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Ausblick der Therapie mit GLP-1-Rezeptoragonisten

Die zunehmende Erkenntnis der pathogenetischen Zusammenhänge des DMT2 und die steigende Prävalenz von DMT2 haben in den vergangenen 20 Jahren zur Entwicklung neuartiger Antidiabetika geführt. Kardiovaskuläre Erkrankungen sind die häufigste Todesursache bei Typ-2-Diabetiker_innen.

Daher ist die Prävention kardiovaskulärer Komplikationen und die kardiovaskuläre Sicherheit von Antidiabetika von besonderer Bedeutung. Zur Reduktion kardiovaskulärer Erkrankungen und der damit verbundenen Mortalität rückt daher ein multifaktorielles Therapiekonzept, das neben einer Verbesserung der glykämischen Kontrolle kardiorenale Parameter berücksichtigt, immer mehr in den Fokus.

Hierbei haben insbesondere GLP-1-Rezeptoragonisten aufgrund ihres günstigen vielschichtigen Wirkprofils therapeutisch stark an Bedeutung gewonnen. Die Etablierung dieser Substanzklasse ist ein Schlüsselmoment in der Geschichte der DMT2-Therapie. Wie in Kapitel 5.1 gezeigt, setzen sich GLP-1-Rezeptoragonisten aufgrund ihres zusätzlichen Nutzens auf nichtglykämische Parameter von anderen antidiabetischen Wirkstoffen ab. Aufgrund der unterschiedlichen pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Eigenschaften der einzelnen GLP-1-Rezeptoragonisten besteht eine große Vielfalt an Therapiealternativen, wodurch ein individuelles und patient_innenzentriertes Therapiekonzept ermöglicht wird. Dieses fördert eine bessere Patient_innencompliance.

GLP-1-Rezeptoragonisten zeigen eine Verbesserung der glykämischen Kontrolle, eine gewichtsreduzierende Wirkung und günstige Effekte auf den Lipidstoffwechsel. Zudem führen sie zu einer moderaten Reduktion des systolischen Blutdrucks, einer günstigen Beeinflussung inflammatorischer Marker sowie des oxidativen Stresses. Auch der endothelialen Dysfunktion und der Atherosklerose wird infolge günstiger vaskulärer Effekte der GLP-1-Rezeptoragonisten entgegengewirkt. Zusammengefasst kommt es zu einer günstigen Wirkung auf das kardiovaskuläre System. Manche Vertreter der GLP-1-Rezeptoragonisten zeigen darüber hinaus renoprotektive Effekte.

Sowohl in Human- als auch in Tierversuchen sind die günstigen kardioprotektiven Effekte der GLP-1-Rezeptoragonisten nachgewiesen. Da die genauen zugrundeliegenden Wirkungsmechanismen nicht vollständig geklärt sind, sind weitere Forschungen und Studien in diesem Bereich erforderlich.

Wie in Kapitel 2.5.2 erwähnt, sind auch für GLP-1 in mehreren Tier- und Humanstudien günstige kardiovaskuläre Effekte belegt.

Bemerkenswerterweise zeigen alle GLP-1-Rezeptoragonisten in den CVOTs zumindest eine kardiovaskuläre Sicherheit. Liraglutid, Semaglutid, Albiglutid und Dulaglutid zeigen in den CVOTs neben einer kardiovaskulären Sicherheit zusätzlich eine kardioprotektive Wirkung. Darüber hinaus führen Semaglutid, Liraglutid und langwirksames Exenatid zu einer Senkung der Gesamtmortalität.

Die Kombination aus einer hohen Studienabbruchrate und einer kurzen Exposition gegenüber der Studiendroge in der EXSCEL-Studie sind ein möglicher Grund dafür, dass langwirksames Exenatid den 3P-MACE-Endpunkt nicht signifikant senkt.

Trotz der Vielzahl der heute verfügbaren GLP-1-Rezeptoragonisten variiert deren jeweilige therapeutische Bedeutsamkeit. Die langwirksamen humanbasierten GLP-1-Rezeptoragonisten Semaglutid (subkutanes), Dulaglutid und Liraglutid zeigen eine stärkere Wirksamkeit in Bezug auf die Verbesserung der glykämischen Kontrolle, der Gewichtsreduktion sowie der Verminderung des 3P-MACE-Endpunktes.

