

2.1.1.1 Zustandekommen und Zusammensetzung

2.1.1.1.1 Nationalrat

Gemäß Art 149 BV umfasst der Nationalrat 200 Sitze, die nach der Bevölkerungszahl auf die Kantone verteilt werden. Jeder Kanton hat dabei Anspruch auf mindestens einen Sitz.15

Die Mitglieder des Nationalrates werden direkt vom Volk für eine Dauer von vier Jah- ren gewählt und nach dem Grundsatz des Proporzes bestimmt,16 was bedeutet, dass die Sitzverteilung im Parlament im Verhältnis zu den für die verschiedenen Parteien abgegebenen Stimmen erfolgt.17

2.1.1.1.2 Ständerat

Der Ständerat besteht gemäß Art 150 BV aus 46 Abgeordneten, von denen die Kan- tone Obwalden, Nidwalden, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden je ein, die übrigen Kantone je zwei Mitglieder wählen.18

Die Wahl zum Ständerat wird nach Art 150 Abs 3 BV von den Kantonen geregelt. Die Mitglieder des Ständerates werden in allen Kantonen direkt vom Volk gewählt, meist nach dem Mehrheitswahlsystem, wobei die Wahl zumeist gleichzeitig mit der Wahl zum Nationalrat und ebenfalls auf vier Jahre erfolgt.19 Es gilt jener Kandidat als ge-

13 Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung idgF (ParlG; SR 171.10).

14Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2312; Tschannen, Staatsrecht3 § 30 Rz 9.

15Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1456 f; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfas- sungsrecht2 Rz 2301 f; Tschannen, Staatsrecht3 § 31 Rz 5 ff.

16 Art 149 Abs 2 BV.

17Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1465; Tschannen, Staatsrecht3 § 31 Rz 19.

18Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1493; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungs- recht2 Rz 2304; Tschannen, Staatsrecht3 § 32 Rz ff.

19Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1495; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungs- recht2 Rz 2305 f.

(15)

6 wählt, der die absolute oder relative Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten hat.20

2.1.1.2 Organisation

2.1.1.2.1 Nationalrat und Ständerat 2.1.1.2.1.1 Verfahren

Nationalrat und Ständerat beraten grundsätzlich getrennt voneinander, wobei für eine Beschlussfassung die Übereinstimmung der beiden Räte erforderlich ist.21

Das Parlament tritt für Beratungen zu Sessionen zusammen.22 Art 2 Abs 1 ParlG be- stimmt, dass sich sowohl Nationalrat als auch Ständerat regelmäßig zu ordentlichen Sessionen versammeln, welche vier Mal im Jahr für eine Dauer von drei Wochen stattfinden.23 Daneben kann jeder Rat für sich Sondersessionen beschließen. Außer- dem kann ein Viertel der Mitglieder eines Rates oder der Bundesrat eine außeror- dentliche Session verlangen.24

Nach Art 158 BV sind die Sitzungen in beiden Räten öffentlich. Der Ausschluss der Öffentlichkeit kann aber gemäß Art 4 ParlG beantragt werden.25

Nationalrat und Ständerat können nur bei Anwesenheit der Mehrheit ihrer Mitglieder gültig verhandeln.26 Für eine Beschlussfassung reicht grundsätzlich die einfache

20 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1464.

21Art 156 BV; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2424; Tschannen, Staats- recht3 § 30 Rz 10; Zimmerli, Bundesversammlung, in Thürer/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht der Schweiz. Droit constitutionnel suisse (2001) § 66 Rz 1.

22Art 156 Abs 1 BV; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2389;

http://www.parlament.ch/D/SESSIONEN/Seiten/default.aspx (11.11.2013).

23Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2392; Zimmerli in Thüher/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 6; http://www.parlament.ch/D/SESSIONEN/Seiten/default.aspx (11.11.2013).

24Art 2 Abs 2 und 3 ParlG; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2392; Zimmerli in Thüher/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 6.

25Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2426 f.

26Art 159 Abs 1 BV; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2430.

(16)

7 Mehrheit der abgegebenen Stimmen aus.27 Die absolute Mehrheit ist nur in Ausnah- mefällen nötig. So zum Beispiel bei der Dringlicherklärung von Bundesgesetzen.28

2.1.1.2.1.2 Organe

Den Vorsitz in Nationalrat und Ständerat hat ein vom jeweiligen Rat aus seiner Mitte für ein Jahr gewählter Präsident, wobei die Wiederwahl für das folgende Jahr ausge- schlossen ist. Ebenfalls gewählt werden ein erster und ein zweiter Vizepräsident.29 Zu den Aufgaben der Präsidenten gehören unter anderem die Verhandlungsleitung und die Vertretung der Räte nach außen.30

Von besonderer Bedeutung für den parlamentarischen Entscheidungsprozess sind Kommissionen,31 welche grundsätzlich vorberatende und antragsstellende Funktio- nen haben,32 wobei ihnen nach Art 153 Abs 3 BV vom Gesetz auch weitere Befug- nisse übertragen werden können, die nicht rechtsetzender Natur sind. Beide Räte verfügen derzeit über zwölf ständige Kommissionen, die das nötige Fachwissen in die parlamentarische Arbeit einbringen.33

Die Vorbereitung der Ratsgeschäfte erfolgt durch Fraktionen, welche sich aus min- destens fünf Ratsmitgliedern zusammensetzen, die entweder der gleichen Partei an- gehören, parteilos sind oder unterschiedlichen Parteien mit einer ähnlichen politi- schen Ausrichtung angehören.34 Die Bedeutung der Fraktionen betrifft vor allem die politische Meinungsbildung in National- und Ständerat.35

27Art 159 Abs 2 BV; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2432.

28Art 159 Abs 3 BV; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2433.

29Art 152 BV; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2397; Zimmerli in Thüher/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 7.

30 Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2400.

31Zimmerli in Thüher/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 8.

32Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2406;

http://www.parlament.ch/D/ORGANE-MITGLIEDER/KOMMISSIONEN/Seiten/default.aspx (11.11.2013).

33 Zimmerli in Thürer/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 8 f.

34Art 61 und 62 Abs 1 ParlG; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2416; Zimmerli in Thüher/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 11.

35Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2417; Zimmerli in Thürer/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 11.

(17)

8 Neben diesen genannten gibt es noch weitere Organe wie etwa die Parlaments- dienste, welche mit organisatorischen und administrativen Aufgaben betraut sind.36

2.1.1.3 Auflösung

2.1.1.3.1 Nationalrat

Die Auflösung des Nationalrates kann auf zwei Arten erfolgen. Einerseits durch Zeit- ablauf, da gemäß Art 149 Abs 2 Satz 2 BV nach Ablauf der Legislaturperiode des Nationalrates seine Gesamterneuerung erfolgt.

Daneben ordnet Art 193 Abs 3 BV eine Neuwahl des Nationalrates an, wenn das Volk einer Totalrevision der Bundesverfassung zugestimmt hat.

2.1.1.3.2 Ständerat

Die Amtsdauer der Mitglieder des Ständerates ist nach kantonalem Recht geregelt.

In den meisten Kantonen ist vorgesehen, dass die Abgeordneten gleichzeitig mit dem Nationalrat auf vier Jahre gewählt werden. Eine Ausnahme davon stellt aber beispielsweise der Kanton Zug dar, in dem die Ständeratswahlen bereits ein Jahr vor den Nationalratswahlen stattfinden.37

Durch die unterschiedliche Regelung der Amtsdauer in den einzelnen Kantonen gibt es keine Gesamterneuerung des Ständerates, wie sie nach Art 149 Abs 2 Satz 2 BV für den Nationalrat vorgesehen ist.38

Für den Fall, dass das Volk einer Totalrevision der Bundesverfassung zugestimmt hat, ordnet Art 193 Abs 3 BV aber auch für den Ständerat Neuwahlen an.

36Art 64 ParlG; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2420; Zimmerli in Thüher/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 12.

37 Zimmerli in Thürer/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 4.

38 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1502.

(18)

9

2.2 Österreich

2.2.1 Nationalrat und Bundesrat

Auch in Österreich ist das Zweikammernsystem verwirklicht, da die Bundesgesetz- gebung nach Art 24 B-VG vom Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat ausgeübt wird.39

Der Nationalrat wird vom Bundesvolk gewählt,40 repräsentiert das Volk und dient so der Verwirklichung des demokratischen Prinzips.41 Im Bundesrat sind die Länder ver- treten,42 was der Verwirklichung des bundesstaatlichen Prinzips dient.43

Hinsichtlich der Befugnisse der beiden Kammern bestehen allerdings gravierende Unterschiede. Dies äußert sich vor allem darin, dass Gesetze gemäß Art 42 B-VG grundsätzlich vom Nationalrat gestaltet werden und dem Bundesrat bis auf wenige Ausnahmen44 nur ein suspensives Einspruchsrecht zusteht.45

2.2.1.1 Zustandekommen und Zusammensetzung

2.2.1.1.1 Nationalrat

Der Nationalrat besteht nach § 1 Abs 1 NRWO46 aus 183 Mitgliedern, die vom Bun- desvolk nach dem Grundsatz der Verhältniswahl47 für die Dauer von fünf Jahren48 gewählt werden.

39Adamovich/Funk/Holzinger, Österreichisches Staatsrecht. Band 2: Staatliche Organisation (1998) Rz 22.001.

40 Art 26 Abs 1 B-VG.

41 Stolzlechner, Einführung in das öffentliche Recht5 (2011) Rz 329.

42 Art 34 Abs 1 B-VG.

43 Stolzlechner, Öffentliches Recht5 Rz 326.

44 Art 44 Abs 2 B-VG.

45 Stolzlechner, Öffentliches Recht5 Rz 326.

46 Nationalrats-Wahlordnung 1992 BGBl 1992/471 idgF.

47 Art 26 Abs 1 B-VG.

48Art 27 Abs 1 B-VG; Berka, Grundzüge des österreichischen Verfassungsrechts für das juristische Studium4 (2012) Rz 548.

(19)

10 Für die Wahl wird das Bundesgebiet in Wahlkreise unterteilt, wobei die Verteilung der Sitze im Nationalrat im Verhältnis der Zahl der Staatsbürger im jeweiligen Wahlkreis erfolgt.49

2.2.1.1.2 Bundesrat

Die Zahl der Mitglieder des Bundesrates ist nur insofern festgelegt, als nach Art 34 Abs 2 B-VG das Land mit der größten Bürgerzahl zwölf Mitglieder entsendet, jedes andere Land so viele Mitglieder, wie es dem Verhältnis seiner Bürgerzahl zu der Bür- gerzahl des größten Landes entspricht. Jedem Land stehen mindestens drei Vertre- ter zu.50

Die Wahl der Mitglieder erfolgt durch die von den Landesbürgern gewählten51 Land- tage für die Dauer ihrer Legislaturperiode nach dem Grundsatz der Verhältniswahl52 und stellt demnach nur eine mittelbare Volkswahl dar.53

2.2.1.2 Organisation

2.2.1.2.1 Nationalrat 2.2.1.2.1.1 Verfahren

Die Gesetzgebungsperiode des Nationalrates ist in Tagungen unterteilt.54 Gemäß Art 28 Abs 1 B-VG wird jedes Jahr eine ordentliche Tagung vom Bundespräsidenten einberufen. Nach Art 28 Abs 2 B-VG kann dieser auch außerordentliche Tagungen einberufen, wobei er dazu verpflichtet ist, wenn dies von der Bundesregierung oder mindestens einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder des Bundesrates ver- langt wird.55

49 Art 26 Abs 2 B-VG.

50Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 22.002; Berka, Grundzüge4 Rz 584; Wal- ter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts10 (2007) Rz 415.

