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2.3 Vergleich Schweiz – Österreich

4.2.5 Mitwirkung des Bundesrates

Der Bundesrat wirkt als zweite Kammer des Parlaments an der Bundesgesetzgebung mit. IdR kommt ihm dabei nach Art 42 Abs 2 B-VG ein Einspruchsrecht zu, welches als suspensives Veto ausgestaltet ist. Daneben gibt es aber auch Fälle, in denen dem Bundesrat das Einspruchsrecht in Form eines absoluten Vetos zukommt. Dies ist nach Art 44 Abs 2 B-VG zum Beispiel bei Verfassungsänderungen der Fall, die die Zuständigkeiten der Länder einschränken. Kein Einspruchsrecht besitzt der Bundes-rat in den Fällen des Art 42 Abs 5 B-VG, weil davon ausgegangen wird, dass keine Länderinteressen berührt werden. Dies betrifft beispielsweise Gesetzesbeschlüsse betreffend die Geschäftsordnung des Nationalrates, die Auflösung des Nationalrates oder bestimmte Gesetze in Zusammenhang mit den Bundesfinanzen.225

Jeder Gesetzesbeschluss des Nationalrates ist von dessen Präsidenten unverzüglich dem Bundesrat zu übermitteln. Dies gilt auch für jene Beschlüsse, hinsichtlich derer dem Bundesrat nach Art 42 Abs 5 B-VG kein Einspruchsrecht zukommt, wobei derar-tige Gesetzesbeschlüsse unverzüglich beurkundet und kundgemacht werden kön-nen.226 Mit dem Einlangen des Gesetzesbeschlusses im Bundesrat beginnt die acht-wöchige Frist, binnen derer ein Einspruch des Bundesrates möglich ist.227

4.2.5.1 Verfahren bei suspensivem Vetorecht (Regelfall)

Nach dem Einlangen des Gesetzesbeschlusses im Bundesrat ist dieser grundsätzlich zu vervielfältigen und an die Bundesratsmitglieder zu verteilen. Der Bundesratspräsi-dent hat außerdem unverzüglich die Zuweisung des Gesetzesbeschlusses an einen

224Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 35.

225 Berka, Grundzüge4 Rz 61; Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar: Bun-desverfassungsrecht (3. Lfg 2004) Art 42 B-VG Rz 1 ff.

226Art 42 Abs 1 B-VG; Adamovich/Funk/Holzinger, Staatliche Organisation Rz 21.073; Schick in Korinek/Holoubek (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht: Textsammlung und Kommentar II/1 (5. Lfg 2002), Art 42 B-VG Rz 8.

227Art 42 Abs 3 B-VG; Schick in Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht II/1 Art 42 B-VG Rz 12.

46 Ausschuss zur Vorberatung zu verfügen. Der Ausschussvorsitzende hat sogleich ein Ausschussmitglied mit der Aufgabe des Berichterstatters zu betrauen.228

Die Verhandlung im Bundesrat wird grundsätzlich mit der Berichterstattung eingelei-tet.229 Darauf folgt die Debatte, wobei der Präsident festlegt, ob über mehrere Vhandlungsgegenstände gemeinsam diskutiert wird oder eine Teilung der Debatte er-folgt.230 Am Ende der Debatte findet schließlich die Abstimmung darüber statt, ob ein Einspruch erhoben wird oder nicht sowie über die Gründe im Falle einer positiven Abstimmung.231

In den Fällen, in denen dem Bundesrat das Einspruchsrecht in Form eines suspensi-ven Vetos zukommt, stehen diesem drei Möglichkeiten offen, auf den Gesetzesbe-schluss des Nationalrates zu reagieren. Er kann nach Art 42 Abs 2 B-VG binnen acht Wochen einen begründeten Einspruch erheben oder nach Art 42 Abs 4 B-VG be-schließen, keinen Einspruch zu erheben bzw die achtwöchige Frist zur Einspruchs-erhebung ungenützt verstreichen lassen.232

4.2.5.1.1 Erhebung eines Einspruchs

Der Bundesrat kann weder eine Abweichung vom Gesetzesbeschluss beschließen, noch kann er Einspruch gegen einzelne Bestimmungen erheben. Vielmehr richtet sich sein Einspruch nur gegen den Gesetzesbeschluss als Ganzes.233

Der Einspruch des Bundesrates muss nach Art 42 Abs 2 B-VG begründet sein, wobei es dem Bundesrat überlassen bleibt, welche Gründe er geltend macht. Nach der Bundesverfassung gibt es keine Einschränkung der Einspruchsgründe, ebenso we-nig können diese einfachgesetzlich beschränkt werden. Zu den Einspruchsgründen

228§§ 18 Abs 1, 19 Abs 1 und 2 GO-BR; Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg),

Rill-Schäffer-Kommentar Art 42 B-VG Rz 9; Schick in Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht II/1 Art 42 B-VG Rz 12; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 458.

229 § 45 Abs 1 GO-BR.

230 § 46 Abs 1 und 2 GO-BR.

231Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 459 f.

232Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 42 B-VG Rz 9; Schick in Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht II/1 Art 42 B-VG Rz 13; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 457.

233Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 42 B-VG Rz 10; Wal-ter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 457.

