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2.3 Vergleich Schweiz – Österreich

4.2.8 Kundmachung

Erst mit der ordnungsgemäßen Kundmachung liegt ein gültiges Gesetz vor. Außer-dem kommt nur Außer-dem kundgemachten Text verbindliche Kraft zu. Die Kundmachung obliegt nach Art 49 Abs 1 B-VG dem Bundeskanzler und hat unverzüglich zu erfol-gen.255

252Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 21.078; Berka, Grundzüge4 Rz 638;

Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 453.

253Berka, Grundzüge4 Rz 626.

254Art 47 Abs 2 und 3 B-VG;Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 21.079; Berka, Grundzüge4 Rz 626; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 442.

255Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 443; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 471 f.

51 Bundesgesetze sind im Bundesgesetzblatt kundzumachen, wobei dies seit 01.01.2004 ausschließlich in elektronischer Form über das Internet im Rahmen des Rechtsinformationssystems erfolgt.256

Eine ordnungsgemäße Kundmachung der Bundesgesetze enthält die Bezeichnung als Gesetz, die Berufung auf den Beschluss des Nationalrates oder auf das Ergebnis einer Volksabstimmung, die Übereinstimmung des wiedergegebenen Gesetzesin-halts mit dem Inhalt des vom Bundespräsidenten beurkundeten Originals des Geset-zesbeschlusses des Nationalrates sowie die Beurkundung durch den Bundespräsi-denten und die Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler.257

Bei der Kundmachung unterlaufene Fehler haben unterschiedliche Auswirkungen.

Bei Kundmachungsmängeln wie beispielsweise dem Fehlen des Namens des beur-kundenden oder gegenzeichnenden Organs liegt ein nicht gehörig kundgemachtes Gesetz vor, welches weder von Gerichten noch von den UVS anzuwenden ist, wohl aber von Verwaltungsbehörden. Ein verfassungswidriges Gesetz liegt vor, wenn das publizierte Gesetz inhaltlich vom Gesetzesbeschluss abweicht. In diesem Fall ist eine Sanierung nur durch einen neuerlichen Beschluss des Gesetzgebungsorgans und eine ordnungsgemäße Kundmachung möglich. Lediglich Kundmachungsfehler wie bloße Druckfehler können nach § 10 BGBlG258 durch den Bundeskanzler berichtigt werden. Dies ist jedenfalls nur zulässig, wenn dadurch der Inhalt der verlautbarten Rechtsvorschrift unverändert bleibt. 259

4.2.9 Inkrafttreten

Gesetze treten nach Art 49 Abs 1 B-VG grundsätzlich mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung in Kraft. Der Gesetzgeber kann aber anderes beschließen und den Tag des Inkrafttretens im Gesetz selbst bezeichnen. Möglich sind in diesem Fall die

256Art 49 Abs 1 B-VG; Berka, Grundzüge4 Rz 627 f; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 443.

257Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 443; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 473.

258Bundesgesetz über das Bundesgesetzblatt 2004 BGBl I 2003/100 idgF.

259Berka, Grundzüge4 Rz 631; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 444.

52 Verfügung einer Legisvakanz, dh ein Inkrafttreten zu einem späteren Zeitpunkt260, oder eines rückwirkenden Inkrafttretens.261

4.3 Vergleich Schweiz – Österreich

4.3.1 Initiative

Die Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens erfolgt in der Schweiz und in Österreich durch die Gesetzesinitiative, wobei die initiativberechtigten Organe in beiden Staaten in der Verfassung geregelt sind.

Von besonderer Bedeutung ist die Einbringung eines Gesetzesvorschlages durch die Regierung, da sowohl in der Schweiz als auch in Österreich die Mehrzahl der Initiati-ven auf den Bundesrat bzw die Bundesregierung zurückgeht. In beiden Fällen erfolgt die Einbringung durch die Regierung als Kollegialorgan. Als Begründung für die ver-mehrte Anwendung dieser Initiativform in Österreich kann zum einen der Umstand genannt werden, dass so das Verfahren des Konsultationsmechanismus und das Begutachtungsverfahren umgangen werden können. Zum anderen ist auch die Wahrscheinlichkeit der positiven Beschlussfassung über die Initiative im Parlament sehr hoch, da die Mehrheitsverhältnisse in Regierung und Parlament ident sind.262

In der Schweiz wird der Bundesrat häufig durch das Parlament mittels Motion263 zu einer Gesetzesinitiative veranlasst. Geht diese nämlich vom Bundesrat aus, obliegt ihm auch die Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs, bei der er auf den gesamten Apparat der Bundesverwaltung zurückgreifen kann. Ginge die Initiative von der Bun-desversammlung selbst aus, würde auch die Ausarbeitung des Entwurfs in ihre Zu-ständigkeit fallen.264

260Berka, Grundzüge4 Rz 479.

