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2.3 Vergleich Schweiz – Österreich

4.2.4 Behandlung im Nationalrat

Das Verfahren zur Behandlung von Gesetzesvorschlägen im Nationalrat ist in mehre-re Abschnitte gegliedert. Grundsätzlich besteht dieses aus dmehre-rei Lesungen und der Ausschussdebatte.199

4.2.4.1 Erste Lesung

In der Ersten Lesung werden die allgemeinen Grundsätze der Gesetzesvorlage be-sprochen.200 Eine Erste Lesung findet jedoch nicht in jedem Fall statt, es kommt hier vor allem auf die Art der Gesetzesinitiative an. Über Initiativanträge eines Abgeordne-ten zum Nationalrat gibt es nur eine Erste Lesung, wenn dies im Antrag verlangt wird.201 Bei Regierungsvorlagen, Gesetzesvorschlägen des Bundesrates und Geset-zesinitiativen durch ein Volksbegehren findet eine Erste Lesung nur auf Beschluss des Nationalrates statt.202 Bei Initiativanträgen eines Ausschusses entfällt die Erste Lesung.203

197RL 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informati-onsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, ABl L 1998/204, 37 idgF.

198Berka, Grundzüge4 Rz 602 f; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 437.

199Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 21.064; Öhlinger/Eberhard, Verfassungs-recht9 Rz 438.

200 § 69 Abs 5 GOG-NR.

201 § 69 Abs 4 GOG-NR.

202 § 69 Abs 3 GOG-NR.

203 § 70 Abs 1 GOG-NR.

41 Nach § 69 Abs 6 GOG-NR dürfen in der Ersten Lesung nur Anträge auf Wahl eines besonderen Ausschusses zur Vorberatung der Vorlage gestellt werden. Die Zuwei-sung an den Ausschuss erfolgt durch den Nationalratspräsidenten nach Abschluss der Ersten Lesung.204 Findet keine Erste Lesung statt, verweist der Präsident die Vor-lage direkt an den zuständigen Ausschuss. Anträge von Abgeordneten des National-rates werden in der auf die Einbringung nächstfolgende Sitzung zugewiesen, Regie-rungsvorlagen, Gesetzesanträge des Bundesrates sowie Volksbegehren in der auf die Verteilung der Vorlage zweitfolgenden Sitzung.205

4.2.4.2 Beratung im Ausschuss

Jeder Gesetzesvorschlag wird einem Ausschuss zur Vorberatung zugewiesen. Die Zuweisung erfolgt an den in der Sache zuständigen ständigen Ausschuss, wenn in der Ersten Lesung kein besonderer Ausschuss gewählt wurde. Der zuständige Aus-schuss kann wiederum einen UnterausAus-schuss einsetzen.206

Im Ausschuss werden die Gesetzesvorschläge beraten und für die Beschlussfassung im Plenum vorbereitet. Zur Überarbeitung des Gesetzesentwurfs, dessen Verände-rung bzw Umgestaltung durch den Ausschuss möglich ist, können auch Experten beigezogen werden, die über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügen. Am Schluss der Beratungen hat der Ausschuss nach § 42 Abs 1 GOG-NR einen Berich-terstatter für den Nationalrat zu wählen, der die Ergebnisse in einem schriftlichen Be-richt festhält und diese auch mündlich im Nationalrat zu vertreten hat. Der schriftliche Bericht spiegelt jenes Beratungsergebnis wider, das von der Mehrheit des Ausschus-ses getragen wird. Nach § 42 Abs 4 GOG-NR hat die Minderheit das Recht, einen gesonderten Bericht, den sog Minderheitsbericht, zu erstatten, wenn dieser von zu-mindest drei Ausschussmitgliedern getragen wird. Desweiteren steht es nach

204Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 28 f; Wal-ter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 450 f.

205§ 69 Abs 7 GOG-NR;Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 21.064; Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 29.

206§§ 31 Abs 1 und 35 Abs 1 GOG-NR; Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 21.065; Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 30;

Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 438.

42

§ 42 Abs 5 GOG-NR jedem Ausschussmitglied zu, eine persönliche Stellungnahme abzugeben.207

Der schriftliche Ausschussbericht ist dem Präsidenten des Nationalrates zu überge-ben, der wiederum die Vervielfältigung und Verteilung an die Nationalratsabgeordne-ten verfügt. Minderheitsberichte und persönliche Stellungnahmen von Ausschussmit-gliedern sind ebenfalls an den Nationalratspräsidenten zu übergeben, und zwar so, dass sie gleichzeitig mit dem Hauptbericht in Verhandlung genommen werden kön-nen. Auch diese sind zu vervielfältigen und an die Nationalratsabgeordneten zu ver-teilen, wobei sie idR dem Hauptbericht angeschlossen werden.208

Die Abänderung eines Ausschussberichts ist möglich, solange er noch nicht an den Nationalrat erstattet wurde. Hierzu ist eine Stimmenzahl erforderlich, die nicht unter jener liegen darf, mit welcher der Beschluss ursprünglich gefasst wurde. Nach Be-richterstattung an den Nationalrat ist eine Zurücknahme nur mehr mit dessen Zu-stimmung möglich.209

Dem Ausschuss kann nach § 43 Abs 1 GOG-NR auf Vorschlag des Präsidenten oder auf Antrag eines Abgeordneten eine Frist zur Berichterstattung gesetzt werden. Wird ein Gesetzesvorschlag im Ausschuss nicht behandelt oder wird er vertagt, weil bei-spielsweise kein Konsens gefunden werden kann, besteht grundsätzlich keine Mög-lichkeit, diesen vor das Plenum zu bringen, da es keine Regelung gibt, wonach ein Gesetzesvorschlag förmlich zu erledigen ist. Diesem Problem kann durch eine Frist-setzung entgegengewirkt werden. Nach § 44 Abs 3 GOG-NR hat die Verhandlung über die Gesetzesvorlage nämlich in der dem Fristablauf nachfolgenden Sitzung auch dann zu beginnen, wenn kein schriftlicher Ausschussbericht vorliegt.210

207Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 21.065; Berka, Grundzüge4 Rz 613;

Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 30; Wal-ter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 452.

