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AUSGABE 04 / DEZEMBER 2 011

15. JAHRGANG

Ministerpräsident

Dr. Reiner Haseloff im Interview Special:

20 Jahre Halberstadtwerke

Ministerpräsident Platzeck und VKU-Landeschef Preuße

Tipps aus der Praxis von sturmerprobten Lotsen Rekommunalisierung Nur die Netze?

Kommunale Unternehmen überzeugen durch Bürgernähe

„Luft zum Atmen für Kommunalwirtschaft“

Neue Rubrik:

„Abgucken erwünscht“

S. 36

S. 38

S. 52

S. 78 S. 5

Titelthema

Daseinsvorsorge vor Ort

Forum Neue Länder

Inspirationen/Informationen

Serie: Populärste Irrtümer zur Kommunalwirtschaft

Wer su bventi oniert hier w en?

(S. 25) Zur Diskussion:

Ihre Meinung unter

www.unternehmerin-kommune.de

(2)

Erdgas Südsachsen und Stadtwerke Chemnitz sind jetzt eins. Wir werden natürlich auch weiterhin in den Städten und der Region aktiv sein und mit zahlreichen Initiativen helfen, die Lebensqualität der Menschen zu wahren. Erfahren Sie mehr: www.eins-energie.de.

Die Energie in Sachsen

kommt von

(3)

Inhaltsverzeichnis

INSPIRATIONEN / INFORMATIONEN TITELTHEMA

DASEINSVORSORGE VOR ORT

FORUM NEUE LÄNDER

AUS FORSCHUNG UND LEHRE

KOMMUNALWIRTSCHAFT AKTUELL

91 93 104 Nachrichten

Personalien / Veranstaltungen / Bücher Epilog / Impressum

Zum Titelbild:

Eindeutiges Votum für die kommunalen Unternehmen? Nach aktuellen repräsentativen Umfragen würde es genau so aussehen.

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88 90 Die Energiewende kann die kommunale Komponente zu stärken

Rekommunalisierung kein Selbstzweck

Plädoyer für kommunale Partnerschaften Plädoyer für eine komplexe Rekommunalisierung

Ohne kommunale Unternehmen ginge in Erfurt vieles gar nicht

Das Fazit des Stadtoberhauptes:

Kommunen in den Neuen Bundesländern stehen vor enormen Herausforderungen

Erfolgreiche Deutschland-Premiere

Veränderte Bedarfe erfordern angepasste Angebote

Gedanken zum Jubiläum

Jahresgespräch der ostdeutschen Städte- und Gemeindebünde

Hochkarätiges Gremium

Tipps und Tricks aus der Kommunalwirtschaft Konstituierung des „Forum Kommunalwirtschaft Thüringen“

Die wechselvolle Geschichte eines (Ost)Berliner Arbeitervereins Verwaltungsstruktur in Schweden

Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes 2011

Europäische Richtlinie sorgt für Fairness und Entbürokratisierung Entscheidend ist Vertrauen

Solidarprinzip von Stadt und Land erhalten

Arbeitsteilung mindert Risiken Privat versus Staat.

Zu einem konstruierten Gegensatz aus kommunaler Sicht.

Wer hier wen subventioniert?

„Danke für eine großartige 20-Jahres-Bilanz“

Zwischen demografischem Wandel und der Energiewende

Erstes Matrikel mit Bravour durchs Ziel

Im Wettbewerb gut aufgestellt

„Wir denken, und wir leben kommunal“

Solidarität ist noch immer gefragt

Akademisches Niveau und Praxisnähe

„Abgucken erwünscht“

„Wir wollen Impulse für die interkommunale Zusammenarbeit setzen“

Ein Stadion für die Fans Kommunal statt föderal

Änderungen im Konzessionsvertragsrecht

„Eine Frage der (Zahlungs-)moral“

5 4 Die Finanzierung als die größte Herausforderung der Energiewende Ähnlich erfolgreiche Strukturen

Prolog

25

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74

32

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67

70 73 Kommunalwirtschaft vs. Staatswirtschaft

Regionale Verbundenheit, Bürgernähe und besondere Vertrauenswürdigkeit

Stärkung der kommunalen Handlungsmöglichkeiten dringend geboten

Stadtoberhäupter der Harzkreisstädte ziehen Schlüsse aus Kooperationsanalyse

Gebietsstrukturreformen und ihre Auswirkungen auf die öffentliche Daseinsvorsorge

Interkommunale Kooperationen als Antwort auf den demografischen Wandel

Feierliche Eröffnung des Kinder- und Jugendhospizes Mitteldeutschland in Tambach-Dietharz

Sparkassen sind die Hauptförderer bei den wichtigsten ostdeutschen Klassik-Festivals

15. Unternehmer-Konvent des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) Subventionierte Staatswirtschaft oder der Märchenwald

des „Subventionsdschungels“

„Starke Kommunalwirtschaft stärkt die Kommunen“

Keine Angst vor neuen Herausforderungen

„Jetzt strategische Ziele definieren“

Tradierte Strukturen überdenken

Alles auf den Prüfstand

Ein Ort zum Leben

Klassisch unterwegs zwischen Erzgebirge und Rügen Preisträger sind Botschafter ostdeutscher Erfolge

(4)

Prolog

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ab dieser Dezemberausgabe heißt UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER nur noch UNTERNEHMERIN KOMMUNE.

Der Untertitel „Fachzeitschrift für kommunales Handeln“ zeigt, dass wir unserer inhaltlichen Ausrichtung treu bleiben. Dabei verleugnen wir unseren redaktionellen und verlegerischen Standort in Ostdeutschland nicht. Das FORUM NEUE LÄNDER bleibt als eigenständiger Heftteil erhalten. Wir wollen hier über Sachverhalte berichten, die auch für die alten Länder Relevanz haben, Stichwort

„Demografielabor Ost“.

Das Titelthema der aktuellen Ausgabe – Rekommunalisierung – ist so komplex, dass wir nur ausgewählte Aspekte beleuchten können.

Diskutiert wird in erster Linie unter folgenden Blickrichtungen:

• Aus gesellschaftspolitischer Sicht

• Aus übergreifender kommunalwirtschaftlicher Sicht mit dem Schwerpunkt der Leistungserbringung im Bereich der Daseinsvorsorge

• Aus Sicht der Konzessionsvergabe im Bereich der Netze

Wir konzentrieren uns zunächst auf die erstgenannte Ebene.

Ein wissenschaftlicher Fachbeitrag untersucht exklusiv für UNTERNEHMERIN KOMMUNE das Phänomen unter folgender Überschrift: „Privat vs. Staat. Zu einem konstruierten Gegensatz aus kommunaler Sicht. Plädoyer für eine komplexe Rekommunalisierung“

In einem großen Interview diskutieren dann der Vorstands- vorsitzende der Thüga AG, Ewald Woste, und der Geschäftsführende Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbandes, Claus Friedrich Holtmann, darüber, wie ein großer Vorzug der Kommunalwirtschaft, ihre regionale Verankerung und ihr dezentrales Agieren, mit den Erfordernissen einer global angelegten Wirtschaftsordnung verknüpft werden kann.

An enviaM, dem größten ostdeutschen Regionalversorger, halten Kommunen rund 42 Prozent der Anteile. „Diese Mitwirkung ist mehr als eine reine Finanzbeteiligung“, sagte Karl-Ludwig Böttcher – der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg vertritt die kommunalen Interessen im enviaM-Aufsichtsrat – bei einer Gesprächsrunde, die wir im Septemberheft dokumentierten. Wie vor diesem Hintergrund der in Chemnitz beheimatete Regionalversorger zur Rekommunalisierung steht, erläuterte uns der Vorstandsvorsitzende, Carl-Ernst Giesting.

Den Abschluss bildet der Bericht über den vierten Teil unserer Gesprächsserie, die wir gemeinsam mit den ostdeutschen VKU-Landesgruppen und PwC seit März 2011 zum Thema

„Strategiebildung in kommunalen Aufsichtsräten realisieren. Wie in diesen Gremien Akzente zur Rekommunalisierung gesetzt werden, diskutierten wir am 7. Dezember in Teterow.

Unsere frisch renovierten Fachzeitschrift hat eine neue Struktur:

Nach dem TITELTHEMA folgt KOMMUNALWIRTSCHAFT AKTUELL.

Hier finden Sie Fakten und Trends im Wechselverhältnis von Eigentümern, Unternehmen, Bürgern und Politik für alle Bereiche der kommunalwirtschaftlichen Betätigung. DASEINSVORSORGE VOR ORT informiert über kommunale Strukturen, Konzepte und Unternehmen. Im FORUM NEUE LÄNDER lesen Sie über ostdeutsche Entwicklungen mit einem hohen Erkenntniswert für die kommunalwirtschaftliche Praxis in ganz Deutschland. Es folgt AUS FORSCHUNG UND LEHRE, die einzige regelmäßige Wissenschaftsrubrik in der deutschen Kommunalpublizistik.

