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2.3 Vergleich Schweiz – Österreich

7.2.1 Volksbegehren

7.2.1.1 Gegenstand

Durch das in Art 41 Abs 2 B-VG geregelte Volksbegehren kommt einer bestimmten Anzahl von Stimmbürgern das Recht zu, die Erlassung eines neuen Gesetzes bzw die Aufhebung oder Änderung eines bestehenden Gesetzes zu initiieren.410 Gegen-stand eines Volksbegehrens können neben einfachen Bundesgesetzen auch Verfas-sungsgesetze sein, nicht jedoch andere Akte des Nationalrates, wie etwa die

408 Art 139b BV; Häfelin/Haller/Keller, Bundesstaatsrecht8 Rz 1797; Rhinow/Schefer, Schweizerisches Verfassungsrecht2 Rz 2251 f; Tschannen, Staatsrecht3 § 44 Rz 63 ff.

409Berka, Grundzüge4 Rz 635 f; Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 43 B-VG Rz 1; Pernthaler, Österreichisches Bundesstaatsrecht: Lehr- und Handbuch (2004) 65.

410Berka, Grundzüge4 Rz 637; Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 51; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 452.

89 nehmigung von Staatsverträgen, oder Akte anderer Organe.411 Aufgrund fehlender inhaltlicher Beschränkungen kann ein Volksbegehren auch die Gesamtänderung der Bundesverfassung oder eine Kombination von einfachgesetzlichen und verfassungs-gesetzlichen Regelungen zum Gegenstand haben.412

7.2.1.2 Zustandekommen

Das Verfahren bei einem Volksbegehren ist im VBegG413 geregelt und in drei Ab-schnitte unterteilt: Einleitungs-, Eintragungs- und Ermittlungsverfahren.414

Der Antrag auf Einleitung eines Volksbegehrens, der nach § 3 Abs 2 VBegG von mindestens einem Promille der Wohnbevölkerung unterstütz sein muss, ist beim Bundesminister für Inneres einzubringen.415 Diesem obliegt nach § 5 Abs 1 VBegG die formelle Vorprüfung des Antrags, die sich darauf bezieht, ob die Voraussetzun-gen für die Einleitung des Verfahrens erfüllt sind.416

Zu den formellen Voraussetzungen zählt beispielsweise die Form des Einleitungsan-trags. Dieser kann als Gesetzesantrag oder als Anregung ergehen.417 Ebenfalls er-forderlich und vom Bundesminister für Inneres zu prüfen sind die eigenhändig unter-fertigten Unterstützungserklärungen, die dem Antrag samt Bestätigung der Gemein-den, dass die Unterstützer in der Wählerevidenz eingetragen sind und den Haupt-wohnsitz in der jeweiligen Gemeinde haben, anzuschließen sind.418

Der Bundesminister für Inneres muss binnen drei Wochen mittels Bescheid darüber entscheiden, ob dem Einleitungsantrag stattzugeben ist. Eine stattgebende Ent-scheidung hat den Eintragungszeitraum zu enthalten, welcher sich grundsätzlich auf

411 Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 51 f.

412Merli in Korinek/Holoubek (Hrsg), Österreichisches Bundesverfassungsrecht: Textsammlung und Kommentar II/1 (1. Lfg 1999), Art 41/2 B-VG Rz 1.

413Volksbegehrengesetz 1973 BGBl 1973/344 idgF.

414Merli in Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht II/1 Art 41/2 B-VG Rz 34 ff;

Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 452; Pernthaler, Bundesstaatsrecht 92.

415 § 3 Abs 1 VBegG.

416 Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 58 und 60.

417§ 3 Abs 1 VBegG; Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 57; Merli in Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht II/1 Art 41/2 B-VG Rz 21.

418 §§ 3 Abs 5 Z 1 und 4 Abs 1 VBegG; Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 58.

90 acht aufeinanderfolgende Tage zu erstrecken hat, und ist im Amtsblatt zur Wiener Zeitung zu verlautbaren.419

Die Durchführung des Eintragungsverfahrens obliegt nach § 7 Abs 1 VBegG der Ein-tragungsbehörde, der Gemeinde im übertragenen Wirkungsbereich. Diese hat unter anderem die Eintragungsorte zu bestimmen. Ihr obliegt nach § 9 Abs 1 VBegG au-ßerdem die Verlautbarung unter Berufung auf die veröffentlichte Entscheidung des Bundesministers für Inneres, dass die Stimmberechtigten innerhalb des Eintragungs-zeitraumes in den Text des Volksbegehrens Einsicht nehmen und ihre Zustimmung dazu geben können. Ebenfalls verlautbart werden müssen die Eintragungsorte und Eintragungszeiten.