261Berka, Grundzüge4 Rz 632; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 446.

262Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 8.

263 Art 120 ParlG.

264Biaggini in Ehrenzeller/Mastronardi/Schweizer/Vallender (Hrsg), Kommentar Bundesverfassung2 Art 181 BV Rz 4; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2751.

53 Daneben gibt es in beiden Staaten die Möglichkeit einer Initiative durch das Parla-ment. In der Schweiz wird hier zwischen der parlamentarischen Initiative und der Standesinitiative unterschieden, in Österreich grundsätzlich zwischen der Einbrin-gung einer Gesetzesvorlage durch den Nationalrat oder durch den Bundesrat. In Be-zug auf diese Form liegt der wesentliche Unterscheid zwischen den Staaten darin, dass in der Schweiz sowohl für die parlamentarische Initiative als auch für die Stan-desinitiative grundsätzlich die Zustimmung des jeweils anderen Rates erforderlich ist und die Initiative somit einer Vorprüfung unterzogen wird. Darin spiegelt sich erneut die Gleichberechtigung beider Kammern wider, welche in Art 148 Abs 2 BV aus-drücklich erwähnt ist.

Der größte Unterschied hinsichtlich der Gesetzesinitiative besteht darin, dass in Ös-terreich die Möglichkeit einer Volksinitiative besteht, in der Schweiz jedoch nicht. Be-sonders interessant ist diese Tatsache, wenn man bedenkt, dass Volksrechte in der Schweiz eine besonders große Rolle spielen, sodass sogar von halbdirekter Demo-kratie gesprochen wird.265

Zwar war die Einführung einer allgemeinen Volksinitiative bereits geplant und auch von Volk und Ständen angenommen, die betreffende Bestimmung trat jedoch nicht in Kraft und wurde schließlich wieder aufgehoben. Begründet wurde diese Entschei-dung damit, dass die allgemeine Volksinitiative aufgrund der überaus komplexen Re-gelung zu einem komplizierten und daraus resultierend zu einem überaus langwieri-gen Verfahren geführt hätte, das so in der Praxis nicht umsetzbar sei.266 In Österreich hingegen ist die Volksinitiative in Form des Volksbegehrens bereits in der Stammfas-sung des B-VG enthalten.267 Auch wenn das Volksbegehren kein besonders durch-setzungsfähiges Instrument darstellt, kommt dem Volk dadurch dennoch die Mög-lichkeit zu, seinen politischen Willen gegenüber dem Parlament auszudrücken.268

265Lindner in Ismayr (Hrsg), Die politischen Systeme Westeuropas4 (2009) 576; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2153.

266Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1799; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungs-recht2 Rz 2175.

267Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 49.

268Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 45 f.

54 4.3.2 Vorparlamentarische Phase

Bezüglich der Ausarbeitung eines Gesetzesentwurfs finden sich in der Schweiz und in Österreich vor allem hinsichtlich der Initiative durch den Bundesrat bzw die Regie-rung ähnliche Regelungen. In der Schweiz wird das sog Vorverfahren in diesem Fall vom Bundesrat geleitet, wobei die eigentliche Ausarbeitung dem zuständigen Depar-tement obliegt, welches auf den dahinter stehenden Verwaltungsapparat zurückgrei-fen kann. In Österreich obliegt die Ausarbeitung dem zuständigen Bundesministeri-um.