Am Schluss des Heftes liefern wir unter dem Titel INSPIRATIONEN / INFORMATIONEN wie bisher Kurzberichte, Personalita, Rezensionen und Informationen zur Rechtspraxis. Neu ist die Rubrik „Aus der Praxis für die Praxis“. Angesehene Experten aus kommunalen Unternehmen geben hier ab sofort Tipps für Problemlösungen.

Wegen der guten Vorsätze zum Jahreswechsel reduzieren wir Alkohol und Kalorien: Aus Aperitif und Dessert machten wir Prolog und Epilog, illustriert mit der geöffneten und geschlossenen Rathaustür. Das dort stehende „DOCTRINAE SAPIENTIAE PIETATI“

heißt zu gut deutsch „Für die Gelehrsamkeit, Weisheit, Frömmigkeit“.

Das ist doch ein gutes Motto für eine kommunalwirtschaftliche Fachzeitschrift!

Ihr Michael Schäfer

prolog

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TITELTHEMA

TITELTHEMA

„Es gibt gute Gründe, in Kernbereichen der Daseinsvor- sorge verstärkt auf die Option der Rekommunalisierung zurückzugreifen.“

Jens Libbe/Stefanie Hanke/Maic Verbücheln: Rekommunalisierung – Eine Bestandsaufnahme Difu-Papers. Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin 2011

zitiert

DIE FINANZIERUNG ALS DIE GRöSSTE HERAUSFORDERUNG DER ENERGIEWENDE

Ähnlich erfolgreiche Strukturen

Gesprächsrunde mit Claus Friedrich Holtmann, Geschäftsführender Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) und Ewald Woste, Vorstandsvorsitzender der Thüga AG, München, und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)

F

ür das traditionelle Jahresinterview mit dem geschäftsführenden Präsidenten des Ostdeutschen Sparkassenverbandes, Claus Friedrich Holtmann, hatten wir für 2011 die Überschrift „Kommunalwirtschaftliche Netzwerke“ gewählt. Beim Vorgespräch Anfang August im Domizil des Verbandes in der Leipziger Straße, im Zentrum der Hauptstadt, fiel unter dem Eindruck der gerade beschlossenen Energiewende auch das Stichwort dezentrale Erzeugung. Wir diskutierten, ob diese Option gerade für kleine und mittlere Stadtwerke tatsächlich auch neue Chancen im Wettbewerb bringt. Übereinstimmung herrschte, dass es für das einzelne Unternehmen nicht möglich ist, diese technologisch anspruchsvollen Geschäftsfelder ohne externe Unterstützung aufzubauen. Daraus folgt die Frage, ob es möglich ist, die Stärke der kommunalen Versorger – ihre Präsenz vor Ort, ihre Kundennähe, der enorme Vertrauensbonus – mit dem Spezial-Know-how kombinieren, über das derzeit nur die großen Versorger mit ihren umfangreichen eigenen personellen und finanziellen Ressourcen verfügen?

Wie es dezentral bestens funktioniert, wenn man zugleich Mitglied einer großen und verschworenen Gemeinschaft ist, das zeigen seit mehr als 200 Jahren die Sparkassen. Nach diesem bewährten Rezept wird inzwischen auch in der kommunalen Versorgungswirtschaft gekocht.

Prominentes Beispiel ist das kommunale Netzwerk der Thüga-Gruppe, die immerhin auch schon auf eine fast 150jährige Geschichte zurückschauen kann. Worin bestehen die Analogien zwischen dem Sparkassenmodell und der Thüga-Philosophie im Grundsatz und im Detail? Kann die ewig junge Sparkassen-Idee für kommunalwirtschaftliche Netzwerke aller Art adaptiert werden? Warum bewährt sich das Prinzip auch unter extrem unterschiedlichen Rahmenbedingungen? Wir waren uns mit Claus Friedrich Holtmann schnell einig, dass wir diese Fragen gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden der Thüga AG, Ewald Woste diskutieren sollten. Dessen Zusage kam postwendend.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

2011 – das ist auch das Jahr, in dem eine historisch zu nennenden Energiewende ein- geleitet wurde. Dieser Prozess eröffne gerade kleinen und mittleren kommunalen Ver- sorgern neue Chancen argumentieren viele Experten vor allem mit dem Verweis auf die Zunahme dezentraler Erzeugung. Allerdings müsse der Zugriff dieser Unternehmen auf das Know-how und die Dienstleistungen übergreifender Netzwerke gewährleistet sein.

Solche Konstellationen entwickeln sich in der kommunalen Versorgungswirtschaft eher langsam. Die sehr erfolgreiche Thüga-

Konstruktion hat bis dato kaum Nachahmer gefunden. Inwieweit könnte das über die Jahrzehnte erprobte und sehr erfolgreiche Sparkassenmodell – regional verwurzelte und agierende Institute, eingebettet in leistungs- fähige Strukturen wie etwa den OSV und darüber hinaus die gesamte Sparkassen- Finanzgruppe – Vorbild für neue Strukturen in der kommunalen Versorgungswirtschaft sein?

Ewald Woste:

Energiewende bedeutet auch, dass Kapazitäten aus dem Markt herausgenommen werden, für die neue errichtet werden müssen. Allein mit

Dezentralität lässt sich die Energiewende nicht gestalten. Selbst Tausende von Kleinst-Block- heizkraftwerken könnten die Netzstabilität nicht gewährleisten. Nichtdestotrotz bin ich davon überzeugt, dass sich die Energiewende insbesondere auf die Stadtwerke sehr positiv auswirken wird. Angesichts einer Renaissance an Stadtwerke-Neugründungen und Netz- übernahmen scheint seitens der Kommunen eine gewisse Sehnsucht nach Verantwortung zu bestehen. Gerade Städte mit 20.000 oder 30.000 Einwohnern stehen nun vor riesigen Herausforderungen. Sie müssen erheblich in neue Anlagen investieren und der wachsenden

(6)

Sparkassen / Kommunalwirtschaft

Meinungaustausch hoch über den Dächern Berlins – V.l.n.r. Ewald Woste, Carmen Meinhold (Thüga), Cosima Ningelgen (OSV), Claus Friedrich Holtmann und UNTERNEHMERIN KOMMUNE-Chefredakteur Prof. Dr. Michael Schäfer

Komplexität in der Versorgungswirtschaft Herr werden. Darin liegt die große Chance der Thüga, die gerade in Bezug auf die technische Umsetzung Unterstützung gewähren kann.

Claus Friedrich Holtmann:

Wir sind vor Ort stark und dezentral aufgestellt.

Für uns als Sparkassen ist es leichter, dezentrale Maßnahmen zu finanzieren. Wir sind deshalb stark am Neubau von Kraftwerken beteiligt, mussten aber auch feststellen, dass sich weite

Abschnitte nur schwer finanzieren lassen. Die internationalen Bestrebungen, öffentlich- rechtliche Kredite mit einer Eigenkapitalunter- legung zu belegen, sehe ich skeptisch. Die Energiewirtschaft muss diese Entwicklungen genau im Auge behalten, denn darüber könnten sich die Kalkulationsgrundlagen drastisch ver- ändern. Angesichts der demografischen Ent- wicklung müssen diejenigen, die sich in der

Fläche engagieren, noch enger zusammen- arbeiten. Wir gehen diesen Weg und pflegen vielfältige Kooperationen mit unseren Partnern in der Region.

Energieversorgung ist auf Netze angewiesen.

Bevor sie sich auf Abenteuer einlassen, sollten die Stadtwerke den Investitionsbedarf möglichst genau prognostizieren. Die Umstellung der Energiewirtschaft wird viel Geld kosten. Wenn sich eine Kommune für dezentrale Lösungen entscheidet, ist es deshalb umso entscheidender, ob die potentiellen Anschlusskunden bereit sind, sich langfristig zu binden.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Wenn wir Netzwerke wie das der Sparkassen oder der Thüga analysieren, stellen wir fest, dass sie derzeit für einzelne Segmente geflochten sind. Bei den Sparkassen geht es um Finanzdienstleistungen, bei der Thüga im Kern um Energieversorgung. Daseins- vorsorge und Kommunalwirtschaft aber sind real ja viel komplexer. Die Bandbreite reicht von Strom und Gas über Wasser und Abwasser, Entsorgung, ÖPNV, Kranken- häuser bis hin zur Wohnungswirtschaft.

Macht es Sinn, kommunalwirtschaftliche Netzwerke nicht nur vertikal, wie derzeit, sondern auch horizontal zu etablieren? Wie müsste man vorgehen, und welche Effekte wären zu erwarten?

Holtmann:

Dezentralität erhält aktuell wieder eine stärkere Bedeutung. Dies gilt auch international. Selbst in den USA sollen die Community Banks als kleine Institute nun stärker gefördert werden.