51 Art 95 Abs 1 B-VG.

52Art 35 Abs 1 B-VG; Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 22.003; Berka, Grund- züge4 Rz 585; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 416 f.

53 Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 22.003.

54Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 21.024; Wieser, Einführung in das Verfas- sungs- und Verwaltungsrecht (2012) 97.

55Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 21.024.

(20)

11 Die Sitzungen des Nationalrates sind nach Art 32 B-VG öffentlich, wobei die Öffent- lichkeit ausgeschlossen werden kann.56

Für die Beschlussfassung im Nationalrat ist grundsätzlich die Anwesenheit von min- destens einem Drittel der Nationalratsmitglieder und die unbedingte Mehrheit der ab- gegebenen Stimmen erforderlich.57 Das Gesetz sieht aber für bestimmte Angelegen- heiten erhöhte Quoren vor. So ist beispielsweise für den Beschluss von Verfas- sungsgesetzen die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder sowie eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen nötig.58

2.2.1.2.1.2 Organe

„Der Nationalrat wählt aus seiner Mitte den Präsidenten, den zweiten und dritten Prä- sidenten.“59 Diese, nach § 5 Abs 3 GOG-NR60 für die Dauer der gesamten Legislatur- periode gewählten Präsidenten sorgen unter anderem dafür, dass die Aufgaben des Nationalrats erfüllt werden, sie handhaben die Geschäftsordnung, leiten die Verhand- lungen und erstellen einen Arbeitsplan für die Sitzungen des Nationalrates.61

Der Beschlussfassung im Nationalrat geht eine Vorberatung in einem Ausschuss vo- ran.62 Neben einigen zwingend einzusetzenden Ausschüssen, wie dem Hauptaus- schuss, dem ständigen Unterausschuss oder dem Rechnungshofausschuss, steht es dem Nationalrat grundsätzlich frei, welche Ausschüsse eingerichtet werden.63

Mindestens fünf Abgeordnete derselben wahlwerbenden Partei können sich gemäß

§ 7 GOG-NR zu einem Klub zusammenschließen. In diesen Klubs, welche nicht mit den politischen Parteien gleichgesetzt werden dürfen, werden Gesetzgebungsvorha- ben vorab beraten und es wird festgelegt, wie die diesbezügliche Abstimmung im Nationalrat erfolgen soll.64

56Berka, Grundzüge4 Rz 558.

57Art 31 B-VG; Berka, Grundzüge4 Rz 559.

58 Art 44 Abs 1 B-VG.

59 Art 30 Abs 1 B-VG.

60 Geschäftsordnungsgesetz 1975 BGBl 1975/410 idgF.

61§ 13 GOG-NR; Berka, Grundzüge4 Rz 552.

62 http://www.parlament.gv.at/PERK/NRBRBV/NR/ANR/index.shtml (12.11.2013).

63 Berka, Grundzüge4 Rz 553 ff.

64 Stolzlechner, Öffentliches Recht5 Rz 344.

(21)

12 Daneben gibt es noch weitere Organe wie zum Beispiel die Präsidialkonferenz, wel- che vor allem beratende Funktionen hinsichtlich organisatorischer Fragen hat.65

2.2.1.2.2 Bundesrat 2.2.1.2.2.1 Verfahren

Der Bundesrat kommt nicht wie der Nationalrat in Tagungen zusammen, sondern tagt in Permanenz, was bedeutet, dass jederzeit Sitzungen abgehalten werden kön- nen.66 Er wird von seinem Vorsitzenden einberufen, wobei dies verpflichtend ist, wenn die Einberufung von mindestens einem Viertel der Bundesratsmitglieder oder der Bundesregierung verlangt wird.67

Die Sitzungen des Bundesrates sind grundsätzlich öffentlich, die Öffentlichkeit kann aber ausgeschlossen werden.68

Für eine Beschlussfassung ist prinzipiell die Anwesenheit von mindestens einem Drit- tel der Bundesratsmitglieder und die unbedingte Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich.69 Erhöhte Quoren sind beispielsweise nach Art 44 Abs 2 B-VG nötig, wenn die Zuständigkeiten der Länder eingeschränkt werden sollen. In diesem Fall ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Bundesratsmitglieder und eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.70

2.2.1.2.2.2 Organe

Der Vorsitz im Bundesrat wechselt halbjährlich, wobei die Reihung der Länder in al- phabetischer Reihenfolge erfolgt.71 § 6 GO-BR72 bestimmt, dass der vom berufenen Land an erster Stelle entsandte Vertreter als Präsident fungiert. Zwei Stellvertreter werden aus der Mitte des Bundesrates gewählt.73

65 § 8 GOG-NR.

66 http://www.parlament.gv.at/PERK/GL/ALLG/T.shtm (27.12.2013).

67 Art 36 Abs 3 B-VG.

68 Art 37 Abs 3 B-VG.

69Art 37 Abs 1 B-VG; Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 22.011;

Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 297.

70Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 22.011; Öhlinger/Eberhard, Verfassungs- recht9 Rz 297.

71Art 36 Abs 1 B-VG;Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 419.

72 Geschäftsordnung des Bundesrates BGBl 1988/361 idgF.

73Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 419.

(22)

13 Zu den Aufgaben des Präsidenten zählen unter anderem die Handhabung der Ge- schäftsordnung und die Leitung der Verhandlungen. Außerdem hat er dafür zu sor- gen, dass die Aufgaben des Bundesrates erfüllt werden.74

„Zur Vorberatung von Verhandlungsgegenständen werden vom Bundesrat durch Wahl Ausschüsse gebildet.“75 Zwingend einzusetzen ist beispielsweise ein Aus- schuss für Angelegenheiten der Europäischen Union.76

Mindestens fünf Bundesräte können sich zu einer Fraktion zusammenschließen, wenn sie aufgrund von Vorschlägen derselben Partei durch die Landtage gewählt wurden oder der Bundesrat dem Zusammenschluss zugestimmt hat.77

Auch im Bundesrat gibt es weitere Organe, darunter die Präsidialkonferenz, welche vor allem beratende und koordinierende Funktionen erfüllt.78

2.2.1.3 Auflösung

2.2.1.3.1 Nationalrat

Die Auflösung des Nationalrates erfolgt einerseits durch Zeitablauf, was aus Art 27 B-VG hervorgeht. Dieser besagt, dass die Legislaturperiode des Nationalrates vom Tag seines ersten Zusammentritts bis zu dem Tag, an dem der neue Nationalrat zu- sammentritt, andauert.79

Daneben gibt es drei Fälle, in denen der Nationalrat während der Gesetzgebungspe- riode aufgelöst werden kann.

