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AUSGABE 01 / MÄRZ 2013

17. JAHRGANG

„Es wird regionaler“

Vor Ort in Naumburg

Der Ministerpräsident von

Hessen und der Vorsitzende der VKU-Landesgruppe im Interview Kommunale Visionen

Eine Diskussion in Nürnberg zur Zukunft der Daseinsvorsorge

Ein Diskussionsforum wird „Zehn“

Teil 1 unserer Serie zum VfkE- Geburtstag

Plädoyer für Pflichtenhefte Kommunalwirtschaft

Schlanke Kommunalstrukturen Verwaltungsreform in Tschechien Konzern Stadt.

Ideen für ein komplexes Personalmanagement ÖPNV-Investitionsstau

S. 99

S. 36 S. 30

S. 55

S. 68

S.72 S. 25 S. 6

Jahresthema 2013 Titelthema

Daseinsvorsorge vor Ort Kommunalwirtschaft aktuell

Forum Neue Länder

Aus Forschung und Lehre

Inspirationen/Informationen

Serie: Populärste Irrtümer zur Kommunalwir

tschaft

„Beam tenme ntalitä t in

komm unalen Unter nehmen ?“

(S.76) Zur Diskussion:

Ihre Meinung unter

www.unternehmerin-kommune.de

Starke Städte und kommunalwirt- schaftliche Kooperationen

Eine Gesprächsrunde in Schwerin

S.49

(2)

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(3)

Inhaltsverzeichnis

INSPIRATIONEN / INFORMATIONEN TITELTHEMA

JAHRESTHEMA: KONZERN STADT

DASEINSVORSORGE VOR ORT

FORUM NEUE LÄNDER

KOMMUNALWIRTSCHAFT AKTUELL

90 91 98 Nachrichten

Personalien / Veranstaltungen / Bücher Epilog / Impressum

14

17 19

29

41

49

61

65

72 76

84 86 80

82 Daseinsvorsorge unter monetärem Vorbehalt

Durchführung eines Wettbewerbsverfahrens im Landkreis Stendal:

Funktionale Ausschreibung

Mindeststandards, Fördermechanismen und Verantwortungsebenen

Neue Softwarelösung

Deutschlandweit einzigartige Kombination an der Spitze einer Landeshauptstadt:

Daseinsvorsorge überschreitet lokale Grenzen

Mit dem Sparkassenbus durch Ostsachsen

Einflussebenen eines kommunalen Unternehmens auf sein Geschäftsgebiet

Öffentliche Verwaltung in der Tschechischen Republik

Umfragen belegen große Zufriedenheit mit der öffentlichen Wirtschaft

Tipps und Tricks aus der Kommunalwirtschaft

Aufstieg zu neuen Höhen

Eine kritische Abwägung

Politische Verteilung auf der Ebene der Landkreise ÖPNV in der (Finanzierungs-)Krise?!

Hohe ÖPNV-Qualität unter komplizierten Rahmenbedingungen

Die richtigen Anreize setzen

Instrument für Konzern Stadt zur Liquiditäts- und Risikosteuerung

LINKE und weiblich

Regionalversorger – wichtiger Impulsgeber

Mobilität und Flexibilität

Energie für Sachsen

Fauler Kompromiss oder belastbarer Konsens?

Beamtenmentalität in kommunalen Unternehmen?

„Aus der Praxis für die Praxis“

VNG-Gruppe wieder deutlich im Plus

Gehört die Zukunft der Elektromobilität?

Schwarz das Land und rot die Stadt?

6 9

25 4 Mittel auf Niveau von 1998 eingefroren

Plädoyer für Nachhaltigkeit von ÖPNV-Investitionen

Immer mehr Kommunen wollen ihr Personalwesen weiter professionalisieren

„Kein Lückenschluss durch neue BVG-Schulden“

Ideen für ein innovatives Personalmanagement Prolog

30

44 48 36

54

68 55 Demografie, Energiewende und kommunale Finanzausstattung

Ausgleich zwischen Stadt und Land, Regionalversorgern und Stadtwerken

Risiken erkennen, nachhaltige Energieversorgung sichern

Bekenntnis zur zentralen Rolle der Kommunen im Prozess der Energiewende

Erdgas als Kraftstoff

Plädoyer für einheitliche Konzepte

Jubiläumsserie zu zehn Jahren Verbundnetz für kommunale Energie (VfkE) Mehr Aufgaben mit weniger Geld?

Mittel- und Oberzentren als Ankerpunkte der Daseinsvorsorge Mit Kompetenz vernetzen

Wesentliche Handlungsträger

Mit (Voll-)gas weiterkommen

Grundlegende Überlegungen für ein Pflichtenheft Kommunalwirtschaft

Interessen bündeln und aktiv dafür werben

ÖPNV-Investitionsstau hat die 3-Milliarden-Euro-Grenze überschritten

AUS FORSCHUNG UND LEHRE

(4)

Prolog

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

„Marode Wege landauf, landab. Alte Brücken, Lücken im Gleis, kleine Schleusen – weil Geld fehlt, verkommt Deutschlands Infrastruktur“. So titelte die „Berliner Zeitung“ am 15. Januar 2013 und gab damit den letzten Anstoß, unser für das Märzheft geplantes ÖPNV-Titelthema genau auf diesen Sachverhalt zuzuspitzen.

Jeder, der in Deutschland unterwegs ist, hat in den letzten Jahren ein Ge- spür dafür bekommen, dass etwas, das uns in der ganzen Welt berühmt ge- macht hat, seine Strahlkraft längst eingebüßt hat – die Verkehrsinfrastruktur.

Deren Niveau wurde „besungen“. Sie galt als Vorbild, nicht nur in Europa, und jeder Kundige wusste: die ebenso gerühmte Industrienation Deutsch- land und die Infrastruktur – das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille.

Dieser Zusammenhang „funktioniert“ nicht automatisch. Mit den Konse- quenzen aus der Vernachlässigung unserer mobilen Lebensadern werden wir zeitversetzt konfrontiert. Aber die Wirtschaftsverbände warnen schon heute sehr deutlich vor einer Gefährdung des Standorts Deutschlands. Die größte Volkswirtschaft Europas und weltweit zweitgrößte Exportnation ver- nachlässigt ihre Verkehrswege sträflich. Eine von den Länder-Verkehrsminis- tern gegründete Kommission hatte Ende 2012 eine erschreckende Bilanz über den Zustand der Infrastruktur vorgelegt. Danach fehlen Bund und Ländern allein für die Instandhaltung der Verkehrswege jährlich 7,2 Milliar- den Euro. Um den Sanierungsstau aufzulösen würden schon jetzt 15 Jahre gebraucht. Wohlgemerkt unter der Prämisse, dass dieses Geld ab sofort bereitgestellt und die entsprechenden Baumaßnahmen ebenso schnell auf den Weg gebracht würden.

Worüber wir gerade geredet haben, das ist der zunehmend reparaturbedürf- tige Status quo. Dass wir ihn in den genannten 15 Jahren auf Vordermann bringen, ist nicht anzunehmen. Um das Geld aufzutreiben, müssten wir die öffentlichen Ausgabenstrukturen signifikant verändern. Denn mehr Geld kommt bekanntlich nicht ins System, eher weniger. Der Löwenanteil dessen, was wir haben, wird konsumiert und fließt in den Kapitaldienst für rund 2,5 Billionen Euro öffentliche Schulden. Tendenz für

beide Ausgabepositionen weiter steigend.