In Kalifornien gibt es Bestrebungen, öffentliche Kreditinstitute zu schaffen und auch die Bundesregierung verlässt nun lange Zeit für ehern gehaltene Positionen. Die Globalisierung wird unaufhaltsam fortschreiten, doch inner- halb dieses Prozesses werden sich die Menschen immer wieder überschaubare Nischen suchen.

Es gibt für uns zwei Botschaften aus dieser Entwicklung. Die erste lautet, dass Dezentrali-

tät wieder stärker an Bedeutung gewinnt. Die zweite ist, dass wir in diesem Zusammenhang neue Ansätze entwickeln müssen. Wir dürfen dabei nicht nur die Einnahmeseite betrachten, sondern müssen auch die Belastungen ins Kalkül ziehen.

Bevor sie sich auf Abenteuer einlassen, sollten die Stadtwerke

den Investitionsbedarf möglichst genau prognostizieren.

„ ______________________

Claus Friedrich Holtmann

Ein unabhängiger Partner kann dazu beitragen, dass die Diskussionen

in den Aufsichtsräten weniger politisch und mehr fachlich

orientiert geführt werden.

„ ______________________

Ewald Woste

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TITELTHEMA

Sparkassen / Kommunalwirtschaft

Woste:

Es gibt eine wachsende Skepsis gegenüber großen Strukturen. Das Thüga-Modell passt somit genau in den Trend. Die Unternehmen vor Ort bleiben eigenständig – wir sind lediglich in einer Minderheit beteiligt, ver- wirklichen aber zusammen mit den Partnern erhebliche Synergien. Hier bestehen noch erhebliche Potentiale. Die immensen Heraus- forderungen der Energiewende und des demo- grafischen Wandels verlangen danach, diese auch möglichst vollständig zu erschließen.

Nach dem Unglück von Fukushima gab es einen breiten Konsens für den Ausstieg aus der Kernenergie. Doch anstatt die damit zusammenhängenden Ambitionen über- greifend zu vernetzen, werkelt nun jede Stadt an ihrem eigenen Energiekonzept und jedes Bundesland fasst eigenständige Beschlüsse.

Diese vielfältigen Konzepte müssen nun ineinander integriert und miteinander abgestimmt werden. Der in Deutschland nötige Leitungsausbau von 4.500 Kilometern geht einher mit 12.000 neu zu errichtenden Strommasten, von denen jeder Einzelne den Widerstand der Anwohner provozieren kann.

Wir müssen bei allem Optimismus auch darauf achten, die Versorgungssicherheit nicht zu gefährden.

Holtmann:

Das Thüga-Konzept ähnelt dem Verbandswesen der deutschen Sparkassenorganisation. Sie nutzen zusätzlich das Instrument der Kapital- verflechtung, womit sich Einflussstränge klarer fassen lassen. Kundenseitig ist das Modell eigentlich gleich. In beiden Fällen findet der Kunde ein regional verwurzeltes Unternehmen vor. Zentral wird ein gewisses Know-how vor- gehalten, welches zusätzlich an ein wirtschaft- liches Interesse gekoppelt ist. Entscheidend ist, wie effizient diese Fachkompetenz in die dezentralen Einheiten vermittelt werden kann.

Daseinsvorsorge und der demografische Wandel UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Dieses Netzwerkprinzip, also ressort- und strukturübergreifende Lösungen, sind auch wesentlicher Teil der Anpassungsstrategien für den demografischen Wandel. Von den Sparkassen hat man dazu schon viele originelle Ideen gehört. Etwa die rollende Sparkasse, die neben Finanzdienstleistungen auch die frischen Brötchen oder den neuen Pass in strukturschwache Regionen bringt.

Welche neuen Antworten gibt es bei den erfolgreichen Netzwerken von Sparkassen und Thüga für die Meisterung der Herausforderungen, vor denen die Kommunen – Stich- worte sind die demografische Entwicklung, die strukturelle Krise der Kommunalfinanzen und die Erfordernisse aus Energiewende und Klima- wandel – stehen?

Woste:

Die größte Herausforderung der Energiewende ist deren Finanzierung. Dabei sprechen wir von einem Investitions- bedarf in Höhe von circa 250 Milliarden Euro, für den wir langfristige Partner aus der Kreditwirtschaft brauchen.

Die Frage ist, ob die heutige Generation für ihre Nach- kommen eine Versorgungs- struktur aufbauen will, deren variable Kosten fast Null sind.

Wenn diese Produktions- struktur einmal steht, wird die Entwicklung von Ressourcen- strömen und Rohstoffkosten kaum eine Rolle mehr spielen.

Für kommende Generationen ist dies eine große Chance. Das

bedeutet jedoch, dass die aktuelle Generation auf Wohlstand verzichten müsste. Um die Energiewende realisieren zu können, werden wir Finanzströme öffnen müssen, die dem Markt bislang noch nicht zur Verfügung standen. Aktuell ist es sehr schwierig, Banken zu finden, die solche Projekte langfristig zu ver- nünftigen Zinsen finanzieren würden.

Holtmann:

Die Möglichkeiten haben sich auch aus Perspektive der Geldinstitute drastisch verengt.

Es gibt nicht mehr viele Anlageoptionen mit einem adäquaten Zinssatz. Wir sollten uns neue – bislang brachliegende – Potentiale erschließen.

Sondersituationen verlangen nach besonderen Regelungen. So wurden etwa den öffentlichen Pensionskassen nach dem Zweiten Weltkrieg ganz andere Freiräume gewährt, als sie heute haben.

Wer heute Netze errichtet, muss sich fragen, was in zehn Jahren an diesen Orten überhaupt noch vorhanden ist. Das Sparkassen-Gesetz zwingt uns, eine flächendeckende Finanz- versorgung sicherzustellen. Bei uns im Haus beschäftigt sich ein Referent ausschließlich damit, wie wir demografische Erkenntnisse in praktisches Handeln umsetzen. Wir müssen neue hier Techniken und neue Partner finden.

Andererseits muss jemand, der in eine dünn besiedelte Region zieht, damit rechnen, dass die Infrastruktur nicht gleichwertig mit der in Metropolregionen sein kann.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Ob wir den kompletten Leistungskatalog der Daseinsvorsorge in der gewohnten Quali- tät und Vielfalt in Zukunft noch überall in unserer Republik realisieren können, ist mehr als fraglich. Wie kann das Netzwerkkonzept von Sparkassen und Thüga helfen, not- wendige Leistungseinschränkungen in einem vertretbaren Rahmen zu halten?

Woste:

Durch den Strukturwandel im Ruhrgebiet hat sich die Bevölkerungsanzahl nach dem Krieg stark verändert. In manchen Städten ist die Einwohnerzahl stark gesunken. Die Wasser- versorgung war jedoch ursprünglich auf einen viel höheren Bedarf ausgerichtet, doch im Rückbau von Infrastruktur liegt nur geringes synergetisches Potential. Eine politisch motivierte Absenkung der Wasserpreise kann ein Stadtwerk deshalb die Existenz kosten.

Holtmann:

Ich teile ihre Auffassung vollkommen. Das Thema Demografie ist eng mit den Investitionen verknüpft. Lange dachte man in der Politik, man

Die Runde traf sich in der Zentrale des Ostdeutschen Sparkassen- verbandes am Berliner Spittelmarkt.

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Sparkassen / Kommunalwirtschaft

müsse nur die entsprechende Infrastruktur vor- halten und schon kämen die Menschen. Doch demografische Prozesse lassen sich kaum beein- flussen. Vor dem Hintergrund von Wirtschafts- krise und der demografischen Entwicklung werden nicht mehr die komplette Bandbreite der Daseinsvorsorge in jedem Weiler vorhalten können.

Das Verhältnis von Politik und Kommunalwirtschaft

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die Idee vom Konzern Stadt impliziert ja bereits die synergetische horizontale Ver- maschung kommunaler und kommunal- wirtschaftlicher Leistungserbringung. Die praktische Umsetzung verläuft vor allem in zwei Richtungen: entweder werden alle Bereiche der Daseinsvorsorge unter einem Dach, das ist oft eine Holding, ver- einigt, oder es werden fachlich definierte Cluster etabliert, etwa für Gesundheits- und Sozialleistungen oder für die kommunale Wohnungs- und Immobilienwirtschaft.

Gibt es hier einen Königsweg und wie kommt von solchen lokalen Strukturen zu übergreifenden interkommunalen Kooperationen?

