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4 Therapiekonzepte des Diabetes mellitus Typ 2

4.1 Medikamentöse Therapie

4.1.1 GLP-1-Rezeptoragonisten

Aus der Beobachtung, dass der Inkretineffekt bei Typ-2-Diabetiker_innen vermindert ist, wurden GLP-1-Rezeptoragonisten entwickelt. Diese zählen zu den neueren Antidiabetika.

GLP-1-Rezeptoragonisten werden auch als Inkretinmimetika oder GLP-1-Analoga bezeichnet, da sie die Wirkung des körpereigenen GLP-1 (Kapitel 2.5.2) durch Wechselwirkung mit dem GLP-1-Rezeptor imitieren. Die kurze HWZ des endogenen GLP-1 (etwa zwei Minuten) limitiert den therapeutischen Einsatz. Um die positiven Effekte des Inkretinhormons auf beispielsweise das kardiovaskuläre System, das Körpergewicht und die Insulinsekretion ausnutzen zu können, wurden GLP-1-Rezeptoragonisten entwickelt, die resistent gegen den DPP-4-Abbau sind und eine verlängerte Plasma-HWZ haben.

Therapeutisch eingesetzte Inkretine ähneln dem körpereigenen GLP-1 in der Aminosäuresequenz, doch weisen infolge kleiner Strukturmodifikationen eine erhöhte Stabilität gegen den DPP-4-Abbau auf.

Mittlerweile wurden zahlreiche Vertreter mit unterschiedlicher Pharmakokinetik entwickelt. Aufgrund des breiten Wirkungsspektrums der GLP-1-Rezeptoragonisten stellt diese Substanzklasse eine effektive Therapiemöglichkeit für DMT2 dar. Es werden kurz- und langwirksame GLP-1-Rezeptoragonisten unterschieden. Die Selektion eines geeigneten GLP-1-Rezeptoragonisten erfolgt individualisiert, unter Berücksichtigung der Patient_innenpräferenz.

Sowohl kurz- als auch langwirksame GLP-1-Rezeptoragonisten wirken direkt über die Aktivierung des GLP-1-Rezeptors. Dies führt zu einer glucoseabhängigen Insulinsekretion aus den ß-Zellen und zu einer Suppression der Glucagonfreisetzung aus den α-Zellen des Pankreas. Darüber wird der antidiabetische Effekt der GLP-1-Rezeptoragonisten vermittelt. Ein bedeutender Vorteil der GLP-1-Rezeptoragonisten ist, dass sie keine Hypoglykämien auslösen [14]. Im Vergleich zu anderen etablierten Antidiabetika führen manche Vertreter der GLP-1-Rezeptoragonisten, wie in Tabelle 5 ersichtlich, zu einer stärkeren HbA1c-Wert-Senkung [62].

Neben den positiven Effekten auf den Glucosestoffwechsel haben GLP-1-Rezeptoragonisten eine Reihe von nichtglykämischen Vorteilen. Die meisten Typ-2-Diabetiker_innen sind übergewichtig oder adipös.

Übergewicht ist ein unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Ereignisse und daher ist die Gewichtsreduktion in der DMT2-Therapie von großer Bedeutung. GLP-1-Rezeptoragonisten führen zu einer Hemmung des Appetits und zu einer Steigerung des Sättigungsgefühls, was mit einer verringerten Nahrungsaufnahme sowie einer Gewichtsabnahme einhergeht. GLP-1-Rezeptoragonisten führen zu einer Gewichtsreduktion um durchschnittlich drei bis vier Kilogramm [62]. Die gewichtsreduzierende Wirkung variiert sowohl zwischen den einzelnen Vertretern der GLP-1-Rezeptoragonisten als auch zwischen den Patient_innen. Zudem verlangsamen GLP-1-Rezeptoragonisten die Magenentleerung [10]. Mit der Zeit kann es bei anhaltend hohen GLP-1-Konzentrationen zu einer nachlassenden Wirkung auf die Magenentleerung kommen, die möglicherweise auf einer Tachyphylaxie beruht [142].