Was wir heute nur im Bereich der Verkehrsinf- rastruktur zu „besichtigen“ haben, ist Ausdruck eines strukturellen politischen Versagens. Der Verband Pro Mobilität hat die Investitionen in die Straßen für elf westeuropäische Länder im Zeitraum 2000 bis 2009 verglichen. Deutsch- land liegt auf vorletzter Stelle. Nur Großbri- tannien, auf das wir regelmäßig beim Thema Infrastruktur hochmütig mit dem Finger zeigen,

rangiert nach uns. Noch schlimmer sieht es bei der Schiene aus. Gemessen an den Pro-Kopf-Investitionen des Staates ist Deutschland in Europa mit 53 Euro auf den letzten Platz abgerutscht. Spitzenreiter Schweiz kommt auf 308, Österreich an Nummer zwei auf 230 Euro.

Wir haben in unserem Titelthema zum ÖPNV-Investitionsstau vor allem die kommunalen Auswirkungen untersucht. Hier ist die Katastrophe am direktesten zu besichtigen. Der Schreiber dieser Zeilen ist vor allem im öffentlichen Raum der Bundeshauptstadt unterwegs: Auf der von ihm genutzten Bundesstraße ins Zentrum gibt’s seit zwei Jahren auf einer län- geren, mit Schlaglöchern übersäten Distanz nur noch Tempo 20. Das

häufigste Berliner Verkehrsschild heißt „Gehweg- und Fahrbahnschäden“.

Und dass unser neuer Weltflughafen noch nicht fertig ist, das ist im Kon- text mit seiner Verkehrsanbindung eigentlich nur gut. Denn die kürzes- te S-Bahntrasse zwischen Hauptbahnhof und Airport, die sogenannte Dresdner Bahn, wird frühestens im Jahr 2020 zur Verfügung stehen……

Was wir für die Verkehrsinfrastruktur auf den folgenden Seiten aus kom- munaler Warte „bilanzieren“, das ist symptomatisch für einen gesamtge- sellschaftlichen Zustand. Unser Land verspielt an allen entscheidenden Stellen derzeit seine Zukunft. Anstatt überall dort zu investieren, wo wir morgen und vor allem übermorgen die Früchte tragen, stopfen wir an- gesichts der immer geringer werdenden investiven Kraft der öffentlichen Hand nur noch Löcher, und auch dort nur die Hälfte. Zu den Defiziten beim Verkehr gesellen sich ebenso große bei der Bildung. Bei „Gipfeln“

im Kanzleramt wird die „Bildungsnation Deutschland“ ausgerufen. Wenn es um deren Finanzierung geht, mutieren wir zum Zwergstaat.

Das sind bedrohliche Szenarien. „Nachhaltigkeit“ ist zur Worthülse verkom- men. Die Realität heißt Kurzatmigkeit, und in diesem Stil hangeln wir uns von Wahltermin zu Wahltermin immer mehr ins Abseits. Wie heißt der ma- kabre Witz: „Gestern hieß es, wir stehen dicht vor dem Abgrund. Heute sind wir schon einen Schritt weiter….“

Um in diesem Bild zu bleiben: jetzt hilft nur noch Umkehr. Nicht mit Fingern auf Griechenland zeigen. Schnellstens den eigenen Schuldenberg abtragen.

Die abhanden gekommene Gestaltungskraft zurückgewinnen. Gesamtge- sellschaftliche Verständigung über die Prioritäten, die im Sinne generations- übergreifender Nachhaltigkeit gesetzt werden müssen. Und dann müssen wir endlich handeln!

Ihr Michael Schäfer

(5)

TITELTHEMA

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TITELTHEMA

Mit 40 Millionen Passagieren und fast 1.000 Bahnhöfen verfügt die Metro- polregion Tokyo über das am stärksten genutzte und dichteste Netzwerk des schienengebundenen Nahverkehrs weltweit. Allein der Bahnhof Shinjuku mit seinen 36 Bahnsteigen wird täglich von mehr Fahrgästen frequentiert als Berlin Einwohner hat. Er ist damit der verkehrsträchtigste Bahnhof weltweit obgleich dort kein einziger Fernverkehrszug hält.

nachgeschlagen

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Herr Fenske, „ÖPNV nach Kassenlage“ – ist diese Kurzbeschreibung eine ausreichende Beschreibung der grundlegenden Verständnis- probleme zur Rolle des Öffentlichen Verkehrs in unserer Gesellschaft?

Jürgen Fenske:

Wir leben zurzeit in einer Welt, in der die abstrakten Begriffe Euro-Krise, Staats- schuldenkrise, Schuldenbremse und Rettungs- schirme alles andere überlagern. Jenseits dieser Abstraktion, d.h. vor Ort, erleben die Bürgerinnen und Bürger eine permanente Zunahme von Straßenschäden nach frostigen Wintern, Aufzüge und Rolltreppen an Halte- stellen, die dringend repariert werden müssen

sowie Diskussionen über die Einstellung einzelner Straßenbahnlinien. Gleichzeitig sind die Mittel nach dem Entflechtungsgesetz und dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) faktisch auf dem Niveau von 1998 eingefroren. Die Folgen erfährt der Bürger tagtäglich. Ja, zusammengefasst lautet die Realität „ÖPNV nach Kassenlage“ und nicht nach verkehrlichen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Was muss der Öffentliche Verkehr in Deutsch- land, immer noch Wirtschaftsmacht Nr. 4 weltweit, jetzt und vor allem in der Zukunft leisten, um die verschiedenen zentralen Ziel- funktionen wie bezahlbare Mobilität für alle,

Standortfaktor oder ökologisch-ökonomische Nachhaltigkeit zu erfüllen und wäre es nicht erforderlich, bei Beschreibung von Funktionen und Zielen viel stärker nach regionalen Spezi- fika zu differenzieren?

Fenske:

Die Verkehrsunternehmen haben sich im letzten Jahrzehnt deutlich hin zu wirtschaftlich agierenden Unternehmen weiterentwickelt.

Analog zu anderen Branchen sind auch bei uns Restrukturierungsprozesse durchlaufen worden. In dem Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Erfordernissen, kommunaler Daseinsvorsorge und ökologischer Vorreiter- rolle erreicht der ÖPNV in Deutschland mittlerweile einen Kostendeckungsgrad von MITTEL AUF NIVEAU VON 1998 EINGEFROREN

ÖPNV-Investitionsstau hat

die 3-Milliarden-Euro-Grenze überschritten

Interview mit Jürgen Fenske, Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. und Vorstandsvorsitzender der Kölner Verkehrs-Betriebe AG.

Ö

ffentlicher Personennahverkehr ist Teil der Daseinsvorsorge, denn Mobilität für alle, unabhängig vom Geldbeutel, ist ein essentielles Erfordernis. Unter dieser Prämisse können die entsprechenden Leistungen im Regelfall nicht kostendeckend erbracht werden. Die ÖPNV-Aufgabenträger – Landkreise und kreisfreie Städte – stellen dieses Segment angesichts der strukturellen kommunalen Unterfinanzierung zunehmend unter Finanzierungsvorbehalt. Das hat nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine gesellschaftspolitische Dimension. Deutlich wird das beispielsweise in strukturschwachen Regionen. Dort leben immer mehr alte Menschen, für die Mobilität immer wichtiger wird, und genau dort werden ÖPNV-Leistungen immer mehr ausgedünnt.

Ganz offenbar ist ein gesellschaftlicher Diskurs über den Stellenwert des öffentlichen Verkehrs im Kanon der Daseinsvorsorge dringend geboten. Unser Interview mit Jürgen Fenske, Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) und Vorstandsvorsitzender der Kölner Verkehrs-Betriebe AG, sehen wir als Teil eines solchen Dialogs.

(7)

TITELTHEMA

fast 80 Prozent. Damit liegen wir weltweit an der Spitze und haben unsere Hausaufgaben gemacht. Auch zukünftig muss sich der ÖPNV an den Kundenbedürfnissen orientieren, neue Entwicklungen und Trends aufnehmen sowie den Bürgerinnen und Bürgern in Zeiten der Energiewende bezahlbare Mobili- tät liefern. Demografischer Wandel und Re- Urbanisierung, um nur zwei der derzeitigen Trends aufzugreifen, führen zwangsläufig dazu, dass die Erneuerung und der Ausbau der Verkehrssysteme in den Ballungsräumen vorrangig voranzutreiben ist. Gleichzeitig heißt das aber auch, dass Mobilitätslösungen für die ländlichen Räume gefunden werden müssen.