In beiden Staaten gibt es außerdem besondere Verfahren in dieser Phase des Ge-setzgebungsprozesses, die in bestimmten Fällen anzuwenden sind. Vergleichbar sind hier das Vernehmlassungsverfahren in der Schweiz und das allgemeine Begu-tachtungsverfahren in Österreich. Beide Verfahren dienen grundsätzlich der Informa-tion von externen Stellen, deren Interessen durch das geplante Gesetzgebungsvor-haben betroffen sind. In Österreich sind diesbezügliche Anhörungsrechte einfachge-setzlich geregelt, wie beispielsweise in § 10 WKG269. Durch die Verankerung dieser Anhörungsrechte auf einfachgesetzlicher Ebene kommt das Gesetz auch dann ver-fassungsmäßig zustande, wenn gegen die Übermittlungspflichten verstoßen wird. In der Schweiz sind die am Vernehmlassungsverfahren teilnahmeberechtigten Organi-sationen im VlG geregelt. Die Vorteile dieser beiden Verfahren liegen darin, dass be-troffene Stellen in den Gesetzgebungsprozess eingebunden werden und so für alle Involvierten eine akzeptable Lösung gefunden werden kann.270

In Österreich finden sich neben dem genannten Begutachtungsverfahren auch noch zwei weitere Verfahren, die in der vorparlamentarischen Phase der Gesetzgebung unter Umständen Anwendung finden. Zum einen sind Gesetzesentwürfe der Regie-rung den anderen Gebietskörperschaften zur Stellungnahme zu übermitteln. Damit einhergehend müssen auch die finanziellen Auswirkungen des Gesetzes dargestellt werden. Durch diese Regelung sollen Kostenüberwälzungen von einer auf eine an-dere Gebietskörperschaft vorgebeugt werden.271 Zum anderen gibt es

269Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft 1998 BGBl 1998/103 idgF.

270Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 25; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2764 ff.

271 Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 23.

55 pflichten auf EU-Ebene. Die Kommission ist im Notifikationsverfahren über Geset-zesentwürfe zu informieren, die beispielsweise technische Vorschriften zum Inhalt haben. Die Begutachtung erfolgt durch die Kommission, aber auch beteiligte Wirt-schaftsorganisationen anderer Mitgliedstaaten können involviert werden.272

4.3.3 Parlamentarische Phase

Die parlamentarische Phase des Gesetzgebungsprozesses in der Schweiz unter-scheidet sich gravierend von jener in Österreich. Obwohl in beiden Staaten das Zweikammernsystem verwirklicht ist, wie es aus Art 148 BV bzw Art 24 B-VG klar hervorgeht, differenziert dessen Umsetzung im Verfahren der Gesetzgebung massiv.

Art 156 BV besagt, dass Nationalrat und Ständerat zwar getrennt verhandeln, für ei-nen Beschluss aber die Übereinstimmung beider Räte erforderlich ist. Diese zentra-len Regelungen, die bereits auf die Bundesstaatsgründung 1848 zurückgehen, set-zen die Gleichberechtigung beider Kammern fest.273 Daraus ergibt sich auch die Re-gelung des Art 84 ParlG, wonach die Bestimmung des Erstrates, also jenem Rat, in dem zuerst über das Gesetzgebungsvorhaben beraten wird, grundsätzlich durch bei-de Ratspräsibei-denten erfolgt. Hier wird im Rahmen bei-der parlamentarischen Phase erst-mals deutlich, dass der Gesetzgebungsprozess in der Schweiz von der Zusammen-arbeit beider Räte und daraus folgend von ihrer Konsensbereitschaft getragen wird.

In Österreich hingegen wird dem Nationalrat bereits durch die Bundesverfassung die Funktion der ersten Parlamentskammer zugewiesen. Art 41 Abs 1 B-VG bestimmt, dass Gesetzesvorschläge direkt an den Nationalrat gelangen. Erst im Anschluss an das Verfahren in der ersten Kammer wird der von dieser gefällte Gesetzesbeschluss nach Art 42 Abs 2 B-VG der zweiten Kammer, dem Bundesrat, übermittelt. Dessen Mitwirkung an der Bundesgesetzgebung, und damit die Vertretung der Länderinte-ressen, beschränkt sich grundsätzlich auf ein suspensives Vetorecht gegen den Be-schluss als Ganzes. Der Inhalt eines GesetzesbeBe-schlusses wird vom Nationalrat festgelegt und kann vom Bundesrat nicht beeinflusst werden. Daraus ergibt sich, dass wesentliche Entscheidungen in Bezug auf die Gesetzgebung im Nationalrat

272Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 437.

273Biaggini, Bundesverfassung Art 156 BV Rz 1.

