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2.1.1 Nationalrat und Ständerat

Das Parlament der Schweiz, die Bundesversammlung,6 besteht nach Art 148 Abs 2 BV aus dem Nationalrat und dem Ständerat, somit aus zwei Kammern.7

Von großer Bedeutung für das Zweikammernsystem ist die bundesstaatliche Funkti-on.8 Diese kommt in der Schweiz dadurch zum Ausdruck, dass beiden Kammern ein unterschiedlicher Repräsentationszweck zukommt. Während der Nationalrat das Volk repräsentiert,9 vertritt der Ständerat die Kantone,10 also die Gliedstaaten. Durch diese Aufteilung werden sowohl das demokratische als auch das föderalistische Prinzip verwirklicht.11

Daneben spielt auch die diskursive Funktion eine Rolle. Durch die Beratung eines Geschäftes in beiden Kammern wird die Qualität der parlamentarischen Prozesse dadurch gesteigert, dass aufgrund der erforderlichen Rechtfertigung in der jeweils anderen Kammer gründlicher gearbeitet wird, was gleichzeitig übereilten Beschlüs-sen vorbeugt.12

Nationalrat und Ständerat sind einander nach Art 148 Abs 2 BV ausdrücklich gleich-gestellt, was sich zunächst darin widerspiegelt, dass beide Kammern über die glei-chen Zuständigkeiten verfügen. Die Art 163 ff BV regeln die Kompetenzen der Bun-desversammlung insgesamt, und nehmen dabei keine Unterscheidung zwischen den beiden Kammern vor. Daneben äußert sich die Gleichberechtigung auch darin, dass

6 http://www.admin.ch/org/parlament/index.html?lang=de (16.11.2013).

7Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 (2009) Rz 2300; Tschannen, Staatsrecht3 § 30 Rz 5.

8Häfelin/Haller/Keller, Schweizerisches Bundesstaatsrecht8 (2012) Rz 1439.

9 Art 149 Abs 1 BV.

10 Art 150 Abs 1 BV.

11 Tschannen, Staatsrecht3 § 30 Rz 8.

12 Tschannen, Staatsrecht3 § 30 Rz 6.

5 gemäß Art 156 Abs 2 BV für die Beschlussfassung die Übereinstimmung beider Räte erforderlich ist. Können etwaige bestehende Differenzen auch in einem gesonderten Verfahren nach Art 89 ff ParlG13 nicht bereinigt werden, kommt der Beschluss nicht zustande.14

2.1.1.1 Zustandekommen und Zusammensetzung

2.1.1.1.1 Nationalrat

Gemäß Art 149 BV umfasst der Nationalrat 200 Sitze, die nach der Bevölkerungszahl auf die Kantone verteilt werden. Jeder Kanton hat dabei Anspruch auf mindestens einen Sitz.15

Die Mitglieder des Nationalrates werden direkt vom Volk für eine Dauer von vier Jah-ren gewählt und nach dem Grundsatz des Proporzes bestimmt,16 was bedeutet, dass die Sitzverteilung im Parlament im Verhältnis zu den für die verschiedenen Parteien abgegebenen Stimmen erfolgt.17

2.1.1.1.2 Ständerat

Der Ständerat besteht gemäß Art 150 BV aus 46 Abgeordneten, von denen die Kan-tone Obwalden, Nidwalden, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden je ein, die übrigen Kantone je zwei Mitglieder wählen.18

Die Wahl zum Ständerat wird nach Art 150 Abs 3 BV von den Kantonen geregelt. Die Mitglieder des Ständerates werden in allen Kantonen direkt vom Volk gewählt, meist nach dem Mehrheitswahlsystem, wobei die Wahl zumeist gleichzeitig mit der Wahl zum Nationalrat und ebenfalls auf vier Jahre erfolgt.19 Es gilt jener Kandidat als

13 Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 über die Bundesversammlung idgF (ParlG; SR 171.10).

14Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2312; Tschannen, Staatsrecht3 § 30 Rz 9.

15Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1456 f; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfas-sungsrecht2 Rz 2301 f; Tschannen, Staatsrecht3 § 31 Rz 5 ff.

16 Art 149 Abs 2 BV.

17Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1465; Tschannen, Staatsrecht3 § 31 Rz 19.

18Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1493; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungs-recht2 Rz 2304; Tschannen, Staatsrecht3 § 32 Rz ff.

19Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1495; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungs-recht2 Rz 2305 f.

6 wählt, der die absolute oder relative Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten hat.20

2.1.1.2 Organisation

2.1.1.2.1 Nationalrat und Ständerat 2.1.1.2.1.1 Verfahren

Nationalrat und Ständerat beraten grundsätzlich getrennt voneinander, wobei für eine Beschlussfassung die Übereinstimmung der beiden Räte erforderlich ist.21

Das Parlament tritt für Beratungen zu Sessionen zusammen.22 Art 2 Abs 1 ParlG be-stimmt, dass sich sowohl Nationalrat als auch Ständerat regelmäßig zu ordentlichen Sessionen versammeln, welche vier Mal im Jahr für eine Dauer von drei Wochen stattfinden.23 Daneben kann jeder Rat für sich Sondersessionen beschließen. Außer-dem kann ein Viertel der Mitglieder eines Rates oder der Bundesrat eine außeror-dentliche Session verlangen.24

Nach Art 158 BV sind die Sitzungen in beiden Räten öffentlich. Der Ausschluss der Öffentlichkeit kann aber gemäß Art 4 ParlG beantragt werden.25

Nationalrat und Ständerat können nur bei Anwesenheit der Mehrheit ihrer Mitglieder gültig verhandeln.26 Für eine Beschlussfassung reicht grundsätzlich die einfache

20 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1464.