„Wir brauchen jährlich

600 Millionen Euro zusätzlich“

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Damit der ÖPNV diese von Ihnen definierte Rolle spielen kann, muss viel mehr Geld ins System. Dabei geht es erstens darum, über Jahre und Jahrzehnte entstandene Defizite – bleiben wir beim Begriff Investitionsstau – zu kompensieren, und zweitens um eine zukünftig ausreichende und an den Aufgaben orientierte Finanzierung. Um welche Größen- ordnungen geht es?

Fenske:

Wir haben bereits im Sommer 2009 gemeinsam mit 13 Bundesländern und dem Deutschen Städtetag unter Begleitung des Bundesver- kehrsministeriums die Studie „Finanzierungs- bedarf des ÖPNV bis 2025“ vorgelegt. Der dort ermittelte Investitionsstau beträgt 2,35 Milliarden Euro. Heute, vier Jahre später, hat dieser Betrag bereits die 3-Milliardengrenze

überschritten. Im kürzlich erschienenen Bericht der Daehre-Kommission ist dies nochmals bestätigt worden. Allein um den Substanzver- zehr bei den Anlagen der städtischen Straßen- und Stadtbahnen aufzuhalten und um den Nachholbedarf in den nächsten 15 Jahren abzu- bauen, sind jährlich zusätzlich 600 Millionen Euro erforderlich.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die strukturellen Finanzierungslücken können nur durch Umverteilung öffentlicher Mittel geschlossen werden. Die kommunale Ebene ist dazu allein nicht in der Lage. Welche Wege sehen Sie?

Fenske:

Aus unserer Sicht gibt es nicht den Königsweg in der ÖPNV-Finanzierung. Grundsätzlich sehe ich drei Vorgehensweisen. Wir werden sicher- lich nicht umhinkommen, die Fahrpreise in den nächsten Jahren weiterhin moderat anzuheben, um die Nutzerfinanzierung zu erhöhen. Hier besteht noch ein gewisser preislicher Spielraum.

ÖPNV ist wie erwähnt auch ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge. Hier sind Bund, Länder und Kommunen in der Pflicht, ihren Finanzierungs- anteil beizusteuern. Schließlich brauchen wir, um die Verkehrsinvestitionen zu verstetigen, einen haushaltsunabhängigen Verkehrsfond, der sich aus verschiedenen Quellen, wie einer erhöhten KFZ- oder Mineralölsteuer, einer erweiterten LKW-Maut oder auch einer PKW- bzw. City- Maut speisen könnte. Dieses Instrument wird seit Jahren erfolgreich im Bahnland Nr.1, der Schweiz, eingesetzt.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Umverteilungsentscheidungen sind politische Entscheidungen, und sie werden wohl nur getroffen, wenn wir zu dem ein- gangs genannten neuen Verständnis zur Bedeutung des ÖPNV im 21. Jahrhundert kommen. Die Kölner Verkehrs-Betriebe AG (KVB) haben eine Studie zum regionalen Nutzen ihrer Verkehrsleistungen in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse Anfang 2012 der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Bestand die Intention zur Beauftragung dieser

Studie darin, mit Fakten zur Ausprägung eines neuen Verständnisses für ÖPNV-Auf- wendungen beizutragen?

Fenske:

In vielen Politikbereichen finden oft abstrakte und manchmal auch vorurteilsbeladene Diskussionen über Kosten und Nutzen von Institutionen, Daseinsvorsorge, öffentlichen Unternehmen usw. statt. Unsere Überlegung war, wie kann der Nutzen eines Verkehrsunternehmens konkret ermittelt werden? Welche wirtschaftliche, öko- logische und verkehrliche Bedeutung haben wir für Stadt und Region? Die Ergebnisse führten zum einen zu einer Versachlichung der politischen Diskussion und gleichzeitig hatten wir eine hervorragende Argumentationsgrundlage, um unsere Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger herauszustellen.

Gutes Nahverkehrssystem hat volkswirtschaftliche Bedeutung UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

In der Studie wird nachgewiesen, dass eine Kürzung der Zuwendungen für den ÖPNV in Köln im Umfang von 26,5 Millionen Euro gesamtwirtschaftliche Schäden in Höhe von 139,4 Millionen Euro zur Folge hätten. Was hat dieser Nachweis bei den Entscheidungs- trägern in Köln bewirkt?

Fenske:

Bei dem einen oder anderen Entscheidungsträger oder Meinungsmacher führte das Gutachten zu einer etwas differenzierteren Sichtweise auf den ÖPNV

Ja, zusammengefasst lautet die Realität „ÖPNV nach Kassen-

lage“ und nicht nach verkehr- lichen und wirtschaftlichen

Notwendigkeiten.

„ ______________________

Jürgen Fenske

UNSER GESPRÄCHSPARTNER Jürgen Fenske wurde am 10. Juni 1955 in Lünen (Westfalen) geboren. Studium der Geschichte und Germanistik in Köln. Von 1994 bis 1998 im Wirtschafts- und Ver- kehrsministerium in Schleswig-Holstein.

Danach war er bis 2003 u.a. Prokurist und Geschäftsführer der Autokraft GmbH und Re- gionalbahn Schleswig-Holstein, Mitglied der Ratsversammlung in Kiel und Mitglied in den Aufsichtsräten Seehafen Kiel und Kieler Wirt- schaftsförderungsgesellschaft. 2004 wurde er Geschäftsführer der Autokraft GmbH und Sprecher der Geschäftsführung der S-Bahn Hamburg, 2007 Leiter der Region Nord von DB Stadtverkehr.

Seit 2009 ist Fenske Sprecher des Vorstands der Kölner Verkehrs-Betriebe AG und Ge- schäftsführer der Stadtwerke Köln GmbH.

Seit November 2009 ist er Präsident des Ver- bandes Deutscher Verkehrsunternehmen e.V.

(VDV).

Jürgen Fenske

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ÖPNV. ÖPNV bedeutet nicht aufgrund seiner Rahmenbedingungen per se defizitäre Verkehrs- unternehmen, sondern heißt vor allem auch unter volkswirtschaftlicher Betrachtung Wirtschafts- kraft durch Investitionen in Busse, Bahnen, Halte- stellen, Aufzüge, Stellwerke, Unterwerke usw. und damit Sicherung von Arbeitsplätzen, Einkommen und Wertschöpfung. Gleichzeitig bedeutet ein moderner ÖPNV auch weniger Straßenbau und Autoverkehr und damit weniger Lärm, eine bessere Aufenthaltsqualität in den Städten und somit weniger Umweltverschmutzung. Für die Pro-ÖPNV-Fraktion bot unser Gutachten noch- mals eine Verstärkung ihrer Argumente. Im Ergeb- nis sind wir bei den Entscheidungsträgern gestärkt aus der Diskussion hervorgegangen.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Wenn die Ergebnisse der Kölner Studie exemplarisch für den deutschen ÖPNV sind, welche Empfehlungen würden Sie den politischen Entscheidern in Bund und Ländern für die künftige Gestaltung des ÖPNV geben?

Fenske:

Zunächst einmal: Ja, diese Ergebnisse sind durch- aus in weiten Teilen auch auf andere Städte und deren Verkehrsunternehmen übertragbar, es gibt eine ähnliche Studie z. B. in Nürnberg.

