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2 Aufbau und Funktion des Pankreas (Bauchspeicheldrüse)

2.3 Insulin

Für das Grundverständnis der pathophysiologischen Vorgänge des DMT2 sind die Kenntnisse des molekularen Aufbaus und der damit verbundenen Wirkungen von Insulin von großer Bedeutung. Neben dem molekularen Aufbau, der Biosynthese und der Insulinsekretion wird in diesem Kapitel auf die Wirkungsmechanismen und die Wirkungen von Insulin eingegangen.

Molekularer Aufbau des Insulins

Insulin ist ein lebensnotwendiges, wachstumsförderndes, anaboles Hormon, das in den ß-Zellen der Langerhans-Inseln des Pankreas gebildet wird. Das Hormon wurde 1921 von Banting und Best entdeckt.

Abb. 3 Histologische Darstellung der Langerhans-Inseln, modifiziert nach [5]

7 Auf molekularer Ebene handelt es sich um ein Polypeptid aus 51 Aminosäuren mit einem Molekulargewicht von etwa 5800 Dalton. Wie in Abb. 4 schematisch dargestellt, setzt sich Insulin aus zwei Peptidketten zusammen, die durch zwei Disulfidbrücken miteinander verbunden sind. Die A-Kette wird zusätzlich an zwei Aminosäureresten (Cystein) durch eine Disulfidbrücke stabilisiert. Die A-Kette besteht aus 21 und die B-Kette aus 30 Aminosäureresten. Das Hormon hat eine kurze Plasma-Halbwertszeit (HWZ) von etwa fünf Minuten und wird in der Leber und in den Nieren abgebaut [7].

Abb. 4 Aminosäuresequenz des Polypeptids Insulin mit A- und B-Kette, modifiziert nach [10]

Biosynthese des Insulins

Das Insulingen befindet sich im kurzen Arm auf Chromosom 11 [11].

In den pankreatischen ß-Zellen wird zunächst die inaktive Vorstufe Prä-Pro-Insulin synthetisiert. Am N-terminalen Ende liegt ein lipophiles Signalpeptid mit 24 Aminosäuren, das für den Transport des Prä-Pro-Insulins in das raue Endoplasmatische Retikulum (RER) verantwortlich ist. Die Abspaltung des Signalpeptids führt zur Umwandlung in Proinsulin, die eigentliche Vorstufe des Insulins. Im Golgi-Apparat und in den sekretorischen Granula führt die proteolytische Abspaltung des C-Peptids zur Bildung des Insulinmoleküls. In den Sekretgranula wird das aktive Hormon als Hexamer an Zinkionen gespeichert. In einem Insulinhexamer sind sechs Insulineinheiten an ein Zinkion gebunden. Kristallines Insulin weist eine höhere Stabilität auf. Bei Bedarf wird Insulin exozytotisch in die Blutbahn freigesetzt und das C-Peptid wird in äquimolaren Mengen sezerniert [12].

2.3.1 Insulinsekretion

Ein Anstieg der Blutglucosekonzentration stellt den stärksten Reiz für die Insulinsekretion dar. Die Insulinsekretion wird in einer mehrstufigen Signalkaskade ausgelöst. Glucose gelangt über einen Insulin-unabhängigen Transport in die ß-Zelle des Pankreas (Abb. 5). Dieser erfolgt über Glucosetransporter (GLUT, Glut1/Glut2). Anschließend erfolgt mittels der Glucokinase die Umwandlung zu Glucose-6-Phosphat, das in das Mitochondrium wandert. Es kommt zu einer vermehrten

8 Glucoseoxidation, bei der es zu einer Abnahme des Adenosindiphosphat (ADP)-Spiegels und einer Zunahme des Adenosintriphosphat (ATP)-Spiegels kommt.

Daraufhin schließen ATP-gesteuerte Kaliumionenkanäle (KATP--Kanal). Der Kaliumionenausstrom (K+) aus der ß-Zelle sinkt und aufgrund einer veränderten Ionenverteilung kommt es zur Depolarisation des Membranruhepotentials.