Eine häufige Komorbidität des DMT2 ist Hypertonie. Da sich diese negativ auf das kardiovaskuläre Risiko auswirkt, ist die Therapie der Hypertonie eine wichtige Komponente in der DMT2-Therapie. In klinischen Studien ist eine geringe blutdrucksenkende Wirkung der GLP-1-Rezeptoragonisten nachgewiesen [143].

51 Typ-2-Diabetiker_innen sind häufig von einer Dyslipidämie betroffen, die das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse erhöht. Eine Studie zeigt, dass der GLP-1-Rezeptoragonist Liraglutid den Lipidstoffwechsel in Mäusen positiv beeinflusst [144].

GLP-1-Rezeptoragonisten weisen ein breites Wirkungsspektrum auf das kardiovaskuläre System aus.

Manche Vertreter reduzieren das kardiovaskuläre Risiko [131, 132]. Der protektive Effekt der GLP-1-Rezeptoragonisten auf das kardiovaskuläre Risiko hängt mit der glucosesenkenden Wirkung zusammen. Die potentiellen kardioprotektiven Effekte lassen sich zudem möglicherweise auf nichtglykämische Effekte der GLP-1-Rezeptoragonisten, wie eine Verbesserung der Insulinresistenz, eine Gewichtsreduktion, eine Blutdrucksenkung sowie auf direkte Wirkungen der GLP-1-Rezeptoragonisten auf das kardiovaskuläre System zurückführen. Die günstigen Effekte der GLP-1-Rezeptoragonisten auf das kardiovaskuläre System können zudem auf deren lipidsenkende Wirkung, insbesondere die Reduktion der Hypertriglyzeridämie und des LDL-Cholesterins, zurückgeführt werden [144]. Hinsichtlich der positiven Effekte der GLP-1-Rezeptoragonisten auf die Endothelfunktion werden vasodilatatorische und antiatherosklerotische Mechanismen sowie die Unterdrückung inflammatorischer Vorgänge diskutiert.

GLP-1-Rezeptoragonisten scheinen sich darüber hinaus günstig auf oxidativen Stress auszuwirken [145, 146, 147]. In Mausmodellen wird gezeigt, dass Liraglutid positive Effekte auf vaskuläre Endothelzellen hat, die die Progression der Atherosklerose hemmen. Darüber hinaus greift Liraglutid in die Bildung von atherosklerotischen Plaques ein und vermindert die Expression proinflammatorischer Zytokine [147, 148].

GLP-1-Rezeptoragonisten können zu einer leichten Erhöhung der Herzfrequenz führen, die jedoch nicht mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko in Verbindung gebracht wird [149].

Eine Metaanalyse ergibt, dass eine Behandlung mit GLP-1-Rezeptoragonisten zu einer verbesserten linksventrikulären Auswurffraktion und einer verringerten Infarktgröße bei Patient_innen mit akutem Myokardinfarkt, die sich einer perkutanen koronaren Intervention unterziehen, führt [50].

Die zugrundeliegenden Wirkungsmechanismen, die mit den günstigen kardiovaskulären Effekten der GLP-1-Rezeptoragonisten einhergehen, sind bislang nicht vollständig geklärt. Es gibt mehrere Hypothesen, wobei die antiatherosklerotische Wirkungshypothese die vorherrschende ist.

Bislang gibt es fünf zugelassene GLP-1-Rezeptoragonisten in der Europäischen Union (EU). Da die molekulare Struktur, die pharmakokinetischen Eigenschaften und die Verträglichkeit zwischen den einzelnen Vertretern variiert, hat jeder GLP-1-Rezeptoragonist ein eigenes Nutzen-Risiko-Profil. In Abhängigkeit von ihrem molekularen Aufbau und ihrer Pharmakokinetik werden GLP-1-Rezeptoragonisten einmal täglich, zweimal täglich oder wöchentlich subkutan injiziert. Semaglutid ist der erste zugelassene GLP-1-Rezeptoragonist, der oral appliziert wird [150].