Die Empfehlung an die Politik wäre in diesem Zusammenhang: Zieht Euch nicht, wie es momentan den Anschein hat, schrittweise aus ÖPNV

der Mitfinanzierung des ÖPNV zurück, sondern werdet Euch der volkswirtschaftlichen Bedeutung eines guten Nahverkehrssystems bewusst. Und das Angebot an die Politik wäre: Die öffentlichen Hände finanzieren die Verkehrswege und Infra- struktur und die ÖPNV-Unternehmen erwirt- schaften ihre Betriebskosten in naher Zukunft zu 100 Prozent selber. So wären Kommunen, Städte und Länder für die Infrastruktur vor Ort verantwortlich und der Betreiber finanziert das, was er anbietet: den Betrieb. n

Das Interview führte Michael Schäfer

www.vdv.de www.kvb-koeln.de

Studie „Regionaler Nutzen der KVB-Verkehrsleistungen“

Die Studie „Regionaler Nutzen der KVB-Verkehrsleistungen“ wurde im Januar 2012 der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Intraplan Consult GmbH München hatte die Expertise in Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Richard Klophaus, Fachhochschule Worms, im Auftrag der Kölner Verkehrs-Be- triebe AG realisiert.

Basis war eine im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums Mitte der 1990er Jahre entwickelte Methode, die es ermöglicht, die Kosten des kommunalen ÖPNV in Relation zum gesamtwirtschaftlichen Nutzen des ÖPNV zu setzen. Mit diesem Instrument wurde der kommunale Nutzen der Kölner Verkehrs-Betriebe AG ermittelt. Dabei ging es um die Wirkungen einer hypothetischen 50prozentigen Reduktion der Kapazi- tätsangebote der KVB für den kommunalen Haushalt der Stadt Köln, die Verkehrsteilnehmer sowie die Allgemeinheit. Die erhobenen Daten beziehen sich auf das Jahr 2010.

Durch die Angebotsreduktion ließe sich der Zuschussbedarf der KVB um ca. 30 Prozent bzw. 26,5 Mio. Euro reduzieren. Dem stünden städtische Ausgaben für die Vorhaltung von zusätzlicher Infrastruktur für den mo- torisierten Individualverkehr (MIV) in Höhe von 27 Mio. Euro gegenüber.

Die Verkehrsteilnehmer hätten in einem derartigen Reduktionsszenario aufgrund der erwähnten Verkehrsverlagerung mit erheblichen zusätz- lichen Ausgaben für Vorhaltung und Betrieb von Pkw sowie für zusätz- liche Parkgebühren im Umfang von 130 Mio. Euro je Jahr zu rechnen.

Andererseits würden die Verkehrsteilnehmer 58 Mio. Euro weniger für ÖPNV-Fahrgeld ausgeben.

Auf Seiten der Allgemeinheit würden durch die verringerten Betriebs- leistungen im ÖPNV zwar Umwelt- und Unfallfolgen in einer Größenord- nung von 15 Mio. Euro je Jahr vermieden. Diesen stünden aber wegen der zusätzlichen MIV-Verkehrsleistung erhöhte Unfall- und Umweltfol- gen in Höhe von 55 Mio. Euro je Jahr gegenüber. So würden sich bspw.

die CO2-Emissionen in Köln in einem derartigen Reduktionsszenario um 37 Tausend Tonnen je Jahr erhöhen, da die verringerten ÖPNV-seiti- gen Emissionen durch die zusätzlichen MIV-seitigen Emissionen bei Weitem überkompensiert werden. Insgesamt stünden dem verringerten Zuschussbedarf in Höhe von 26,5 Mio. Euro somit gesamtwirtschaftliche Schäden in Höhe von 139,4 Mio Euro jährlich gegenüber.

Somit ergibt sich ein Nutzen- Kosten-Verhältnis von 5,3. Die

Ergebnisse der umfassenden Untersuchung zur regionalökonomischen Bedeutung der KVB im Jahr 2010 zeigen, dass die KVB auch ein be- deutender Wirtschaftsfaktor ist. Die Leistungserstellung der KVB sichert gesamtwirtschaftlich gesehen 8.100 Arbeitsplätze. Auf die Region Köln/

Bonn entfallen davon 79 Prozent.

Somit sorgt die KVB in der Region Köln/Bonn für 6.400 Arbeitsplätze.

Mit jedem der 3.200 direkten Arbeitsplätze der KVB wird in der Region Köln/Bonn also indirekt und induziert ein weiterer Arbeitsplatz gesi- chert, davon über 70 Prozent unmittelbar im Kölner Stadtgebiet. Hinzu kommen die positiven Effekte für wichtige Branchen (z.B. Messewesen, Einzelhandel, Events, Sportveranstaltungen).

Die gesamtwirtschaftliche Bruttowertschöpfung liegt bei 467 Mio. Euro, davon entfallen 76 Prozent auf die Region Köln/Bonn. Von jedem Euro der Ausgaben der KVB für den Kauf von Gütern sowie für Löhne und Ge- hälter fließen rund 82 Cent in die Region Köln/Bonn und 61 Cent in die Stadt Köln zurück. Neben den Löhnen und Gehältern der KVB-Mitarbeiter von über 130 Mio. Euro sorgt die KVB für Einkommen bei Beschäftigten anderer Unternehmen in Höhe von rund 137 Mio. Euro.

Fazit:

Dem verringerten Zuschussbedarf der KVB im Reduktionsszenario in Höhe von 26,5 Mio. Euro je Jahr stünden gesamtwirtschaftliche Schäden in Höhe von 139,4 Mio. Euro gegenüber. Die Reduktion der Bedienungs- angebote der KVB um 50 Prozent stellt somit gesamtwirtschaftlich keine sinnvolle Strategie dar.

Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass der Defizitausgleich der KVB eine gesamtwirtschaftlich sinnvolle Ausgabe darstellt. Anhand des Reduktionsszenarios wurde ein gesamtwirtschaftliches Nutzen-Kosten- Verhältnis für diese Ausgaben von 5,3 ermittelt.

Infos:

matthias.weiss@kvb-koeln.de thomas.jacobs@kvb-koeln.de

i infos

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TITELTHEMA

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die Folgen zu geringer Investitionen in den ÖPNV werden für Berlin – jedenfalls öffentlich – in erster Linie für die S-Bahn wahrgenommen. Haben die Probleme bei Ihren Bahnkollegen auch Auswirkungen auf die Leistungserbringung der BVG?

Dr. Sigrid Nikutta:

Die Auswirkungen der S-Bahn-Krise auf die BVG sind vielfältig und komplex und nicht einfach zu bewerten.

Kurzfristig stellten die nennenswerten Verlagerungen von Fahrgastströmen auf Bus, Straßenbahn und U-Bahn uns vor enorme Herausforderungen bei der Bereitstellung der notwenigen Kapazitäten. Darüber hinaus kam es aus den vom Land einbehaltenen S-Bahn-Mitteln für die BVG zu einem temporären Anstieg der Investitionsmittel, mit denen wir die Umsetzung einiger sinnvoller Maßnahmen, wie z.B.

den Bau neuer Aufzüge oder die Beschaffung neuer Straßenbahnen, beschleunigen konnten. Leider handelt es sich hier um Einmaleffekte ohne nach- haltige Wirkung. Wir sind sehr froh, dass das ÖPNV- System an sich ganz offensichtlich keinen bleibenden Schaden erlitten hat. Es ist uns gelungen, trotz der Probleme der S-Bahn den Marktanteil des ÖPNV insgesamt weiter zu steigern. Es geht also nicht um das eine Unternehmen oder das andere, wir wollen unsere Kunden insgesamt zum ÖPNV bewegen und ich bin stolz auf die BVG, die dies in den letzten Jahren geleistet hat – keine Selbstverständlichkeit.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Der ÖPNV in Berlin wurde ursprünglich ganzheitlich, als integriertes System, erdacht.

Wäre es nicht sowohl logisch wie sinnvoll, diese Strukturen auch unternehmerisch wieder unter einem Dach zu vereinigen?

