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DIPLOMARBEIT. Zur Erlangung des akademischen Grades einer MAGISTRA DER PHARMAZIE

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Academic year: 2022

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DIPLOMARBEIT

Zur Erlangung des akademischen Grades einer

MAGISTRA DER PHARMAZIE

an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz

zum Thema

AKTUELLE THERAPIEKONZEPTE UND ENTWICKLUNGEN IN DER DIABETES MELLITUS TYP 2-THERAPIE

vorgelegt von Anika Kristin Honskamp

Graz, August 2021

(2)

Die vorliegende Diplomarbeit wurde im Zeitraum von März 2021 bis August 2021 in der Arbeitsgruppe für Wirkstoffentwicklung und Genderpharmazie im Bereich Pharmazeutische Chemie am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Karl-Franzens-Universität Graz unter der Betreuung von Frau Ao.

Univ.-Prof.in Mag.a pharm. Dr.in rer.nat. Edith Gößnitzer verfasst.

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei Frau Ao Univ.-Prof.in Mag.a pharm. Dr.in rer.nat. Edith Gößnitzer für die hervorragende Betreuung meiner Diplomarbeit bedanken. Vielen Dank für die konstruktiven Denkanstöße, die Flexibilität und die zeitnahe Bearbeitung aller meiner Anliegen.

Ein besonderer Dank gilt meiner Familie. Seit meiner Entscheidung, das Studium in Graz zu absolvieren, habt ihr mich immer vollends unterstützt. Eure motivierende Art hat mir sehr geholfen, das Studium und diesen besonderen Lebensabschnitt zu meistern.

Ein weiterer Dank gilt meinem Freund Thomas, der mich während der gesamten Studienzeit unterstützt, aufgebaut und immer wieder motiviert hat. Vielen Dank für deine Liebe, deine Geduld und dein Verständnis für mich.

„Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“

(3)

Kurzzusammenfassung

Diabetes mellitus Typ 2 (DMT2), eine weltweit auftretende Volkskrankheit, ist eine chronische, heterogene Stoffwechselerkrankung. Dieser liegt eine Kombination aus einer Insulinresistenz und einer Insulinsekretionsstörung, infolge einer ß-Zelldysfunktion, zugrunde. Die Folge ist eine dauerhafte Hyperglykämie. Der Entstehung des DMT2 liegt ein Zusammenspiel von Genetik-, Umwelt- und Lebensstilfaktoren zugrunde. In den letzten 50 Jahren kam es zu einer drastischen Lebensstiländerung mit Bewegungsmangel und Überernährung. Daraus resultiert eine global zunehmende Prävalenz des DMT2.

DMT2 ist durch eine patient_innenzentrierte und adäquate Therapie gut behandelbar. Die nichtmedikamentöse Therapie beinhaltet lebensstilmodifizierende Maßnahmen und wird bei unzureichendem Therapieerfolg durch eine medikamentöse Therapie erweitert. Es existiert eine Vielzahl an Antidiabetika mit unterschiedlichen Wirkungen und differenten Nutzen-Risiko-Profilen.

Chronische Hyperglykämie führt zu Komplikationen mit Schädigungen des Gefäßsystems, die in Mikro- und Makroangiopathien unterteilt werden.

Kardiovaskuläre Erkrankungen, die für die hohe Morbidität und Mortalität des DMT2 verantwortlich sind, stellen klinische Manifestationen einer Makroangiopathie dar. Daher scheint ein Therapiekonzept, das neben der Glucosesenkung die kardiovaskuläre Risikoreduktion im Fokus hat, als folgerichtig.

Im Rahmen dieser Diplomarbeit wird mittels Literaturrecherche der aktuelle Stellenwert der GLP-1-Rezeptoragonisten eingeordnet. GLP-1-Rezeptoragonisten haben aufgrund ihres mannigfaltigen Wirkungsprofils im letzten Jahrzehnt in der DMT2-Therapie stark an Bedeutung gewonnen. Das zunehmende Interesse ist darauf zurückzuführen, dass diese Substanzklasse zusätzlich zur antihyperglykämischen Wirkkomponente in Studien günstige kardiovaskuläre Wirkungen zeigt. In aktualisierten Therapieleitlinien internationaler Fachgesellschaften ist diese Bedeutung bereits miteinbezogen.

(4)

Abstract

Diabetes mellitus type 2 (DMT2), a widespread disease that occurs worldwide, is a chronic, heterogeneous metabolic disease. DMT2 is based on a combination of an insulin resistance and an insulin secretion disorder due to ß-cell dysfunction. The result is permanent hyperglycaemia. The development of DMT2 is based on a combination of genetics, environment and lifestyle factors. In the last 50 years there has been a drastic change in lifestyle with overeating and a lack of exercise. This results in a global increasing prevalence of DMT2.

DMT2 is well treatable with patient-centered and appropriate therapy. Non-drug therapy includes lifestyle-modifying measures and, if the therapy is unsuccessful, is expanded to include drug therapy.

There is a various number of antidiabetic drugs with different effects and different benefit risk profiles.

Chronic hyperglycemia leads to complications with damage to the vascular system, which are divided into microangiopathies and macroangiopathies.

Cardiovascular diseases, which are responsible for the high morbidity and mortality of DMT2, are clinical manifestations of macroangiopathy. Therefore, a treatment concept that, in addition to lowering blood glucose, focuses on reducing cardiovascular risk seems logical.

In the context of this diploma thesis, the current state of the GLP-1 receptor agonists is classified based on literature research. GLP-1 receptor agonists have gained great importance in the DMT2 therapy over the past decade due to their diverse profile of efficacy. Due to the fact that this class of substances shows beneficial cardiovascular effects in studies in addition to the antihyperglycemic component it becomes of greater interest. This meaning is already included in updated therapy guidelines of international specialist societies.

(5)

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 1

2 Aufbau und Funktion des Pankreas (Bauchspeicheldrüse) ... 3

2.1 Anatomie des Pankreas ... 3

2.2 Funktionen des Pankreas ... 4

2.3 Insulin ... 6

2.3.1 Insulinsekretion ... 7

2.3.2 Wirkungsmechanismen von Insulin ... 9

2.3.3 Wirkungen von Insulin ... 10

2.4 Glucagon ... 12

2.5 Inkretinhormone ... 13

2.5.1 Glucoseabhängiges insulinotropes Peptid (GIP) ... 13

2.5.2 Glucagon-ähnliches Peptid 1 (GLP-1) ... 15

3 Theoretische Grundlagen des Diabetes mellitus Typ 2 ... 20

3.1 Klassifikationen von Diabetes mellitus ... 20

3.1.1 Diabetes mellitus Typ 1 ... 20

3.1.2 Diabetes mellitus Typ 2 ... 21

3.1.3 Gestationsdiabetes ... 24

3.1.4 Weitere spezifische Diabetesformen ... 25

3.2 Diagnostik des Diabetes mellitus ... 26

3.2.1 HbA1c ... 26

3.2.2 Oraler Glucosetoleranztest (oGTT) ... 28

3.3 Risikofaktoren des Diabetes mellitus Typ 2... 28

3.3.1 Beeinflussbare Risikofaktoren ... 29

3.3.2 Nicht beeinflussbare Risikofaktoren ... 31

3.4 Pathogenese des Diabetes mellitus Typ 2 ... 31

3.5 Komplikationen des Diabetes mellitus ... 35

3.5.1 Makroangiopathie (Arteriosklerose) ... 39

4 Therapiekonzepte des Diabetes mellitus Typ 2 ... 45

4.1 Medikamentöse Therapie ... 45

4.1.1 GLP-1-Rezeptoragonisten ... 50

4.1.2 Stufentherapie des Diabetes mellitus Typ 2... 57

4.2 Nichtmedikamentöse Therapie ... 62

5 Studien und Ausblick der GLP-1-Rezeptoragonisten ... 66

5.1 Kardiovaskuläre Endpunktstudien mit GLP-1-Rezeptoragonisten ... 66

5.1.1 Zusammenfassung der kardiovaskulären Endpunktstudien ... 70

(6)

5.2 Aktuelle Entwicklungen ... 73

6 Ausblick der Therapie mit GLP-1-Rezeptoragonisten ... 75

7 Zusammenfassung ... 78

Abbildungsverzeichnis ... 79

Tabellenverzeichnis ... 79

Literaturverzeichnis ... 80

Anhang ... 95

(7)

1

1 Einleitung

Diabetes mellitus umfasst eine Gruppe verschiedener Störungen des Glucosestoffwechsels. Es wird zwischen zwei häufigen Formen des Diabetes mellitus unterschieden. Zum einen Diabetes mellitus Typ 1 (DMT1) und zum anderen Diabetets mellitus Typ 2 (DMT2). DMT1 betrifft den deutlich geringeren Anteil der Diabetiker_innen und beruht auf einer Fehlfunktion des körpereigenen Immunsystems. DMT2 ist häufig mit Adipositas assoziiert. Die westliche Lebensweise mit ihrem Teufelskreis aus Bewegungsmangel und Überernährung sind hauptsächlich für die Entstehung dieser Diabetesform verantwortlich. Von DMT2 sind über 90 % der Diabetiker_innen betroffen [1]. Im Gegensatz zu DMT1, der eine Autoimmunerkrankung ist, ist DMT2 daher in den meisten Fällen eine vermeidbare Erkrankung. Diese Arbeit fokussiert sich auf DMT2.

Die Bezeichnung Diabetes kommt aus dem Griechischen und bedeutet durchfließen, der lateinische Begriff mellitus steht für honigsüß. Im Rahmen der Erkrankung kommt es bedingt durch eine dauerhafte Hyperglykämie zu einer vermehrten Ausscheidung von glucosehaltigem Urin, weshalb sich die Wortherkunft in der Bezeichnung honigsüßer Durchfluss zusammenfassen lässt.

Die Industrialisierung führt einerseits zu einer Verminderung der körperlichen Betätigung in Beruf und Freizeit und ermöglicht andererseits einem zunehmend großen Bevölkerungsanteil den nahezu uneingeschränkten Zugang zu energiereicher Kost. Die Folge ist ein Anstieg der Prävalenz des DMT2, der sich den wissenschaftlichen Prognosen zufolge fortsetzen wird [2]. Die zunehmende Prävalenz des DMT2 in Kombination mit den Diabetes-assoziierten Komplikationen führen neben dem Einzelschicksal der Betroffenen auch zu einer enormen gesundheitspolitischen und gesellschaftlichen Problematik. Im Jahr 2017 lagen die Kosten für die Therapie des Diabetes mellitus nach Schätzungen der Amerikanischen Diabetes Assoziation (ADA) zufolge in den Vereinigten Staaten bei 237 Billionen Dollar [3].