Der Nationalrat kann gemäß Art 29 Abs 2 B-VG seine Auflösung durch ein einfaches Gesetz selbst beschließen, wobei dieses nicht dem Einspruchsrecht des Bundesra-

74§ 7 GO-BR; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 420.

75 § 13 Abs 1 GO-BR.

76Art 23e Abs 6 B-VG, § 13a GO-BR; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 421.

77§ 14 GO-BR; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 420.

78 § 10 GO-BR.

79Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 354.

(23)

14 tes unterliegt.80 Desweiteren ist nach Art 29 Abs 1 B-VG eine Auflösung durch den Bundespräsidenten möglich, jedoch nur einmal aus dem gleichen Anlass. Schließlich wird der Nationalrat nach Art 60 Abs 6 B-VG aufgelöst, wenn die beantragte Abset- zung des Bundespräsidenten durch Volksabstimmung abgelehnt wurde.81

2.2.1.3.2 Bundesrat

Die Mitglieder des Bundesrates werden gemäß Art 35 Abs 1 B-VG von den Landta- gen für die Dauer ihrer Gesetzgebungsperiode gewählt.

Da die Landtage unterschiedlich lange Gesetzgebungsperioden haben, gibt es an- stelle einer Gesamterneuerung eine Partialerneuerung des Bundesrates, was bedeu- tet, dass nie alle Mitglieder gleichzeitig gewählt werden.82

2.3 Vergleich Schweiz – Österreich

Vergleicht man die Parlamente der beiden Staaten, ist zunächst von Bedeutung, dass die Gesetzgebung sowohl in der Schweiz als auch in Österreich von zwei Kammern ausgeübt wird. Beiden Parlamenten ist außerdem gemein, dass jeweils eine Kammer das Volk, die andere die Gliedstaaten repräsentiert.

Bei näherer Betrachtung fällt aber auf, dass die Verteilung der Befugnisse auf die beiden Kammern in den Staaten sehr unterschiedlich ausfällt. Während Nationalrat und Ständerat in der Schweiz ausdrücklich gleichgestellt sind, triften die Kompeten- zen von Nationalrat und Bundesrat in Österreich weit auseinander.

Dies zeigt sich am deutlichsten darin, dass in der Schweiz für die Erlassung von Ge- setzen grundsätzlich die Übereinstimmung beider Kammern nötig ist, während in Ös- terreich der zweiten Kammer, dem Bundesrat, in den meisten Fällen lediglich ein

80Art 42 Abs 5 B-VG; Berka, Grundzüge4 Rz 549; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 355.

81Berka, Grundzüge4 Rz 549; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 402 ff; Walter/Mayer/Kucsko- Stadlmayer, Grundriss10 Rz 356.

82 Stolzlechner, Öffentliches Recht5 Rz 347.

(24)

15 suspensives Einspruchsrecht zukommt. Die eigentliche Gestaltung der Gesetze so- wie der endgültige Beschluss darüber liegen grundsätzlich beim Nationalrat.

Die schwache politische Stellung des Bundesrates liegt in der Verfassungsgeschich- te Österreichs begründet.83 Zur Zeit der Entstehung des B-VG war das Verhältnis von Gesamtstaat und Ländern weitestgehend ungeklärt. Uneinigkeit über die diesbezüg- liche Gestaltung bestand zwischen Staatsregierung und Ländern, aber vor allem zwi- schen den Parteien.84 Die Einrichtung des Bundesrates in dieser schwachen Stellung stellte eine Kompromisslösung aus parteipolitischen Gründen dar, weshalb es immer wieder Reformbestrebungen in Richtung einer Aufwertung des Bundesrates gibt.85

Beim Vergleich der Nationalräte beider Staaten geht hervor, dass das Zustande- kommen und die Organisation ähnlich gestaltet sind. Der Nationalrat wird sowohl in der Schweiz als auch in Österreich vom Volk nach den Grundsätzen der Verhältnis- wahl gewählt.

Eine weitere Gemeinsamkeit besteht in der Gliederung der Gesetzgebungsperiode.

In der Schweiz ist diese in Sessionen unterteilt, in Österreich in Tagungen.

Die Sitzungen des Nationalrates sind in beiden Staaten öffentlich, wodurch die Re- präsentation des Volkes verwirklicht wird.86

Abweichungen betreffend das Verfahren im Nationalrat gibt es hinsichtlich der Prä- senz- bzw Abstimmungsquoren. In der Schweiz ist für die gültige Beschlussfassung grundsätzlich die Anwesenheit der Mehrheit der Nationalratsmitglieder erforderlich, in Österreich die Anwesenheit eines Drittels. Für Beschlüsse ist aber in beiden Staaten idR die einfache Mehrheit der Anwesenden ausreichend. In beiden Staaten gibt es jedoch Fälle, in denen erhöhte Präsenz- bzw Abstimmungsquoren gesetzlich vorge- sehen sind.

83 Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 22.015.

84 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 41.

85 Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 22.016.

86 Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2426.

(25)

16 Die Nationalräte beider Staaten verfügen grundsätzlich über dieselben Organe. Der Vorsitz wird in beiden Räten von einem Präsidenten und zwei Stellvertretern ausge- übt, ebenso gibt es in beiden Staaten vorberatende Kommissionen bzw Ausschüsse, Fraktionen bzw Klubs zur politischen Meinungsbildung und administrative Hilfsappa- rate in Form des Parlamentsdienstes bzw der Präsidialdirektion.