Woste:

Angesichts sehr unterschiedlicher Rahmen- bedingungen sollte diese Frage stets anhand des Einzelfalls analysiert werden. Zwei Bereiche zusammenzuführen, macht nur Sinn, wenn sie auch synergetisches Potential aufweisen. So lassen sich vor allem im Bereich der Netze und bei der technischen Instandhaltung erhebliche Einsparmöglichkeiten erzielen. Übernimmt ein Stadtwerk allerdings die Wohnungsbewirt- schaftung, kann ich darin kaum einen Mehr- wert erkennen. Wir sind deshalb recht zögerlich, uns von unserer Energiekompetenz zu ent- fernen. Die Thüga soll nicht zum Gemischt- warenladen werden. Es hat sicherlich auch zur Verschuldung vieler Städte beigetragen, dass strategische Fragestellungen oft politisch ent- schieden werden. Aus meiner Sicht, gibt es im Land noch viel Potential für Synergien.

Holtmann:

Ich halte es nicht für sinnvoll, alles in eine Struktur hineinzugießen. Städte und Gemeinden sollten vielmehr die Clusterung von Dienstleistungen ausbauen. Auf der dem Kunden zugewandten Seite macht eine dezentrale Ausrichtung Sinn. Abseits davon können Sparten hinsichtlich einzelner Arbeits- schritte auch zusammengefasst werden. Unter- nehmerische Entscheidungen sollten immer die

UNSERE GESPRÄCHSPARTNER Claus Friedrich Holtmann wurde am 30. Juli 1949 in Krefeld geboren. Nach seiner Lehre als Sparkassenkaufmann absolvierte er ein Studium der Betriebswirtschaft. Der diplomierte Kaufmann war zunächst beim Sparkassenverband Niedersachsen tätig.

Nach den bestandenen Examina als Steuer- berater (1981) und Wirtschaftsprüfer (1982) wurde er dort im Jahre 1984 stellvertretender Prüfstellenleiter.

Beim Ostdeutschen Sparkassen- und Giro- verband (OSGV) baute Holtmann die Prüfungsstelle auf. 1999 wurde er Verbands- geschäftsführer des OSGV. Im Oktober 2006 bestellte ihn die Verbandsversammlung mit Wirkung zum 1. Januar 2007 zum Geschäfts- führenden Präsidenten des inzwischen umbenannten Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV).

Claus Friedrich Holtmann ist verheiratet.

Ewald Woste wurde am 13. Januar 1960 in Werne geboren. Nach erfolgreichem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Paderborn arbeitete er zunächst in der Privatwirtschaft, u.a. als Controller bei der Benteler AG. Von 1992 bis 1998 war er u.a. Prokurist der Stadtwerke Paderborn und Geschäftsführer von Gemeinschaftsunter- nehmen der Stadtwerke.

1998 wurde Woste Mitglied der Geschäfts- führung und der Vorstände der Städtischen Werke, Nürnberg GmbH, Energie- und Wasser- versorgung AG, Nürnberg und Verkehrsaktien- gesellschaft, Nürnberg. Ab 2000 war er Mitglied des Vorstandes der N-ERGIE AG Nürnberg.

Im Jahr 2004 wurde er zum Vorstandsvor- sitzenden der Mainova AG, Frankfurt am Main, berufen. Seit 2007 ist er Vorstandsvorsitzender der Thüga AG, München. Im Jahr 2010 wurde er zum Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) gewählt.

Ewald Woste ist verheiratet und hat zwei Kinder.

treffen, die sie auch fachlich beurteilen können.

Es gibt viele Beispiele, in denen politische motivierte Entscheidungen die Ertragskraft eines Unternehmens geschmälert haben. Denn, wenn die Besetzung der Spitzenpositionen dem Proporzgedanken folgt, wird die Fachkunde zwangsläufig leiden.

Woste:

Die Verantwortlichen der Unternehmen müssen klare Zielvorgaben entwickeln, ihren Mit- arbeitern aber auch die Instrumente zu deren Erfüllung in die Hand geben. Daneben muss auch der Aufsichtsrat in der Lage sein, seine Kontrollfunktion angemessen zu erfüllen. Fach- kunde ist dabei unabdingbar. Ein unabhängiger Partner kann dazu beitragen, dass die Dis- kussionen weniger politisch und mehr fachlich orientiert geführt werden. In den Aufsichtsräten der Thüga-Partner nehmen die kommunalen Vertreter und die Fachexperten der Thüga gemeinsam die Abwägung der markt- und gemeinwirtschaftlichen Interessen wahr. Die kommunalen Vertreter sind die Experten vor Ort. Thüga steuert dazu ihr Know-how und ihre Kompetenz bei. Dieses Vorgehen hat sich bewährt.

Holtmann:

Die Vermengung von Politik und Wirtschaft ist immer ein schwieriges Unterfangen. Die Politik kann in Bezug auf die langfristigen Leitlinien steuernd eingreifen, doch die operativen Ent- scheidungen müssen von Fachleuten getroffen werden. Für eine eher fachliche Ausrichtung erscheint mir die Clusterung die sinnvollere Struktur.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

In den ostdeutschen Ländern hat die neue Ära selbstverwalteter Kommunen und ihrer kommunalen Unternehmen nach 40 Jahren Zentralismus und Zwangswirt- schaft erst 1990 mit den ersten freien Kommunalwahlen, der neuen Kommunal- verfassung und dem Kommunalvermögens- gesetz begonnen. Wie sind seinerzeit die Chancen genutzt worden, a priori moderne, leistungsfähige Strukturen und Netzwerke zu etablieren?

Woste:

Die Zusammenarbeit mit der Thüga wurde immer sehr positiv aufgenommen. Die Kooperation zwischen privaten Kapital und kommunalen Partnern hat immer gepasst. Vielleicht konnte dazu auch die ostdeutsche Genesis der Thüga beitragen – und die lange Erfahrung mit kommunalen Partnerschaften.

Holtmann:

Ohne die Sparkassen wäre der Aufbau eines Mittelstandes in den Neuen Bundesländern nicht möglich gewesen. Wir waren Finanzier und Wirtschaftsratgeber für die Kommunen.

Daneben sind die Sparkassen einer der größten Förderer der Kultur in der Region. n

Das Gespräch führte Michael Schäfer www.osv-online.de

www.thuega.de

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9 UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 04 / DEZEMBER 2011

TITELTHEMA

Sparkassen. Gut für Deutschland.

Sparkassen-Finanzgruppe

Wann ist ein Geldinstitut gut für Deutschland?

Wenn es Investitionen

finanziert, von denen auch die Umwelt profitiert.

Sparkassen fördern nachhaltiges Wirtschaften. Mit gezielten Finanzierungsangeboten und fachlicher Beratung leisten Sparkassen einen wichtigen Beitrag zur Steigerung der Energieef zienz und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Das ist gut für den Mittel- stand und gut für die Umwelt. www.gut-fuer-deutschland.de

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Gliederung:

1. Vorbemerkungen

2. Staatswirtschaft, Öffentliche Wirtschaft, Kommunalwirtschaft – Anmerkungen zur Abgrenzung und begrifflichen Präzisierung 3. Kommunalwirtschaft – legitime

Wirtschaftsform in einer Marktwirtschaft 4. Privat vs. Staat – Heuchelei als Methode 5. Fazit

1. Vorbemerkungen

Der Kommunalwirtschaft ist es weit über ihren quantitativ fast zu vernachlässigenden Anteil an der Weltwirtschaft und auch bezüglich ihres selbst im Maßstab der deutschen Volkswirtschaft marginalen Ranges gelungen, sich in der Dis- kussion zu den Grenzen und auch den Gefahren einer ungezähmten kapitalistischen Weltwirt- schaftsordnung Gehör zu verschaffen. „In den vergangenen Jahren erlebte die Kommunalwirt- schaft eine wahre Renaissance: Sie ist beliebt wie nie, kommunale Unternehmen attraktiv und der Citzen Value ein Geschäftsmodell der Zukunft.“2 Die zentrale Rolle der Nutzenstiftung als Ziel der wirtschaftlichen Betätigung von Kommunen, und zwar bezogen auf existentielle Bedürfnisse der Menschen, findet ihren Ausdruck in dem Begriff Daseinsvorsorge. Dieser Begriff hat seine unmittelbare Wurzel in unserem christlich- abendländischen Werteverständnis.3

Kommunale Wirtschaft ist in ihrer originären Leistungserbringung unmittelbar auf die Befriedigung elementarer menschlicher Bedürf- nisse orientiert: Wasser, Abwasser, Abfallbeseitigung, Brandschutz, Straßen, Kinderbetreuung und Krankenhäuser als Pflichtaufgaben im eigenen Wirkungskreis sowie Elektrizität, Gas, Fernwärme, ÖPNV,

Wohnungen, Bildung, Kultur, Freizeitein- richtungen und Wirtschaftsförderung als frei- willige Selbstverwaltungsaufgaben.

Kommunale Wirtschaft existiert in einem Wirtschaftssystem, das die Erzielung von Gewinnen wirtschaftlichen Einheiten zur Pflicht macht. Bei der Verwendung der Gewinne erweist sich die kommunale Form der wirtschaftlichen Betätigung ebenfalls als elementar humanistisch.