Im Ermittlungsverfahren stellt zunächst die Eintragungsbehörde die Summe der Stimmberechtigten sowie die Summe der gültigen Eintragungen fest. Das Ergebnis ist anschließend an die Bezirkswahlbehörde zu übermitteln, welche die Summe der Stimmberechtigten und die Summe der gültigen Eintragungen in ihrem Bereich fest-stellt. Die Bezirkswahlbehörde übermittelt anschließend ihr Ergebnis sowie das Er-gebnis der Eintragungsbehörde an die Bundeswahlbehörde. Diese ermittelt wiede-rum die Zahl der Stimmberechtigten sowie die Zahl der gültigen Eintragungen für das gesamte Bundesgebiet und stellt fest, ob ein Volksbegehren im Sinn des Art 41 Abs 2 B-VG vorliegt oder nicht. Das Ergebnis der Bundeswahlbehörde ist unverzüglich im Amtsblatt zur Wiener Zeitung zu verlautbaren.420

Ein Volksbegehren kommt zustande, wenn mindestens 100.000 Stimmberechtigte oder je ein Sechstel der Stimmberechtigten dreier Länder den Antrag unterstützen.421

Hat die Bundeswahlbehörde festgestellt, dass ein Volksbegehren vorliegt, hat sie dieses nach § 19 VBegG samt Begründung und etwaigen Unterlagen dem National-rat zur Behandlung vorzulegen.

419 § 5 VBegG; Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 60;

Merli in Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht II/1 Art 41/2 B-VG Rz 37.

420 §§ 14 ff VBegG.

421Art 41 Abs 2 B-VG; Berka, Grundzüge4 Rz 637; Merli in Korinek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfas-sungsrecht II/1 Art 41/2 B-VG Rz 25; Öhlinger/Eberhard, VerfasBundesverfas-sungsrecht9 Rz 452.

91 7.2.1.3 Behandlung im Nationalrat

Der Nationalrat ist an das Volksbegehren nur insofern gebunden, als er den Geset-zesantrag behandeln muss. Es besteht jedoch keine Verpflichtung, einen dem Volksbegehren entsprechenden Beschluss zu fassen.422

Im GOG-NR finden sich allerdings einige Sonderregelungen in Bezug auf die Be-handlung von Volksbegehren. Nach § 24 GOG-NR haben Volksbegehren bei der Festlegung der Tagesordnung Vorrang vor allen übrigen Gegenständen. Außerdem hat die Vorberatung eines Volksbegehrens innerhalb eines Monats nach Zuweisung an den Ausschuss zu beginnen und binnen vier Monaten ist dem Plenum Bericht zu erstatten. Nach § 37 Abs 3 GOG-NR sind den Ausschussberatungen Vertreter des Volksbegehrens beizuziehen. § 42 Abs 1a GOG-NR bestimmt schließlich, dass der Ausschussbericht über ein Volksbegehren den Vertretern des Volksbegehrens zuzu-stellen und im Amtsblatt zur Wiener Zeitung zu veröffentlichen ist. Außerdem haben alle Wahlberechtigten das Recht, die kostenlose Zusendung des Berichts anzufor-dern.423

7.2.2 Volksabstimmung

7.2.2.1 Gegenstand

Das Instrument der Volksabstimmung, welches in den Art 43 und 44 Abs 3 B-VG verankert ist, dient der Befragung des Volkes über einen Gesetzesbeschluss des Nationalrates. Die Abstimmung bezieht sich darauf, ob der Gesetzesbeschluss in Kraft treten soll oder nicht.424

In der Bundesverfassung sind drei Erscheinungsformen der Volksabstimmung vorge-sehen. Nach Art 43 B-VG ist eine fakultative Volksabstimmung über

422Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 66; Merli in Kori-nek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht II/1 Art 41/2 B-VG Rz 57; Öhlinger/Eberhard, Verfas-sungsrecht9 Rz 452.

423Bußjäger in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Art 41 B-VG Rz 67; Merli in Kori-nek/Holoubek (Hrsg), Bundesverfassungsrecht II/1 Art 41/2 B-VG Rz 59; Öhlinger/Eberhard, Verfas-sungsrecht9 Rz 452

424Berka, Grundzüge4 Rz 638; Merli in Korinek/Holoubek (Hrsg), Österreichisches Bundesverfas-sungsrecht: Textsammlung und Kommentar II/1 (1. Lfg 1999), Art 43 B-VG Rz 11;

http://www.parlament.gv.at/PERK/BET/VOLKAB/index.shtml (05.01.2014).

