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3 Theoretische Grundlagen des Diabetes mellitus Typ 2

3.3 Risikofaktoren des Diabetes mellitus Typ 2

Es ist wichtig die ätiologischen Zusammenhänge des DMT2 zu identifizieren, um präventive Maßnahmen zur Verhinderung der steigenden Prävalenz des DMT2 sinnvoll durchführen zu können. Obwohl zahlreiche und leicht vermeidbare Risikofaktoren und Belege für erfolgreiche Präventionsprogramme detektiert wurden, nimmt weltweit die Zahl der Typ-2-Diabetiker_innen zu.

In den folgenden beiden Kapiteln wird auf beeinflussbare sowie nicht beeinflussbare Risikofaktoren des DMT2 eingegangen. Diese Risikofaktoren sind in Abb. 13 schematisch dargestellt.

29 DMT2 kommt durch ein Zusammenspiel von Genetik, Umwelt- und Lebensstilfaktoren zustande. Diese Komponenten sind maßgeblich an der Entstehung der Insulinresistenz und der ß-Zelldysfunktion beteiligt.

Eine energiereiche Ernährung in Kombination mit körperlicher Inaktivität gelten als Hauptrisikofaktoren des DMT2.

Abb. 13 Risikofaktoren des DMT2 (Auswahl)

↑: erhöhtes Vorliegen; ↓: erniedrigtes Vorliegen

3.3.1 Beeinflussbare Risikofaktoren

Auch wenn es eine genetische Komponente bei der Entstehung der Erkrankung gibt, ist DMT2 durch Vermeidung mancher Risikofaktoren (Adipositas, körperliche Inaktivität, ungesunde Ernährung) in vielen Fällen eine vermeidbare Erkrankung.

Als Hauptrisikofaktor für die Entstehung eines DMT2 gilt Adipositas (Abb. 13). Der Konsum energiereicher Nahrung in Verbindung mit körperlicher Inaktivität sind hauptursächlich an der Entstehung von Übergewicht beziehungsweise Adipositas beteiligt. 85 % der Typ-2-Diabetiker_innen sind adipös und bei einer Gewichtszunahme von acht bis zehn Kilogramm steigt das relative Risiko an der Stoffwechselkrankheit zu erkranken um das Dreifache [62]. Die WHO definiert Übergewicht bei Erwachsenen ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 25 kg/m2 und Adipositas ab einem BMI von 30 kg/m2 [75]. In mehreren Studien wird ein enger Zusammenhang zwischen dem BMI und dem Diabetesrisiko nachgewiesen [76]. In anderen Studien wird die Assoziation weniger mit dem BMI als vielmehr mit einer viszeralen Adipositas und/oder ektopischen Fettverteilung (Fettleber) verknüpft [77].

Ein weiterer bedeutender, mit der Adipositas einhergehender und somit mit DMT2 assoziierter Risikofaktor ist körperliche Inaktivität (Abb. 13). Die Gesellschaft verbringt ihre Lebenszeit zunehmend im Sitzen (Schule, Büro, Auto, Medienkonsum). Eine Auswertung verschiedener Studienergebnisse zeigt, dass eine moderate körperliche Aktivität von 150 Minuten pro Woche mit einer Risikoreduktion für DMT2 von 26 % verbunden ist [78].

30 Ebenfalls mit der Adipositas in Verbindung zu bringen, sind die Ernährungsqualität und -quantität.

Ballaststoffarme, energiereiche Kost mit einem hohen Anteil an verarbeitetem Fleisch wirkt sich negativ auf die Entstehung des DMT2 aus. Die Auswertung verschiedener Studienergebnisse ergibt, dass ein täglicher Verzehr von verarbeitetem Fleisch mit einem um 19 % erhöhten DMT2-Risiko einhergeht [79].

Auch zuckergesüßten Getränken wird in diesem Zusammenhang ein Risikopotential beigemessen [80].

Zucker in zuckerhaltigen Getränken erhöht rasch den Blutglucosespiegel und hat einen hohen glykämischen Index. In mehreren Langzeitstudien wird ein Zusammenhang zwischen einem hohen Verzehr von Vollkornprodukten und dem Schutz vor der Entwicklung eines DMT2 nachgewiesen. Die schützende Wirkung von Vollkornprodukten wird dabei insbesondere auf deren hohen Ballaststoffgehalt zurückgeführt. In einer dänischen Studie ist der Verzehr verschiedener Getreide- und Vollkornprodukte mit einem geringeren DMT2-Risiko assoziiert. Im Vergleich zu der Studiengruppe mit dem geringsten Verzehr von Vollkornprodukten haben Männer ein um 34 % verringertes Risiko und Frauen ein um 22 % reduziertes Risiko für DMT2. Verschiedene Vollkornprodukte (Roggenbrot, Vollkornbrot, Haferflocken/Müsli) sind signifikant mit einem geringeren DMT2-Risiko bei Männern und Frauen assoziiert [81].

Aktives und passives Rauchen (Abb. 13) erhöhen signifikant das DMT2-Risiko [82]. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind nicht vollständig geklärt. Rauchen gilt als Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen und ist oftmals mit einem ungesunden Lebensstil, ungesunder Ernährung und körperlicher Inaktivität assoziiert.

Der Luftverschmutzung (Abb. 13) wird, insbesondere bei einer langfristigen Aussetzung, ein potentielles Risiko in der DMT2-Erkrankungsentstehung zugeschrieben. Zu den schädlichen Stoffen zählen unter anderem Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (particulate matter, PM10, PM2,5). Mögliche Erklärungsansätze des Zusammenhangs sind eine beeinträchtigte Endothelfunktion, eine vermehrte systemische Inflammation und vermehrter oxidativer Stress infolge der Feinstaubexposition [83, 84].