208 § 42 Abs 1 und 6 GOG-NR; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 452.

209 § 42 Abs 2 und 3 GOG-NR.

210Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 31.

43 4.2.4.3 Zweite Lesung

Auf die Vorberatungen des Ausschusses bzw den Vortrag des Ausschussberichter-statters folgt die Zweite Lesung im Nationalrat.211 Diese besteht nach § 70 Abs 2 GOG-NR aus General- und Spezialdebatte, die gemeinsam geführt werden, wenn der Nationalrat auf Antrag des Berichterstatters nichts anderes beschließt, und den Abstimmungen.212

In der Generaldebatte wird allgemein über die Gesetzesvorlage als Ganzes disku-tiert.213 Während dieser kann der Antrag auf Vertagung, auf Rückverweisung an den Ausschuss oder auf Zuweisung an einen anderen Ausschuss gestellt werden, wenn die Generaldebatte getrennt von der Spezialdebatte durchgeführt wird. Die Be-schlussfassung über derartige Anträge erfolgt nach Erschöpfung der Rednerliste für die Generaldebatte.214

Nach der Generaldebatte folgt die Beschlussfassung darüber, ob der Nationalrat in die Spezialdebatte eintritt. Bejahendenfalls folgt diese unmittelbar anschließend, an-sonsten gilt die Vorlage als verworfen.215

Die Spezialdebatte besteht aus den Beratungen über einzelne Teile der Gesetzes-vorlage.216 Zu Beginn bestimmt der Präsident, welche Teile der Vorlage gesondert oder gemeinsam zur Beratung und Beschlussfassung kommen.217 Jeder Abgeordne-te kann zu jedem Teil der Vorlage Abänderungs- und Zusatzanträge sAbgeordne-tellen, die in die Verhandlung einzubeziehen sind, wenn sie von mindestens fünf Abgeordneten einschließlich des Antragstellers unterstützt werden.218 Nach § 72 Abs 6 GOG-NR ist im Anschluss an die Beratung jedes Teils der Vorlage über diesen abzustimmen. Der Nationalrat kann aber auch beschließen, die Verhandlung zu vertagen, den

211 § 70 Abs 1 GOG-NR;Berka, Grundzüge4 Rz 614.

212 Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 32; Wal-ter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 453.

213 § 70 Abs 2 GOG-NR.

214 § 71 Abs 1 GOG-NR.

215 § 71 Abs 2 und 3 GOG-NR.

216 § 70 Abs 2 GOG-NR.

217 § 72 Abs 1 GOG-NR.

218 § 72 Abs 3 GOG-NR.

44 stand an den Ausschuss zurückzuverweisen oder zur Tagesordnung überzugehen, wobei die Vorlage im letzten Fall als abgelehnt gilt.219

4.2.4.4 Dritte Lesung

Beschließt der Nationalrat nichts anderes, folgt unmittelbar auf die Zweite Lesung die Dritte Lesung, in der über den Gesetzesentwurf als Ganzes abgestimmt wird.220 Ab-änderungen sind nach § 74 Abs 2 GOG-NR nur mehr insofern möglich, als Schreib- und Druckfehler sowie sprachliche Mängel behoben werden können. Ferner können Anträge auf Behebung von Widersprüchen gestellt werden, die sich bei der Be-schlussfassung in Zweiter Lesung ergeben haben. Eine Debatte über diese Anträge ist nach § 74 Abs 3 GOG-NR nur dann möglich, wenn dies vom Nationalrat im Ein-zelfall beschlossen wird. Die Redezeit ist dabei auf fünf Minuten beschränkt.221

Wird in Dritter Lesung mit den erforderlichen Abstimmungs- und Präsenzquoren posi-tiv über den Gesetzesvorschlag abgestimmt, liegt ein Gesetzesbeschluss des Natio-nalrates iSd Art 42 Abs 1 B-VG vor, der als Bundesgesetz bezeichnet sein muss.222

Für eine Beschlussfassung im Nationalrat gelten grundsätzlich die allgemeinen Be-schlusserfordernisse des Art 31 B-VG, wonach die Anwesenheit von mindestens ei-nem Drittel der Mitglieder und die unbedingte Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich ist. Erhöhte Quoren sind beispielsweise nach Art 44 Abs 1 B-VG für Ver-fassungsgesetze oder Verfassungsbestimmungen vorgesehen. Hier ist die Anwe-senheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und die Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen Voraussetzung für eine positive Beschlussfassung. Da-rüber hinaus sind erhöhte Quoren auch für bestimmte einfache Gesetze, wie das GOG-NR nach Art 30 Abs 2 B-VG, oder für bestimmte Beschlüsse des Nationalrates erforderlich.223

219Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 34; Wal-ter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 455.

220 § 74 Abs 1 GOG-NR.

221Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 35.

222Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 21.068; Berka, Grundzüge4 Rz 616; Wal-ter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 456.

223Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 21.071; Berka, Grundzüge4 Rz 615;

Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 35.

45 Beendet wird das parlamentarische Verfahren durch die Enuntiation des Präsiden-ten, mit der ausgesprochen wird, dass der Nationalrat den Gesetzesantrag in Dritter Lesung angenommen hat.224