GLP-1-Rezeptoragonist Applikationsintervall [9, 150, 151]

Exenatid zweimal täglich, einmal wöchentlich subkutan

Lixisenatid einmal täglich subkutan

Liraglutid einmal täglich subkutan

Albiglutid einmal wöchentlich subkutan

Dulaglutid einmal wöchentlich subkutan

Semaglutid einmal wöchentlich subkutan, einmal täglich oral Tabelle 6 Applikationsintervalle der GLP-1-Rezeptoragonisten

52 Geeignete Injektionsstellen sind das Abdomen, der Oberschenkel oder der Oberarm. Zur Sicherstellung einer korrekten und zielführenden Therapie sowie zur Erhöhung der Patient_innencompliance sind Patient_innenschulungen mit GLP-1-Rezeptoragonisten sinnvoll.

GLP-1-Rezeptoragonisten sind im Allgemeinen gut verträglich. Die häufigsten Nebenwirkungen sind gastrointestinale Beschwerden, wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, die meist zu Therapiebeginn auftreten. Die Beschwerden sind von leichter bis mittelschwerer Intensität und nehmen im Laufe der Therapie ab. Eine allmähliche Dosissteigerung kann zu einer Abschwächung der gastrointestinalen Beschwerden führen [63, 152].

Eine GLP-1-Rezeptoragonistentherapie kann die Bildung von inaktivierenden Antikörpern begünstigen [10].

GLP-1-Rezeptoragonisten bedingen gelegentlich Therapieabbrüche. In klinischen Studien führen die gastrointestinalen Beschwerden durch GLP-1-Rezeptoragonisten im Vergleich zu Placebo zu signifikant häufigeren Therapieabbrüchen [132]. Bei subkutaner Applikation treten gehäuft Reaktionen an der Injektionsstelle auf [133].

Semaglutid zeigt in einer klinischen Studie einen negativen Einfluss auf Augenhintergrundveränderungen und ist mit einem erhöhten Risiko für die Progression einer Retinopathie assoziiert. Dabei sind über 80 % der Studienteilnehmer_innen von einer vor der Studie bereits vorhandenen Retinopathie betroffen [131].

Laut dem Food and Drug Administration Adverse Event Reporting System (FAERS) gibt es keine Hinweise darauf, dass GLP-1-Rezeptoragonisten die Progression einer bestehenden Retinopathie begünstigen [153].

In klinischen Studien kommt es unter einer GLP-1-Rezeptoragonistentherapie zu Pankreatitiden und Pankreaskarzinomen [132]. GLP-1-Rezeptoragonisten werden in tierexperimentellen Studien mit einem gesteigerten Risiko für C-Zellhyperplasie, C-Zelladenome und C-Zellkarzinome (medulläre Schilddrüsenkarzinome) in Verbindung gebracht [154]. Laut den Ergebnissen einer Metaanalyse besteht unter einer GLP-1-Rezeptoragonistentherapie im Vergleich zu Placebo kein erhöhtes Risiko für die Entwicklung dieser Erkrankungen [155]. In einer klinischen Studie ist das Risiko einer akuten Gallenblasen- oder Gallenerkrankung unter einer Liraglutidtherapie im Vergleich zu Placebo erhöht [156].

Da wenige Fälle von Pankreatitis sowie von Schilddrüsenerkrankungen unter einer GLP-1-Rezeptoragonistentherapie aufgetreten sind, ist der Einsatz dieser Substanzklasse bei Vorliegen einer gesicherten Diagnose dieser Erkrankungen kontraindiziert. Die Einnahme der GLP-1-Rezeptoragonisten wird bei Patient_innen mit Nieren- und Leberfunktionsstörung sowie bei diabetischer Gastroparese nicht empfohlen. In der Schwangerschaft und Stillzeit ist diese Substanzklasse ebenfalls kontraindiziert [9].

Die subkutane Applikationsform ist der Grund für eine begrenzte Patient_innencompliance der GLP-1-Rezeptoragonisten. Patient_innen bevorzugen generell die orale Medikamenteneinnahme.

Semaglutid, der erste orale GLP-1-Rezeptoragonist, ist seit dem Jahr 2020 in der EU zugelassen [150]. Die ungünstige Darreichungsform bisher verfügbarer GLP-1-Rezeptoragonisten kann somit umgangen werden.