Nach Angaben der Internationalen Diabetes Föderation (IDF) kam es im Jahr 2019 zu etwa 4,2 Millionen Todesfällen durch Diabetes mellitus beziehungsweise durch seine Komplikationen. Die Zahl der Erkrankten hat sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdreifacht [2]. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Diabetes mellitus in die Liste der zehn häufigsten Todesursachen aufgenommen.

Im Jahr 2019 lag die Zahl der Erkrankten bei 463 Millionen und wird Schätzungen zufolge bis 2045 auf 700 Millionen ansteigen. Die Dunkelziffer liegt vermutlich höher, da die Erkrankung lange Zeit symptomlos verläuft. 240,1 Millionen Männer und 222,9 Millionen Frauen sind nach Angaben der IDF im Jahr 2019 an Diabetes mellitus erkrankt. Der geschlechterspezifische Unterschied ist demnach nicht signifikant [2].

Ein unbehandelter DMT2 ist mit Komplikationen verbunden, die vor allem das kardiovaskuläre System betreffen und letal sein können. Daher rücken zunehmend Antidiabetika, die neben einer glucosesenkenden Wirkung günstige kardiovaskuläre Effekte aufweisen, in den Fokus der DMT2-Therapie.

Durch die Etablierung eines multifaktoriellen Therapiekonzeptes gibt es einen Wandel in der DMT2-Therapie. Nachdem in den letzten Jahren die glucozentrische Sichtweise in der DMT2-Therapie immer mehr verlassen wurde, gewinnt die kardiovaskuläre Risikoreduktion zunehmend an Bedeutung.

GLP-1-Rezeptoragonisten erweisen sich hierbei als besonders vorteilhaft.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick über die aktuellen Therapiekonzepte des DMT2 zu geben und eine persönliche Beurteilung der GLP-1-Rezeptoragonisten, basierend auf Studienergebnissen, abzugeben. Unter Zuhilfenahme eines Experteninterviews soll der aktuelle Stellenwert sowie die Zukunftsaussichten dieser Substanzklasse herausgestellt werden.

(8)

2 DMT2 ist auf dem Weg die Volkskrankheit Nummer Eins zu werden, was eine wesentliche Motivation für die Abfassung dieser Diplomarbeit ist.

(9)

3

2 Aufbau und Funktion des Pankreas (Bauchspeicheldrüse)

Zum besseren Verständnis der pathophysiologischen Vorgänge des DMT2 wird im Folgenden auf die Anatomie und die Funktion des Pankreas (Bauchspeicheldrüse) eingegangen. Als exkretorische Drüse ist das Pankreas im menschlichen Körper für die Produktion wichtiger Hormone und Enzyme verantwortlich.

2.1 Anatomie des Pankreas

Das Pankreas (Bauchspeicheldrüse, Abb. 1) liegt sekundär retroperitoneal im Oberbauch hinter dem Magen und ist etwa 70 bis 80 g schwer. Es handelt sich um ein keilförmiges Organ mit einer Länge von etwa 13 bis 18 cm, das sich auf Höhe der ersten beiden Lendenwirbel an der hinteren Bauchwand befindet.

Der Ductus pancreaticus, der auch als Wirsung-Gang bezeichnet wird, ist ein Ausführungsgang mit einem Durchmesser von zwei Millimetern, der das gesamte Organ durchzieht. Dieser bildet den Transportweg für den im Pankreas gebildeten Verdauungssaft und mündet meist gemeinsam mit dem Ductus choledochus in das Duodenum. Die Oberfläche des Pankreas ist von einer dünnen Bindegewebskapsel, der Capsula fibrosa, umgeben, die die Oberfläche des Organs in makroskopisch sichtbare Läppchen unterteilt [4].

Abb. 1 Anatomie des Pankreas, modifiziert nach [5]

Makroskopisch lässt sich das Pankreas in drei Abschnitte unterteilen. Den dicksten Teil macht der Caput pancreatis (Pankreaskopf) aus. Der Corpus pancreatis (Pankreaskörper) hat im Vergleich dazu eine schmalere Form und überquert in Höhe des ersten und zweiten Lendenwirbelkörpers die Wirbelsäule. Mit dem Cauda pancreatis (Pankreasschwanz) erstreckt sich das Organ bis zum Milzhilus.

(10)

4 Die arterielle Blutversorgung verläuft über Arterien, die zu einer Pankreasarkade zusammengefasst werden. Diese setzt sich aus der Arteriae pancreaticoduodenales superiores anterior und posterior sowie der Arteria pancreaticoduodenalis inferior, aus der Arteria mesenterica superior stammend, zusammen.

Die Venae pancreaticae sind kleine Venen, über die der venöse Abfluss des Blutes aus dem Corpus und der Cauda pancreatis erfolgt. Sie gehen über in die Vena splenica und münden in der Pfortader. Das venöse Blut des Caput pancreatis fließt über die Venae pancreaticoduodenales in die Vena mesenterica superior und gelangt dann in die Pfortader.

Die sympathische Versorgung erfolgt mit Fasern, die aus dem Ganglion coeliacum stammen. Die parasympathische Innervation wird von Fasern aus den Rami coeliaci des Nervus vagus übernommen. Die Sekretionsleistung des exokrinen Abschnitts des Pankreas wird zusätzlich durch die autonome Innervation, durch den Nervus vagus, gesteuert [4].

2.2 Funktionen des Pankreas

Das Pankreas vereinigt in sich zwei morphologisch und funktionell unterschiedliche Anteile. Die exokrinen Abschnitte sind für die Produktion eines alkalischen Verdauungssaftes zuständig. In das Gewebe sind endokrin tätige inselartige Zellverbände, die Langerhans-Inseln, eingelagert. Die Regulation des Glucosestoffwechsels erfolgt in diesen endokrinen Zellverbänden. Darin findet unter anderem die Produktion der glucoseregulierenden Hormone Insulin und Glucagon statt.

Exokrine Pankreasfunktion

Die Hauptmasse des Organs macht das exokrine Drüsengewebe aus, das als rein seröse Drüse für die Sezernierung eines Verdauungssaftes verantwortlich ist. Täglich werden 1,5 bis 2,0 l eines alkalischen Verdauungssaftes gebildet und über den Ductus pancreatis in das Duodenum abgegeben.

Mehrere hundert beerenförmig zusammengesetzte Azinuszellen (Drüsenendstücke) bilden die charakteristische Läppchenstruktur. Die Azinuszellen weisen eine Höhe von 10 bis 20 µm auf und enthalten am apikalen Zytoplasma eine Vielzahl sekretorischer Granula. An den Azinuszellen bilden die langen Schaltstücke den Zugang in die Drüsenendstücke. Im Querschnitt sind die zentroazinären Zellen erkennbar (Abb. 2).

Abb. 2 Schema vom Azinus und den zentroazinären Zellen, modifiziert nach [6]

(11)

5 Bei Stimulation der Azinuszellen werden die darin enthaltenen inaktiven Vorstufen von Enzymen exozytotisch freigesetzt und über den Ductus pancreaticus in das Duodenum transportiert [4].

Der Verdauungssaft enthält zum größten Teil Wasser [6]. Verdauungsenzyme, die 90 % der gesamten Proteinmenge des Pankreassaftes ausmachen unterscheiden sich in ihrem Aktivierungszustand. Sie sind für die Spaltung von Lipiden, Kohlenhydraten und Proteinen zuständig.

Die Glykosidase α-Amylase ist ein kohlenhydratspaltendes Enzym, das bereits in aktiver Form im Verdauungssaft vorliegt. Die Nukleasen Ribonuklease und Desoxyribonuklease spalten Phosphodiesterbindungen in der Ribonukleinsäure beziehungsweise Desoxyribonukleinsäure.

Die Endopeptidasen Trypsin, Chymotrypsin und Elastase sind eiweißspaltende Enzyme, die aus ihrem Proenzym freigesetzt werden. Trypsinogen wird zunächst im Darm in Form einer limitierten Proteolyse durch eine Enteropeptidase des Bürstensaums des Duodenums in Trypsin umgewandelt. Trypsin führt autokatalytisch zur Aktivierung anderer Proteasen. Weitere eiweißspaltende Enzyme sind die Carboxypeptidasen A und B sowie Aminopeptidasen, die zu den Exopeptidasen zählen und ebenfalls in Form inaktiver Vorstufen sezerniert werden.

Zu den lipidspaltenden Enzymen werden die Lipase und die Phospholipase A gezählt. Dabei liegt die Lipase bereits in aktiver Form vor, wohingegen die Phospholipase A zunächst im Duodenum aktiviert werden muss.

Neben den Verdauungsenzymen enthält der blutisotone Verdauungssaft diverse Elektrolyte. Aufgrund des hohen Hydrogencarbonatgehalts liegt der pH-Wert des Verdauungssaftes des Pankreas bei 8,2. Erst die Neutralisierung des sauren Chymus durch den basischen Pankreassaft führt zur Aktivierung der Pankreasenzyme.

Der Nervus vagus, Cholecystokinin und Sekretin haben eine stimulierende Wirkung auf die Freisetzung der Enzyme [7].

Endokrine Pankreasfunktion

Das endokrine Drüsengewebe des Pankreas macht einen Anteil von etwa zwei bis drei Prozent der Organmasse aus und ist für die Produktion von Hormonen verantwortlich, die teilweise glucoseregulierende Wirkungen haben. Die Bezeichnung Langerhans-Inseln rührt daher, dass die endokrinen Zellen inselförmige Zellaggregate mit einem Durchmesser von 0,1 bis 0,5 mm im exokrinen Drüsengewebe bilden. 1869 entdeckte Paul Langerhans die nach ihm benannten Zellgruppen [8]. Die Langerhans-Inseln setzen sich jeweils aus etwa 3000 hormonproduzierenden Zellen zusammen, die untereinander durch Gap Junctions verbunden sind. Ein Erwachsener besitzt etwa eine Millionen Langerhans-Inseln und die Gesamtheit dieser Zellaggregate wird als Inselorgan bezeichnet.