92 schlüsse des Nationalrates auf Antrag des Nationalrates möglich. Art 44 Abs 3 B-VG bestimmt, dass in Bezug auf eine Teiländerung der Verfassung ebenfalls eine fakul-tative Volksabstimmung auf Antrag des Nationalrates oder des Bundesrates durchge-führt werden kann. Komm es jedoch zu einer Gesamtänderung der Bundesverfas-sung, ist eine obligatorische, also verpflichtende Volksabstimmung durchzuführen, was bedeutet, dass diese keines Antrags bedarf.425

7.2.2.2 Zustandekommen

Eine fakultative Volksabstimmung über einen Gesetzesbeschluss des Nationalrates ist durchzuführen, wenn dies vom Nationalrat beschlossen oder von der einfachen Mehrheit seiner Mitglieder verlangt wird. Der Antrag auf eine diesbezügliche Be-schlussfassung kann von einem Ausschuss oder als Zusatzantrag in der zweiten Le-sung gestellt werden.426

Eine fakultative Volksabstimmung über eine Teiländerung der Bundesverfassung ist durchzuführen, wenn dies von einem Drittel der Mitglieder des National- oder Bun-desrates verlangt wird.427

Liegt ein entsprechender Antrag für eine fakultative Volksabstimmung vor bzw ist eine obligatorische Volksabstimmung durchzuführen, ist diese vom Bundespräsiden-ten auf Vorschlag der Bundesregierung anzuordnen.428 Die Bundesregierung hat so-dann den Tag der Volksabstimmung und den Stichtag festzusetzen.429 Die Entschlie-ßung des Bundespräsidenten, mit der die Volksabstimmung angeordnet wurde, ist zusammen mit den von der Bundesregierung festgelegten Daten im Bundesgesetz-blatt kundzumachen.430

425Berka, Grundzüge4 Rz 638;Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 453; Pernthaler, Bundes-staatsrecht 88; http://www.parlament.gv.at/PERK/BET/VOLKAB/index.shtml (05.01.2014).

426Art 43 B-VG; § 84 GOG-NR; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 463.

427 Art 44 Abs 3 B-VG; § 85 GOG-NR; § 26 Abs 1 GOG-BR; Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht9 Rz 453.

428Art 46 Abs 1 und 67 Abs 1 B-VG; § 1 VAbstG; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 463.

429 § 2 Abs 1 VAbstG.

430 § 2 Abs 2 VAbstG; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 464.

93 Den Gemeinden obliegt es, bis zum 21. Tag nach dem Stichtag Stimmlisten nach bestimmten Vorgaben anzulegen und alle Personen aufzunehmen, die am Stichtag in der Wählerevidenz der Gemeinde eingetragen waren, die spätestens am Tag der Abstimmung das 16. Lebensjahr vollendet haben oder deren Stimmberechtigung aufgrund eines Einspruchs- oder Berufungsverfahrens festgestellt wurde.431 Am 14.

Tag vor der Volksabstimmung ist die Kundmachung durch den Bürgermeister ortsüb-lich zu verlautbaren, jedenfalls aber durch öffentortsüb-lichen Anschlag.432

Das Abstimmungsverfahren erfolgt nach den Vorschriften der NRWO und mittels amtlichen Stimmzettels. Es ist die mit ja oder nein zu beantwortende Frage zu stel-len, ob der am Stimmzettel bezeichnete Gesetzesbeschluss Gesetzeskraft erlangen soll.433

Im Anschluss an die Abstimmung haben nach § 13 VAbstG die Gemeindewahlbe-hörden und aufgrund deren Berichte die LandeswahlbeGemeindewahlbe-hörden die Summe der Stimmberechtigten, der abgegebenen gültigen und ungültigen Stimmen sowie die Summe der gültigen Ja-Stimmen und gültigen Nein-Stimmen festzustellen. Die Lan-deswahlbehörden haben das Ergebnis unverzüglich der Bundeswahlbehörde be-kanntzugeben. Die Bundeswahlbehörde ermittelt nach § 14 Abs 1 VAbstG sodann aufgrund der Berichte der Landeswahlbehörden das Ergebnis der Volksabstimmung im gesamten Bundesgebiet. Sie hat dieses im Amtsblatt zur Wiener Zeitung zu ver-lautbaren. Das Ergebnis der Volksabstimmung ist nach § 15 Abs 2 VAbstG außer-dem von der Bundesregierung im Bundesgesetzblatt kundzumachen.434

Der Gesetzesbeschluss des Nationalrates gilt als angenommen, wenn die Zahl der Ja-Stimmen überwiegt. Andernfalls ist das Gesetzgebungsverfahren negativ been-det.435

Dem Ergebnis der Volksabstimmung kommt gegenüber dem Gesetzgeber rechtliche Bindungswirkung zu.436 Ist der Gesetzesbeschluss in der Volksabstimmung

431 § 6 VAbstG; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 465.

432 § 7 Abs 1 VAbstG; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 465.

433 §§ 8 f VAbstG; Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 466.

434 Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 467.

435 Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Grundriss10 Rz 468.

436 http://www.parlament.gv.at/PERK/BET/VOLKAB/index.shtml (05.01.2014).

94 nommen worden, ist er kundzumachen. Ist er hingegen abgelehnt worden, ist eine Kundmachung unzulässig. Die Bindungswirkung erstreckt sich allerdings nur auf den gegenständlichen Gesetzesbeschluss. Dem Gesetzgeber steht es frei, einen neuerli-chen Gesetzesbeschluss in derselben Sache zu fassen und von einer neuerlineuerli-chen, fakultativen Volksabstimmung abzusehen.437