Ein auffallender Unterschied besteht hinsichtlich der Amtszeit der Präsidenten. Wäh- rend der Präsident und seine Stellvertreter in Österreich für die Dauer der gesamten Legislaturperiode gewählt werden, erfolgt die Wahl derselben in der Schweiz nur für ein Jahr, ohne die Möglichkeit, im folgenden Jahr wiedergewählt zu werden.

Diese, aus funktionaler Sicht wohl wenig zweckmäßige Rotation, ist in der schweize- rischen Tradition verwurzelt und liegt im Interesse der Parteien. Das Amt soll so gleichmäßig unter ihnen aufgeteilt werden.87

Die Auflösung des Nationalrates ist in der Schweiz und Österreich unterschiedlich gestaltet. Während es in der Schweiz nur zwei Möglichkeiten der Auflösung gibt, nämlich die Gesamterneuerung infolge des Ablaufs der Legislaturperiode und jene infolge einer positiven Volksabstimmung zur Totalrevision der Bundesverfassung, sind in Österreich vier Möglichkeiten vorgesehen.

Ein Auflösungsgrund ist hier ebenfalls der Zeitablauf, daneben ist es aber möglich, dass der Nationalrat seine Auflösung selbst beschließt. Außerdem kann der Bundes- präsident die Auflösung vornehmen. Aufgelöst wird der Nationalrat auch bei einer negativen Volksabstimmung betreffend die Absetzung des Bundespräsidenten.

Die zusätzlichen Auflösungsmöglichkeiten des österreichischen Nationalrates haben unterschiedliche Gründe.

So wurde die Möglichkeit der Auflösung durch den Bundespräsidenten für den Fall geschaffen, dass im Nationalrat Handlungsunfähigkeit ob der politischen Kräftevertei- lung besteht.88 Die Auflösung infolge einer negativen Volksabstimmung über die Ab-

87 Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2399.

88 Funk, Einführung in das österreichische Verfassungsrecht14 (2011) Rz 195.

(26)

17 setzung des Bundespräsidenten liegt darin begründet, dass der Antrag zur Abset- zung nach Art 60 Abs 6 B-VG vom Nationalrat gestellt werden muss. Indem das Volk den Bundespräsidenten in seinem Amt bestätigt, bringt es dem Nationalrat offen- sichtlich nicht mehr das nötige Vertrauen entgegen, weshalb dieser aufgelöst wird.89

Die Regelungen betreffend Zustandekommen und Zusammensetzung der zweiten Parlamentskammer, dem Ständerat in der Schweiz und dem Bundesrat in Österreich, unterscheiden sich gravierend.

Die Wahl der Mitglieder des Ständerates in der Schweiz erfolgt direkt durch das Volk der einzelnen Kantone, während für den Bundesrat in Österreich nur eine mittelbare Volkswahl, nämlich durch die Landtage, vorgesehen ist.

Auch hinsichtlich der Anzahl der Mitglieder der beiden Räte gibt es Ungleichheiten. In der Schweiz ist das arithmetische Prinzip verwirklicht, wonach alle Gliedstaaten, un- abhängig von ihrer Größe und Bevölkerungszahl, gleich stark im Ständerat vertreten sind. Österreich hingegen folgt einer Mischung zwischen arithmetischem und propor- tionalem Prinzip, wonach die Entsendung der Mitglieder nach der Bevölkerungszahl des jeweiligen Landes erfolgt. Auch diese österreichische Lösung stellt einen partei- politischen Kompromiss dar. Da die sozialdemokratische Partei anfänglich gegen die Schaffung einer Länderkammer war, forderte sie wenigstens eine streng proportiona- le Vertretung, die christlichsoziale Partei hingegen eine arithmetische. Als Kompro- miss folgte die proportionale Ausgestaltung des Bundesrates, eingeschränkt durch die Tatsache, dass jedem Land eine Mindestzahl an Vertretern zusteht.90

Das Verfahren im Ständerat entspricht jenem des Nationalrates der Schweiz. Hin- sichtlich der Sitzungen und Beschlusserfordernisse entsprechen auch die Regelun- gen des Bundesrates jenen des Nationalrates in Österreich. Hier kann daher auf oben gesagtes verwiesen werden.

89 Berka, Grundzüge4 Rz 549.

90Berka, Grundzüge4 Rz 584; Kelsen/Froehlich/Merkl, Die Bundesverfassung vom 1. Oktober 1920 (1922) 100 ff; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2304; Walter/Mayer/Kucsko- Stadlmayer, Grundriss10 Rz 414 f.

(27)

18 Der Bundesrat tritt aber nicht wie der Nationalrat in Tagungen zusammen, sondern tagt in Permanenz und wird vom Vorsitzenden nach Bedarf einberufen bzw wenn dies von einem Viertel der Bundesratsmitglieder oder der Bundesregierung verlangt wird.

Für Ständerat und Bundesrat sind weitgehend dieselben Organe vorgesehen. Der Vorsitz wird von einem Präsidenten ausgeübt. Zur Vorberatung werden Ausschüsse eingesetzt. Es gibt administrative Hilfsapparate und die Möglichkeit der Fraktionsbil- dung.

Während der Präsident und seine Stellvertreter im Ständerat aber für ein Jahr aus seiner Mitte gewählt werden, wechselt der Vorsitz im Bundesrat halbjährlich, wobei sich die Länder in alphabetischer Reihenfolge abwechseln. Gewählt werden hier aber nur die beiden Stellvertreter. Als Präsident fungiert der vom berufenen Land an erster Stelle entsandte Vertreter.