Die Langerhans-Inseln sind in der Cauda pancreatis am dichtesten gesät [6, 9].

Das Inselorgan ist in Fettgewebe und den exokrinen Abschnitten des Pankreas eingebettet (Abb. 3). Die verschiedenen Zelltypen der Langerhans-Inseln lassen sich mittels immunhistochemischem Nachweis sowie Färbemethoden voneinander unterscheiden. Sie sind der Produktionsort unterschiedlicher Hormone, die teilweise den Glucosestoffwechsel beeinflussen.

Den Hauptanteil des Inselorgans machen mit etwa 70 % der Inselzellen ß-Zellen (B-Zellen, Abb. 3) aus.

Diese sind gleichmäßig über eine Insel verteilt und produzieren das Peptidhormon Insulin.

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6 α-Zellen (A-Zellen), die etwa 20 % der Zellmasse des Inselorgans ausmachen, befinden sich meist in der Inselperipherie. Sie sind zuständig für die Produktion des Peptidhormons Glucagon, ein funktioneller Insulinantagonist.

Somatostatin wird in δ-Zellen (D-Zellen) gebildet, die mit A-Zellen in der Inselperipherie liegen. Dieser Zelltyp kommt mit einem Anteil von fünf Prozent der Inselzellen deutlich seltener vor.

PP-Zellen machen ebenfalls einen geringen Anteil (5 %) des Inselorgans aus. Sie produzieren das Pankreatische Peptid, das die exokrine Pankreassekretion und die Motilität der Gallenblase hemmen sowie die Dünndarmmotilität steigern soll. Das Pankreatische Peptid wird zusätzlich von enteroendokrinen Zellen im Magen-Darm-Trakt gebildet. Die Langerhans-Inseln sind von einem dichten Kapillarnetz umringt. Zusätzlich kommen im Inselorgan Ghrelin-enthaltene Epsilon-Zellen mit einem Anteil von ein Prozent vor. Ghrelin wird eine hemmende Wirkung auf die Insulinsekretion zugeschrieben [4, 6, 7].

2.3 Insulin

Für das Grundverständnis der pathophysiologischen Vorgänge des DMT2 sind die Kenntnisse des molekularen Aufbaus und der damit verbundenen Wirkungen von Insulin von großer Bedeutung. Neben dem molekularen Aufbau, der Biosynthese und der Insulinsekretion wird in diesem Kapitel auf die Wirkungsmechanismen und die Wirkungen von Insulin eingegangen.

Molekularer Aufbau des Insulins

Insulin ist ein lebensnotwendiges, wachstumsförderndes, anaboles Hormon, das in den ß-Zellen der Langerhans-Inseln des Pankreas gebildet wird. Das Hormon wurde 1921 von Banting und Best entdeckt.

Abb. 3 Histologische Darstellung der Langerhans-Inseln, modifiziert nach [5]

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7 Auf molekularer Ebene handelt es sich um ein Polypeptid aus 51 Aminosäuren mit einem Molekulargewicht von etwa 5800 Dalton. Wie in Abb. 4 schematisch dargestellt, setzt sich Insulin aus zwei Peptidketten zusammen, die durch zwei Disulfidbrücken miteinander verbunden sind. Die A-Kette wird zusätzlich an zwei Aminosäureresten (Cystein) durch eine Disulfidbrücke stabilisiert. Die A-Kette besteht aus 21 und die B-Kette aus 30 Aminosäureresten. Das Hormon hat eine kurze Plasma-Halbwertszeit (HWZ) von etwa fünf Minuten und wird in der Leber und in den Nieren abgebaut [7].

Abb. 4 Aminosäuresequenz des Polypeptids Insulin mit A- und B-Kette, modifiziert nach [10]

Biosynthese des Insulins

Das Insulingen befindet sich im kurzen Arm auf Chromosom 11 [11].

In den pankreatischen ß-Zellen wird zunächst die inaktive Vorstufe Prä-Pro-Insulin synthetisiert. Am N-terminalen Ende liegt ein lipophiles Signalpeptid mit 24 Aminosäuren, das für den Transport des Prä-Pro-Insulins in das raue Endoplasmatische Retikulum (RER) verantwortlich ist. Die Abspaltung des Signalpeptids führt zur Umwandlung in Proinsulin, die eigentliche Vorstufe des Insulins. Im Golgi-Apparat und in den sekretorischen Granula führt die proteolytische Abspaltung des C-Peptids zur Bildung des Insulinmoleküls. In den Sekretgranula wird das aktive Hormon als Hexamer an Zinkionen gespeichert. In einem Insulinhexamer sind sechs Insulineinheiten an ein Zinkion gebunden. Kristallines Insulin weist eine höhere Stabilität auf. Bei Bedarf wird Insulin exozytotisch in die Blutbahn freigesetzt und das C-Peptid wird in äquimolaren Mengen sezerniert [12].

2.3.1 Insulinsekretion

Ein Anstieg der Blutglucosekonzentration stellt den stärksten Reiz für die Insulinsekretion dar. Die Insulinsekretion wird in einer mehrstufigen Signalkaskade ausgelöst. Glucose gelangt über einen Insulin-unabhängigen Transport in die ß-Zelle des Pankreas (Abb. 5). Dieser erfolgt über Glucosetransporter (GLUT, Glut1/Glut2). Anschließend erfolgt mittels der Glucokinase die Umwandlung zu Glucose-6-Phosphat, das in das Mitochondrium wandert. Es kommt zu einer vermehrten

(14)

8 Glucoseoxidation, bei der es zu einer Abnahme des Adenosindiphosphat (ADP)-Spiegels und einer Zunahme des Adenosintriphosphat (ATP)-Spiegels kommt.

Daraufhin schließen ATP-gesteuerte Kaliumionenkanäle (KATP--Kanal). Der Kaliumionenausstrom (K+) aus der ß-Zelle sinkt und aufgrund einer veränderten Ionenverteilung kommt es zur Depolarisation des Membranruhepotentials.

Die folgende Aktivierung spannungsabhängiger Calciumionenkanäle resultiert in einem Calciumioneneinstrom (Ca2+) in die ß-Zelle. Neben L-Typ Calciumionenkanälen werden dabei P- und Q-Typ Calciumionenkanäle, die hauptsächlich neuronal vorkommen, aktiviert. Der Anstieg der intrazellulären Calciumionenkonzentration ist der eigentliche Auslöser der Insulinsekretion. Dieser bewirkt die Verschmelzung der insulinhaltigen Vesikel (Insulingranula) mit der Zellmembran und führt zu einer exozytotischen Insulinfreisetzung (Exozytose) in den Extrazellularraum (EZR). Eine Gruppe von oralen Antidiabetika (OAD), auf die genauer in Kapitel 4.1 eingegangen wird, bindet spezifisch an die Sulfonylharnstoff-Rezeptor (SUR1/Kir6,2)-Untereinheit des ATP-gesteuerten Kaliumionenkanals [7].

Neben einem Anstieg des Blutglucosespiegels gibt es weitere Mediatoren der pankreatischen Insulinsekretion. Die Insulinsekretion unterliegt einer vegetativen Innervation. Der Nervus vagus wirkt aktivierend auf die Insulinsekretion. Die Bindung von Acetylcholin an den Gs-gekoppelten M3-Rezeptor führt zur Freisetzung von intrazellulären Calciumionen. Sympathische Impulse wirken durch die Interaktion mit Gi-gekoppelten α2-Rezeptoren stark hemmend auf die Insulinsekretion. Der Sympathikus, mit seinem Neurotransmitter Adrenalin, hat über die Interaktion mit Gs-gekoppelten ß2-Rezeptoren auch eine schwach stimulierende Wirkung auf die Insulinsekretion.

Abb. 5 Glucose-stimulierte Insulinsekretion in der pankreatischen ß-Zelle, modifiziert nach [12]

(15)

9 Eine Erhöhung der Plasmakonzentration von Aminosäuren, wie beispielsweise Lysin und Arginin, stellen einen weiteren Reiz der Insulinausschüttung dar. Ein Konzentrationsanstieg von Fettsäuren stimuliert ebenfalls die Insulinsekretion. Die Aktivierung des G-Protein gekoppelten Rezeptors (GPCR) GPR40-Rezeptor führt zur Freisetzung von intrazellulären Calciumionen, sodass die Insulinsekretion gesteigert wird.

Die Inkretinhormone Glucagon-ähnliches Peptid 1 (glucagon-like peptide 1, GLP-1) und Glucose-abhängiges insulinotropes Peptid (glucosedependent insulinotropes polypeptide, GIP) werden nach der Nahrungseinnahme von spezialisierten Zellen der Dünndarmschleimhaut freigesetzt. Wie in Abb. 5 erkennbar, führt die Aktivierung des Gs-gekoppelten GLP-1-Rezeptors zu einem Anstieg der cyclischen Adenosinmonophosphat (cAMP)-Konzentration. Dieser aktiviert die Proteinkinase A (PKA) und führt zu einer erhöhten intrazellulären Calciumionenkonzentration, die folglich eine verstärkte Insulinsekretion bewirkt.

Glucagon führt zu einer direkten Stimulierung der Insulinsekretion. Langfristige Hemmstoffe der Insulinsekretion sind Somatostatin, Somatropin und Leptin. Die Aktivierung Gi-gekoppelter Rezeptoren resultiert in einer verminderten Insulinsekretion [7, 10].

2.3.2 Wirkungsmechanismen von Insulin

Die Wirkungen von Insulin auf die unterschiedlichen Zielgewebe werden, wie in Abb. 6 schematisch dargestellt, über mehrstufige Signalkaskaden vermittelt.

Abb. 6 Insulinbindung an den Insulinrezeptor und anschließende Signaltransduktionskaskade, modifiziert nach [12]

(16)

10 Der Insulinrezeptor, eine membranständige Rezeptor-Tyrosinkinase (520 kD), ist ein Heterotetramer aus zwei extrazellulär lokalisierten α-Untereinheiten und zwei transmembranären ß-Untereinheiten, die über Disulfidbrücken miteinander verbunden sind. Die Tyrosinkinasedomänen befinden sich im intrazellulären Teil in den ß-Untereinheiten.