53 In Abb. 18 sind die Injektionsgeräte (Fertigpens) der GLP-1-Rezeptoragonisten dargestellt.

Neben der subkutanen Darreichungsform sind die hohen Herstellungs- und Therapiekosten eine weitere Limitation des therapeutischen Einsatzes der GLP-1-Rezeptoragonisten. Auch aus Expertensicht (Anhang) sind die hohen Therapiekosten der GLP-1-Rezeptoragonisten ein Grund für den eingeschränkten Einsatz in der Praxis.

In Abb. 19 sind die Aminosäuresequenzen und die strukturellen Modifikationen der GLP-1-Rezeptoragonisten schematisch dargestellt.

Abb. 18 Injektionsgeräte (Fertigpens) der GLP-1-Rezeptoragonisten, modifiziert nach [157]

Abb. 19 Strukturelle Modifikationen der GLP-1-Rezeptoragonisten, modifiziert nach [37, 158]

54 Kurzwirksame GLP-1-Rezeptoragonisten

Kurzwirksame GLP-1-Rezeptoragonisten führen im Vergleich zu langwirksamen GLP-1-Rezeptoragonisten zu einer stärkeren Verzögerung der Magenentleerung und senken daher in erster Linie den postprandialen Blutglucosespiegel [159].

Exenatid (Byetta®, Abb. 18), ein 39 Aminosäuren langes Polypeptid, wurde im Jahr 2006 in der EU als erster GLP-1-Rezeptoragonist zur DMT2-Therapie zugelassen. Exenatid stellt die synthetische Form von Exendin-4, einer Substanz aus dem Speichel der Krustenechse Heloderma suspectum, dar. Der Einbau eines Glycinrestes anstelle eines Alaninrestes in Position 8 führt zur Resistenz gegen den DPP-4-Abbau.

Aufgrund seiner 53 %-igen Aminosäuresequenzhomologie (Abb. 19) zu endogenem GLP-1, aktiviert Exenatid den GLP-1-Rezeptor. Die Plasma-HWZ liegt bei 2,4 Stunden. Exenatid wird zweimal täglich subkutan injiziert [63, 158].

In einer klinischen Studie ist die Wirksamkeit des kurzwirksamen Exenatid als Zusatz zur Standardtherapie in Typ-2-Diabetiker_innen mit einer inadäquaten Blutglucoseeinstellung nachgewiesen. Exenatid erzielt eine signifikante Reduktion des HbA1c-Wertes und führt zu einer moderaten Gewichtsabnahme [160].

Lixisenatid (Lyxumia®, Abb. 18), das im Jahr 2013 in der EU zugelassen wurde, ist ein GLP-1-Analogon aus 44 Aminosäuren. Der GLP-1-Rezeptoragonist wurde ebenfalls ausgehend von Exendin-4 entwickelt und weist eine etwa 53 %-ige Aminosäuresequenzhomologie zu humanem GLP-1 auf. Infolge einer Verlängerung des Exendin-4-Moleküls um sechs Lysinreste (Abb. 19) wird die Plasma-HWZ verlängert und beträgt vier Stunden. Lixisenatid wird einmal täglich subkutan injiziert [158, 161].

Im Studienprogramm GetGoal wurde die klinische Wirksamkeit von Lixisenatid als Zusatztherapeutikum zu anderen glucosesenkenden Mitteln beziehungsweise Placebo bei Typ-2-Diabetiker_innen untersucht.

Lixisenatid zeigt eine signifikant stärkere HbA1c-Wert-Senkung als eine Standardtherapie plus Placebo [162]. Im Jahr 2017 wurde die Fixkombination mit Insulin glargin (Suliqua®) in der EU zugelassen [163].

Langwirksame GLP-1-Rezeptoragonisten

Die eingeschränkte Patient_innencompliance der GLP-1-Rezeptoragonisten, die insbesondere auf die subkutane Darreichungsform zurückzuführen ist, wird durch die Einführung langwirksamer GLP-1-Rezeptoragonisten mit einmal täglichen beziehungsweise einmal wöchentlichen subkutanen Applikationsintervallen gesteigert. Im Gegensatz zu kurzwirksamen zeigen langwirksame GLP-1-Rezeptoragonisten in direkten Vergleichsstudien eine stärkere Wirksamkeit bei der Senkung der Nüchternglucose sowie der HbA1c-Wert-Kontrolle [159].