56 fällt werden und sich daher auch das politische Interesse dort konzentriert, während der Diskussion im Bundesrat vergleichsweise wenig Bedeutung zukommt.274

Wie bereits erwähnt, kommt dem österreichischen Bundesrat idR ein suspensives Vetorecht zu. Er hat dabei die Möglichkeit, begründeten Einspruch gegen den Ge-setzesbeschluss des Nationalrates zu erheben oder zu beschließen, keinen Ein-spruch zu erheben bzw die EinEin-spruchsfrist von acht Wochen ungenützt verstreichen zu lassen. Erhebt der Bundesrat Einspruch, hat dies lediglich die Folge, dass sich der Nationalrat erneut mit der Sache beschäftigen muss. Dieser kann dann mittels Be-harrungsbeschluss seinen ursprünglichen Beschluss bei Anwesenheit von mindes-tens der Hälfte seiner Mitglieder bestätigen, womit das parlamentarische Verfahren abgeschlossen ist, oder er ändert den ursprünglichen Gesetzesbeschluss ab, was dazu führt, dass ein neuer Gesetzesvorschlag des Nationalrates vorliegt und somit das parlamentarische Verfahren erneut seinen Lauf nimmt. Dieses suspensive Veto-recht des Bundesrates hat folglich meist nur verzögernde Wirkung und wird in der Praxis vor allem dann nur selten genutzt, wenn in Nationalrat und Bundesrat die glei-chen politisglei-chen Mehrheitsverhältnisse herrsglei-chen. So gab es beispielsweise zwi-schen 1995 und 2005 keinen einzigen Einspruch seitens des Bundesrates.275

Das Verfahren bei suspensivem Vetorecht des Bundesrates zeigt, dass es in Öster-reich für das Zustandekommen eines Gesetzes grundsätzlich nicht erforderlich ist, dass beide Kammern übereinstimmende Beschlüsse fällen. Die Ausnahme besteht in jenen Fällen, in denen dem Bundesrat ein absolutes Vetorecht zukommt, er also dem Gesetzesbeschluss des Nationalrates seine Zustimmung erteilen muss.

In der Schweiz besteht, wie bereits erwähnt, ein gänzlich anderes Verständnis in Be-zug auf die Zusammenarbeit der beiden Kammern. Übereinstimmende Beschlüsse sind unerlässlich für das Zustandekommen eines Gesetzes. Können sich Nationalrat und Ständerat nicht auf einen einheitlichen Gesetzesbeschluss einigen, kommt das Differenzbereinigungsverfahren zum Tragen, da eine Schlussabstimmung ohne gung nicht durchgeführt werden kann. Die Art 89 ff ParlG regeln, dass eine

274Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 6; Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 42 B-VG Rz 1; Schick in Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht II/1 Art 42 B-VG Rz 5 f.

275Berka, Grundzüge4 Rz 619.

57 gungskonferenz einzusetzen ist, wenn nach drei Detailberatungen noch immer Diffe-renzen zwischen den beiden Beschlüssen bestehen. Auch dieses Verfahren bringt die Gleichberechtigung beider Kammern zum Ausdruck. Das Instrument der Eini-gungskonferenz wurde 1991 aus dem Grund eingeführt, weil das Geschäft davor so lange zwischen den Räten hin- und herpendelte, bis ein Rat schließlich seinen Be-schluss für endgültig erklärte. Die Einigungskonferenz zeigte sich bisher mit einigen wenigen Ausnahmen als sehr erfolgreich.276

Auch wenn die Gleichberechtigung von Nationalrat und Ständerat in der Schweiz durchaus positiv gesehen werden kann, bringt dieses System auch Nachteile mit sich. Gesetze entstehen in einem Prozess, der von Kompromissen und Konfliktbe-wältigung geprägt ist. Dies hat zur Folge, dass Lösungen gesucht werden müssen, die alle Beteiligten zufrieden stellt und somit unter Umständen jeder Abstriche vom ursprünglich geplanten Gesetzesinhalt machen muss. Außerdem sind Innovationen eher selten zu finden. Als klarer Vorteil ist aber zu sehen, dass die gemeinsame Lö-sung zu einer erhöhten Akzeptanz der Regelung durch alle Beteiligten führt.277

Gemeinsam ist beiden Staaten, dass der Gesetzesentwurf vor der Beratung in den Räten von einer Kommission bzw einem Ausschuss vorberaten wird. In der Vorbera-tung wird der Entwurf diskutiert, wobei die Ergebnisse der BeraVorbera-tung in den Entwurf einfließen und dieser geändert bzw umgestaltet werden kann. Sowohl die Kommissi-onsanträge in der Schweiz als auch die Ausschussberichte in Österreich haben gro-ßes Gewicht im Gesetzgebungsprozess, bilden sie doch die Grundlage der Ent-scheidung in den Räten.278