Die Bindung von Insulin an den extrazellulären Bereich seines Rezeptors hat eine Konformationsänderung der ß-Untereinheiten zur Folge, sodass die Tyrosinkinasedomänen aktiviert werden. Wie in Abb. 6 schematisch dargestellt, kommt es zu einer Autophosphorylierung (P) der Tyrosinreste in den ß-Untereinheiten. Der Insulinrezeptor erlangt erst durch diesen Phosphorylierungsschritt den Zustand einer aktiven Tyrosinkinase. Die phosphorylierten Tyrosinreste (P) dienen den Insulinrezeptorsubstraten (IRS-1, IRS-2) als Bindungsstellen. Die Bindung der IRS führt zu einer Phosphorylierung der Tyrosinreste der IRS-Proteine. Die Dephosphorylierung des Insulinrezeptors sowie des IRS-1 durch spezifische Phosphotyrosin-Phosphatasen (PTP) führt zu einer verminderten Insulinwirkung.

Im phosphorylierten Zustand dienen IRS-1 und IRS-2 als Andockstellen für weitere Proteine und leiten die Signaltransduktionskaskade fort. Die Bindung des Adapterproteins Grb2 an das IRS-1 führt zur Anlagerung des Guaninnukleotid-Austauschfaktors Son of sevenless (Sos). Es resultiert die Aktivierung des Guaninnukleotid-bindenden Proteins Rat sarcoma (Ras). Auf diesem Weg wird die Mitogen aktivierte Protein-Kinase (mitogen-activated protein kinase, MAPK)-Kaskade ausgelöst. Insulin hat über diesen Signaltransduktionsweg einen Einfluss auf das Wachstum und die Differenzierung von Zellen sowie auf die Expression von Genen, die an zellulären Wachstumsvorgängen beteiligt sind und wichtige Funktionen im Intermediärstoffwechsel erfüllen.

Änderungen des Kohlenhydrat-, Lipid- und Eiweißstoffwechsels bewirkt Insulin über eine weitere Signalkaskade. Neben IRS-1 wird IRS-2 phosphoryliert, das eine Andockstelle für die Phophatidylinositol-3-Kinase (PI3K) darstellt. Phospholipid-Substrate aus der Plasmamembran werden durch diese Kinase in Phosphatidylinositol-3,4,5-triphosphat (PIP3) transferiert. Die folgende Aktivierung der Phosphoinositide-dependent kinase (PDK) hat die Phosphorylierung und somit die Aktivierung der Proteinkinasen B und C (PKB, PKC) zur Folge [12].

Die Serin-/Threoninkinase Akt entspricht der PKB und stellt einen zentralen Vermittler der zellulären Effekte von Insulin dar [10]. Die aktivierte PKB kann unterschiedliche Substrate durch Phosphorylierungen in ihrer Wirkung aktivieren oder inaktivieren. PKB hat Einfluss auf den Glucosestoffwechsel, indem es die Expression von GLUT erhöht.

Unter dem Einfluss der PKB erfolgt die Translokation zytosolischer Vesikel an die Plasmamembran. Diese tragen an ihrer Membran den GLUT 4. Bei GLUT handelt es sich um Polypeptide mit mehr als 500 Aminosäuren, wobei bislang zehn unterschiedliche Transporter identifiziert wurden (GLUT 1 bis GLUT 10). Der Glucosetransport erfolgt über eine erleichterte Diffusion, die einen passiven Stofftransport darstellt [13].

2.3.3 Wirkungen von Insulin

Im menschlichen Körper besitzt Insulin essentielle Wirkungen im Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsel. In einigen Geweben steigert Insulin als anaboles Hormon die Aufnahme von Glucose, freien Fettsäuren und Aminosäuren und führt zur Umwandlung in ihre Speicherformen. Durch Aktivierung der Natrium/Kalium-ATPase (Na+/K+-ATPase) und des Na+/2Cl-/K+-Symporters werden vermehrt Kaliumionen in die Zellen aufgenommen [7].

Auch der Abbau der energetischen Speicherformen wird gehemmt (Speicherhormon). Insgesamt haben alle Stoffwechselwirkungen von Insulin eine Senkung der Blutglucosekonzentration zur Folge. Nach

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11 exozytotischer Freisetzung aus ß-Zellen des Pankreas gelangt Insulin über das Pfortaderblut an seine Zielorgane. Im Plasma liegt das Hormon zum Großteil in freier Form vor, ein kleiner Teil ist an Globulin gebunden [14].

Insulin weist darüber hinaus eine zentrale Wirkungskomponente auf. Die Bindung an den Insulinrezeptor der NPY-Neurone im Nucleus arcuatus des Hypothalamus und die Verminderung der NPY-Produktion reduziert die Nahrungsaufnahme [12].

Die Leber, die Skelettmuskulatur und das Fettgewebe sind die zentralen Zielorgane des Hormons (Abb. 7).

Abb. 7 Wirkungen von Insulin auf seine Zielorgane, modifiziert nach [15]

Insulinwirkungen auf die Leber

Insulin führt nach einer vermehrten Glucoseaufnahme in die Hepatozyten durch Inhibition der Glykogensynthase-Kinase 3 (GSK-3) zu einer verstärkten Glykogensynthese. Zudem inhibiert Insulin infolge einer Hemmung der Glykogenphosphorylase die Glykogenolyse.

Durch Hemmung von Enzymen, die an der Gluconeogenese beteiligt sind, wird die Gluconeogenese vermindert. Parallel dazu kommt es zu einer Steigerung der Glykolyse [10].

Insulin weist infolge einer Hemmung der ß-Oxidation freier Fettsäuren eine antiketogene Wirkung auf [13]. Infolge der Speicherung von Fett in Form von Triglyzeriden sowie der Blockade deren Abbaus ergibt sich seine lipogene Wirkung. In geringerem Maße ist in der Leber die Proteinsynthese erhöht und die Proteolyse gehemmt [7].

Insulinwirkungen auf das Fettgewebe

Die Aktivierung plasmatischer Lipoproteinlipasen (LPL) führt zur Einschleusung freier Fettsäuren in die Adipozyten. Die Speicherung der Fettsäuren erfolgt in Form von Triglyzeriden. Zusätzlich nimmt die Triglyzeridbildung durch einen verstärkten Abbau von Glucose zu Acetyl-Coenzym A zu [9]. Parallel dazu

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12 wird die Lipolyse unter dem Einfluss von Insulin durch Aktivierung der Phosphodiesterase 3B (PDE3B) inhibiert.

Die Steigerung der Glucoseaufnahme in die Adipoyzten erfolgt durch einen vermehrten Einbau des GLUT 4 in die Plasmamembran. Glykogen ist hier die Speicherform [10].

Insulinwirkungen auf die Skelettmuskulatur

In den Skelettmuskelzellen kommt es unter dem Einfluss von Insulin zu einer Erhöhung der Glucoseaufnahme. Diese erfolgt nach demselben Mechanismus wie im Fettgewebe. Auch hier wird, wie in der Leber, Glykogen durch Stimulation der Glykogenese und Hemmung der Glykogenolyse angereichert.

Die Aufnahme von Aminosäuren (unter anderem Valin, Leucin, Isoleucin) wird stimuliert. Folglich kommt es zu einer Steigerung der Proteinbiosynthese. Zudem stimuliert Insulin die Translation der messenger RNA (mRNA) über die p70S6-Kinase und den Elongationsfaktor 4, sodass mehr Proteine gebildet werden können [10].

Neben der anabolen Wirkung hat Insulin infolge einer Unterdrückung der Ausschleusung von Aminosäuren (Ausnahme: Alanin) sowie einer Inhibition der Proteolyse eine antikatabole Wirkungskomponente [13].

2.4 Glucagon

Das in den α-Zellen der Langerhans-Inseln produzierte Hormon Glucagon ist ein einkettiges Polypeptid aus 29 Aminosäuren. Das Molekulargewicht beträgt 3500 Da. Glucagon liegt in Sekretgranula gespeichert vor. Die Plasma-HWZ liegt bei wenigen Minuten, da es rasch in den Nieren, der Leber und im Blut durch Hydrolyse inaktiviert wird.

Glucagon stellt in Bezug auf die glucoseregulierende Wirkung und auch in weiteren Stoffwechselprozessen einen funktionellen Antagonisten von Insulin dar. Es steigert, bei Hypoglykämie und einem gesteigerten Energiebedarf, die Mobilisierung der Energiereserven des Körpers. Der stärkste Reiz für die Freisetzung von Glucagon ist eine Senkung des Blutglucosespiegels (Hypoglykämie), die beispielsweise durch Hungern oder starke körperliche Arbeit auftreten kann. Auch die Reizung des Nervus vagus stimuliert die Glucagonsekretion. Dagegen wirken Hyperglykämie, α-Adrenozeptor-Agonisten, Insulin, Inkretinhormone und Somatostatin hemmend auf die Glucagonsekretion.

Das Hormon interagiert mit einem membranständigen GPCR, dessen Aktivierung eine Signalkaskade auslöst. Die Ligandenbindung führt zur Aktivierung der Adenylatcyclase (AC), woraufhin die Konzentration des sekundären Botenstoffs cAMP steigt. Die PKA wird aktiviert und bewirkt, je nach Phosphorylierungsstatus, eine Aktivierung beziehungsweise Inhibition von Enzymen, die Einfluss auf den Stoffwechsel haben. In der Leber kommt es unter dem Einfluss von Glucagon zu einer Erhöhung der Glykogenolyse und einer Steigerung der Gluconeogenese aus Aminosäuren und Lactat. Die Folge ist ein Anstieg des Blutglucosespiegels. Im Lipidstoffwechsel bewirkt Glucagon die Steigerung der Fettsäureoxidation und die Bildung von Ketonkörpern in der Leber. Zudem kommt es zu einer Erhöhung der Lipolyse im Fettgewebe und in der Leber. Infolge einer erhöhten Proteolyse werden vermehrt Aminosäuren für die Gluconeogense bereitgestellt.

Aufgrund seiner glucosesteigernden Wirkung ist Glucagon bei hypoglykämischen Zuständen indiziert.

Zudem wird es zur Motilitäshemmung bei Gastrointestinaltrakt-Untersuchungen eingesetzt [9].