Während im österreichischen Bundesrat, wie bereits erwähnt, grundsätzlich das pro- portionale Prinzip vorherrschend ist, äußert sich bezüglich des Vorsitzes das arithme- tische Prinzip insoweit, als jedes Land, unabhängig von seiner Größe, das Recht auf den Vorsitz hat.91

Hinsichtlich ihrer Auflösung haben Ständerat und Bundesrat gemein, dass es in bei- den Staaten keine Gesamterneuerung der zweiten Kammer gibt. In der Schweiz liegt dies darin begründet, dass die Amtsdauer der Mitglieder im Ständerat nach kantona- lem Recht geregelt wird und es so unterschiedliche Regelungen gibt.

In Österreich werden die Mitglieder des Bundesrates durch die Landtage für die Dauer ihrer Legislaturperiode gewählt. Auch hier kommt es deshalb zu einer Partial- erneuerung.

91 Kelsen/Froehlich/Merkl, Bundesverfassung 1920 105.

(28)

19

3 Die Kompetenzverteilung auf dem Gebiet der Gesetz- gebung

3.1 Schweiz

3.1.1 Grundsätzliches

Dem Bund kommen nach Art 42 BV jene Kompetenzen zu, die ihm von der Bundes- verfassung übertragen werden. Durch die Zuteilung der Kompetenzen in der Bun- desverfassung ergibt sich, dass die Kompetenz-Kompetenz, also die Befugnis zur Kompetenzregelung, beim Bund liegt.92

Die Kompetenzen des Bundes bestehen grundsätzlich in Einzelermächtigungen, was bedeutet, dass die Zuweisung der Zuständigkeiten nach Sachbereichen in einzelnen Artikeln erfolgt.93 Bei der Kompetenzzuweisung an den Bund muss jedoch Art 43a BV berücksichtigt werden, wonach der Bund jene Aufgaben übernimmt, „[S] welche die Kraft der Kantone übersteigen oder einer einheitlichen Regelung durch den Bund bedürfen.“94

Bezüglich der Kompetenzen der Kantone besteht eine subsidiäre Generalklausel.

Nach Art 3 BV üben sie alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind.95

Durch diese Generalklausel zugunsten der Kantone fallen neue Staatsaufgaben, die sich beispielsweise aus dem technischen Fortschritt ergeben können, automatisch in

92 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1050; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungs- recht2 Rz 703.

93 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1053; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungs- recht2 Rz 694.

94 Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 687.

95 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1049 f; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfas- sungsrecht2 Rz 706.

(29)

20 deren Kompetenz.96 Dem Bund kann eine neue Kompetenz erst durch eine vorher- gehende Verfassungsrevision übertragen werden.97

3.1.2 Bundeskompetenzen

Die Bundeskompetenzen sind zum größten Teil im 3. Titel der Bundesverfassung in den Art 54 bis 125 BV geregelt. Danach umfassen die Zuständigkeiten des Bundes folgende Bereiche:

− Beziehungen zum Ausland

− Sicherheit, Landesverteidigung, Zivilschutz

− Bildung, Forschung und Kultur

− Umwelt und Raumplanung

− Öffentliche Werke und Verkehr

− Energie und Kommunikation

− Wirtschaft

− Wohnen, Arbeit, soziale Sicherheit und Gesundheit

− Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern

− Zivilrecht, Strafrecht, Messwesen

Dazu kommen noch Kompetenzregelungen in den Art 126 bis 135 BV betreffend die Finanzordnung sowie weitere Einzelbestimmungen in der Verfassung.98

Neben diesen ausdrücklich in der Bundesverfassung genannten gibt es auch still- schweigende Bundeskompetenzen. Diese werden zum einen kraft Sachzusammen- hang anerkannt, was bedeutet, dass eine Bundeskompetenz dann angenommen wird, wenn sie erforderlich erscheint, um eine andere Kompetenz wahrzunehmen.

Daneben besteht auch die Möglichkeit einer Anerkennung kraft föderativen Staats- aufbaues. In diesem Fall kommt dem Bund eine Kompetenz dann zu, wenn die Re- gelung durch den Bund sinnvoller ist als durch die Kantone.99

96 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1056; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungs- recht2 Rz 706 f.

97 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1060; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungs- recht2 Rz 700.

98 Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 691 ff.

99 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1067; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungs- recht2 Rz 720.

(30)

21 Die Kompetenz des Bundes zur Rechtsetzung besteht nicht immer im selben Um- fang. Dieser kann sich durch die Formulierung der betreffenden Regelung in der Ver- fassung ergeben oder ist durch Auslegung zu ermitteln. Dem Bund kann einerseits eine umfassende Rechtsetzungskompetenz zukommen, was bedeutet, dass er eine bestimmte Materie abschließend regeln kann, wie es beispielsweise im Bereich der Militärgesetzgebung nach Art 60 Abs 1 BV der Fall ist. Es gibt aber auch Sachberei- che, bei denen der Bund nur befugt ist, Teilbereiche zu regeln. Diese fragmentari- sche Rechtsetzungskompetenz betrifft zum Beispiel den Bereich der Steuern. Hier hat der Bund lediglich die Befugnis, einzelne Steuern einzuheben, jedoch kommt ihm keine umfassende Regelungskompetenz zu.100

Eine weitere Form der Rechtsetzungskompetenzen ist die Grundsatzgesetzgebungs- kompetenz des Bundes. Hier ist der Bund befugt, grundsätzliche Regelungen für ei- nen Sachbereich zu treffen bzw Mindestvorschriften zu erlassen, wobei die detaillier- te Regelung den Kantonen überlassen bleibt. Die vom Bund erlassenen Grundsatz- gesetze können einerseits an die Kantone in Bezug auf ihre Detailregelungen gerich- tet sein, daneben können sie aber auch die Bürger direkt binden.101

Dem Bund kann auch eine Förderungskompetenz in Bereichen zukommen, für deren Regelung die Kantone zuständig sind. Im Rahmen dieser Kompetenz kann der Bund als Basis für seine Unterstützungsmaßnahmen gesetzliche Regelungen erlassen.