Die folgende Aktivierung spannungsabhängiger Calciumionenkanäle resultiert in einem Calciumioneneinstrom (Ca2+) in die ß-Zelle. Neben L-Typ Calciumionenkanälen werden dabei P- und Q-Typ Calciumionenkanäle, die hauptsächlich neuronal vorkommen, aktiviert. Der Anstieg der intrazellulären Calciumionenkonzentration ist der eigentliche Auslöser der Insulinsekretion. Dieser bewirkt die Verschmelzung der insulinhaltigen Vesikel (Insulingranula) mit der Zellmembran und führt zu einer exozytotischen Insulinfreisetzung (Exozytose) in den Extrazellularraum (EZR). Eine Gruppe von oralen Antidiabetika (OAD), auf die genauer in Kapitel 4.1 eingegangen wird, bindet spezifisch an die Sulfonylharnstoff-Rezeptor (SUR1/Kir6,2)-Untereinheit des ATP-gesteuerten Kaliumionenkanals [7].

Neben einem Anstieg des Blutglucosespiegels gibt es weitere Mediatoren der pankreatischen Insulinsekretion. Die Insulinsekretion unterliegt einer vegetativen Innervation. Der Nervus vagus wirkt aktivierend auf die Insulinsekretion. Die Bindung von Acetylcholin an den Gs-gekoppelten M3-Rezeptor führt zur Freisetzung von intrazellulären Calciumionen. Sympathische Impulse wirken durch die Interaktion mit Gi-gekoppelten α2-Rezeptoren stark hemmend auf die Insulinsekretion. Der Sympathikus, mit seinem Neurotransmitter Adrenalin, hat über die Interaktion mit Gs-gekoppelten ß2-Rezeptoren auch eine schwach stimulierende Wirkung auf die Insulinsekretion.

Abb. 5 Glucose-stimulierte Insulinsekretion in der pankreatischen ß-Zelle, modifiziert nach [12]

9 Eine Erhöhung der Plasmakonzentration von Aminosäuren, wie beispielsweise Lysin und Arginin, stellen einen weiteren Reiz der Insulinausschüttung dar. Ein Konzentrationsanstieg von Fettsäuren stimuliert ebenfalls die Insulinsekretion. Die Aktivierung des G-Protein gekoppelten Rezeptors (GPCR) GPR40-Rezeptor führt zur Freisetzung von intrazellulären Calciumionen, sodass die Insulinsekretion gesteigert wird.

Die Inkretinhormone Glucagon-ähnliches Peptid 1 (glucagon-like peptide 1, GLP-1) und Glucose-abhängiges insulinotropes Peptid (glucosedependent insulinotropes polypeptide, GIP) werden nach der Nahrungseinnahme von spezialisierten Zellen der Dünndarmschleimhaut freigesetzt. Wie in Abb. 5 erkennbar, führt die Aktivierung des Gs-gekoppelten GLP-1-Rezeptors zu einem Anstieg der cyclischen Adenosinmonophosphat (cAMP)-Konzentration. Dieser aktiviert die Proteinkinase A (PKA) und führt zu einer erhöhten intrazellulären Calciumionenkonzentration, die folglich eine verstärkte Insulinsekretion bewirkt.

Glucagon führt zu einer direkten Stimulierung der Insulinsekretion. Langfristige Hemmstoffe der Insulinsekretion sind Somatostatin, Somatropin und Leptin. Die Aktivierung Gi-gekoppelter Rezeptoren resultiert in einer verminderten Insulinsekretion [7, 10].

2.3.2 Wirkungsmechanismen von Insulin

Die Wirkungen von Insulin auf die unterschiedlichen Zielgewebe werden, wie in Abb. 6 schematisch dargestellt, über mehrstufige Signalkaskaden vermittelt.