Auch die Gewinne dienen – soweit sie nicht für Investitionen in den Erhalt und ggfls. auch die Erweiterung des produktiven Vermögens genutzt werden (müssen) – ausschließlich dem Bürger.

In der kommunalen Wirtschaftsform hat der Mensch als Produzent, als „Humankapital“ in den kommunalen Unternehmen einen qualitativ anderen Stellenwert als in der Privatwirtschaft. Er wird nicht reduziert auf seine Fähigkeit zur höchst- möglichen Produktion von Mehrwert, sondern er kann seine Kreativität im humanistischen Sinn ausleben: Kreislaufwirtschaft, Ressourcen- schonung, Nachhaltigkeit. Dieser humanistische Ansatz stellt sich nicht automatisch ein: Er muss zentrales Element in den Vorgaben der Eigen- tümer sein, und er muss auch das Innenleben der Unternehmen, die Unternehmenskultur, also auch den Umgang der Eigentümer mit den Mit- arbeitern betreffen.

Die nur auf Profitmaximierung gerichtete Ziel- projektion von Ökonomie gefährdet mittel- und langfristig die Existenz des einzelnen Unter- nehmens und der Wirtschaft insgesamt. Aus dieser Erkenntnis heraus wächst das Bewusstsein für die Lebenskraft, die Stabilität, die wirtschaftliche Solidität und die Langfristigkeit kommunaler Wirtschaftsformen – auch und gerade unter den Bedingungen der Globalisierung. Ein Beispiel ist das seit rund 200 Jahren nahezu unveränderte, über den gesamten Zeitraum aber überaus erfolgreiche Geschäftsmodell der deutschen Sparkassen.4 Aus Forschung und Lehre

Privat versus Staat.

Zu einem konstruierten Gegensatz

aus kommunaler Sicht.

Plädoyer für eine komplexe Rekommunalisierung

Von Michael Schäfer

1

Ein zentrales Merkmal des kommunalen Verständnisses von Daseinsvorsorge ist der Aspekt der Nachhaltigkeit.

Folgerichtig stehen Leistungen für Kinder (Betreuung, Schule, Kultur, Sport) im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Beklagenswert ist, dass die Erfüllung dieser kommunalen Pflichtaufgaben im eigenen Wirkungskreis durch die strukturelle Unterfinanzierung immer stärker gefährdet ist. Hier ist staatliches Handeln gefragt. Ein Para- digmenwechsel beim Transfer von Steuermitteln in die Kommunen und deren Konzentration auf unsere Zukunft – und das sind die Kinder – ist alternativlos. Foto: Urbschat

1 Michael Schäfer, Autor des Beitrages, ist Herausgeber und Chefredakteur der Fachzeitschrift für kommunalwirtschaftliches Handeln UNTERNEHMERIN KOMMUNE. Er gehört zu den Initiatoren des seit 2011 bestehenden Instituts Wissenszentrum Kommunalwirtschaft e.V. in Berlin sowie des deutschlandweit ersten Masterstudienganges Kommunalwirtschaft an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH). Der promovierte Politologe lehrt als Honorarprofessor für Kommunalwirtschaft an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH).

2 Stephan Weil

3 Das neue Testament liefert zahlreiche Belege, so u.a.: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die, so im Elend sind, führe in das Haus, so du einen nackend siehest, so kleide ihn und entziehe dich nicht von seinem Fleisch (Altes Testament, Jesaia 58.7).

Suchet der Stadt Bestes, dahin ich Euch habe lassen wegführen und betet für sie zum Herrn; denn wenn ihr es wohl gebet, so gehet es euch auch wohl. (Altes Testament, Jeremia, 29.7) Die Erde ist des Herrn und was drinnen ist, der Erdboden und was darauf wohnet. (Neues Testament, Psalm 24.1)

Der Dieb kommt nur zum Stehlen, Töten und Zerstören. Ich aber bin gekommen, damit meine Schafe das Leben haben, Leben im Überfluss (Neues Testament, Johannes 10/10)

4 „Mehr und mehr Konzerne geraten unter das Diktat der kurzen Frist. Die seit Mitte der 1980er angesagte Shareholder-Value-Doktrin hat nicht das beständige Unternehmen, sondern den unsteten Aktionär (Shareholder), der mit einen Aktien schnellen Mehrwert (Value) erzielen möchte, in den Mittelpunkt des Wirtschaftslebens gerückt…..So schwingt das Pendel von der beharrlichen Strategie zu den fiebrig erwarteten Vierteljahreszahlen, die so gut wie nichts über die Solidität und die langfristigen Aussichten einer Firma aussagen. Das Vertrauen in ein Unternehmen ist nämlich eine Frage der Kontinuität und Berechenbarkeit. Von heute auf morgen verspielt man dieses Vertrauen, gewinnen lässt es sich nicht über Nacht.“ Vgl. de Weck, Roger: S. 47f

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TITELTHEMA

2. Staatswirtschaft, Öffentliche Wirtschaft, Kommunalwirtschaft – Anmerkungen zur Abgrenzung und begrifflichen Präzisierung

Öffentliche Wirtschaft ist integraler Bestandteil der herrschenden Wirt- schaftsordnung, national wie international. Dafür stehen insbesondere die folgenden Aspekte:

Erstens nimmt die öffentliche Wirtschaft an den allgemeinen Austausch- beziehungen der Märkte teil.

Zweitens ist sie ist in die nationale und internationale Arbeitsteilung integriert, wobei der Schwerpunkt auf der regionalen Ebene liegt.

Drittens rekrutiert sie ihre Beschäftigten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Viertens unterliegt sie den allgemeinen Regeln des Marktes und den Mechanismen der Regulierung.

Aus dieser Position ergibt sich rein ökonomisch keinerlei Sonder- stellung gegenüber der Privatwirtschaft. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es unerheblich, in wessen Eigentumsform die Teilnahme an der Wert- schöpfung erfolgt. In nahezu allen Feldern der Leistungserbringung stehen kommunale Unternehmen im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft. Die einzige Ausnahme bildet wegen der Existenz eines natürlichen Monopols der Wasserbereich.

Wegen der vorwiegend regionalen Wertschöpfung erweisen sich kommunale Unternehmen in einer krisensensiblen globalen Wirt- schaftswelt als stabilisierender Faktor. Sie werden von den weltwirt- schaftlichen Prozessen deutlich weniger tangiert und sind damit von Schwankungen der Märkte einschließlich des Arbeitsmarktes deutlich weniger betroffen.

Öffentliche Wirtschaft – das sind Unternehmen in staatlichem und kommunalem Besitz. Im Eigentumssinne gilt für beide Formen, dass es sich um das Eigentum der Bürger – des gesamten Staatsvolkes, der Bevölkerung eines Bundeslandes oder der Einwohner einer kommunalen Gebietskörperschaft – handelt.5

In einer repräsentativen Demokratie fungieren die jeweils zuständigen Amts- und Mandatsträger für dieses Eigentum als Treuhänder. Sie ver- fügen über das Eigentum im Interesse der Besitzer, also der Bürger.

Der Begriff öffentliche Wirtschaft ist als abstrakter Oberbegriff zu akzeptieren. Methodisch muss aber zwischen den beiden Formen, staatliche Wirtschaft und Kommunalwirtschaft streng unterschieden werden. Eine Begründung dafür liefert Röber, der auf das irreführende Staat vs. Privat hinweist und argumentiert: „Auch die vorgebliche Alternative von Markt und Staat führt konzeptionell in die Irre, weil es sich beim Markt um ein Steuerungsmedium und beim Staat um einen Eigentumstitel handelt, die nicht miteinander vermengt werden dürfen.“ 6

Der entscheidende Aspekt aber besteht darin, dass der Markt – und dort agieren inzwischen nahezu alle Bereiche der Kommunalwirtschaft – nicht nach Eigentümern unterscheidet, sondern unabhängig davon allen Protagonisten einheitliche Regeln vorgibt. „Angesichts nicht ein- deutiger empirischer Funde über Privatisierungserfolge und –misserfolge ist zu fragen, ob das Eigentum für ein erfolgreiches Wirtschaften von Unternehmen überhaupt noch von signifikanter Erklärungskraft ist. Im Kontext der Daseinsvorsorge hat das Eigentum – als eine die

Ordnungspolitik konstituierende Größe – eine Bedeutung, die ihm bei näherer Untersuchung von Entscheidungsprozessen in Unternehmen nicht zukommt.“ 7

Kommunales Eigentum ist im Unterschied zum übergreifenden Staats- eigentum Gruppeneigentum. Daraus ergeben sich objektiv und grundsätzlich basisdemokratische Strukturen. Es geht generell darum, legitimiert über das Eigentum zu verfügen und eine effiziente Kontrolle zu gewährleisten. Basisdemokratisch – das kann nur heißen: Einheit von repräsentativer kommunaler Demokratie in Gestalt mandatierter Gremien und direkter Bürgermitwirkung.