(19)

13

2.5 Inkretinhormone

Das Phänomen, dass bei gleichem Ausgangs-Blutglucosespiegel die orale Glucoseverabreichung im Vergleich zu einer intravenösen Injektion von Glucose eine deutlich höhere Insulinfreisetzung auslöst, wird als Inkretineffekt bezeichnet. Für diesen Effekt werden insbesondere zwei Inkretinhormone verantwortlich gemacht. Dabei handelt es sich um Glucose-abhängiges insulinotropes Peptid (glucosedependent insulinotropes polypeptide, GIP) und Glucagon-ähnliches Peptid 1 (glucagon- like peptide 1, GLP-1). Zunächst wurde mit der Entdeckung von GIP das erste Inkretinhormon identifiziert.

Aus der Beobachtung, dass der Inkretineffekt auch bei Fehlen dieses Hormons besteht, wurden weitere Peptide mit Inkretin-ähnlicher Aktivität gesucht [16]. Das Peptidhormon GLP-1 wurde über ein Jahrzehnt später entdeckt. Sowohl in präklinischen als auch in Humanstudien wird gezeigt, dass GLP-1 die Insulinsekretion glucoseabhängig stimuliert [17].

Beide Inkretinhormone werden binnen weniger Minuten als Reaktion auf die Nährstoffaufnahme aus dem Dünndarm freigesetzt und wirken unter anderem auf die Inselzellen des Pankreas. Sie haben eine bedeutende Funktion in der Glucosehomöostase. Über die Interaktion mit ihren jeweiligen Rezeptoren führen sie zu einer glucoseabhängigen Steigerung der Insulinsekretion und zu einer Hemmung der Glucagonfreisetzung aus den α-Zellen des Pankreas. Infolge der Förderung der ß-Zellproliferation sowie der Hemmung der Apoptose führen beide Inkretinhormone zu einer Zunahme der ß-Zellmasse [18, 19, 20]. Neben den Wirkungen auf das Pankreas üben Inkretinhormone darüber hinaus zahlreiche extrapankreatische Wirkungen, unter anderem auf die Muskulatur, das Gehirn, das Herz und das zentrale Nervensystem (ZNS), aus [21, 22, 23].

Inkretinhormone werden nach dem Abbau durch die Dipeptidylpeptidase-4 (DPP-4) rasch über die Nieren aus dem Blutkreislauf ausgeschieden [10].

In Studien mit Rezeptorantagonisten oder Gen-Knockout-Mäusen werden die physiologischen Wirkungen von endogenem GLP-1 und GIP auf die Glucosehomöostase untersucht. Im Jahr 1986 haben Nauck et al.

gezeigt, dass der Inkretineffekt bei Typ-2-Diabetiker_innen reduziert ist oder sogar fehlt [24].

Die positiven Effekte der Inkretinhormone auf den Glucosestoffwechsel, das kardiovaskuläre System und das Körpergewicht sind ausschlaggebend für die Entwicklung einer neuen Wirkstoffklasse, den GLP-1-Rezeptoragonisten. Diese Substanzklasse wird in Kapitel 4.1 detailliert beschrieben.

2.5.1 Glucoseabhängiges insulinotropes Peptid (GIP)

In den 1970er Jahren wurde das erste Inkretinhormon, das zunächst als Gastroinhibitorisches Peptid (gastric inhibitory polypeptide) bezeichnet wurde, entdeckt. Die ursprüngliche Bezeichnung stammt aus der Beobachtung, dass das Peptid die Magensäuresekretion bei Hunden hemmt. Später erkannte man, dass GIP stimulierend auf die Insulinsekretion bei Tieren und Menschen wirkt und erhielt daher die Bezeichnung Glucoseabhängiges insulinotropes Peptid (GIP) [25, 26, 27].

Die Sekretion des bioaktiven GIP (GIP1-42) erfolgt aus den K-Zellen des Epithels im oberen Dünndarm [12].

Die Nährstoffaufnahme stellt den stärksten physiologischen Reiz für die GIP-Sekretion dar.

GIP ist ein Substrat der DPP-4, die für den Abbau der Inkretinhormone verantwortlich ist. Innerhalb weniger Minuten nach der Sekretion aus den K-Zellen des Dünndarms wird GIP1-42 durch die DPP-4 in einen biologisch inaktiven Metaboliten umgewandelt [28].

Beim menschlichen GIP-Rezeptor handelt es sich um einen GPCR, der unter anderem im Fettgewebe, in ß-Zellen des Pankreas, im Herz und im Gehirn vorkommt [29].

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14 Abb. 8 gibt einen Überblick über die wichtigsten physiologischen Wirkungen von GIP.

Die Interaktion von GIP mit dem GIP-Rezeptor führt zur Aktivierung der AC, die daraufhin ATP in cAMP umwandelt. cAMP führt zur Aktivierung der PKA, die Kaliumionenkanäle infolge ihrer Phosphorylierung in einen geschlossenen Zustand versetzt. Die Kaliumionenpermeabilität sinkt und dies führt zur Depolarisierung des Membranruhepotentials. Wie bereits in Kapitel 2.3.1 beschrieben, kommt es Calciumionen-vermittelt zu einer glucoseabhängigen Insulinsekretion aus den ß-Zellen des Pankreas (Abb. 8). Diese ist die Hauptwirkung von GIP. Der MAPK-Signalweg, die PI3K und die PKB, die eine Rolle im Insulinsignalweg haben, werden durch GIP stimuliert [30]. GIP hat protektive Wirkungen auf die ß-Zellen [20]. Die stimulierende Wirkung des Inkretinhormons auf die ß-Zellproliferation und die antiapoptotischen Effekte erfolgen synergistisch mit Glucose [30].

Die Expression von GIP erfolgt zudem im ZNS. In mehreren Regionen des Gehirns (Abb. 8), unter anderem in der Großhirnrinde und im Hippocampus, sind GIP-Rezeptoren nachgewiesen [30]. In in-vivo Tierversuchen wird gezeigt, dass die exogene Verabreichung von GIP die Proliferation von Hippocampus-Vorläuferzellen bei Ratten stimuliert [21].

GIP ist darüber hinaus am Lipidstoffwechsel (Abb. 8) beteiligt. In isolierten Rattenadipozyten sowie in der etablierten Fettzelllinie 3T3-L1 werden funktionelle GIP-Rezeptoren exprimiert [31]. Nach Thondam et al.

hat GIP im menschlichen subkutanen Fettgewebe, aufgrund der erhöhten Ablagerung von Triglyzeriden sowie der gesteigerten Umesterungsreaktionen von nicht veresterten Fettsäuren anabole Wirkungen.

Infolge der Verstärkung des Insulin-stimulierten Umbaus von freien Fettsäuren in Triglyzeride fördert GIP die Lipogenese [32].

GIP hat zudem Wirkungen auf den Knochenstoffwechsel (Abb. 8). In Knochen und in Osteoblasten-ähnlichen Zelllinien werden GIP-Rezeptoren exprimiert. GIP führt zu einer Zunahme der Aktivität der Alkalischen Phosphatase und hat somit eine wichtige Funktion bei der Stimulierung der Knochenbildung [33]. Nach Nissen et al. reduziert GIP im Menschen die Knochenresorption [34].

Abb. 8 Wirkungen von GIP auf die verschiedenen Zielorgane und -gewebe, modifiziert nach [30]

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15 Exkurs über Glucosedependent insulonotropic polypeptide (GIP)

Das menschliche GIP-Rezeptorgen liegt auf Chromosom 19 [30].

Die GIP-mRNA und das GIP-Protein sind in α-Zellen der Langerhans-Inseln von Mäusen und Menschen nachgewiesen [35]. Sowohl bei Nagetieren als auch beim Menschen erfolgt die GIP-Genexpression im Magen und in den K-Zellen des Darms.

Abb. 9 Posttranslationale Prozessierung von ProGIP (A) ProGIP-Gen, (B) mRNA, (C) Protein, modifiziert nach [30]

Bioaktives, aus 42 Aminosäuren bestehendes GIP entsteht durch eine Prohormonkonvertase 1/3 (PC 1/3)-abhängige posttranslationale Prozessierung, aus dem 153 Aminosäuren langen Pro-GIP-Prohormon (Abb. 9). Dieses Prohormon kodiert neben GIP für ein Signalpeptid (S), ein N-terminales Peptid (N) und ein C-terminales Peptid (C) [30, 36].

2.5.2 Glucagon-ähnliches Peptid 1 (GLP-1)

Das zweite Inkretinhormon Glucagon-ähnliches Peptid 1 (GLP-1) wurde durch die Klonierung und Sequenzierung des Säugetier-Proglucagongens und der komplementären DNA (cDNA) detektiert [17, 30].

Wie in Abb. 10 schematisch dargestellt, ist bioaktives GLP-1 ein Peptidhormon aus 30 Aminosäuren.

Abb. 10 Aminosäuresequenz des humanen GLP-1 [37]

Das Inkretinhormon liegt in zwei biologisch aktiven Molekülformen, GLP-17-37 und GLP-17-36-Amid, vor [30]. Beide Formen sind in ihrer Funktion, die Insulinsekretion zu stimulieren, äquipotent [38]. Im menschlichen Plasma bildet GLP-17-36-Amid die Mehrheit des zirkulierenden GLP-1 [39].

Die Freisetzung des Inkretinhormons erfolgt aus enteroendokrinen L-Zellen, die vor allem im distalen Ileum und Kolon vorkommen [10]. Auch hierbei ist die Nährstoffaufnahme, insbesondere in Form einer

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16 fett- und kohlenhydratreichen Nahrung, ein starker Reiz für die GLP-1-Sekretion [40]. GLP-1 gilt als stärkster endokriner Stimulator der Insulinfreisetzung [13].

GLP-1 hat eine kurze HWZ von etwa zwei Minuten, da es in der zweiten Position der Aminosäuresequenz einen Alaninrest hat und kurz nach seiner Sekretion rasch durch die DPP-4 inaktiviert wird [12]. Infolge des Abbaus entsteht der Metabolit GLP-19-36-Amid oder GLP-19-37 [30, 41]. Am Abbau des Peptids sind möglicherweise weitere Endo- und Aminopeptidasen, wie die Neutrale Endopeptidase 24.11 (NEP-24.11), beteiligt [42]. Die Eliminierung von GLP-1 aus dem menschlichen Körper erfolgt über die Nieren [10].

GLP-1 interagiert mit dem GLP-1-Rezeptor, einem heptahelikalen GPCR. Der GLP-1-Rezeptor ist im menschlichen Körper weit verbreitet und wird unter anderem in den Langerhans-Inseln, in der Lunge, in den Nieren, im Herz, im Gastrointestinaltrakt und im peripheren sowie im zentralen Nervensystem exprimiert [30].