Liraglutid (Victoza®, Abb. 18), eine Nachfolgesubstanz des kurzwirksamen Exenatid, ist seit dem Jahr 2009 in der EU zugelassen [156]. Es handelt sich um ein acyliertes Derivat des humanen GLP-1 mit einer 97 %-igen Aminosäuresequenzhomologie (Abb. 19) zum nativen Inkretinhormon [158]. In Position 34 ist Lysin durch Arginin ausgetauscht und in Position 26 ist die C16-Fettsäure Palmitinsäure über eine Glutamylbrücke angehängt. Aufgrund dieser Strukturmodifikationen ist das Molekül resistent gegen den DPP-4-Abbau. Infolge einer vermehrten nichtkovalenten Bindung an Plasmaalbumin kommt es zu einer verzögerten Absorption und einer herabgesetzten Clearance des GLP-1-Rezeptoragonisten [9]. Dies resultiert in einer verlängerten Wirkdauer. Die Plasma-HWZ von zwölf Stunden ermöglicht die einmalige Injektion pro Tag [158].

Die klinische Wirksamkeit von Liraglutid in der Mono- und Kombinationstherapie mit anderen etablierten Antidiabetika beziehungsweise Placebo wurde im Studienprogramm Liraglutide Effect and Action in Diabetes (LEAD) untersucht. In der LEAD-6-Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Liraglutid mit der eines weiteren GLP-1-Rezeptoragonisten (Exenatid, zweimal tägliche Gabe) verglichen. In Bezug

55 auf die durchschnittliche HbA1c-Wert-Senkung zeigt Liraglutid eine signifikant stärkere Wirksamkeit als Exenatid und weist dabei im Allgemeinen eine bessere Verträglichkeit auf. Liraglutid hat ein vergleichsweise geringes wirkstoffinduziertes Hypoglykämierisiko. Neben den positiven Effekten auf die Glucosehomöostase führt der GLP-1-Rezeptoragonist zu einer signifikanten Abnahme des systolischen Blutdrucks [164]. In Tiermodellen zeigt Liraglutid positive Effekte auf den Lipidstoffwechsel, indem es zu einer signifikanten Abnahme des Gesamtcholesterins, der Triglyzeride und des LDL-Cholesterins führt [144]. Dem GLP-1-Rezeptoragonisten werden darüber hinaus in einem Mausmodell positive Effekte auf die Endothelfunktion zugesprochen [145]. In einem Tiermodell zeigt Liraglutid eine vasodilatatorische Wirkung [146].

In der SCALE-Studie, die den Effekt von Liraglutid auf die Gewichtsabnahme untersuchte, führt der GLP-1-Rezeptoragonist zu einer signifikanten Gewichtsabnahme [165]. Aufgrund seiner starken gewichtsreduzierenden Wirkung ist Liraglutid (Saxenda®) seit dem Jahr 2015 in der EU zur Therapie von chronischem Übergewicht zugelassen [166].

Seit dem Jahr 2011 ist Exenatid (Bydureon®, Abb. 18) in der EU auch als Verzögerungspräparat zugelassen, das nur einmal wöchentlich subkutan injiziert werden muss. Durch die Kombination des GLP-1-Rezeptoragonisten mit einem Wirkstoffträger aus Polymikrosphären wird eine längere Plasma-HWZ erreicht. Die Mikrosphären-Technologie ermöglicht eine kontinuierliche Freisetzung des verkapselten Wirkstoffs [167]. Der GLP-1-Rezeptoragonist führt zu einer Reduktion des HbA1c-Wertes sowie des Körpergewichts und zeigt zudem positive Effekte auf den systolischen Blutdruck und den Lipidstoffwechsel [168].

In der Duration-Neo-1-Studie führt das Exenatid-Verzögerungspräparat im Vergleich zur kurzwirksamen Formulierung von Exenatid zu einer stärkeren HbA1c-Wert-Senkung. Die gewichtsreduzierende Wirkung ergibt vergleichbare Ergebnisse [169].