Eine derartige Kompetenz des Bundes findet sich zum Beispiel in Art 78 Abs 3 BV und betrifft den Natur- und Heimatschutz.102

Die Bundeskompetenzen können aber nicht nur nach ihrem Umfang unterschieden werden, sondern auch nach ihrem Verhältnis zu den Kompetenzen der Kantone. Der häufigste Fall sind Bundeskompetenzen mit nachträglich derogatorischer Kraft bzw konkurrierende Kompetenzen. Die Kantone bleiben hier solange zuständig, bis der

100 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1083 ff; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfas- sungsrecht2 Rz 732 f.

101 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1087 ff; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfas- sungsrecht2 Rz 733.

102 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1090; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungs- recht2 Rz 735.

(31)

22 Bund von seiner Kompetenz Gebrauch macht.103 Tut er dies, treten die kantonalen Regelungen außer Kraft.104

Ein weiterer Fall sind Bundeskompetenzen mit ursprünglich derogatorischer Kraft bzw ausschließliche Bundeskompetenzen, die jedoch die Ausnahme darstellen. Wird ein Regelungsbereich in die Kompetenz des Bundes aufgenommen, verlieren die Kantone sofort jede Zuständigkeit und diesbezügliche Regelungen treten außer Kraft. Dies unabhängig davon, ob der Bund von seiner Kompetenz Gebrauch macht.105

Einen Sonderfall im Rahmen der Kompetenzverteilung stellen die parallelen Kompe- tenzen dar. Hier können Bund und Kantone für einen Sachbereich nebeneinander tätig werden, unabhängig davon, ob der Bund von seinen Kompetenzen Gebrauch macht.106

3.2 Österreich

3.2.1 Grundsätzliches

Die allgemeine Kompetenzverteilung erfolgt grundsätzlich in den Art 10 bis 15 B-VG, wobei es daneben noch weitere Kompetenzbestimmungen gibt, die sich über das gesamte Bundesverfassungsrecht verteilen.107

Während die Kompetenzen des Bundes taxativ aufgezählt sind, enthält Art 15 B-VG eine Generalklausel zugunsten der Länder, welche besagt, dass Angelegenheiten,

103 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1091 f; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfas- sungsrecht2 Rz 727.

104 Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 727.

105 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1097; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungs- recht2 Rz 725.

106 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1100; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungs- recht2 Rz 729.

107 Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Österreichisches Staatsrecht. Band 1: Grundlagen2 (2011) Rz 19.003.

(32)

23 deren Regelung durch die Bundesverfassung nicht ausdrücklich dem Bund übertra- gen ist, im selbständigen Wirkungsbereich der Länder verbleiben.108

Da die Verteilung der Kompetenzen in der Bundesverfassung erfolgt, kommt die Kompetenz-Kompetenz, die Befugnis Kompetenzen festzulegen oder zu verändern, dem Bundesverfassungsgesetzgeber, also dem Nationalrat, zu. Die Schaffung neuer Kompetenzen bzw die Veränderung bestehender Kompetenzen erfolgt durch ein ver- fassungsänderndes Gesetz.109

In Österreich gilt das Prinzip der strikten Kompetenztrennung. Das bedeutet unter anderem, dass es grundsätzlich keine konkurrierenden Kompetenzen gibt. So kön- nen Länder etwa keine Regelungen treffen, solange der Bund von seiner Kompetenz keinen Gebrauch gemacht hat.110

Nach der Gesichtspunkttheorie ist es aber möglich, dass ein Regelungsgegenstand je nach Betrachtungsweise unterschiedlichen Kompetenztatbeständen zugeordnet werden kann und demnach sowohl Bund als auch Länder zur Gesetzgebung berufen sein können. In diesem Fall kommt es zu einer Kumulation der Zuständigkeiten.111

3.2.2 Bundeskompetenzen

Der Großteil der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes ist in den Art 10 bis 12 B-VG aufgezählt.

Dazu zählen nach Art 10 B-VG unter anderem äußere Angelegenheiten, Geld-, Kre- dit- und Bankwesen, Zivil- und Strafrechtswesen, Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie, Gesundheitswesen und militärische Angelegenheiten, nach Art 11 B-VG beispielsweise Regelungen betreffend Staatsbürgerschaft, Straßenpolizei und Tierschutz mit Ausnahme der Ausübung der Jagd oder Fischerei.

108Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Grundlagen2 Rz 19.003; Berka, Grundzüge4 Rz 401 f.

109 Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Grundlagen2 Rz 19.065; Berka, Grundzüge4 Rz 398.

110 Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Grundlagen2 Rz 19.068 ff; Öhlinger/Eberhard, Verfassungs- recht9 Rz 271.

111 Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Grundlagen2 Rz 19.074 ff; Öhlinger/Eberhard, Verfassungs- recht9 Rz 280.

(33)

24 Betreffend der in Art 12 B-VG aufgezählten Regelungsgegenstände, wie beispiels- weise Armenwesen, Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge, Heil- und Pfle- geanstalten, Bodenreform und Elektrizitätswesen, ist der Bund ausschließlich für die Grundsatzgesetzgebung zuständig, während die Ausführungsgesetzgebung den Ländern zukommt.

Nach Art 15 Abs 6 B-VG ist der Bund bei Erlassung von Grundsatzgesetzten darauf beschränkt, Grundsätze aufzustellen. Die konkrete Aufstellung von Einzelregelungen obliegt den Ländern, wobei diese dem vom Bund erlassenen Grundsatzgesetz nicht widersprechen dürfen. Die Länder sind zur Erlassung eines Ausführungsgesetzes aber nur verpflichtet, wenn der Bund eine Frist für deren Erlassung festgesetzt hat.