Dr. Nikutta:

Die Frage eines integrierten Gesamtsystems hängt nicht davon ab, ob die S-Bahn vom gleichen

Unternehmen betrieben wird wie U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse. S-Bahn und BVG sind jeweils groß genug, um auch einzeln auf Basis eines jeweils integrierten unternehmerischen Ansatzes betrieben zu werden – und vom Fahrgast als Gesamtsystem wahrgenommen zu werden. Das ist bis zum Ausbruch der S-Bahn-Krise auch sehr gut gelungen. Deshalb werden wir uns auch nicht aktiv um die Beauftragung mit S-Bahn-Leistungen bemühen. Bedenken Sie auch, dass in einem solchen Falle Netz und Betrieb der S-Bahn dann nicht nur

formal sondern auch operativ getrennt wären, es würde also genau das Gegenteil eines integrierten Systems entstehen. Wir sind mit unseren U-Bahnen, Straßenbahnen, Bussen und Fähren gut ausgelastet und haben weder die Ressourcen noch die fach- lichen Kompetenzen für ein S-Bahn-Engagement.

Es ist deshalb in höchstem Maße sinnvoll, weiter- hin unsere gesamte Kraft darauf zu konzentrieren, mit unseren Verkehrsmitteln einen qualitativ hoch- wertigen und kundengerechten Verkehr anzubieten.

Konkurrenz um öffentliche Mittel wird härter

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Verkehrsfachleute machen seit vielen Jahren darauf aufmerksam, dass auch im Bereich der BVG viel zu wenig investiert werde und sehen in diesem Zustand sogar ein strukturelles Problem, das die Substanz des Unternehmens bedrohe. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Dr. Nikutta:

Bei der Instandhaltung unserer Betriebsanlagen gibt es grundsätzlich keine Abstriche. Unsere zustandsbezogene Instandhaltungsstrategie garantiert eine bedarfsgerechte Bereitstellung der Infrastruktur, die sich in der hohen Anlagenver- fügbarkeit, die wir übrigens dem Aufgabenträger monatlich nachweisen müssen, widerspiegelt.

Somit wird von der BVG auskömmlich in den Erhalt der Infrastruktur investiert. Allerdings wurde in der Vergangenheit aus bekannten Gründen mehr in den östlich liegenden Netzteilen investiert, so dass ein gewisser Nachholbedarf für die im Westen befindlichen Streckennetze besteht. Dazu haben wir die entsprechenden Beträge aus Bundessprogrammen sicher gestellt.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Dass ÖPNV als Daseinsvorsorgeleistung, die für alle auch finanziell verfügbar sein muss, ohne Zuwendungen nicht funktioniert, ist unstrittig. Diese Zuwendungen orientieren sich im Regelfall nur an der unmittelbaren Verkehrsleistung. In Berlin reichen sie nicht einmal aus, um den Erhalt und die gebotene Modernisierung der Infrastruktur zu gewähr- leisten. Zunächst an Sie die grundsätzliche Frage, warum es offenbar ein generelles ÖPNV- Verständnis im politischen Raum gibt, das sich nur auf die Carrierfunktion, also den Trans- port von A nach A reduziert?

ÖPNV

PLÄDOyER FüR NACHHALTIGKEIT VON ÖPNV-INVESTITIONEN

„Kein Lückenschluss durch

neue BVG-Schulden“

Interview mit Dr. Sigrid Nikutta, Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG)

D

er Verkehrsinfrastruktur Berlins kann derzeit noch, und auch nach internationalen Maßstäben ein gutes Zeugnis ausgestellt werden. Diese Qualität ist nicht zuletzt das Ergebnis weitsichtiger Planungen und Investitionen schon in der 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Aber auch für Berlin gilt der deutschlandweite Befund, der erst unlängst die Öffentlichkeit aufrüttelte: seit vielen Jahr gibt es geradezu dramatische Defizite bei Investitionen, und dieser Sachverhalt wird inzwischen auch in der Hauptstadt deutlich sichtbar. Zu lange hat man sich auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht. Der Handlungsbedarf ist ebenso umfassend wie dringend. Dass diese Investitionen sehr positive und vielfältige Wirkungen entfalten, wird in der politischen Diskussion zu oft übersehen. Dafür ein Bewusstsein zu schaffen, ist ein Ziel des Interviews, das wir mit Dr. Sigrid Nikutta, der Vorstandsvorsitzenden der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), führten.

Dr. Sigrid Nikutta

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Dr. Nikutta:

Ich teile diese Wahrnehmung so nicht. Zur Infrastruktur gehören eben nicht nur Neu- baumaßnahmen, wie z.B. unsere U5 vom Brandenburger Tor zum Alexanderplatz oder die Straßenbahnanbindung des Hauptbahn- hofs. Es sind insbesondere auch Erneuerungs- maßnahmen, die zu großen Baustellen oder temporären Streckensperrungen führen. Die pünktliche Wiedereröffnung einer sanierten U2-Strecke nach Pankow wird nicht nur von unseren Kunden sondern natürlich auch von den politischen Verantwortlichen positiv wahrgenommen. Deshalb weist die Struktur unserer Finanzierung den Mittelbedarf auch gerade für die Instandhaltung und Erneuerung unser Anlagen sehr transparent aus. So kann sich jeder davon überzeugen, dass die meisten unserer Mittel gerade in diesen Bereich fließen.

Wir müssen uns allerdings klar darüber sein, dass die Konkurrenz um diese öffentlichen Mittel immer härter wird. Es ist unsere Auf- gabe, den politischen Entscheidungsträgern unmissverständlich klar zu machen, was es bedeutet, Mittel für die Infrastruktur zu kürzen, notwendige Sanierungsmaßnahmen immer weiter zu verschieben und letztendlich einen Substanzverzehr zu Lasten der Zuverlässigkeit und Qualität für unsere künftigen Kunden zu riskieren.

Striktes Kostenmanagement Teil einer nachhaltigen ÖPNV-Finanzierung UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

In Berlin wäre diese Reduktion auf die reine Transportfunktion besonders verheerend. Die exzellente Verkehrsinfrastruktur der Haupt- stadt hatte über einen langen Zeitraum auch im internationalen Maßstab nahezu ein Allein- stellungsmerkmal. Sie war das Gütesiegel der Metropole. ÖPNV galt als wesentliches Argument für Industrieansiedlungen und als städtische Visitenkarte schlechthin. Welche weiteren Aspekte für die komplexe Wirkung von Investitionen in den ÖPNV sehen Sie darüber hinaus, und wie kann es gelingen, dass künftig genau nach diesen Maßstäben die notwendigen politischen Entscheidungen getroffen werden?

Dr. Nikutta:

Die BVG macht Berlin lebenswerter. Da bin ich ganz selbstbewusst. Die meisten Berliner sind schneller und bequemer am Ziel mit dem ÖPNV. Mehr ÖPNV und weniger private Autonutzung bedeuten: weniger Lärm, weniger Flächenverbrauch, weniger Stress bei der Parkplatzsuche, beim Fahren und im Stau. 90 Prozent der Berliner finden in 400 m eine BVG- Haltestelle. Das heißt, wir bringen die Mobilität in den letzten Winkel Berlins. Das ist einer der großen Standortvorteile unserer Stadt. Aber er ist von den

Fahrgästen alleine nicht zu bezahlen. Wir brauchen dafür ein klares Bekenntnis zum Daseinsvorsorge- auftrag des ÖPNV. Das Thema Infrastruktur- investitionen ist dabei besonders wichtig. Wenn wir mehr Kunden für den ÖPNV gewinnen wollen, geht das nur mit einer entsprechenden Infrastruktur. Die BVG steht zu ihrem Auftrag, Berlin mit Mobilität zu versorgen aber es ist die Rolle der öffentlichen Hand, hier den entsprechenden Ausgleich zu schaffen.