Daher werden in der DMT2-Therapie hauptsächlich diese drei GLP-1-Rezeptoragonisten eingesetzt. Aus Expertensicht (Anhang) sind diese Vertreter die aktuell bedeutsamsten im Einsatz in der Praxis. Der Einsatz von GLP-1-Rezeptoragonisten mit bewiesenem kardiovaskulären Vorteil wird in den aktualisierten DMT2-Therapieleitlinien der ADA/EASD empfohlen. Demnach sind hierbei Liraglutid, Semaglutid (subkutanes), Dulaglutid sowie langwirksames Exenatid zu bevorzugen.

76 Bemerkenswerterweise führt kein GLP-1-Rezeptoragonist in den CVOTs zu einer signifikanten Reduktion der Rate an Hospitalisierung aufgrund einer Herzinsuffizienz. SGLT-2-Inhibitoren haben diesbezüglich eine deutlich stärkere Wirksamkeit. Daher liegt aus Sicht des Experten (Anhang) die Zukunft der DMT2-Therapie in einem Kombinationspräparat aus einem GLP-1-Rezeptoragonisten und einem SGLT-2-Inhibitor.

Der therapeutische Einsatz der GLP-1-Rezeptoragonisten ist aufgrund gastrointestinaler Beschwerden, wie Erbrechen, Übelkeit und Durchfall, limitiert. Das Auftreten von Pankreatitiden, Pankreaskarzinomen und medullären Schilddrüsenkarzinomen, das in einen möglichen Zusammenhang mit einer GLP-1-Rezeptoragonistentherapie gebracht wird, kann durch die Auswertung von Metaanalysen nicht bestätigt werden. Trotz der beschriebenen Nebenwirkungen überwiegt der therapeutische Nutzen der GLP-1-Rezeptoragonisten, sodass diese Substanzklasse ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil bei einem sehr geringen Hypoglykämierisiko hat.

Die Mehrzahl der Studienteilnehmer_innen der CVOTs, mit Ausnahme der REWIND-Studie, haben eine kardiovaskuläre Erkrankung beziehungsweise ein hohes kardiovaskuläres Risiko. Daher bleibt die Frage offen, ob die Studienergebnisse auf Patient_innen mit einem geringen kardiovaskulären Risiko übertragbar sind. In der REWIND-Studie haben im Vergleich zu den anderen CVOTs viele Studienteilnehmer_innen (69 %) keine manifeste kardiovaskuläre Vorerkrankung. Da es unter einer Dulaglutidbehandlung auch in der Studienteilnehmer_innenpopulation ohne kardiovaskuläres Vorereignis zu einer Reduktion des kardiovaskulären Endpunktes kommt, liefert diese Studie Hinweise auf eine mögliche prophylaktische Wirkung des GLP-1-Rezeptoragonisten. Deshalb empfehlen internationale Fachgesellschaften den frühzeitigen Einsatz der GLP-1-Rezeptoragonisten in Kombination mit Metformin bei Patient_innen mit vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankungen beziehungsweise einem hohen kardiovaskulären Risiko. In Zukunft sind daher weitere klinische Studien mit GLP-1-Rezeptoragonisten bei Patient_innen ohne eine kardiovaskuläre Erkrankung erforderlich, um mehr über die potentielle prophylaktische Wirkung der GLP-1-Rezeptoragonisten bei DMT2 zu erfahren.

In Zukunft werden häufiger jüngere Personen von DMT2 betroffen sein. Da ein Mangel an Informationen über die Wirkungen der GLP-1-Rezeptoragonisten in jüngeren Typ-2-Diabetiker_innen (< 40 Jahren) besteht, sollen zukünftige Studien auf das Alter angepasst werden.

Die eingeschränkte Patient_innencompliance, die insbesondere auf eine häufige subkutane Darreichungsform (einmal/zweimal täglich) der GLP-1-Rezeptoragonisten zurückzuführen ist, ist durch die Einführung von einmal wöchentlich zu injizierenden GLP-1-Rezeptoragonisten verbessert worden. Eine Entwicklung hin zu noch länger wirksamen GLP-1-Rezeptoragonisten kann die Akzeptanz dieser Substanzklasse in Zukunft noch weiter erhöhen. In der Praxis ist die Motivation der Patient_innen zur Überbrückung der Hemmschwelle durch die subkutane Darreichungsform von großer Bedeutung. Durch eine Hervorhebung der vielseitigen günstigen Wirkungen der GLP-1-Rezeptoragonisten (Gewichtsreduktion, kein Hypoglykämierisiko, Blutdrucksenkung, kardioprotektive Wirkungen) kann die Akzeptanz der GLP-1-Rezeptoragonisten gesteigert werden.