21Art 156 BV; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2424; Tschannen, Staats-recht3 § 30 Rz 10; Zimmerli, Bundesversammlung, in Thürer/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht der Schweiz. Droit constitutionnel suisse (2001) § 66 Rz 1.

22Art 156 Abs 1 BV; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2389;

http://www.parlament.ch/D/SESSIONEN/Seiten/default.aspx (11.11.2013).

23Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2392; Zimmerli in Thüher/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 6; http://www.parlament.ch/D/SESSIONEN/Seiten/default.aspx (11.11.2013).

24Art 2 Abs 2 und 3 ParlG; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2392; Zimmerli in Thüher/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 6.

25Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2426 f.

26Art 159 Abs 1 BV; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2430.

7 Mehrheit der abgegebenen Stimmen aus.27 Die absolute Mehrheit ist nur in Ausnah-mefällen nötig. So zum Beispiel bei der Dringlicherklärung von Bundesgesetzen.28

2.1.1.2.1.2 Organe

Den Vorsitz in Nationalrat und Ständerat hat ein vom jeweiligen Rat aus seiner Mitte für ein Jahr gewählter Präsident, wobei die Wiederwahl für das folgende Jahr ausge-schlossen ist. Ebenfalls gewählt werden ein erster und ein zweiter Vizepräsident.29 Zu den Aufgaben der Präsidenten gehören unter anderem die Verhandlungsleitung und die Vertretung der Räte nach außen.30

Von besonderer Bedeutung für den parlamentarischen Entscheidungsprozess sind Kommissionen,31 welche grundsätzlich vorberatende und antragsstellende Funktio-nen haben,32 wobei ihnen nach Art 153 Abs 3 BV vom Gesetz auch weitere Befug-nisse übertragen werden können, die nicht rechtsetzender Natur sind. Beide Räte verfügen derzeit über zwölf ständige Kommissionen, die das nötige Fachwissen in die parlamentarische Arbeit einbringen.33

Die Vorbereitung der Ratsgeschäfte erfolgt durch Fraktionen, welche sich aus min-destens fünf Ratsmitgliedern zusammensetzen, die entweder der gleichen Partei an-gehören, parteilos sind oder unterschiedlichen Parteien mit einer ähnlichen politi-schen Ausrichtung angehören.34 Die Bedeutung der Fraktionen betrifft vor allem die politische Meinungsbildung in National- und Ständerat.35

27Art 159 Abs 2 BV; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2432.

28Art 159 Abs 3 BV; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2433.

29Art 152 BV; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2397; Zimmerli in Thüher/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 7.

30 Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2400.

31Zimmerli in Thüher/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 8.

32Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2406;

http://www.parlament.ch/D/ORGANE-MITGLIEDER/KOMMISSIONEN/Seiten/default.aspx (11.11.2013).

33 Zimmerli in Thürer/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 8 f.

34Art 61 und 62 Abs 1 ParlG; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2416; Zimmerli in Thüher/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 11.

35Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2417; Zimmerli in Thürer/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 11.

8 Neben diesen genannten gibt es noch weitere Organe wie etwa die Parlaments-dienste, welche mit organisatorischen und administrativen Aufgaben betraut sind.36

2.1.1.3 Auflösung

2.1.1.3.1 Nationalrat

Die Auflösung des Nationalrates kann auf zwei Arten erfolgen. Einerseits durch Zeit-ablauf, da gemäß Art 149 Abs 2 Satz 2 BV nach Ablauf der Legislaturperiode des Nationalrates seine Gesamterneuerung erfolgt.

Daneben ordnet Art 193 Abs 3 BV eine Neuwahl des Nationalrates an, wenn das Volk einer Totalrevision der Bundesverfassung zugestimmt hat.

2.1.1.3.2 Ständerat

Die Amtsdauer der Mitglieder des Ständerates ist nach kantonalem Recht geregelt.

In den meisten Kantonen ist vorgesehen, dass die Abgeordneten gleichzeitig mit dem Nationalrat auf vier Jahre gewählt werden. Eine Ausnahme davon stellt aber beispielsweise der Kanton Zug dar, in dem die Ständeratswahlen bereits ein Jahr vor den Nationalratswahlen stattfinden.37

Durch die unterschiedliche Regelung der Amtsdauer in den einzelnen Kantonen gibt es keine Gesamterneuerung des Ständerates, wie sie nach Art 149 Abs 2 Satz 2 BV für den Nationalrat vorgesehen ist.38

Für den Fall, dass das Volk einer Totalrevision der Bundesverfassung zugestimmt hat, ordnet Art 193 Abs 3 BV aber auch für den Ständerat Neuwahlen an.

36Art 64 ParlG; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2420; Zimmerli in Thüher/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 12.

37 Zimmerli in Thürer/Aubert/Müller (Hrsg), Verfassungsrecht § 66 Rz 4.

38 Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1502.

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