Neuerdings ist das Exenatid-Verzögerungspräparat mit Bydureon® BCise® (Abb. 18, Depot-Injektionssuspension im Fertigpen) in einem neuen Autoinjektor in der EU erhältlich. Es handelt sich um einen verbesserten und benutzerfreundlichen Pen zur einmal wöchentlichen Injektion von Exenatid. Die Darreichung bietet die bekannte Wirksamkeit und Verträglichkeit des Wirkstoffs und hat den Vorteil einer einfachen Handhabung [167].

Albiglutid (Eperzan®, Abb. 18) wurde im Jahr 2014 in der EU zugelassen. Es handelt sich um ein rekombinantes Fusionsprotein, das sich aus zwei Kopien einer 30-Aminosäurensequenz von modifiziertem humanen GLP-1 zusammensetzt, die mit humanem Albumin fusioniert werden [151]. Der Austausch von zwei Alaninresten gegen Glycinreste in Position 8 führt zu einer erhöhten Stabilität und somit zu einem verminderten DPP-4-Abbau. Infolgedessen hat Albiglutid eine verlängerte Plasma-HWZ von etwa sechs bis acht Tagen. Der GLP-1-Rezeptoragonist weist eine 95 %-ige Aminosäuresequenzhomologie zu humanem GLP-1 auf [158].

Im HARMONY-Studienprogramm wurde die klinische Wirksamkeit von Albiglutid untersucht. Unter einer Albiglutidbehandlung kommt es im Vergleich zu Placebo zu einer signifikanten HbA1c-Wert-Senkung. In Bezug auf die gewichtsreduzierende Wirkung zeigt Albiglutid im Vergleich zu Placebo als Zusatztherapeutikum zu Pioglitazon (mit oder ohne Metformintherapie) eine neutrale Wirkung [170].

Seit 2018 ist Albiglutid weltweit aus kommerziellen Gründen vom Markt genommen worden [37]. Eine mögliche Ursache für die mangelnde Bedeutung des GLP-1-Rezeptoragonisten ist, dass Albiglutid zwar eine vergleichbare glucosesenkende Wirkung wie andere GLP-1-Rezeptoragonisten zeigt, jedoch eine schwächere gewichtsreduzierende Wirkung aufweist.

56 Im Jahr 2014 wurde der GLP-1-Rezeptoragonist Dulaglutid (Trulicity®, Abb. 18) in der EU zugelassen [171].

Es handelt sich um ein Fusionsprotein aus zwei identischen Ketten, die über zwei Disulfidbrücken miteinander verknüpft sind. Beide Ketten enthalten eine modifizierte GLP-1-Analogonsequenz, die kovalent mit einer modifizierten Immunglobulin G4-Fc (IgG4-Fc)-Domäne verbunden ist. Die GLP-1-Analogonsequenz weist eine 90 %-ige Aminosäuresequenzhomologie zu humanem GLP-1 auf. Die vergrößerte Molekülgröße, die auf IgG4-Fc zurückzuführen ist, die verminderte renale Clearance und eine verlangsamte Resorption führen zu einer verlängerten HWZ von etwa vier Tagen, wodurch eine einmal wöchentliche Verabreichung ermöglicht wird [9, 158].

Im Assessment of weekly administration of LY2189265 in diabetes (AWARD)-Studienprogramm wurde die klinische Wirksamkeit und Sicherheit von Dulaglutid in der DMT2-Therapie untersucht. Dulaglutid zeigt bezüglich der HbA1c-Wert-Senkung in mehreren Studien der jeweiligen Vergleichssubstanz beziehungsweise Placebo eine überlegene Wirksamkeit [172]. Dulaglutid führt als Zusatztherapeutikum zu SGLT-2-Inhibitoren mit oder ohne Metformin bei erwachsenen Typ-2-Diabetiker_innen zu einer signifikanten Verbesserung der glykämischen Kontrolle und zeigt ein gutes Verträglichkeitsprofil [173].

Semaglutid (Ozempic®, Abb. 18) ist seit dem Jahr 2018 in der EU als Injektionslösung zugelassen [174].