Metformin gilt weiterhin, auch in der aktualisierten ADA/EASD-Therapieleitlinie, als Mittel der ersten Wahl in der initialen Monotherapie des DMT2. Da keine eindeutige Evidenz zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos durch das Biguanid besteht, lässt sich der Sinn des Einsatzes dieses Antidiabetikums hier hinterfragen.

Auch wenn GLP-1-Rezeptoragonisten, bedingt durch die hohen Therapiekosten und die ungünstige Darreichungsform, derzeit nicht als Erstlinientherapeutika in der DMT2-Therapie eingesetzt werden, ist mit einem steigenden therapeutischen Einsatz in Zukunft zu rechnen.

77 Mit den Studienergebnisse der PIONEER-6-Studie liegen Daten vor, die eine signifikante antihyperglykämische Wirksamkeit sowie gewichtsreduzierende Wirkung für die orale Formulierung von Semaglutid belegen. Diese Wirkungen sowie das Nebenwirkungsprofil sind vergleichbar mit denen von zu injizierenden GLP-1-Rezeptoragonisten. Zwar führt orales Semaglutid in der CVOT zu keiner signifikanten Reduktion des 3P-MACE-Endpunktes, es zeigt jedoch insgesamt sehr gute Ergebnisse. Als vorteilhaft erweist sich die Reduktion der Gesamtmortalität unter einer oralen Semaglutidbehandlung. Die Ergebnisse laufender kardiovaskulärer Endpunktstudien bleibt es abzuwarten, um mehr über das therapeutische Potential aussagen zu können. Eine längere mittlere Beobachtungsdauer und der Einschluss einer Vielzahl an Studienteilnehmer_innen in zukünftigen Studien ist für den Erhalt aussagekräftiger Ergebnisse erforderlich.

Aufgrund seiner günstigen antidiabetischen Wirksamkeit, seiner zusätzlichen günstigen nichtglykämischen Wirkungen, sowie der erstmaligen Möglichkeit einen GLP-1-Rezeptoragonisten über eine orale Darreichungsform einzunehmen, stellt orales Semaglutid eine hervorragende Therapieoption dar. Auch aus Expertensicht hat orales Semaglutid in der DMT2-Therapie ein hohes Potential. Einzig die hohen Therapiekosten bedingen, seiner Meinung nach, den (noch) eingeschränkten therapeutischen Einsatz (Anhang). Trotz der günstigen Darreichungsform (oral) stellt die Notwendigkeit einer häufigen Tabletteneinnahme (einmal täglich) einen Nachteil dar. Hier gilt es abzuwiegen, welches Therapiekonzept, eine einmal tägliche orale Gabe oder eine einmal wöchentliche subkutane Gabe des GLP-1-Rezeptoragonisten, bevorzugt wird beziehungsweise bei welchem die allgemeine Patient_innencompliance besser ist. Hierzu sind zukünftige Studien anzuraten. Der Nachteil einer beschränkten Patient_innencompliance kann durch eine Weiterentwicklung des oralen Semaglutid zu einer länger wirkenden Formulierung vermindert werden.

Durch den Paradigmenwechsel in der DMT2-Therapie und infolge der steigenden Anzahl an Typ-2-Diabetiker_innen besteht aktuell eine starke Zunahme laufender Forschungen für innovative Therapiekonzepte sowie neuartiger Wirkstoffe. Die Studienergebnisse mit neuartigen Substanzen, wie beispielsweise mit Cotadutid, Tirzepatid und ITCA 650, belegen neben einer klinisch relevanten antihyperglykämischen Wirksamkeit eine Senkung des Körpergewichts. Diese Medikamente stellen daher einen neuen vielversprechenden Therapieansatz gegen DMT2 dar. Die Ergebnisse kardiovaskulärer Studien mit diesen neuartigen Substanzen werden eine bessere Beurteilung zulassen.

Zusammenfassend ist die DMT2-Therapie im vergangenen Jahrzehnt infolge der Ergebnisse kardiovaskulärer Endpunktstudien sowie der Etablierung von innovativen Medikamenten und Therapiekonzepten besonders verbessert worden. Sowohl eine verbesserte Lebensqualität als auch eine erhöhte Lebenserwartung sind durch diese Errungenschaften erzielt worden. Patient_innenzentrierte Therapieschemata, die unter anderem das kardiorenale Risikoprofil der Betroffenen berücksichtigen, sind aufgrund des breiten Angebots an Antidiabetika ermöglicht worden. Dies geht jedoch mit einer steigenden Komplexität der DMT2-Therapie einher.

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