Die Erfordernisse für die Beschlussfassung in den Räten sind in der Schweiz und in Österreich in der Bundesverfassung geregelt, wobei sich Anwesenheits- und Mehr-heitserfordernisse unterscheiden. In der Schweiz sieht Art 159 BV vor, dass für eine gültige Beschlussfassung in National- und Ständerat grundsätzlich die Anwesenheit der Mehrheit ihrer Mitglieder und die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreicht. In Österreich ist im Nationalrat nach Art 31 B-VG grundsätzlich die

276Biaggini, Bundesverfassung Art 156 BV Rz 7.

277Lindner in Ismayr (Hrsg), Systeme Westeuropas4 585.

278Berka, Grundzüge4 Rz 613; Tschannen, Staatsrecht3 § 34 Rz 58.

58 senheit eines Drittels seiner Mitglieder und die unbedingte Mehrheit erforderlich.

Nach Art 37 Abs 1 B-VG gelten für den Bundesrat dieselben Quoren. In beiden Staa-ten gibt es außerdem Fälle, in denen erhöhte Beschlusserfordernisse vorgesehen sind.

4.3.4 Referendum

Für einfache Gesetzesbeschlüsse ist in beiden Staaten die Möglichkeit eines fakulta-tiven Referendums vorgesehen. Die diesbezüglichen Regelungen finden sich in der Schweiz und in Österreich in der Bundesverfassung, nämlich in Art 141 Abs 1 lit a BV und in Art 43 B-VG. Der Gesetzesbeschluss gilt in beiden Staaten als vom Volk an-genommen, wenn sich die Mehrheit der Stimmenden dafür ausspricht.

Unterschiede bestehen jedoch hinsichtlich der Initiierung des Referendums. In der Schweiz ist für die Durchführung die Unterschrift von mindestens 50.000 Stimmbe-rechtigten oder der Beschluss von acht Kantonen erforderlich. Um den Beschluss der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wird dieser nach der Schlussabstimmung im Bundesblatt veröffentlicht. In Österreich kommt es hingegen zu einer Volksabstim-mung, wenn dies vom Nationalrat oder der Mehrheit seiner Mitglieder beschlossen wird.

Die österreichische Lösung ist ein Kompromiss zwischen Christlichsozialen und So-zialdemokraten. In den Vorentwürfen zum B-VG war ursprünglich eine Regelung ge-plant, die jener der Schweiz ähnelt. Ein Referendum wäre danach vorgesehen gewe-sen, wenn sich nach Kundmachung eine gewisse Anzahl der Stimmberechtigten für eine Volksabstimmung ausspricht. Dieses Vorgehen wurde jedoch von den Sozial-demokraten abgelehnt und die konstituierende Nationalversammlung hat schließlich das fakultative Referendum in der heute geltenden Form umgesetzt.279

Sowohl in der Schweiz als auch in Österreich gibt es außerdem weitere Fälle, in de-nen ein fakultatives Referendum durchgeführt werden kann bzw ein obligatorisches Referendum durchgeführt werden muss.

279Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 43 B-VG Rz 2.

59 4.3.5 Kundmachung und Inkrafttreten

Verbindlichkeit kommt einem Gesetz in der Schweiz und in Österreich erst mit ord-nungsgemäßer Kundmachung zu. Diese erfolgt in der Schweiz zunächst in der Amtli-chen Sammlung, in welcher alle Erlasse des Bundes chronologisch gereiht sind so-wie in der Systematischen Sammlung, in welcher die Erlasse nach Sachgebieten geordnet werden. Beide Sammlungen werden in gedruckter und elektronischer Form veröffentlicht, wobei die gedruckte Fassung der Amtlichen Sammlung maßgebend ist. In Österreich erfolgt die Kundmachung im Bundesgesetzblatt, welches seit 2004 nur mehr elektronisch veröffentlicht wird.