Abb. 6 Insulinbindung an den Insulinrezeptor und anschließende Signaltransduktionskaskade, modifiziert nach [12]

10 Der Insulinrezeptor, eine membranständige Rezeptor-Tyrosinkinase (520 kD), ist ein Heterotetramer aus zwei extrazellulär lokalisierten α-Untereinheiten und zwei transmembranären ß-Untereinheiten, die über Disulfidbrücken miteinander verbunden sind. Die Tyrosinkinasedomänen befinden sich im intrazellulären Teil in den ß-Untereinheiten.

Die Bindung von Insulin an den extrazellulären Bereich seines Rezeptors hat eine Konformationsänderung der ß-Untereinheiten zur Folge, sodass die Tyrosinkinasedomänen aktiviert werden. Wie in Abb. 6 schematisch dargestellt, kommt es zu einer Autophosphorylierung (P) der Tyrosinreste in den ß-Untereinheiten. Der Insulinrezeptor erlangt erst durch diesen Phosphorylierungsschritt den Zustand einer aktiven Tyrosinkinase. Die phosphorylierten Tyrosinreste (P) dienen den Insulinrezeptorsubstraten (IRS-1, IRS-2) als Bindungsstellen. Die Bindung der IRS führt zu einer Phosphorylierung der Tyrosinreste der IRS-Proteine. Die Dephosphorylierung des Insulinrezeptors sowie des IRS-1 durch spezifische Phosphotyrosin-Phosphatasen (PTP) führt zu einer verminderten Insulinwirkung.

Im phosphorylierten Zustand dienen IRS-1 und IRS-2 als Andockstellen für weitere Proteine und leiten die Signaltransduktionskaskade fort. Die Bindung des Adapterproteins Grb2 an das IRS-1 führt zur Anlagerung des Guaninnukleotid-Austauschfaktors Son of sevenless (Sos). Es resultiert die Aktivierung des Guaninnukleotid-bindenden Proteins Rat sarcoma (Ras). Auf diesem Weg wird die Mitogen aktivierte Protein-Kinase (mitogen-activated protein kinase, MAPK)-Kaskade ausgelöst. Insulin hat über diesen Signaltransduktionsweg einen Einfluss auf das Wachstum und die Differenzierung von Zellen sowie auf die Expression von Genen, die an zellulären Wachstumsvorgängen beteiligt sind und wichtige Funktionen im Intermediärstoffwechsel erfüllen.

Änderungen des Kohlenhydrat-, Lipid- und Eiweißstoffwechsels bewirkt Insulin über eine weitere Signalkaskade. Neben IRS-1 wird IRS-2 phosphoryliert, das eine Andockstelle für die Phophatidylinositol-3-Kinase (PI3K) darstellt. Phospholipid-Substrate aus der Plasmamembran werden durch diese Kinase in Phosphatidylinositol-3,4,5-triphosphat (PIP3) transferiert. Die folgende Aktivierung der Phosphoinositide-dependent kinase (PDK) hat die Phosphorylierung und somit die Aktivierung der Proteinkinasen B und C (PKB, PKC) zur Folge [12].

Die Serin-/Threoninkinase Akt entspricht der PKB und stellt einen zentralen Vermittler der zellulären Effekte von Insulin dar [10]. Die aktivierte PKB kann unterschiedliche Substrate durch Phosphorylierungen in ihrer Wirkung aktivieren oder inaktivieren. PKB hat Einfluss auf den Glucosestoffwechsel, indem es die Expression von GLUT erhöht.

Unter dem Einfluss der PKB erfolgt die Translokation zytosolischer Vesikel an die Plasmamembran. Diese tragen an ihrer Membran den GLUT 4. Bei GLUT handelt es sich um Polypeptide mit mehr als 500 Aminosäuren, wobei bislang zehn unterschiedliche Transporter identifiziert wurden (GLUT 1 bis GLUT 10). Der Glucosetransport erfolgt über eine erleichterte Diffusion, die einen passiven Stofftransport darstellt [13].

2.3.3 Wirkungen von Insulin

Im menschlichen Körper besitzt Insulin essentielle Wirkungen im Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsel. In einigen Geweben steigert Insulin als anaboles Hormon die Aufnahme von Glucose, freien Fettsäuren und Aminosäuren und führt zur Umwandlung in ihre Speicherformen. Durch Aktivierung der Natrium/Kalium-ATPase (Na+/K+-ATPase) und des Na+/2Cl-/K+-Symporters werden vermehrt Kaliumionen in die Zellen aufgenommen [7].