Unter diesem Aspekt ist kommunales Eigentum die demokratischste Form von Wirtschaft überhaupt:

Erstens bietet Kommunalwirtschaft – im Gegensatz zur anonym wahr- genommenen globalen Wirtschaft – vielfältige Identifikationsmöglich- keiten: ihr Gegenstand ist konkret und damit fassbar, ihre Protagonisten sind Menschen „zum Anfassen“, ihre Wirkungen haben einen regionalen und lokalen Nutzwert und werden als positiv empfunden, die Beziehungen von der Rechnungslegung bis zum Service sind persönlich.

Zweitens wird sie als Bürgereigentum erlebt. Das „mein Stadtwerk“ ist dafür der semantische Ausdruck.

Drittens garantiert sie, dass Gewinne unmittelbar den Bürgern zu Gute kommen. Das ist das zentrale Argument der Gegner von Privatisierungen.8 Viertens fungiert sie als Modell für ein menschliches Wirtschaften. Ihre vielfältigen Wirkungen sind unmittelbar darauf gerichtet, Nutzen für die Menschen zu stiften.

Viertens wird sie als praktizierte Demokratie verstanden. Die Führung und die Kontrolle der kommunalen Unternehmen durch demokratisch legitimierte Amts- und Mandatsträger sind konkret und für jeden Bürger nachvollziehbar.

Fünftens bietet sie über die Repräsentation durch die legitimierten Amts- und Mandatsträger hinaus für jeden Bürger die Möglich- keit der direkten Mitwirkung an der Kontrolle, beispielsweise über öffentliche Sitzungen der mandatierten Gremien. Diese direkte Bürgermitwirkung muss so gestaltet werden, dass sie zur der repräsentativen kommunaldemokratischen Mitwirkung qualitativ und quantitativ gleichwertig ist.

3. Kommunalwirtschaft –

legitime Wirtschaftsform in einer Marktwirtschaft

Erstens, und das ist die zentrale Aussage, hat die Kommunalwirt- schaft auf allen Wettbewerbsmärkten den Status eines legitimen Marktteilnehmers. Die Einhaltung der dort geltenden Regeln ist der übergreifende Maßstab für diese Einordnung. Nur deren Verletzung rechtfertigt Sanktionen, und diese beträfen wieder ohne Beachtung der Eigentumsformen alle Akteure.

Aus Forschung und Lehre

5 Diese Systematisierung bezieht sich auf das Beispiel Bundesrepublik Deutschland, trifft aber dem Sinne nach universell zu.

6 Röber, S. 230 7 Ebenda, S. 230

8 Vgl. Die Meinung der ostdeutschen Bevölkerung zur Privatisierung kommunaler Einrichtungen, Eberswalde, 2009

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Die Gleichrangigkeit der Marktteilnehmer beginnt wirtschaftshistorisch nicht bei der EU-normierten Liberalisierung. „Blickt man in die Geschichte der Daseinsvorsorge, dann ist deutlich zu erkennen, dass private Unternehmen in den Anfängen der Daseinsvorsorge im 19. Jahr- hundert eine starke Rolle spielten. Gleichwohl hat es auch schon damals eine gewisse Trägervielfalt gegeben. Angesichts von Unzulänglichkeiten in der Versorgung mit Wasser erlangten die kommunalen Unternehmen im Laufe der Zeit ein Übergewicht.“ 9 Ähnliche Entwicklungen weist Röber auch für die Gasversorgung nach, wo der Anteil kommunaler Betriebe Anfang des 20. Jahrhunderts auf zwei Drittel gestiegen war, und auch bei der Stromversorgung hielten kommunale Anbieter 1914 einen Marktan- teil von 35 Prozent.10

Aus aktueller Sicht weisen Candeias/Rilling/Weise ebenfalls auf das gleichberechtige Agieren von kommunalen und privaten Marktteilnehmern hin: „Es wird deutlich, dass der im Prozess der Rekommunalisierung begonnene Wiedereinstieg in das öffentliche Eigen- tum die Nutzung marktförmiger Mechanismen keineswegs ausschließt, sondern nach dem Verständnis vieler beteiligter Akteure geradezu voraus- setzt, um sich in einem Umfeld erwerbswirtschaftlicher Konkurrenz behaupten zu können.“ 11

Zweitens stehen Kommunen und deren Unternehmen als Marktteil- nehmer vor einer ganzen Reihe von zusätzlichen Herausforderungen, die ihr Agieren im Wettbewerb eher erschweren, mithin also die privaten Akteure bevorteilen. Ein Aspekt besteht in der Bereitstellung von Infra- struktur als Basis für alle wirtschaftlichen Aktivitäten überhaupt, also auch für deren Gewinnerzielung, ohne dass dazu eigenes Investment erforderlich wäre.12

Auf einen anderen übergreifenden Nutzwert der kommunal vor- gehaltenen Infrastruktur weist Neu hin: “Infrastrukturen haben stets mehr als reine Versorgungsfunktionen für die Bürger erfüllt. Die integrierende Wirkung entfalteten die öffentlichen Dienstleistungen vor allem durch ihre flächendeckende Bereitstellung, die allen Bürgern Zugang und Teilhabe an den gesellschaftlichen Entwicklungen ermög- lichen sollte.“ 13

Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass Kommunen und Staat in allen Bereichen der Daseinsvorsorge ungeteilte Verantwortung wahr- nehmen müssen. Auch dann, wenn die Aufgaben nicht durch staatliche oder kommunale Unternehmen, sondern privat erfüllt werden, bleibt die Verantwortung von Staat und Kommunen in Gestalt der Gewähr- leistungsverantwortung bestehen. Als dritte Stufe definiert Ziekow die

„Einspringverantwortung“, die beispielsweise dann greift, wenn der private Leister vor allem wegen mangelnder Rentierlichkeit der Leistungs- erbringung seine Tätigkeit einstellt.14

Dass gerade unter diesem Aspekt alle Rekommunalisierungsprozesse mit einer enormen Verantwortung für die kommunalen Unternehmen und deren Eigentümer verbunden sind, wird von Naumann thematisiert:

„Auch rekommunalisierte Unternehmen sind gezwungen, auf aktuelle Herausforderungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie etwa den Investitionsstau bei Modernisierung undSanierung, den demografischen Wandel, den Klimawandel oder auch die Ausdifferenzierung der Nach- frage nach öffentlichen Dienstleistungen, Antworten zu finden. Anhand der Bewältigung dieser Herausforderungen muss sich der Mehrwert öffentlicher Unternehmen beweisen.“15

Drittens setzt die Kommunalwirtschaft wegen ihrer lokalen und regionalen Verankerung ökonomische Impulse, die über das quantitative Gewicht weit hinausgehen. Ein zentraler Aspekt besteht im Anstoß lokaler und regionaler Wertschöpfungskreisläufe. Dieser Effekt ist in strukturschwachen Regionen – das betrifft nahezu

komplett zum Beispiel die neuen Bundesländer – besonders aus- geprägt. Die kommunalen Unternehmen sind dort im Regelfall die größten Unternehmen und fungieren ökonomisch und gesellschafts- politisch als Leuchttürme.

Die Impulssetzungen der Kommunalwirtschaft, die aus rein betriebs- wirtschaftlicher Sicht oft unterbleiben müssten, sind insofern aus reiner Ertragssicht ein Wettbewerbsnachteil. Dass sie dennoch erfolgen, ist wiederum ein Beleg für das Primat der Nutzenstiftung gegenüber der Profitmaximierung. Im einzelnen hat der Autor für ökonomische und außerökonomische Effekte von Kommunalwirtschaft folgende Aspekte identifiziert:

Der Nachfrageeffekt

Die kontinuierliche Nachfrage nach Produkten und Leistungen in der jeweiligen Region als Existenzgrundlage für die dort existierenden privaten Unternehmen.

Der Beschäftigungseffekt

Die nachhaltige Sicherung von Arbeitsplätzen durch eigene wirtschaft- liche Stabilität.

Der Konsumtionseffekt

Die dauerhafte Sicherung von individueller konsumtiver Nachfrage in den jeweiligen Regionen als Aspekt der nachhaltigen Arbeitsplatzsicherung.

Der Innovationseffekt

Die Stimulierung und Auslastung von F/E-Kapazitäten durch Auf- tragsvergaben, die innovative Lösungen erfordern, z. B. im Bereich der Erneuerbaren Energien.

Der Investitionseffekt

Kontinuierliche Investitionstätigkeit auf der Grundlage von Ertragsstärke.

Der Ausbildungseffekt

Die Generierung von qualifizierten Ausbildungskapazitäten auf der Grundlage hoher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ein- schließlich der Übernahme in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.

Der Steuereffekt

Die Generierung von kommunalen Steuereinnahmen insbesondere im Bereich der Gewerbesteuer und der Einkommensteuer (Schüsselzuweisung).