In der Schweiz finden sich die mit der Publikation in Zusammenhang stehenden Re-gelungen grundsätzlich im PublG. Neben den Vorschriften über die Veröffentlichung findet sich darin auch jene Bestimmung, nach der für die Verbindlichkeit eines Ge-setzes die ordnungsgemäße Publikation Voraussetzung ist.280 In Österreich ergibt sich dieser Grundsatz hingegen aus der Bundesverfassung selbst.281 Das BGBlG regelt die bei der Kundmachung einzuhaltenden Vorschriften.

Das Inkrafttreten von Gesetzen ist in beiden Staaten unterschiedlich ausgestaltet. In der Schweiz wird das Datum des Inkrafttretens grundsätzlich im Gesetz selbst fest-gelegt. Daneben ist es aber auch möglich, dass der Gesetzgeber den Bundesrat mit der Festlegung eines Datums beauftragt. Dieser ist auch dann zuständig, wenn im Gesetz weder ein Datum noch eine entsprechende Delegationsregel enthalten ist.

In Österreich tritt ein Gesetz dagegen grundsätzlich mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft. Der Gesetzgeber hat allerdings die Möglichkeit, anderes zu beschließen und so das Inkrafttreten auf einen späteren oder sogar früheren Zeit-punkt zu legen.

280 Art 8 PublG.

281 Art 49 B-VG.

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5 Der Geltungsbereich von Gesetzen

5.1 Schweiz

5.1.1 Zeitlicher Geltungsbereich

5.1.1.1 Inkrafttreten

Mit dem Inkrafttreten eines Gesetzes beginnt auch dessen Rechtsverbindlichkeit.

Erst ab diesem Zeitpunkt können Gesetze Rechtswirkungen entfalten. Das Datum des Inkrafttretens kann durch den Gesetzgeber im Gesetz selbst festgelegt werden, idR wird die Festsetzung aber dem Bundesrat überlassen.282

Nach Art 8 PublG entfaltet ein Gesetz für den Rechtsunterworfenen erst nach ord-nungsgemäßer Publikation Verbindlichkeit.283

5.1.1.2 Außerkrafttreten

Grundsätzlich gelten Bundesgesetze auf unbestimmte Zeit, eine Befristung derselben durch die Bundesversammlung ist jedoch möglich.284 Befristete Gesetze treten mit Ablauf der Frist außer Kraft. Eine formelle Aufhebung ist nicht erforderlich.285

Die Außerkraftsetzung unbefristeter Gesetze erfordert hingegen den späteren Erlass eines Gesetzes gleichen oder höheren Rangs, wobei in diesem Fall zwischen formel-ler und materielformel-ler Aufhebung zu unterscheiden ist.286

282Forstmoser/Vogt, Einführung in das Recht4 (2008) § 2 Rz 151; Häfelin/Müller/Uhlmann, Allgemei-nes Verwaltungsrecht5 (2006) Rz 310 ff; Tschannen/Zimmerli/Müller, Allgemeines Verwaltungsrecht3 (2009) § 24 Rz 8.

283Forstmoser/Vogt, Einführung4 § 2 Rz 150; Häfelin/Müller/Uhlmann, Verwaltungsrecht5 Rz 315.

284Tschannen, Staatsrecht3 § 45 Rz 29.

285Häfelin/Müller/Uhlmann, Verwaltungsrecht5 Rz 319;Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht3

§ 24 Rz 11.

286Häfelin/Müller/Uhlmann, Verwaltungsrecht5 Rz 319; Tschannen/Zimmerli/Müller, Verwaltungsrecht3

§ 24 Rz 10.

61 Bei der formellen Aufhebung erklärt das neue Gesetz das ältere ausdrücklich für auf-gehoben. Tritt das jüngere Gesetz später selbst außer Kraft, lebt das ältere nicht wieder auf. Eine materielle Aufhebung liegt vor, wenn das neue Gesetz deckungs-gleich mit dem älteren ist oder diesem widerspricht. In diesem Fall ergibt sich aus dem Grundsatz lex posterior derogat legi priori der Vorrang des jüngeren Erlasses.

Wird das jüngere Gesetz später formell aufgehoben, lebt das ältere Recht wieder auf.287

5.1.1.3 Rückwirkung

Rückwirkung bedeutet, dass neues Recht auf einen Sachverhalt anzuwenden ist, der sich unter altem Recht ereignet hat. Es ist zwischen echter und unechter

Rückwirkung bedeutet, dass neues Recht auf einen Sachverhalt anzuwenden ist, der sich unter altem Recht ereignet hat. Es ist zwischen echter und unechter