Anders wird das nicht möglich sein.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Wenn es gelänge, sich in Berlin darauf zu ver- ständigen, dass sich ÖPNV-Investitionen komplex und nachhaltig auf eine positive Stadt- und Regionalentwicklung auswirken, bestünde immer noch die Realität der dramatischen Ver- schuldungssituation. Sehen Sie einen Weg, trotz- dem die nötigen Mittel aufzubringen und welchen Beitrag kann die BVG, Stichwort Effizienz, leisten?

Dr. Nikutta:

Wir müssen dringend die nachhaltige Finanzierung des ÖPNV-Systems sicherstellen. Wir als Unter- nehmen leisten unseren Beitrag, indem wir einerseits ein sehr striktes Kostenmanagement betreiben und andererseits durch ein überzeugendes Angebot für den Fahrgast immer mehr Kunden gewinnen und damit Einnahmen generieren. Bei beiden Themen setzen wir uns ehrgeizige, unternehmerische Ziele, ÖPNV

Gleiswechselanlage, Startschacht und Baulogistikzentrum auf dem Marx-Engels-Forum (obere Bildhälfte, mittig) sowie Baufeld für den Bahnhof Berliner Rathaus (linke untere Bildhälfte). Investitionsvorhaben: Neubauprojekt Lückenschluss U5 (Neubau von ca. 2,5 km Tunneln, drei Bahnhöfen sowie einer Gleiswechselanlage)

(11)

TITELTHEMA

an denen wir uns auch messen lassen wollen. Wie hoch unsere Fahrgeldeinnahmen letztendlich sind, bestimmt allerdings die Politik über die Gestaltung der Tarife selbst mit. Die Differenz zwischen unseren Kosten aus dem Betrieb, dem Erhalt der Infrastruktur sowie den Investitionen in Fahrzeuge und neue Infra- struktur auf der einen Seite und unseren Einnahmen am Markt auf der anderen Seite muss vollständig durch öffentliche Mittel ausgeglichen werden. Daran führt kein Weg vorbei. Die Zeiten, in denen ein Teil dieser Lücke einfach durch neue Schulden der BVG überbrückt wurde, sind definitiv vorbei. Wenn keine ausreichenden Mittel zur Verfügung gestellt werden können, dann müssen wir uns zwangsweise darüber unterhalten, wie das Leistungsangebot an die finanziellen Möglichkeiten angepasst werden kann. Keine bequeme, aber unbedingt notwendige Diskussion.

Die BVG ist auf Vordermann und das ist die harte Arbeit von 13.000 Kolleginnen und Kollegen. Das zeigen wir jeden Tag und bringen bis zu 3 Mio. Fahr- gäste täglich zuverlässig an ihr Ziel. Aber wie Sie selbst schon sagen, die BVG ist das größte Nahverkehrs- unternehmen Deutschlands. Mit unseren U-Bahnen, Bussen, Straßenbahnen – die Fähren nicht zu ver- gessen, bewegen wir im wahrsten Sinne des Wortes Berlin. Und dabei verbrauchen wir Strom und Diesel.

Jeder weiß, wie hier in den letzten Jahren die Preise angezogen haben. Für uns bedeutet das jährliche Kosten von gut 100 Mio. Euro. Die großartige und vielfältige ÖPNV-Infrastruktur Berlins, die unserer Stadt diesen herausragenden öffentlichen Nahver- kehr ermöglicht, muss ständig repariert, saniert, modernisiert und neu gebaut werden. Im Schnitt verbauen wir neben unseren Verkehrsleistungen rund 200 Mio. Euro jedes Jahr. Dass die BVG rote Zahlen schreibt, ist für jeden der sich auskennt selbstverständ- lich. Denn ein so gut ausgebautes ÖPNV-Netz wie wir es in Berlin rund um die Uhr haben, kann nicht

über die Fahrgeldeinnahmen allein bezahlt werden.

Für dieses umfangreiche Angebot muss auch das Land Berlin auskömmlich zahlen.  Und zusammen mit einer strengen Kostendisziplin in der BVG werden wir es hinbekommen – was in Europa ziemlich ein- malig wäre – eine schwarze Null zu realisieren. Um das zu erreichen, muss sich die sehr, sehr gute Ent- wicklung der Fahrgastzahlen fortsetzen. Wir haben ein gutes Angebot und einen guten Service, das zeigt sich auch im Kundenzuspruch. Seit 2008 haben wir über zwölf Prozent mehr Kunden und entsprechend mehr Fahrgeldeinnahmen. Die Zahl der Abonnenten ist seit

2008 um 44 Prozent gestiegen. Das ist für uns das Ent- scheidende. Damit haben wir eine höhere Auslastung.

„Meine Vision heißt kommunikative, tarifliche und vertriebliche

Vernetzung der Verkehrsträger“

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Berlin ist für den ÖPNV Aufgabenträger.

Die BVG ist als Anstalt öffentlichen Rechts auch Leistungserbringer und schultert mit den Bereichen U-Bahn, Bus und Straßenbahn den Löwenanteil des Verkehrsaufkommens.

In dieser Konstellation könnte man erwarten, dass Investitionen mit dem schon diskutierten komplexen Ansatz getätigt werden. Wie macht man diese Projektion aber einem Leister klar, der nicht der Kommune gehört, und der zu Recht darauf verweisen könnte, dass seine Aufgabe nur im Erbringen der reinen Verkehrsleistung besteht?

Dr. Nikutta:

Das Beispiel BVG zeigt, dass es gute Argumente für ein integriertes kommunales Verkehrsunter- nehmen, welches den ÖPNV prägt, gibt. Wir stehen zu Berlin und konzentrieren uns auf unsere Stadt. Das heißt aber auch, dass wir von der Entwicklung Berlins abhängig sind. Ent- wicklungen im ÖPNV sind niemals kurzfristig.

Die Investitionen in das Verkehrssystem, Fahr- zeuge und Bahnhöfe prägen eine Stadt über Jahr- zehnte. Ein gutes Beispiel dafür ist die Berliner U-Bahn, die es seit über 100 Jahren gibt.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

ÖPNV braucht finanzielle Zuwendungen und deren Wirkungen über die reine Verkehrsleistung hinaus sind mit der reinen betriebswirtschaft- lichen Lehre nicht zu messen. Ist es aus dieser Perspektive überhaupt zulässig, beim ÖPNV von einem Wettbewerbsmarkt zu sprechen?

Dr. Nikutta:

Durch entsprechende EU-Verordnungen und nationales Recht ist die Vergabe von SPNV- und ÖPNV-Verkehrsleistungen klar geregelt. Für die zuständigen Aufgabenträger (z.B. Länder, Städte) besteht weiterhin die Möglichkeit, kommunalen ÖPNV im Rahmen einer inhouse-Vergabe an das eigene lokale Verkehrsunternehmen zu vergeben.

Aufgrund der beabsichtigten gemeinwirtschaftlichen Leistungen von Verkehrsunternehmen ÖPNV und der staatlichen Einflussnahme auf die Tarifbildung und das Angebot ist eine komplette Nutzer- finanzierung auf diesem Verkehrsmarkt weiterhin nicht möglich und von Seiten der bestellenden Kommunen und Länder nicht gewünscht. Dieser Fakt heißt aber keinesfalls, dass die klassischen betriebswirtschaftlichen Grundsätze für Verkehrs- unternehmen im ÖPNV nicht Anwendung finden.

ÖPNV

Wir brauchen dafür ein klares Bekenntnis zum Daseinsvor-

sorgeauftrag des ÖPNV.

„ ______________________

Dr. Sigrid Nikutta

UNSERE GESPRÄCHSPARTNERIN Dr. Sigrid Evelyn Nikutta wurde am 1. April 1969 in Ortelsburg/Ostpreußen geboren. Sie stu- dierte Psychologie mit dem Schwerpunkt Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie an der Universität Bielefeld und wurde 2009 an der LMU München im Fach Psychologie promoviert.