Der Wachstumseffekt

Die Stimulierung von Wachstum und Expansion für kleine und mittlere Unternehmen der Privatwirtschaft durch stabile Nachfragegarantien für ein sicheres Kerngeschäft als elementare Bedingung für nachhaltiges Wachstum.

Der gesellschaftspolitische Effekt

Eine effiziente Wertschöpfung mit ihren Erträgen als Grundlage für gesellschaftspolitisches Engagement.

Der Nachhaltigkeitseffekt

Die Konzentration in der wirtschaftlichen Betätigung auf regionale Ressourcen beim Human- und Sachkapital, dezentrale Lösungen, Kreis- laufwirtschaftsmodelle und regenerative Energien.

Aus Forschung und Lehre

9 Röber, S. 228 10 Ebenda, S. 228

11 Candeias/Rilling/Weise, S. 566 12 Vgl. Libbe, S. 6

13 Neu, S. 11 14 Ziekow, S. 53f

15 In: Sandberg/Lederer, ebenda Naumann, S. 78

(13)

TITELTHEMA

4. Privat vs. Staat –

Heuchelei als Methode

Seit Anfang 2007 plädiert eine Mehrzahl der Deutschen gegen die Privatisierung kommunaler Unternehmen. Besonders groß war zu diesem Zeitpunkt – das hat eine Forsa-Umfrage gezeigt – die Ablehnung in Ostdeutschland. Während deutschlandweit etwa 51 Prozent gegen Privatisierungen votierten, waren es im Osten rund 62 Prozent. Dieser Anteil stieg bis Mitte 2009 auf fast 67 Prozent an.

In diesem Trend liegen die Ergebnisse, die TNS Emnid im Jahr 2009 bei einer repräsentativen Haushaltskundenbefragung ermittelt hat. Danach liegen in der Kategorie „Vertrauen in Institutionen“ die Stadtwerke mit 81 Prozent auf Platz 1 und damit noch vor den Sparkassen. 92 Prozent der Bürgerinnen und Bürger bewerten ihre Stadtwerke als zuverlässig und 91 Prozent sind mit der Gesamtleistung der kommunalen Unternehmen zufrieden.16

Die Kommunalwirtschaft zeigt, dass eine Ökonomie funktionsfähig ist, in deren Mittelpunkt die Interessen der Menschen, ihre Bedürfnisse stehen.

Das Prinzip Nutzenstiftung vor Gewinnstreben ist gesellschaftspolitisch und ökonomisch auch in einem größeren Maße erfolgreich umsetzbar.

Voraussetzung ist die doppelt demokratische – direkte basisdemokratische Bürgerbeteiligung und repräsentative kommunaldemokratische Gremien – Führung und Kontrolle. Nur auf diesem Wege kann die derzeitige

„Perversion der Märkte und der Wirtschaft“ überwunden werden.17 Die Wertschöpfung der Zukunft – auch das zeigt Kommunalwirtschaft – bei der die Kreativität des arbeitenden Individuums im Zentrum steht, ist möglich und erfolgreich. Diese Potenziale können am besten in einer Produktionsweise erschlossen werden, die auf die Multifunktionalität der Arbeitenden (incl. der Arbeitsfähigen, die aus unterschiedlichen Gründen außerhalb des Wertschöpfungsprozesses stehen) setzt und darauf, deren Talente umfassend zu entwickeln und zu nutzen. Diesen Ansatz ver- wirklichen kommunale Unternehmen in einem Umfeld schwindender Ressourcen und schrumpfender Märkte erfolgreich. Sie treten zudem auch unter den Bedingungen endlicher Ressourcen den Beweis an, dass nachhaltige Wertschöpfung möglich ist, beispielsweise beim Wasser oder der Energie. Damit wird gezeigt, dass es möglich und erfolg- reich ist, sich auf die elementaren Lebensbedürfnisse der Menschen zu konzentrieren. Das ist das Wesen kommunaler Daseinsvorsorge. Sie wird zunehmend realisiert in schrumpfenden Märkten und muss dort im Regelfall zu Marktpreisen angeboten werden. Damit wird belegt, dass gerade auch unter den Bedingungen quantitativer Stagnation, ja partiell auch reduzierter Wertschöpfung die Einheit von Ökologie und Ökonomie gewährleistet werden kann.

Schließlich demonstrieren kommunale Unternehmen, dass Wohlstand ohne materielles Wachstum möglich ist, und zwar durch einen höheren Stellenwert der immateriellen Seiten der Lebensqualität. Die Kommunal- wirtschaft trägt mit ihren Erträgen maßgeblich dazu bei, dass Leistungen bewahrt werden können, die eben nicht materiell sind, aber unser Dasein in einer Weise bereichern, wozu die kurzatmige Befriedigung von materiellen Pseudobedürfnissen nicht einmal ansatzweise in der Lage ist. Verantwortungsbewusste Bürger schaffen es mit basisdemo- kratischem Engagement, dass der Erhalt einer Bibliothek oder die Unter- stützung des reichen Vereinslebens Priorität hat vor der Erweiterung eines Gewerbeparks.

Die Konzentration auf die qualitativen und immateriellen Seiten der menschlichen Bedürfnisse ist auch möglich, weil in der konsequent auf regionale Ressourcen konzentrierten kommunalen Form des Wirtschaftens Nachhaltigkeit bereits impliziert ist.

Die ungleiche und ungerechte Verteilung von Ressourcen und Wohl- stand, wie wir sie für die globale aber nationale Ebene mit zunehmender Tendenz zu konstatieren haben, ist nur zu überwinden durch gerechte und solidarische Verteilungsprinzipien. Nur auf kommunaler und regionaler Ebene wird dieses Solidarprinzip gerade für den Bereich der wirtschaft- lichen Betätigung bereits jetzt erfolgreich angewendet, indem beispiels- weise objektiv unterschiedliche Gegebenheiten bei der Versorgung mit Trinkwasser durch körperschaftsübergreifende Strukturen kompensiert werden.

Diese Realitäten werden von der permanenten Kolportage des Pseudo- Gegensatzes „privat vs. Staat“ – hier wird regelmäßig das „kommunal vs. Staat“ subsumiert – nicht nur negiert. Diese sehr stringent geführte Debatte erweist sich regelmäßig als Heuchelei, wenn unter völliger Miss- achtung des Basisprinzips, nämlich der kompromisslosen Verteidigung, der Privatwirtschaft vor den Machenschaften der Staats- und Kommunal- wirtschaft, der Staat dann als Unternehmer plötzlich hoffähig wird, wenn dies den Interessen der Privatwirtschaft entspricht. Dafür stehen unter anderem folgende Beispiele:

ˆDie temporäre Verstaatlichung oder Teilverstaatlichung von Privat- banken, um sie nach Sanierung und Verlagerung der Risiken auf das Gemeinwesen wieder den privaten Eigentümern zuzuführen.

ˆDas noch immer nicht ad acta gelegte Konzept, einen zentralen Akteur von nachhaltiger Daseinsvorsorge, die Deutsche Bahn AG, so zu privatisieren, dass die profitablen Bereiche von privaten Investoren erworben werden, während die aufwändige Bewahrung und Erweiterung der Infrastruktur weiterhin in öffentlicher Zuständigkeit bleibt.

ˆDer aktuelle Druck auf Griechenland, vom Grundsatz her profitable öffentliche Sektoren wie die Energieversorgung zu privatisieren, das Tafelsilber also zu veräußern, anstatt durch Sanierung und Restrukturierung dafür zu sorgen, dass in Zukunft stabile Erträge zur Stabilisierung des griechischen Staates bei- tragen. Wie fatal diese Orientierung ist, kann in der deutschen Stromwirtschaft besichtigt werden. Bei Veräußerungen von Anteilen an kommunalen Stromversorgern in den Hochzeiten der Privatisierung 1998 bis 2003 erwarben die sogenannten großen Vier der deutschen Energiewiertschaft (E.on, RWE, EnBW, Vattenfall) bei den entsprechende Transaktionen mehr als 95 Pro- zent. Diese durch den Staat geförderte Privatisierungswelle hat die Oligopole gestärkt, den Wettbewerb und damit die Verbraucher geschwächt.