Verkehrslärm kann zu Schlafstörungen und Stress führen, was wiederum das DMT2-Risiko erhöht.

Sørensen et al. zeigen in einer Kohortenstudie, dass städtischer Lärm die Gesundheit der Bevölkerung beeinträchtigen kann. Es besteht ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen einer langfristigen Exposition gegenüber Verkehrslärm und dem DMT2-Risiko [85].

Psychogene Faktoren, wie Depressionen, werden ebenfalls mit der Erkrankung in Beziehung gebracht [86]. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind bislang unklar.

Schlafstörungen werden neuerdings als Risikofaktor für DMT2 genannt. Yanping et al. zeigen in einer Studie, dass Frauen mit einer verkürzten Schlafdauer (unter gleich 6 Stunden) und einer schlechten Schlafqualität eine mehr als vierfach erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung einer DMT2-Erkrankung haben [87].

Auch einem niedrigen sozioökonomischen Status wird eine Bedeutung in der DMT2-Erkrankungsentstehung beigemessen [88]. Die Inzidenz des DMT2 steigt mit sinkendem sozioökonomischen Status. Dies ist ein globales Phänomen, unabhängig vom Wohlstand des Staates.

Dabei zeigt sich in einer australischen Studie, dass Rauchen und mangelnde körperliche Aktivität Hauptursachen für eine erhöhte DMT2-Inzidenz bei Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status sind [89]. Mangelndes Wissen über die Zusammenhänge von Risikofaktoren und der daraus resultierenden DMT2-Erkrankung führen bei geringem Bildungsstand zu wenig Verständnis der Konsequenzen, die eine risikobehaftete Lebensweise nach sich zieht. Ein höheres Einkommen bietet hingegen den Zugang zu mehr Bildungseinrichtungen, zu gesunder Ernährung, zu Gesundheitseinrichtungen, zu Sportinstitutionen sowie zu einem grünen weitläufigen Wohnumfeld.

31 3.3.2 Nicht beeinflussbare Risikofaktoren

Neben beeinflussbaren Risikofaktoren gibt es nicht beeinflussbare Risikofaktoren für die Entstehung eines DMT2.

Mehrere Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen einer positiven Familienanamnese und einem erhöhten Risiko für DMT2. Die Wahrscheinlichkeit der Weitervererbung der Erkrankung liegt bei 40 %, wenn ein Elternteil an DMT2 erkrankt. Die Vererbungswahrscheinlichkeit liegt bei 80 %, wenn beide Eltern einen DMT2 entwickeln [62].

Die genetische Prädisposition (Abb. 13) hat eine entscheidende Rolle beim Risiko einen DMT2 zu entwickeln. In zahlreichen Studien ist der komplexe polygenetische Charakter dieser multifaktoriellen Erkrankung beschrieben. Anhand von familienbasierten Analysen und genomweiten Assoziationsstudien sind bisher zahlreiche Genvarianten, die das DMT2-Risiko erhöhen, identifiziert. Der Mutation im transcription factor 7-like-2-Gen (TCF7L2-Gen) misst man eine signifikante Bedeutung zu. Die Varianten im TCF7L2-Gen, bei denen es sich um intronsiche Einzelnukleotid-Polymorphismen (single nucleotide polymorphisms, SNPs) handelt, zeigen bislang unter den häufigen Genvarianten bei Europäern die stärksten Assoziationen mit DMT2 [90]. Zudem sind diese mit dem größten Risiko für die Entwicklung eines DMT2 verbunden [91]. Weitere Genvarianten betreffen das SLC30A8- (solute carrier aus der Familie 30) und das HHEX (hematopoietically expressed homeobox)-Gen [92].

Mit zunehmendem Alter nimmt das DMT2-Risiko zu [62].

Das Risiko an DMT2 zu erkranken ist bei Frauen mit Gestationsdiabetes höher als bei stoffwechselgesunden Schwangeren [62]. Die Frühgeburtlichkeit geht aufgrund des geringen Geburtsgewichts mit einer erhöhten Anfälligkeit für Störungen des Glucosestoffwechsels einher und erhöht daher ebenfalls das DMT2-Risiko [93].

Die Prävalenz von DMT2 variiert in Abhängigkeit von der geografischen Lage sowie der ethnischen Zugehörigkeit. Studien, die in verschiedenen ethnischen Gruppen durchgeführt wurden, haben bei gleichen Umweltbedingungen Unterschiede in der Anfälligkeit für DMT2 ergeben. Die genauen ethnischen Zusammenhänge sind nicht vollständig geklärt. In bestimmten Bevölkerungsgruppen, wie australischen Aborigines, amerikanischen Pima-Indianer_innen, pazifischen Inselbewohner_innen und Bevölkerungsgruppen im Nahen Osten und Südasien kommt DMT2 häufiger vor [94].

DMT2 wird mit Infektionserregern, wie unter anderem mit dem Hepatitis-C-Virus, in Verbindung gebracht [95]. Ein spezifischer Infektionserreger ist für die Ätiologie des DMT2 nicht bekannt.

Mit dem Ziel, der Prävention des DMT2 mehr Bedeutung beizumessen, beschäftigen sich mehrere Studien mit der Zusammenführung sämtlicher, auch nur bedingt wahrscheinlicher Risikofaktoren für die Erkrankung. Zusammenfassend werden mehr als 100 Aspekte erwähnt, hier ist der Begriff des Risikos gedehnt und die vorliegende Arbeit gibt nur einen Auszug wieder.