Nach ihrem Studium arbeitete Sigrid Nikutta im Management einer mittelständischen Unterneh- mensgruppe in Ostwestfalen. Von 1996 bis 2008 war sie bei der Deutschen Bahn für Aus- und Fortbildung zuständig. Ab 2009 war sie Leiterin Produktion Ganzzugverkehr bei DB Schenker Rail in Mainz und beim polnischen Schenker- Tochterunternehmen zugleich Vorstand Pro- duktion in Zabrze. Am 28. Mai 2010 wurde sie vom Aufsichtsrat der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zur Vorstandsvorsitzenden gewählt und trat das Amt zum 1. Oktober an. Seit dem 19. August 2011 ist sie auch Aufsichtsratsvor- sitzende der BT Berlin Transport GmbH, einer 100prozentigen Tochter der BVG.

i infos

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Verkehrszukunft Berlin. Was ist Ihre mittel- fristige Vision für einen integrierten Haupt- stadtverkehr mit ÖPNV, Individualverkehr, Stadt-Umland-Vernetzung und der Ein- bindung des Fernverkehrs per Schiene, Straße, zu Wasser und in der Luft?

Dr. Nikutta:

Meine Vision für einen integrierten Hauptstadtver- kehr ist die kommunikative sowie möglichst auch tarifliche bzw. vertriebliche Vernetzung der einzel- nen Verkehrsträger und Mobilitätsdienstleister in Berlin. Ich setze darauf, dass künftig beim Vor- liegen der Transparenz der zeitlichen, preislichen und spezifischen Angebotsvorteile der einzelnen Mobilitätsdienstleister viele Berliner und Branden- burger sowie Gäste unserer Stadt viel häufiger auf das eigene Auto verzichten. Künftig werden bis- herige Nicht- bzw. Gelegenheitsnutzer von Bussen und Bahnen öfter auf BVG und S-Bahn umsteigen, da in der Kombination oder Ergänzung die neuen Mobilitätsdienstleister, wie z.B. Carsharing und Fahrradverleihsysteme eine intelligente Ver- knüpfung von Wege- und Fahrtketten in Berlin und dem Umland ermöglichen werden. Im Mittel- punkt dieser Mobilitätsnachfrage wird in jedem Fall der öffentliche Nahverkehr stehen. Mit dieser Vision und Strategie wird der modal split deutlich weiter zugunsten des ÖPNV und zu Lasten des motorisierten Individualverkehrs verlagert. n

Das Interview führte Michael Schäfer www.bvg.de

(12)

12 UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 01 / MÄRZ 2013

Licht in

dunklen Hütten

Die Hütten des Dorfes Battigana Halliim südindischen Bundesstaat Karnataka, aus Kokosblättern mit einem Dach aus Plastikfolie und Palmwedeln gebaut, haben keine Fens- ter und sind dunkel. Keine ist ans Stromnetz angeschlossen.

Das Licht von Kerosinlampen können sich die armen Fami- lien wegen der Kosten höchstens zwei bis drei Stunden am Tag leisten.

Durch das von Brot für die Welt unterstützte Projekt werden 4000 Haushalte, meist Dalitfamilien (Unberührbare/Kas- tenlose), in 180 Dörfern mit Licht versorgt. Und es trägt zum Umwelt-schutz bei, denn Kerosin produziert das schädliche Treibhausgas Kohlendioxid.

Es ist das erste Solarlampenprojekt der Welt, das die Klima- konferenz der Vereinten Nationen registriert hat. Fast fünf- zehntausend Tonnen Kohlendioxid werden dadurch inner- halb der kommenden zehn Jahre vermieden. Die UN-Klima- konferenz (UNFCCC) stellt über jede Tonne eingespartes Kohlendioxid ein Zertifikat aus, das auf dem Weltmarkt verkauft werden kann. So lässt sich das Projekt teilweise refi- nanzieren und wird dadurch weitere Verbreitung finden.

Helfen Sie mit:

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Kirin, ein Kastenloser, montiert als Chefmechaniker Solarmodule auf den Hüttendächern

Fotos: Christoph Püschner

Ein großer Augenblick –

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Unter www.kommunalpolitiker.de kann jeder Besitzer des Printkalen- ders mit einem speziellen Zugangs- code die Dienste des kommunalen Internet-Lotsen nutzen: Adressen, Plattformen, Links.

Die Lösung

Der Kalender „Der Kommunalpolitiker®“ erscheint im 27. Jahrgang und ist – einmalig im deutschsprachigen Raum und patentrechtlich geschützt – ein kombiniertes Print- und Internet-Produkt:

Die Situation

Wenn Sie im Internet kommunale Themen recherchieren, finden Sie eine gigantische Menge unsortierter Informationen.

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2013

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13 UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 01 / MÄRZ 2013

TITELTHEMA

Licht in

dunklen Hütten

Die Hütten des Dorfes Battigana Halliim südindischen Bundesstaat Karnataka, aus Kokosblättern mit einem Dach aus Plastikfolie und Palmwedeln gebaut, haben keine Fens- ter und sind dunkel. Keine ist ans Stromnetz angeschlossen.

Das Licht von Kerosinlampen können sich die armen Fami- lien wegen der Kosten höchstens zwei bis drei Stunden am Tag leisten.

Durch das von Brot für die Welt unterstützte Projekt werden 4000 Haushalte, meist Dalitfamilien (Unberührbare/Kas- tenlose), in 180 Dörfern mit Licht versorgt. Und es trägt zum Umwelt-schutz bei, denn Kerosin produziert das schädliche Treibhausgas Kohlendioxid.

Es ist das erste Solarlampenprojekt der Welt, das die Klima- konferenz der Vereinten Nationen registriert hat. Fast fünf- zehntausend Tonnen Kohlendioxid werden dadurch inner- halb der kommenden zehn Jahre vermieden. Die UN-Klima- konferenz (UNFCCC) stellt über jede Tonne eingespartes Kohlendioxid ein Zertifikat aus, das auf dem Weltmarkt verkauft werden kann. So lässt sich das Projekt teilweise refi- nanzieren und wird dadurch weitere Verbreitung finden.

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Fotos: Christoph Püschner

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2013

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Rechtlicher Rahmen kommunaler Aufgabenwahrnehmung

(Unions- und Bundesrecht)

Der rechtliche Rahmen für die Ausgestaltung des ÖPNV wird in Deutschland maßgeblich durch das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) bestimmt. Hauptgegenstand des Gesetzes ist vor allem die gewerberechtliche Regelung der Erbringung von Personenbeförderungs- leistungen durch die Verkehrsunternehmen.

Gleichwohl regelt § 8 Abs. 3 Satz 1 PBefG, dass die Länder bestimmen, wer für den ÖPNV

zuständig ist und insofern für eine ausreichende Verkehrsbedienung in seinem Gebiet Sorge zu tragen hat. Die Gewährleistung einer aus- reichenden Verkehrsbedienung ist dabei mit Ausnahme des sicher zu stellenden Schülerver- kehrs in das Ermessen der kommunalen Auf- gabenträger gestellt.

Aktuell sind europäische Vorgaben für den ÖPNV von immanenter Bedeutung. So gilt seit dem 3. Dezember 2009 in der europäischen Gemeinschaft die.

Das deutsche Personenbeförderungsgesetz (PBefG) ist zwischenzeitlich an den Rechtsrahmen der VO (EG) 1370/2007angepasst worden. Diese Verordnung stellt gemeinschaftsweite verbind- liche Regeln für die Vergabe und Finanzierung von öffentlichen Personenbeförderungsleistungen auf. Die Diskussion um die Anpassung dauerte mehrere Jahre bis letztlich Ende 2012 Bundes- tag und Bundesrat die Novellierung des PBefG beschlossen haben. Das neue PBefG ist nunmehr zum 1. Januar 2013 in Kraft getreten.