Auch der Abbau der energetischen Speicherformen wird gehemmt (Speicherhormon). Insgesamt haben alle Stoffwechselwirkungen von Insulin eine Senkung der Blutglucosekonzentration zur Folge. Nach

11 exozytotischer Freisetzung aus ß-Zellen des Pankreas gelangt Insulin über das Pfortaderblut an seine Zielorgane. Im Plasma liegt das Hormon zum Großteil in freier Form vor, ein kleiner Teil ist an Globulin gebunden [14].

Insulin weist darüber hinaus eine zentrale Wirkungskomponente auf. Die Bindung an den Insulinrezeptor der NPY-Neurone im Nucleus arcuatus des Hypothalamus und die Verminderung der NPY-Produktion reduziert die Nahrungsaufnahme [12].

Die Leber, die Skelettmuskulatur und das Fettgewebe sind die zentralen Zielorgane des Hormons (Abb. 7).

Abb. 7 Wirkungen von Insulin auf seine Zielorgane, modifiziert nach [15]

Insulinwirkungen auf die Leber

Insulin führt nach einer vermehrten Glucoseaufnahme in die Hepatozyten durch Inhibition der Glykogensynthase-Kinase 3 (GSK-3) zu einer verstärkten Glykogensynthese. Zudem inhibiert Insulin infolge einer Hemmung der Glykogenphosphorylase die Glykogenolyse.

Durch Hemmung von Enzymen, die an der Gluconeogenese beteiligt sind, wird die Gluconeogenese vermindert. Parallel dazu kommt es zu einer Steigerung der Glykolyse [10].

Insulin weist infolge einer Hemmung der ß-Oxidation freier Fettsäuren eine antiketogene Wirkung auf [13]. Infolge der Speicherung von Fett in Form von Triglyzeriden sowie der Blockade deren Abbaus ergibt sich seine lipogene Wirkung. In geringerem Maße ist in der Leber die Proteinsynthese erhöht und die Proteolyse gehemmt [7].

Insulinwirkungen auf das Fettgewebe

Die Aktivierung plasmatischer Lipoproteinlipasen (LPL) führt zur Einschleusung freier Fettsäuren in die Adipozyten. Die Speicherung der Fettsäuren erfolgt in Form von Triglyzeriden. Zusätzlich nimmt die Triglyzeridbildung durch einen verstärkten Abbau von Glucose zu Acetyl-Coenzym A zu [9]. Parallel dazu

12 wird die Lipolyse unter dem Einfluss von Insulin durch Aktivierung der Phosphodiesterase 3B (PDE3B) inhibiert.

Die Steigerung der Glucoseaufnahme in die Adipoyzten erfolgt durch einen vermehrten Einbau des GLUT 4 in die Plasmamembran. Glykogen ist hier die Speicherform [10].

Insulinwirkungen auf die Skelettmuskulatur

In den Skelettmuskelzellen kommt es unter dem Einfluss von Insulin zu einer Erhöhung der Glucoseaufnahme. Diese erfolgt nach demselben Mechanismus wie im Fettgewebe. Auch hier wird, wie in der Leber, Glykogen durch Stimulation der Glykogenese und Hemmung der Glykogenolyse angereichert.

Die Aufnahme von Aminosäuren (unter anderem Valin, Leucin, Isoleucin) wird stimuliert. Folglich kommt es zu einer Steigerung der Proteinbiosynthese. Zudem stimuliert Insulin die Translation der messenger RNA (mRNA) über die p70S6-Kinase und den Elongationsfaktor 4, sodass mehr Proteine gebildet werden können [10].

Neben der anabolen Wirkung hat Insulin infolge einer Unterdrückung der Ausschleusung von Aminosäuren (Ausnahme: Alanin) sowie einer Inhibition der Proteolyse eine antikatabole Wirkungskomponente [13].