Strukturell und pharmakologisch ist der GLP-1-Rezeptoragonist eng mit Liraglutid verwandt. Semaglutid weist eine 94 %-ige Aminosäuresequenzhomologie zu humanem GLP-1 auf. In Position 8 der Aminosäuresequenz ist Alanin durch α-Aminobuttersäure ausgetauscht. Durch diese Strukturmodifikation ist Semaglutid vor einem DPP-4-Abbau geschützt. In Position 26 ist ein hydrophiler Abstandshalter (spacer) und eine C18-Difettsäure an den Lysinrest gebunden. Diese Strukturmodifikation führt zu einer starken Albuminbindung und folglich zu einer verlängerten Plasma-HWZ (etwa eine Woche).

Der GLP-1-Rezeptoragonist muss daher nur einmal wöchentlich subkutan injiziert werden [9].

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Semaglutid wurde im SUSTAIN-Studienprogramm untersucht.

Subkutanes Semaglutid führt sowohl in der Monotherapie als auch in der Kombinationstherapie zu einer verbesserten glykämischen Kontrolle. Im Vergleich zu anderen GLP-1-Rezeptoragonisten, wie Dulaglutid, führt Semaglutid zu einer stärkeren HbA1c-Wert-Senkung und zu einem stärkeren Gewichtsverlust [175].

In der STEP-4-Studie zeigt Semaglutid eine starke gewichtsreduzierende Wirkung [176].

Orales Semaglutid (Rybelsus®)

Bisherige GLP-1-Rezeptoragonisten werden subkutan appliziert. Im Vergleich zu oralen Antidiabetika ist hierbei die Patient_innencompliance herabgesetzt. Mit der Einführung des ersten oralen GLP-1-Rezeptoragonisten kann diese erhöht werden. In den letzten Jahren wurden Versuche unternommen, die ungünstige subkutane Darreichungsform der GLP-1-Rezeptoragonisten durch die Einführung oraler Formulierungen der GLP-1-Rezeptoragonisten zu umgehen. Bei den bisherigen GLP-1-Rezeptoragonisten handelt es sich um Peptide, die auf dem oralen Darreichungsweg aufgrund eines proteolytischen Abbaus nicht adäquat wirken können.

Der erste und bisher einzige oral verfügbare GLP-1-Rezeptoragonist in der EU, Semaglutid (Rybelsus®), wurde im Jahr 2020 in der EU zugelassen [150]. Durch eine Kombination von Semaglutid mit einem Absorptionsverstärker wird eine orale Formulierung ermöglicht. Der Absorptionsverstärker sodium-N-[8-(2-hydroxylbenzoyl)amino]caprylat (SNAC) bewirkt eine Anhebung des pH-Wertes im Magen, sodass die Löslichkeit von Semaglutid verbessert wird. Zudem ist der GLP-1-Rezeptoragonist gleichzeitig vor dem proteolytischen Abbau geschützt. Im Magen erfolgt die Aufnahme des Wirkstoffs [177]. Orales Semaglutid ist in Kombination mit einer Ernährungsumstellung und einer Steigerung der körperlichen Aktivität zur Verbesserung der glykämischen Kontrolle bei erwachsenen Typ-2-Diabetiker_innen indiziert und muss einmal täglich oral eingenommen werden [150].

57 Im PIONEER-Studienprogramm wurde die Wirksamkeit und Sicherheit der oralen Formulierung von Semaglutid untersucht. In der PIONEER-2-Studie führt orales Semaglutid im Vergleich zu Empagliflozin bei Typ-2-Diabetiker_innen zu einer signifikanten Senkung des HbA1c-Wertes und des Körpergewichts. Das Sicherheitsprofil ist vergleichbar mit dem der anderen Vertretern der GLP-1-Rezeptoragonisten [178].

Orales Semaglutid ist in der PIONEER-4-Studie in Bezug auf die Reduktion des HbA1c-Wertes im Vergleich zu Liraglutid und Placebo nicht unterlegen. In Bezug auf die Reduktion des Körpergewichts ist die orale Formulierung von Semaglutid Liraglutid und Placebo überlegen [179]. Einzig negativ ist der derzeit hohe Kostenspiegel von oralem Semaglutid. Auch aus Expertensicht (Anhang) stellt dies die größte Hürde für den therapeutischen Einsatz der oralen Formulierung von Semaglutid dar.