Aufgrund der breiten Verteilung des GLP-1-Rezeptors im menschlichen Körper, besitzt GLP-1 ein vielfältiges Wirkungsspektrum (Abb. 11).

Der insulinotrope Effekt von GLP-1 ist für die Hauptwirkung des Inkretinhormons verantwortlich. Die Interaktion mit dem GLP-1-Rezeptor führt, wie bei dem Inkretinhormon GIP, zur Aktivierung der AC, woraufhin die cAMP-Konzentration steigt und die PKA aktiviert wird. Infolge von Phosphorylierungen werden Kaliumionenkanäle geschlossen, was eine Depolarisation des Membranpotentials nach sich zieht.

Daraufhin kommt es zu einem Calciumioneneinstrom, der für die Exozytose der mit Insulin gefüllten Sekretgranula verantwortlich ist. Die Aktivierung des GLP-1-Rezeptors in den ß-Zellen des Pankreas (Abb. 11) resultiert in einer glucoseabhängigen Stimulation der Insulinsekretion. Darüber

Abb. 11 Wirkungen von GLP-1 auf verschiedene Zielorgane und -gewebe, modifiziert nach [30]

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17 hinaus hemmt GLP-1 die Glucagonsekretion aus den α-Zellen des Pankreas und führt dadurch zu einer Senkung des Blutglucosespiegels. Diese beiden Wirkungen sind verantwortlich für den antidiabetischen Effekt von GLP-1.

Infolge der Beeinflussung von Regulatoren, wie der Proteinkinase C (PKC), der PI3K, der extracellular-signal regulated kinases 1/2 (ERK1/2) und der AMP-aktivierten Proteinkinase (AMPK) durch GLP-1, ist das Inkretinhormon an komplexen zellulären Effekten beteiligt.

GLP-1 übt mehrere trophische Effekte auf das Pankreas (Abb. 11) aus, zu denen unter anderem die Stimulierung der ß-Zellproliferation und der ß-Zellneogenese sowie die Reduktion der Apoptose zählen.

Insgesamt führen diese Effekte zu einer Erhöhung der ß-Zellmasse. Ein Experiment mit humanen Inselzellen zeigt, dass GLP-1 die Apoptose in pankreatischen ß-Zellen vermindert, die zuvor durch erhöhte Glucose- und/oder Palmitatkonzentrationen induziert wurden [18]. Auch die Studienergebnisse von Hui et al. zeigen, dass GLP-1 antiapoptotische Wirkungen auf Insulin-sezernierende Zellen in Mäusen hat, die zuvor mit Wasserstoffperoxid (H2O2) behandelt wurden [19]. Tourrel et al. zeigen in ihrer Studie, dass GLP-1 die Neogenese von ß-Zellen in Ratten stimuliert [43]. Die Studienergebnisse von Perfetti et al.

ergeben, dass GLP-1 die Proliferation von pankreatischen Zellen sowie die Differenzierung von ß-Zellen bei Nagetieren stimuliert [44]. Die Stimulierung der Insulingenexpression durch GLP-1, infolge einer Erhöhung der Insulin-mRNA-Spiegel, kann zu einer Erhöhung der Insulinbiosynthese führen [17].

Da GLP-1 in zahlreichen weiteren Organen prozessiert wird und der GLP-1-Rezeptor im menschlichen Körper weit verbreitet ist, liegt die Vermutung nahe, dass GLP-1 neben seinen Wirkungen auf das Pankreas zahlreiche extrapankreatische Wirkungen aufweist.

Der GLP-1-Rezeptor ist im Magen (Abb. 11) lokalisiert. GLP-1 führt zu einer Hemmung der Magen- und Darmmotilität, und darüber zu einer verzögerten Magenentleerung. Über eine zentrale Wirkungskomponente im Gehirn (Area postrema), fördert GLP-1 das Sättigungsgefühl und hemmt den Appetit. Die Folge ist eine verringerte Nahrungsaufnahme mit Gewichtsverlust. Schmidtler et al. zeigen im Jahr 1994, dass die Belegzellen des Magens der Ratte mit hochaffinen GLP-1-Rezeptoren ausgestattet sind [45]. Daher ist es möglich, dass GLP-1 die Magensäuresekretion direkt reguliert. Drei Jahre später zeigen Wettergren et al., dass der Effekt von GLP-1 auf die Magensäuresekretion in vagotomisierten Menschen nicht vorhanden ist. Daher scheinen vagale Afferenzen, die sich zum ZNS erstrecken, für die GLP-1-Rezeptor-abhängige Kontrolle der Magensäuresekretion sowie der gastrointestinalen Motilität von Bedeutung zu sein [46].

Die Synthese von GLP-1 findet auch im ZNS, genauer im Gehirn, statt. Darauf sind verschiedene Wirkungen, wie metabolische, kardiovaskuläre und neuroprotektive Wirkungen, zurückzuführen.

GLP-1-Rezeptoren werden in Regionen des ZNS exprimiert, in denen das Essverhalten, die Magenmotilität, die Glucoseregulation sowie kardiovaskuläre Funktionen reguliert werden [30]. Die gewichtsreduzierende Wirkung von GLP-1 kann auf eine direkte Interaktion mit dem im Hypothalamus gelegenen GLP-1-Rezeptor vereinbart werden. In tierexperimentellen Beweisen werden neuronale Mechanismen für die GLP-1-induzierte Gewichtsreduktion verantwortlich gemacht [47]. Aus der Beobachtung, dass GLP-1-Rezeptoren im Hypothalamus, der an der Vermittlung des Sättigungsgefühls beteiligt ist, lokalisiert sind, sind Vagusinnervationen für die GLP-1-Rezeptor-abhängige Kontrolle der Magensäuresekretion und Magenmotilität von Bedeutung. In einem Experiment wird gezeigt, dass die intrazerebroventrikuläre Injektion sowie die periphere Verabreichung von GLP-1-Rezeptoragonisten die Nahrungsaufnahme bei Ratten reduziert [48].

In Tierversuchen ist die neuroprotektive Wirkung von GLP-1 nachgewiesen [49].

GLP-1 wirkt darüber hinaus am Herzen (Abb. 11), wobei direkte und indirekte kardiale Effekte unterschieden werden. Die günstigen kardialen Effekte von GLP-1, beziehungsweise dessen Mimetika,

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18 werden in verschiedenen klinischen Studien gezeigt. Der positive Effekt wird dabei in unterschiedlichen Modellen von Herzerkrankungen, wie dilatative Kardiomyopathie, Ischämie-Reperfusion oder Myokardinfarkt nachgewiesen. Dabei zeigt sich eine reduzierte Infarktgröße [50]. Die Studienergebnisse von Barragán et al. ergeben, dass die intravenöse Verabreichung von GLP-19-36-Amid in betäubten Ratten den arteriellen Blutdruck und die Herzfrequenz erhöht [23]. Hinsichtlich der zugrundeliegenden Wirkungsmechanismen bestehen unterschiedliche Ansichten. Die direkte Wirkung von GLP-1 auf die kardiale Glucoseaufnahme wird in Studien nachgewiesen. In Tierversuchen mit Hunden wird gezeigt, dass rekombinantes GLP-1 die kontraktile Leistung sowie die systemische Hämodynamik in Hunden mit fortgeschrittener dilatativer Kardiomyopathie verbessert. Die signifikanten Verbesserungen sind hierbei mit einer erhöhten myokardialen Glucoseaufnahme verbunden [51].

Auch in Humanstudien sind die günstigen kardialen Effekte von GLP-1 nachgewiesen. Die Studienergebnisse von Sokos et al. zeigen, dass eine Langzeitinfusion von GLP-1 signifikant mit einer Verbesserung der linksventrikulären Funktion, dem funktionellen Status und der Lebensqualität bei Patient_innen mit schwerer Herzinsuffizienz verbunden ist [52]. Eine weitere Studie ergibt, dass eine 72-stündige GLP-1-Infusion in Patient_innen mit akutem Myokardinfarkt und schwerer systolischer Dysfunktion nach erfolgreicher primärer Angioplastie als Zusatz zur Standardtherapie die linksventrikuläre Funktion signifikant verbessert [53].

Die Studienergebnisse von Nyström et al. zeigen, dass GLP-1 die Endothelfunktion bei Typ-2-Diabetiker_innen mit etablierter koronarer Herzkrankheit verbessert [54]. Experimentelle Befunde deuten auf einen antiatherosklerotischen Effekt von GLP-1-Rezeptoragonisten [55]. Dieser zeigt sich in einer erhöhten Stickstoffmonoxid (NO)-Bildung sowie einer Reduktion freier Sauerstoffradikale und proinflammatorischer Mediatoren [56].

Es bestehen Diskrepanzen bezüglich der Wirkungsmechanismen sowie der Wirkungen von GLP-1 auf die Leber, die Muskulatur sowie das Fettgewebe (Abb. 11). Nach Valverde et al. führt GLP-1 in isolierten Rattenhepatozyten zu einem erhöhten Einbau von Glucose in Glykogen. Diese Wirkung wird von einer Erhöhung der Glykogensynthase-a-Aktivität begleitet [22]. Zudem hemmt GLP-1 die hepatische Glucoseproduktion [57]. Eine weitere Studie zeigt, dass GLP-1 den Einbau von Glucose in Glykogen in den Muskelzellen von Ratten über eine gesteigerte Glykogensynthase-a-Aktivität erhöht [58]. Nach Gao et al.

führt GLP-1 zu einer signifikanten Steigerung der insulinvermittelten Glucoseaufnahme in 3T3-L1-Adipozyten [59]. Zudem hat das Inkretinhormon lipolytische Wirkungen in isolierten Rattenadipozyten [60]. Dagegen zeigt GLP-1 in menschlichen Adipozyten sowohl lipolytische als auch lipogene Wirkungen [61]. Die zugrundeliegenden Mechanismen von GLP-1 in den peripheren Geweben (Leber, Muskulatur, Fettgewebe) sind nicht vollständig geklärt. Zudem gibt es widersprüchliche Studienergebnisse bezüglich des Vorkommens von GLP-1-Rezeptoren in diesen Geweben [30].