Hat der Bund kein Grundsatzgesetz erlassen, sind die Länder befugt, eine unter Art 12 B-VG fallende Angelegenheit frei zu regeln. Erlässt der Bund später ein Grund- satzgesetz, sind landesgesetzliche Regelungen fristgerecht anzupassen. Grundsatz- gesetze sind nicht unmittelbar anwendbar, da sich diese nur an die Landesgesetz- gebung richten.112

Innerhalb dieser allgemeinen Kompetenzverteilung gibt es auch Sonderfälle, wie zum Beispiel die Bedarfsgesetzgebung. Demnach kommt dem Bund die Gesetzgebungs- kompetenz zu, wenn der Bedarf nach einer bundesweit einheitlichen Regelung ge- geben ist. Ein Beispiel hierfür ist Art 11 Abs 2 B-VG betreffend die Erlassung eines einheitlichen Verwaltungsverfahrensgesetzes.113

Ein weiterer Sonderfall sind Annexmaterien. Der für eine bestimmte Materie zustän- dige Gesetzgeber kann auch jene Regelungen treffen, die mit dieser in engem Zu- sammenhang stehen. Art 11 Abs 2 B-VG ist auch hier einschlägig. So kann der für das Verwaltungsverfahren zuständige Gesetzgeber beispielsweise auch Verwal- tungsstraftatbestände aufstellen.114

112 Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Grundlagen2 Rz 19.014 ff; Berka, Grundzüge4 Rz 415;

Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 244 ff.

113 Berka, Grundzüge4 Rz 421; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 252.

114 Berka, Grundzüge4 Rz 422.

(34)

25 Daneben gibt es noch Querschnittsmaterien, in denen für die Regelung eines Sach- verhaltes nach unterschiedlichen Gesichtspunkten die Zuständigkeit mehrerer Ge- setzgeber besteht.115

3.3 Vergleich Schweiz – Österreich

Vorweg ist zu erwähnen, dass die Kompetenzverteilung ein wichtiger Bestandteil des bundesstaatlichen Prinzips ist. Nur durch die Aufteilung der Staatsaufgaben auf Zen- tralstaat und Gliedstaaten kann eine faire und ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung gewährleistet werden.116

Vergleicht man die Kompetenzverteilung auf dem Gebiet der Gesetzgebung in der Schweiz mit jener in Österreich fällt zunächst auf, dass in beiden Staaten eine Gene- ralklausel zugunsten der Gliedstaaten besteht, während die Kompetenzen des Bun- des grundsätzlich ausdrücklich als solche in der Verfassung verankert sind.

Durch die Generalklausel zugunsten der Gliedstaaten soll verhindert werden, dass der Bund die Stellung der Gliedstaaten dadurch verschlechtert, dass er seine eige- nen Kompetenzen immer weiter ausdehnt.117 Dies wäre ihm grundsätzlich dadurch möglich, dass ihm die Kompetenz-Kompetenz zukommt, was in beiden Staaten der Fall ist.

Neben der Generalklausel trägt in der Schweiz jener Umstand zur Verhinderung der schleichenden Ausweitung der Bundeskompetenzen bei, dass die Schaffung einer neuen Bundeskompetenz nur im Wege einer Verfassungsrevision möglich ist.

In Österreich bedarf es für die Kompetenzzuteilung ebenfalls eines verfassungsän- dernden Gesetzes, für welches erhöhte Quoren erforderlich sind. Bei einer beabsich-

115 Adamovich/Funk/Holzinger/Frank, Grundlagen2 Rz 19.078; Berka, Grundzüge4 Rz 423.

116 Stolzlechner, Öffentliches Recht5 Rz 286.

117 Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 696.

(35)

26 tigten Schmälerung der Länderkompetenzen ist überdies die Zustimmung des Bun- desrates erforderlich.118

Die Kompetenzen des Bundes zur Gesetzgebung sind sowohl in der Schweiz als auch in Österreich grundsätzlich ausdrücklich geregelt. Die einschlägigen Normen finden sich in der jeweiligen Bundesverfassung. Auch die Bereiche, die in die Zu- ständigkeit des Bundes fallen, sind zu einem großen Teil deckungsgleich. So fallen in beiden Staaten beispielsweise äußere Angelegenheiten119, militärische Angelegen- heiten120, das Verkehrswesen121, das Geld- und Bankwesen122, das Gesundheitswe- sen123, das Zivilrechtswesen124 sowie das Strafrechtswesen125 in die Kompetenz des Bundes.

Neben den ausdrücklichen gibt es in der Schweiz auch stillschweigende Bundes- kompetenzen. Zu unterscheiden ist hier zwischen den sog implied powers und den sog inherent powers. Erstere ergeben sich aus dem Sachzusammenhang, während inherent powers kraft föderativem Staatsaufbau bestehen.126

Vergleichbar mit den implied powers in der Schweiz sind die Annexmaterien in Öster- reich. Aus dem Bestehen von Annexmaterien ergibt sich, dass bestimmte Bereiche auch ohne ausdrückliche Nennung der Hauptmaterie folgen.127

Die Bedarfsgesetzgebung in Österreich ist wiederum mit den inherent powers der Schweiz vergleichbar. Voraussetzung für die Bedarfsgesetzgebung ist das Bedürfnis nach einer bundesweit einheitlichen Regelung bezüglich eines bestimmten Berei- ches. Inherent powers werden dann angenommen, wenn eine bundesweit einheitli- che Regelung sinnvoller erscheint, als eine Regelung durch die Kantone.128

118 Art 44 Abs 2 B-VG; Berka, Grundzüge4 Rz 398.

119 Art 54 Abs 1 BV; Art 10 Abs 1 Z 1 B-VG.

120 Art 60 Abs 1 BV; Art 10 Abs 1 Z 15 B-VG.

121 Art 82 Abs 1 und 87 BV; Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG.

122 Art 98 f BV; Art 10 Abs 1 Z 5 B-VG.

123 Art 118 Abs 1 BV; Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG.

124 Art 122 Abs 1 BV; Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG.

125 Art 123 Abs 1 BV; Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG.

126 Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 720.

127 Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 279.

128 Berka, Grundzüge4 Rz 421; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 720.

Referenzen

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