Aus Forschnug und Lehre

16 www.vku.de/emnid

17 In seinem Leitartikel vom 28. Oktober 2008 schreibt Christian, Bommarius, stellvertretender Chefredakteur der „Berliner Zeitung“ u.a. folgendes: „Man muss kein Sozialist sein, um zu sehen, dass der Kapitalismus ausgespielt hat. Man muss nicht der Verstaatlichung von Banken und Konzernen das Wort reden, um in der sogenannten freien Marktwirtschaft eine Perversion der Freiheit der Märkte und der Wirtschaft zu erkennen. Wenn Freiheit bedeutet, auf den globalisierten Märkten frei von allen Regeln zu agieren, wenn Freiheit bedeutet, dass jede Wette an der Börse zulässig und die verrückteste, unvernünftigste, destruktivste Wette voraussichtlich die erfolgreichste ist, wenn Frei- heit bedeutet, dass Unternehmen ausschließlich als Renditeobjekte betrachtet werden und Arbeit- nehmer ausschließlich als Kostenfaktoren – wenn Freiheit also nichts anderes bedeutet als Freiheit zu asozialem Wirtschaften, dann ist Anarchie von Freiheit so wenig zu unterscheiden wie die Mafia von einer sogenannten Bankierselite, die sich selbst noch die Vernichtung der Renten von Millionen Arbeitnehmern mit Bonuszahlungen honorieren lässt. Die Frage ist nicht, wie der Kapitalismus zu retten sei. Er ist nicht zu retten. Ethisch war er schon immer bankrott……..Nicht die Zukunft des Kapitalismus steht also zur Debatte, sondern allein, was an seine Stelle zu treten habe……Plausible, schlüssige Antworten wird es nur geben, wenn die grundlegende Frage beantwortet ist: Worin besteht das Ziel des Wirtschaftens?…..Der Mensch ist nicht um der Wirtschaft willen da, sondern die Wirt- schaft um des Menschen willen. Der Arbeitnehmer ist nie nur Kostenfaktor und keineswegs beliebig austauschbar, sondern stets und vor allem Person. Mit anderen Worten: Auszutauschen sind alle, die die Austauschbarkeit aller propagieren.

Die bundesdeutsche soziale Marktwirtschaft ist unwiederbringlich verloren. Aber es war voreilig, zusammen mit ihren veralteten Instrumenten auch ihr Menschenbild für obsolet zu erklären. Nach dem Tod des Kapitalismus ist es Zeit für die Wiedergeburt der Person.“

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ˆDie wenigen natürlichen Rohstoffressourcen in Deutschland werden über Bergbaurechte im Regelfall an ausländische Konzerne vergeben, während die Kommunen die Infrastruktur zu eigenen Lasten bereit stellen und nur marginal über indirekte Effekte wie Einkommens- steuern an den Ressourcen unter ihrem eigenen Grund und Boden partizipieren. Dass staatliche Verfügung über strategische Rohstoffe keine linke Idee ist, zeigen die Konzepte, die in Norwegen bei der nachhaltigen staatlichen Verfügung über die Öl- und Gasressourcen umgesetzt werden.

Diese wenigen Beispiele zeigt, dass das unumstößliche Prinzip „privat vor Staat“ bedenkenlos ausgehebelt wird, wenn der Staat, Bund und Länder, von der Privatwirtschaft zur Sanierung nicht nur gerufen, sondern oft sogar genötigt wird.

5. Fazit

Kommunale Wirtschaft – das ist nicht gleich öffentliche Wirtschaft oder Staatswirtschaft. Kommunale Unternehmen – das ist Bürgereigen- tum im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung. Die Gleichsetzung mit dem zumeist negativ besetzten Begriff Staatswirtschaft diffamiert die kommunale Wirtschaft.

Kommunale Unternehmen stehen im Wettbewerb und unterliegen dort den gleichen Regeln wie alle weiteren Marktteilnehmer. Diese müssen sie einhalten, zugleich aber unterliegen sie vielfältigen zusätzlichen Ver- pflichtungen, die ihre Wettbewerbsfähigkeit real einschränken. Weitere Behinderungen existieren im Bereich des Gemeindewirtschaftsrechts der Länder. Hinzu kommt die übergreifende Infrastrukturverantwortung, von deren Wahrnehmung die privaten Wettbewerber im Regelfall ohne eigenes Investment profitieren.

Schließlich werden kommunale Unternehmen zunehmend mit Markt- versagen konfrontiert. Die Leistungserbringung ohne ausreichende Rendite, oft sogar mit Verlusten, stellt eine zusätzliche Benachteiligung gegenüber den privaten Marktteilnehmern dar.

Marktversagen im Bereich der Daseinsvorsorge – das ist regelmäßig auch das Versagen der privaten Marktteilnehmer, die sich wegen nicht aus- reichender Renditen aus der Aufgabenerledigung zurückziehen. In solchen Fällen, und nur in diesen, werden für kommunale Unternehmen alle ordnungspolitischen Beschränkungen sofort, und ohne wenn und aber, aufgehoben. Unterstützung durch den Staat wird nicht gewährt.

Im Gegenzug, also beim Versagen der Privatwirtschaft in hoch- spekulativen und hochrentierlichen Wirtschaftsbereichen, tritt der Staat als Reparateur regelmäßig in die Verantwortung. Diejenigen, die dies von ihm fordern, bzw. ihn unter Hinweis auf weltwirtschaftliche Bedrohungen sogar dazu nötigen, sind seine Gläubiger!

Nachhaltigkeit, Daseinsvorsorge, Effizienz und demokratische Kontrolle – das sind die vier Säulen einer neuen Kommunalwirtschaft. Vor diesem Selbstverständnis vollzieht sich der Prozess der Rekommunalisierung, der weit mehr ist als der Pendelausschlag in die andere Richtung nach der Privatisierungsphase der 90er Jahre. Er zeigt das Bewusstsein, dass ethisches Wirtschaftshandeln strategisch ohne Alternative ist. Insofern ist die Rekommunalisierung ein hoch komplexer Prozess.

Zentrale Aspekte sind:

ˆVerbindung der kommunalen Aufgabenträgerschaft und Ver- antwortung für die Daseinsvorsorge mit der Eigentümerfunktion und dem damit verbundenen komplexen Steuerungsauftrag 18

ˆNachhaltige Stärkung des Wettbewerbs gerade auf den oligopolisierten Versorgungsmärkten

ˆCorporate Social Responsibility als Wesen von wirtschaft- licher Betätigung (nicht als Marketingidee zur Kaschierung von Verantwortungsdefiziten)

ˆKorrektivfunktion gegenüber einer hemmungslos nach Profit strebenden globalen Wirtschaft, insbesondere der Finanzwirtschaft

ˆVerbindung von Ökonomie und Demokratie auf der basisdemo- kratischen Ebene, der Kommune als Modell und Impulsgeber für mehr direkte Demokratie auf allen Ebenen des Staates

Bibliographie:

Bommarius, Christan: Zur Person, Berliner Zeitung vom 28. Oktober 2008, S. 3

Candeias, Mario / Rilling, Rainer / Weise, Katharina: Krise der Privatisierung – Rückkehr des Öffentlichen, In: WSI-Mitteilungen, Frankfurt am Main, 10/2008

Die Meinung der ostdeutschen Bevölkerung zur Privatisierung kommunaler Einrichtungen, Eberswalde, 2009

Libbe, Jens: Die Zukunft der städtischen Infrastrukturen,

In: Deutsche Zeitschrift für Kommunalwissenschaften, Berlin, 2/2008 Libbe, Jens / Hauke, Stefanie / Verbücheln, Maic: Rekommunalisierung – eine Bestandsaufnahme, Difu-Papers, 2011,

Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin

Neu, Claudia /`(Hrsg.): Daseinsvorsorge. Eine gesellschaftswissenschaftliche Annäherung, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2009 Röber, Manfred: Privatisierung adé? Rekommunalisierung öffentlicher Dienstleistungen im Lichte des Public Management,

In: Verwaltung & Management, Baden-Baden, 5/009

Sandberg, Berit / Lederer, Klaus (Hrsg.): Corporate Social Responsibility in kommunalen Unternehmen,

VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2011

Schäfer, Michael: Kommunalwirtschaft als Modell für eine humane Reformierung der Weltwirtschaft? Hypothesen aus gesellschaftspolitischer, humanistischer, ökonomischer und ökologischer Sicht.,

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER, September 2009, Panketal

Weck, Roger de: Nach der Krise, Nagel & Kimche, Carl Hanser, München, 2009

Weil, Stephan: Rede VKU-Verbandstagung, 12. 10. 2011, Bonn

Ziekow, Jan (Hrsg.): Wandel der Staatlichkeit und wieder zurück?, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden, 2011 n

18 In: Sandberg/Lederer, ebenda, Naumann, S. 77: Naumann schreibt, es bestehe die Möglichkeit, mit kommunalen Unternehmen Städte zu entwickeln und führt weiter aus: „Die Potenziale kommunaler Unternehmen für die Realisierung von gesellschaftspolitischen Zielen sind jedoch auch damit ver- bunden, dass unterschiedliche Interessengruppen Ansprüche an kommunale Unternehmen formulieren.

Dazu zählen:

Strukturpolitische Ziele, Sozialpolitische Ziele, Haushaltpolitische Ziele, Demokratiepolitische Ziele, Beschäftigungspolitische Ziele, Umweltpolitische Ziele, Verbraucherpolitische Ziele, Lokaler Zusammen- halt und Identifikation.“

Aus Forschung und Lehre

Referenzen

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