Bei Patient_innen mit manifestem DMT2 ist der Inkretineffekt eingeschränkt [62]. Der rasche Abbau von endogenem GLP-1 durch die körpereigene DPP-4 limitiert den therapeutischen Einsatz des Inkretinhormons. Daher wurden GLP-1-Rezeptoragonisten entwickelt, die gegen den enzymatischen Abbau resistent sind. Durch den Austausch von Aminosäuren wird die Stabilität des Inkretinhormons erhöht und der Abbau durch die DPP-4 verhindert.

Im Speichel der Gila-Krustenechse (Heloderma suspectum) wurde zufällig das Peptidhormon Exendin-4 (39 Aminosäuren) entdeckt, das eine etwa 50 %-ige Aminosäuresequenzhomologie zu humanem GLP-1 aufweist. Im Vergleich zu endogenem GLP-1 weist Exendin-4, ein GLP-1-Rezeptoragonist, eine längere Plasma-HWZ (2,4 Stunden) auf, da es resistent gegen den DPP-4-Abbau ist [9]. Exenatid wurde in Form eines synthetischen Analogons von Exendin-4 als erster GLP-1-Rezeptoragonist zur Therapie von DMT2 zur subkutanen Injektion zugelassen [63]. In den folgenden Jahren wurden weitere

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19 GLP-1-Rezeptoragonisten auf dem europäischen Markt etabliert. GLP-1-Rezeptoragonisten werden genauer in Kapitel 4.1 beschrieben.

Exkurs über Glucagon-ähnliches Peptid 1 (GLP-1)

Bioaktives GLP-1 entsteht, wie in Abb. 12 schematisch dargestellt, aus einem Vorläuferprotein. Zunächst wird die Proglucagon-mRNA (B, Abb. 12) in ein langes Vorläuferprotein mit 180 Aminosäuren umgeschrieben [30, 64].

Abb. 12 Posttranslationale Prozessierung von Proglucagon (A) Proglucagongen, (B) mRNA, (C) Protein (D) Gewebe-spezifische posttranslationale Prozessierung, modifiziert nach [30]

Die posttranslationale Prozessierung des Proglucagon-Polypeptids erfolgt durch die Prohormonkonvertase 1/3 (PC1/3) und die Prohormonkonvertase 2 und führt gewebespezifisch zur Produktion von unterschiedlichen Produkten [65].

Die primären Produkte in den α-Zellen des Pankreas (D, Abb. 12) sind Glicentin-verwandtes Polypeptid (glicentin-related polypeptide, GRPP), Glucagon (Gluc), intervenierendes Peptid-1 (intervening peptide-1, IP-1) und das Hauptproglucagonfragment (major proglucagon fragment, MPGF). Im Gehirn und im Intestinum führt die posttranslationale Prozessierung von Proglucagon zur Freisetzung von Glicentin, Oxyntomodulin (OXM), GLP-1 und GLP-2. Die Namen glucagon-like peptide 1 (GLP-1) und GLP-2 wurden aufgrund der Strukturähnlichkeit zum Glucagon gewählt. Nur GLP-1 kann die Insulinsekretion glucoseabhängig steigern. Die Sekretion von GLP-1 erfolgt beim Menschen in einem biphasischen Vorgang, wobei sich an eine frühe Phase (10 bis 15 Minuten) eine längere zweite Phase (30 bis 60 Minuten) anschließt. Der GLP-1-Rezeptor besteht aus 463 Aminosäuren. Er wird durch das GLP-1-Rezeptorgen, das auf Chromosom 6 liegt, kodiert und ist ein naher Verwandter des Glucagonrezeptors [30, 66, 67, 68, 69].

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3 Theoretische Grundlagen des Diabetes mellitus Typ 2

Nachdem im folgenden Kapitel zunächst die Klassifikationen des Diabetes mellitus vorgestellt werden, wird anschließend auf diagnostische Methoden des Diabetes mellitus eingegangen. Zudem werden beeinflussbare sowie nicht beeinflussbare Risikofaktoren und die Pathogenese des DMT2 erläutert.

Weiterführend werden die Komplikationen des DMT2 beschrieben.

3.1 Klassifikationen von Diabetes mellitus

Diabetes mellitus lässt sich in verschiedene Formen klassifizieren und die Einteilung erfolgt nach einem pathophysiologischen Konzept. Etwa 90 % der Diabetiker_innen sind von DMT2 betroffen. Fünf bis acht Prozent entfallen auf DMT1 [10]. Der Gestationsdiabetes stellt die häufigste Stoffwechselkrankheit in der Schwangerschaft dar. Weitere spezifische Formen des Diabetes mellitus treten weitaus seltener auf.

3.1.1 Diabetes mellitus Typ 1

DMT1 wird in zwei Untergruppen, Typ 1a und Typ 1b, unterteilt. Klassische durch Hyperglykämie ausgelöste Symptome dieser Diabetesform sind Polydipsie, Polyurie und Appetitsteigerung bei gleichzeitigem Gewichtsverlust. Zudem kommt es zu einer Leistungsminderung und Müdigkeit.

Die frühere Bezeichnung jugendlicher Diabetes wird nicht mehr verwendet, da diese Diabetesform auch in einem höheren Lebensalter auftreten kann. In den meisten Fällen tritt DMT1 im jugendlichen Alter, zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr, auf [10].

Dem Typ 1a liegt eine autoimmunologische Zerstörung der ß-Zellen in den Langerhans-Inseln des Pankreas zugrunde. Die klinische Manifestation erfolgt erst nach dem Untergang von 80 bis 90 % der ß-Zellen. Die Folge ist ein absoluter Insulinmangel, weshalb die Patient_innen insulinpflichtig sind und mit einer Insulinsubstitution behandelt werden müssen. Ohne eine exogene Insulinsubstitution besteht die Gefahr einer Ketoazidose und eines Coma diabeticums. Die intensivierte Insulintherapie ist hierbei die Therapie der ersten Wahl.

An der Entstehung der Erkrankung sind exogene Faktoren, wie beispielsweise virale Infektionen (Mumps-Viren, Masern, Röteln) und Umweltnoxen, beteiligt. Genetische Faktoren spielen eine geringere Rolle als bei DMT2.

Bereits vor dem Ausbruch der Krankheit lassen sich bei 90 % der Patient_innen Autoantikörper gegen Insulin (IAA), die Inselzellen (ICA) und das Protein Glutamat-Decarboxylase (GAD) als Ausdruck einer Inselentzündung (Insulitis) nachweisen.

Prädisponierende Marker des Humanen Leukozyten-Antigen (HLA)-Systems kommen bei fast allen Betroffenen vor. Das HLA-System hat eine wichtige Funktion bei der Immunantwort. Etwa 90 % der Diabetiker_innen weisen HLA-DR3 und/oder HLA-DR4 auf. Diese zählen zu den Risikomerkmalen mit dem höchsten Risiko für das Auftreten der Erkrankung. Die Kombination dieser HLA ist mit einem um das 200-fach erhöhten Risiko im Vergleich zu Nichtdiabetiker_innen verbunden.

Eine rechtzeitige Bestimmung der Autoantikörper ermöglicht die Früherkennung des Autoimmunprozesses und ist ein Marker für eine bestehende Insulitis. Noch vor dem Auftreten von Symptomen einer Hyperglykämie, kann DMT1 diagnostiziert werden. Zu den untersuchten Autoantikörpern zählen ICA, GAD-Antikörper (GAD-Ak), Tyrosin-Phosphatase-2-Antikörper (IA-2-Ak), Insulinautoantikörper (IA-Ak) sowie der Zinktransporter-ZnT8-Antikörper.

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21 Deutlich seltener tritt der Typ 1B, der auch als idiopathischer Typ-1-Diabetes bezeichnet wird, auf. Es handelt sich um eine nichtimmunogene und vererbbare Form der Erkrankung. Gleich wie beim Typ 1A kommt es zu einem Untergang der insulinproduzierenden ß-Zellen im Pankreas.

Der spätmanifestierte DMT1 (latent autoimmune diabetes in the adults, LADA) stellt eine Sonderform des DMT1 dar, bei der sich der Hormonmangel schleichend entwickelt. Daher kommt es erst in einem höheren Alter (über 40 Jahre) zu einer Hyperglykämie. In seinem klinischen Erscheinungsbild und seiner Symptomatik zeigt diese Erkrankungsform Ähnlichkeiten zu DMT2. Zur Differentialdiagnostik werden Antikörpertests eingesetzt [62].

3.1.2 Diabetes mellitus Typ 2

Der früher als Altersdiabetes bezeichnete DMT2 tritt, bedingt durch einen veränderten Lebensstil, einhergehend mit Überernährung und Bewegungsmangel, zunehmend auch im Kindesalter auf. Es handelt sich um eine chronische, heterogene Stoffwechselerkrankung, bei der es durch eine Insulinresistenz und/oder Insulinsekretionsstörung zu einer dauerhaften Hyperglykämie kommt. Der Krankheitsverlauf ist durch eine langsam progrediente Insuffizienz der ß-Zellen des Pankreas gekennzeichnet. In weiterer Folge kommt es zu einer inadäquaten Insulinproduktion und -sekretion sowie zu einer Insulinresistenz. Insulinresistenz ist definiert als eine verminderte Wirksamkeit von Insulin an seinen Zielorganen und -geweben. Infolgedessen kann Glucose nicht mehr in die Zellen aufgenommen werden, sodass der Blutglucosespiegel steigt. Als mögliche Ursachen der Insulinresistenz werden chronisch entzündliche Vorgänge im Fettgewebe Übergewichtiger sowie gesteigerte Plasmakonzentrationen freier Fettsäuren diskutiert. Auf die genauen pathogenetischen Zusammenhänge des DMT2 wird detailliert in Kapitel 3.4 eingegangen [10].

DMT2 weist ein hohes Maß an Vererblichkeit auf. Es handelt sich um eine multifaktorielle Vererbung, die durch ein Zusammenspiel von Diabetesgenen und Umweltfaktoren zustande kommt. Die genetischen Faktoren sind komplex und noch nicht vollständig geklärt. Mittels molekulargenetischer Verfahren wurden Risikogenmerkmale gefunden, die für eine Insulinresistenz und eine ß-Zelldysfunktion prädisponieren.