47 in der Vergangenheit zählten etwa die unzumutbare finanzielle Belastung der Bevöl-kerung, verfassungsrechtliche Bedenken, gesetzestechnische Mängel, wirtschaftspo-litische Gründe und der Eingriff in die Zuständigkeit der Länder. Diese Aufzählung zeigt deutlich, dass der Bundesrat sein Einspruchsrecht nicht hauptsächlich zur rung der Länderinteressen wahrnimmt, sondern seine Gründe häufig mit der Wah-rung anderer Interessen zusammenhängen.234

Jedes Mitglied des Bundesrates sowie der zuständige Ausschuss sind berechtigt, Anträge zu stellen, einen Einspruch oder keinen Einspruch zu erheben, wobei der Antrag begründet sein muss, um in Verhandlung gezogen werden zu können.235 Der Antrag, welcher einschließlich des Antragstellers von mindestens drei Bundesräten unterstützt werden muss, ist dem Präsidenten schriftlich und vom Antragsteller unter-schrieben zu überreichen.236 Zur Beschlussfassung des Bundesrates ist nach Art 37 Abs 1 B-VG die Anwesenheit von mindestens einem Drittel der Mitglieder und die unbedingte Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, wenn nichts anderes bestimmt ist.237

Die Beschlussfassung darüber, einen oder keinen Einspruch zu erheben, kann nicht wiederholt werden, da auch für den Bundesrat das Prinzip der Unverrückbarkeit von Parlamentsbeschlüssen gilt. Daraus ergibt sich außerdem, dass ein Einspruch nach erfolgter Beschlussfassung nicht mehr zurückgezogen werden kann.238

Der Einspruch des Bundesrates muss dem Nationalrat binnen acht Wochen nach Einlangen des Gesetzesbeschlusses beim Bundesrat vom Präsidenten des Bundes-rates schriftlich übermittelt werden. Er ist überdies dem Bundeskanzler zur Kenntnis zu bringen, wobei eine diesbezügliche Unterlassung keine Rechtsfolgen nach sich zieht.239

234Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 42 B-VG Rz 11 f.

235 § 34 Abs 1 GO-BR.

236 § 34 Abs 2 GO-BR.

237Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 42 B-VG Rz 17; Schick in Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht II/1 Art 42 B-VG Rz 16.

238Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 42 B-VG Rz 18.

239Art 42 Abs 3 B-VG; § 7 Abs 4 GO-BR; Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg),

Rill-Schäffer-Kommentar Art 42 B-VG Rz 19 f; Schick in Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht II/1 Art 42 B-VG Rz 17 f.

48 Erhebt der Bundesrat Einspruch gegen einen Gesetzesbeschluss, muss sich der Na-tionalrat erneut mit diesem beschäftigen. Der Präsident des NaNa-tionalrates hat den Einspruch in der auf die Verteilung nächstfolgenden Sitzung einem Ausschuss zuzu-weisen. Gegenstand des Ausschussantrags kann die Wiederholung des ursprüngli-chen Gesetzesbeschlusses oder ein neuer Gesetzesvorschlag sein.240

Fasst der Nationalrat einen Beharrungsbeschluss, wiederholt er also den ursprüngli-chen Gesetzesbeschluss, ist dafür die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder erforderlich.241 Der Beschluss ist dem Bundesrat bekannt zu geben, wobei dieser nicht mehr aktiv werden kann. Der Beharrungsbeschluss muss mit dem ur-sprünglichen Gesetzesbeschluss in allen Punkten identisch sein, bei Abweichungen ist das Gesetz nicht auf verfassungsmäßige Weise zustande gekommen.242

Kommt es zu Änderungen des ursprünglichen Gesetzesbeschlusses, liegt ein neuer Gesetzesvorschlag des Nationalrates vor. Dieser ist dem Bundesrat zu übermitteln, der erneut von seinem Einspruchsrecht Gebrauch machen kann.243

Der Nationalrat kann aufgrund des Einspruchs des Bundesrates auch von einer Fort-setzung des Gesetzgebungsverfahrens absehen. In diesem Fall kommt es zu keinem Gesetzesbeschluss und das Verfahren ist ohne förmliche Erledigung beendet.244

4.2.5.1.2 Verzicht auf einen Einspruch

Nach Art 42 Abs 4 B-VG kann der Bundesrat beschließen, keinen Einspruch zu er-heben, um das Gesetzgebungsverfahren schneller zu beenden. Dieser Beschluss, der keiner Begründung bedarf, muss dem Nationalrat nicht mitgeteilt werden, da das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren in diesem Fall beendet ist. Zu informieren

240§ 77 Abs 1 und 2 GOG-NR; Berka, Grundzüge4 Rz 619; Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 42 B-VG Rz 22.

241 Art 42 Abs 4 B-VG; Schick in Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht II/1 Art 42 B-VG Rz 27.

242Berka, Grundzüge4 Rz 619; Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 42 B-VG Rz 22 ff; Schick in Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht II/1 Art 42 B-VG Rz 26;

Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 462.

243Berka, Grundzüge4 Rz 619; Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 42 B-VG Rz 27; Schick in Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht II/1 Art 42 B-VG Rz 30;

Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 462.

244 Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 42 B-VG Rz 26; Wal-ter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 462.

49 ist aber der Bundeskanzler245, um die Kundmachung des Gesetzesbeschlusses vor-bereiten zu können.246

4.2.5.1.3 Verstreichenlassen der Einspruchsfrist

Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren endet auch, wenn der Bundesrat die achtwöchige Frist zur Einspruchserhebung ungenützt verstreichen lässt. Die Beurtei-lung, ob tatsächlich kein Einspruch erhoben wurde, obliegt dem Bundeskanzler. Die-ser hat auch das weitere Verfahren einzuleiten.247

Durch das Untätigbleiben des Bundesrates wird das weitere Gesetzgebungsverfah-ren um die achtwöchige Einspruchsfrist verzögert, was als milde Kritik am Gesetzes-beschluss des Nationalrates gewertet werden kann.248