Bezüglich Prävalenz, Inzidenz und gesundheitlicher und wirtschaftlicher Auswirkungen des DMT2 gibt es global große regionale Unterschiede. Dem zugrunde liegt ein Zusammenspiel verschiedener Lebensweisen, medizinischer Versorgung, dem sozioökonomischen Stand sowie kultureller, religiöser und ethnischer Umstände.

85 % der Typ-2-Diabetiker_innen sind adipös [62]. Adipositas ist ein Hauptrisikofaktor für die Entwicklung einer Insulinresistenz. Neben der Adipositas liegen häufig weitere Störungen, wie eine Dyslipidämie und arterielle Hypertonie vor. Der Symptomkomplex, bestehend aus Hyperglykämie, abdomineller Adipositas, arterieller Hypertonie und Hypertriglyzeridämie wird im metabolischen Syndrom zusammengefasst. Eine gestörte Glucosetoleranz stellt das erste Stadium des DMT2 dar. Zunächst kommt es zu einer Insulinresistenz (Muskulatur, Leber, Fettzellen), die der Körper durch eine verstärkte Insulinfreisetzung versucht zu kompensieren. Daraus resultiert eine reaktive Hyperinsulinämie. Im späteren Erkrankungsstadium nimmt die ß-Zellfunktion ab und die Insulinsekretion sinkt. Die Folge ist ein Anstieg des Blutglucosespiegels und eine klinische Manifestation des DMT2.

Die Erkrankung verläuft lange Zeit symptomlos und wird im Durchschnitt fünf bis acht Jahre zu spät erkannt. Oftmals wird DMT2 erst diagnostiziert, wenn die diabetischen Komplikationen und die damit verbundenen Beschwerden, wie beispielsweise ein Myokardinfarkt oder ein Schlaganfall, Grund für einen Arztbesuch sind.

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22 Im Gegensatz zu Typ-1-Diabetiker_innen sind Typ-2-Diabetiker_innen nicht auf eine exogene Insulinsubstitution zum Überleben angewiesen. Durch eine gesunde Ernährung, eine Gewichtsreduktion und eine Steigerung der körperlichen Aktivität kann die Erkrankung im Stadium der gestörten Glucosetoleranz aufgehalten werden. Erst bei Versagen dieser Maßnahmen werden Antidiabetika in der Therapie des DMT2 eingesetzt. Die Therapiekonzepte des DMT2 werden in Kapitel 4 behandelt.

Sowohl DMT1 als auch DMT2 sind mit Komplikationen verbunden, die vor allem aufgrund von Schädigungen des Gefäßsystems entstehen. Die diabetischen Komplikationen bestimmen maßgeblich sowohl die Prognose als auch das klinische Bild der Betroffenen. Handelt es sich um pathologische Veränderungen der großen Gefäße, spricht man von Makroangiopathien. Bei Mikroangiopathien liegen Schädigungen der Endstrombahn mit Funktionsstörungen der Arteriolen und Kapillaren vor. Zudem gibt es komplexe diabetische Komplikationen, der eine Mischform beider Gefäßschädigungen zugrunde liegen [62]. Die diabetischen Komplikationen werden detailliert in Kapitel 3.5 beschrieben.

Symptomatik des Diabetes mellitus Typ 2

Im Gegensatz zu DMT1, der klinisch mit einer charakteristischen Symptomatik gekennzeichnet ist, beginnt die klinische Symptomatik des DMT2 eher schleichend. Die klassischen Symptome des Insulinmangels treten bei Typ-2-Diabetiker_innen nur selten auf. Bei den meisten Patient_innen liegt ein metabolisches Syndrom vor, das durch Adipositas, Hypertonie und Hypertriglyzeridämie gekennzeichnet ist.

Von einem vermehrten Durstgefühl (Polydipsie) und der daraus resultierenden Polyurie berichtet nur ein Teil der Betroffenen. Bei Stoffwechselgesunden liegt die Nierenschwelle für Glucose bei 160 bis 180 mg/dl (9 bis 10 mmol/l). Infolge der pathologischen Vorgänge im Rahmen eines DMT2 kann diese auf Werte von über 250 mg/dl (14 mmol/l) ansteigen, woraufhin vermehrt Wasser mit dem Urin (Polyurie) ausgeschieden wird. Im Gegensatz zu Typ-1-Diabetiker_innen kommt es bei Typ-2-Diabetiker_innen seltener zu einer deutlichen Leistungsschwäche. Infolge osmotischer Veränderungen im Auge treten Sehverschlechterungen auf. Diese äußern sich in einem ständig wechselnden Visus. In selteneren Fällen berichten Patient_innen über plötzlich auftretende Doppelbilder. Auch das psychische Wohlbefinden kann beeinträchtigt sein.

Typ-2-Diabetiker_innen weisen eine erhöhte Infektanfälligkeit auf, die auf eine Störung der Abwehrzellen (Makrophagen, natürliche Killerzellen, Granulozyten) im Blut zurückzuführen ist. Die beeinträchtigte Funktion der B- und T-Lymphozyten erhöht die Infektanfälligkeit und kann zu eitrigen Hautentzündungen und genitalen Pilzinfektionen führen. Zudem wird den Erregern, infolge einer gestörten Barrierefunktion (Haut, Schleimhaut), der Eintritt durch die natürlichen Barrieren erleichtert [62].

Nachlassende Libido und Missempfindungen sowie Schmerzen in den Beinen treten bei DMT2 nur gelegentlich auf [1].

Von einem hyperosmolaren Koma, das durch sehr hohe Blutglucosewerte (etwa 1000 mg/dl) charakterisiert ist, sind häufiger ältere Typ-2-Diabetiker_innen betroffen. Diese Stoffwechselentgleisung tritt meist bei einem nicht ausreichend behandelten oder nicht diagnostizierten DMT2 auf und führt zu einer Mortalität zwischen 5 und 15 % [62].

Metabolisches Syndrom

Das metabolische Syndrom, das auch unter der Bezeichnung tödliches Quartett oder Syndrom X bekannt ist, ist eine Sonderform des DMT2. Es stellt die Vorstufe aber auch einen festen Bestandteil eines manifesten DMT2 dar.

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23 Es existiert keine allgemeingültige Definition des metabolischen Syndroms, jedoch fassen alle Definitionen im Wesentlichen die gleichen Risikofaktoren zusammen. Kennzeichnend für das metabolische Syndrom sind demnach arterielle Hypertonie (> 130 zu 85 mmHg), stammbetonte Adipositas, eine Glucosetoleranzstörung beziehungsweise eine Insulinresistenz sowie eine Dyslipoproteinämie. Eine Dyslipoproteinämie ist durch erniedrigte Werte von high-density lipoprotein (HDL)-Cholesterin, erhöhte Werte von low-density lipoprotein (LDL)-Cholesterin und/oder eine Hypertriglyzeridämie gekennzeichnet.

Das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, wie Myokardinfarkt und Schlaganfall, ist aufgrund dieser Stoffwechselstörungen stark erhöht. Als Risikofaktor der stammbetonten Adipositas, der Dyslipoproteinämie und der Insulinresistenz gelten die erhöhten freien Fettsäuren [7, 62].

Nach Angaben der IDF aus dem Jahr 2005 liegen folgende Diagnosekriterien vor:

Es liegt eine zentrale Adipositas (definiert als Taillenumfang beziehungsweise BMI größer 30 kg/m2) vor.

Der Taillenumfang bei Männern ist größer gleich 94 cm und bei Frauen größer gleich 80 cm. Die Werte für den Taillenumfang unterscheiden sich hinsichtlich ethnischer und regionspezifischer Kriterien.

Beispielsweise gilt für Asiaten der Taillenumfang größer gleich 90 cm und für Asiatinnen der Taillenumfang größer gleich 80 cm [70]. Zusätzlich müssen mindestens zwei weitere der folgenden Störungen aus Tabelle 1 vorliegen:

Kriterien Männer Frauen

Erhöhte Triglyzeridwerte ≥ 150 mg/dl (1,7 mmol/l) oder spezifische Behandlung dieser Lipidanomalie Erniedrigte HDL-

Cholesterinwerte < 40 mg/dl (1,03 mmol/l) < 50 mg/dl (1,29 mmol/l) Erhöhte Blutdruckwerte Systolisch ≥ 130 mmHg oder

diastolisch ≥ 85 mmHg Erhöhte

Nüchternglucosewerte

≥ 100 mg/dl (5,6 mmol/l) oder bereits diagnostizierter DMT2

Tabelle 1 Diagnosekriterien des metabolischen Syndroms nach Angaben der IDF, modifiziert nach [70]

Die Bezeichnung Wohlstandssyndrom rührt daher, dass die Entstehung des metabolischen Syndroms auf die Lebensführung zurückzuführen ist. Das Überangebot kalorienreicher Nahrung in Kombination mit körperlicher Inaktivität begünstigen das Auftreten von Übergewicht. Hypertonie, durch Übergewicht und/oder Stress ausgelöst, zählt zu den weiteren Risikofaktoren der Manifestation eines metabolischen Syndroms. Ein zu hoher Fettkonsum beziehungsweise eine ballaststoffarme Ernährung begünstigen das Auftreten erhöhter Blutlipidwerte und wirken sich negativ auf den Lipidstoffwechsel aus. Auch ein übermäßiger Alkohol- und/oder Nikotinkonsum wirken sich negativ auf den Stoffwechsel aus.

Bei Vorliegen eines metabolischen Syndroms treten bereits Komplikationen an den Gefäßen, den Nerven und anderen Organen auf. Die Arteriosklerose, als Folge einer Dyslipidämie und Hyperinsulinämie, geht mit einer vermehrten Entzündungsreaktion einher und führt zu einer fehlgesteuerten Endothelfunktion.

Darüber hinaus haben Patient_innen mit einem metabolischen Syndrom häufig eine Blutgerinnungsstörung und weisen erhöhte Harnsäurewerte im Blut (Hyperurikämie) auf [62].

Da sich abdominale Fettspeicher (viszerales Fett) als besonders nachteilig für das kardiovaskuläre System erweisen, wird eine regelmäßige körperliche Bewegungstherapie zur Verminderung der viszeralen Adipositas empfohlen. 30 bis 45 Minuten körperliche Aktivität, bestehend aus 50 % Ausdauer- und 50 % Krafttraining, pro Tag sind sinnvoll. Das Myokardinfarktrisiko bei Patient_innen mit einem metabolischen Syndrom kann durch eine Gewichtsreduktion von 10 % um 20 % vermindert werden. Eine

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