Insgesamt bleibt es nach der Novelle des PBefG bei dem Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre. Der Aufgabenträger kann als zuständige Behörde einen öffentlichen Dienstleistungsauf- trag direkt oder in einem wettbewerblichen Ver- fahren vergeben, wenn ein eigenwirtschaftlicher Genehmigungsantrag nicht gestellt bzw. ein solcher abweisend beschieden wird. Dies steht grundsätzlich in seinem Ermessen. Er kann sich grundsätzlich dazu entscheiden, die Verkehrs- bedienung eigenwirtschaftlich, das heißt ohne Zuschuss aufgrund eines öffentlichen Dienst- leistungsauftrags und ohne ausschließliches Recht erbringen zu lassen. Der Aufgabenträger kann und muss sich dann im Falle einer bestehenden gesell- schaftsrechtlichen Mehrheitsbeteiligung an einem Verkehrsunternehmen dazu entscheiden, das Vor- liegen der Voraussetzungen einer Direktvergabe an einen internen Betreiber (das eigene Verkehrs- unternehmen) zu prüfen. Während in den Fällen, in denen keine kommunale Mehrheitsbeteiligung an einem Verkehrsunternehmen besteht, eine Finanzierung „nur“ der ausreichenden Verkehrs- bedienung im Ergebnis eines wettbewerblichen Auswahlverfahrens nach Art. 5 Abs. 3 VO 1370 sicherstellbar ist, werden in den Fällen, in denen

kommunale Verkehrsunternehmen bestehen, zulässigerweise Maßnahmen ergriffen werden müssen (Nahverkehrsplanung, Gestaltung der Vorabbekanntmachung), die eine Direktvergabe an einen internen Betreiber zumindest grundsätz- lich möglich machen.

Verantwortung und Zuständigkeit der Kommunen

In Deutschland tragen die Kommunen wegen ihres generellen öffentlichen Daseinsvorsorge- auftrags auch die Verpflichtung, Leistungen

des öffentlichen Personennahverkehrs in aus- reichendem Maße bereitzustellen. Eine landes- gesetzliche Grundlage hierfür bilden die ÖPNV-Gesetze der jeweiligen Bundesländer.

Konkrete Anforderungen an Qualität und Quantität des ÖPNV sind in weiten Teilen jedoch gesetzlich nicht festgelegt.

ÖPNV

DASEINSVORSORGE UNTER MONETÄREM VORBEHALT

ÖPNV in der (Finanzierungs-)Krise?!

Von RA Olaf Letzner und RA Dominik Reith, PwC Legal

D

ie Sicherstellung der Mobilität der Bevölkerung insbesondere in ländlichen Regionen ist vor dem Hintergrund des demografischen Wandels von besonderer Bedeutung für die kommunalen Aufgabenträger. Grundstein für einen flächendeckend funktionierenden öffentlichen Personenverkehr (ÖPNV) ist die Finanzierung desselben. Problematisch ist, dass insbesondere vor dem Hintergrund sich verringernder Finanzierungsmittel des Bundes kommunale Haushalte eine Sicherstellung des öffentlichen Personenverkehrs absehbar nicht mehr mit der bisherigen Quantität und der gebotenen Qualität finanzieren können, sofern der Bund nicht absehbar Finanzierungsmittel in dem bisher vorhandenen oder zumindest vergleichbaren Umfang zur Verfügung stellt.

Eine (weitere) Verschlechterung der Finanzierungssituation des kommunal kofinanzierten ÖPNV tritt dann ein, wenn ab dem Jahr 2020 eine wesentliche Säule der Finanzierung des kommunalen ÖPNV, die Kompensationszahlungen nach dem Entflechtungsgesetz, entfällt und kein adäquater Ersatz für die so entstehende Finanzierungslücke im investiven Bereich geschaffen wird. Im Folgenden soll kursorisch der rechtliche Rahmen kommunaler Aufgabenwahrnehmung im ÖPNV und die gegenwärtige ÖPNV-Finanzierungssituation der Kommunen dargestellt werden.

Olaf Letzner Dominik Reith

(15)

TITELTHEMA

Energie. Kommunikation. Mensch. | www.ewe.de

Als einer der fortschrittlichsten Energiedienstleister Deutschlands versorgt EWE seit Jahrzehnten Menschen sicher mit Energie – in Teilen Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns und in der Ems- Weser-Elbe-Region. Wir entwickeln Energiekonzepte für die Zukunft, setzen uns für den Ausbau erneuerbarer Energien ein und realisieren innovative Projekte gemeinsam mit unseren Partnern vor Ort.

Mit unserem Wärme-Direkt-Service profitieren Kommunen von einer kostengünstigen und wirtschaftlichen Wärmeversorgung, und das ganz ohne eigene Investition. Denn EWE plant, finanziert und betreibt neue Heizanlagen für sie. Berechnet werden dafür eine geringe monatliche Pauschale sowie die Energiekosten.

Wartung und Instandhaltung sind übrigens inklusive: Service mit der richtigen Energie!

Wirtschaftliche Wärme für kommunale Gebäude

EWE Wärme-Direkt-Service

(16)

Im Rahmen der kommunalen Organisations- und Planungshoheit gehört der ÖPNV über- wiegend nicht zu den Pflichtaufgaben. Ausgaben für den Nahverkehr stehen damit leicht in Konkurrenz zu tatsächlich oder vermeintlich vordringlich zu finanzierenden kommunalen Aufgaben. Entschließt sich eine Kommune jedoch dazu, auf der Grundlage eines Nahver- kehrsplanes ein bestimmtes Verkehrsangebot in seinem Gebiet vorzuhalten, bestehen wegen dieser planerischen Vorgaben zumindest für den Planungszeitraum Verbindlichkeiten, für eine entsprechende Umsetzung der geplanten Beförderungsleistungen und -standards Sorge zu tragen.

Darüber hinaus werden auf der Grund- lage der Festlegungen des Nahverkehrsplanes der Kommune Liniengenehmigungen durch die Genehmigungsbehörde erteilt, die eine (übliche) Laufzeit von bis zu zehn Jahren im Busverkehr haben können. In einem Auswahl- verfahren ermittelte Verkehrsunternehmen bzw.

im Falle von Direktvergaben richten sich die Unternehmen auf der Basis eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages auf diese Konzessions- laufzeit ein. Hinzu tritt, dass üblicherweise die Laufzeit des öffentlichen Dienstleistungs- auftrages an die Laufzeit der Linienver- kehrsgenehmigung gebunden sein wird. Das bedeutet, dass die Frage der Finanzierung der ÖPNV-Leistungen tatsächlich weniger von einer kommunalrechtlichen Zuweisung als frei- willige bzw. Pflichtaufgabe, als eher von dem planerischen Willen der Kommune und dessen tatsächlicher Umsetzung abhängt. Letztlich ist die Einordnung einer kommunalen Aufgabe als freiwillige bzw. Pflichtaufgabe für die Frage der Sicherstellung der Finanzierung nicht ent- scheidend. Am Ende entscheidet die Kommune mit der Definition der ausreichenden Verkehrs- bedienung in ihrem Gebiet auch gleichzeitig über die für die Umsetzung erforderlichen Kosten und damit über die bereit zu stellenden Finanzierungsmittel.

Finanzierungsrahmen und -lage des ÖPNV

Die Finanzierung des ÖPNV in Deutschland ist kompliziert und unübersichtlich strukturiert. Die jeweiligen Verkehrsmittel (Bus, Bahn) werden durch zahlreiche Finanzierungsbestimmungen, wie das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG), Ausgleichszahlungen für Schüler- und Schwerbehindertenbeförderung, Betriebs- kostenzuschüsse und Defizitausgleiche durch Kommunen direkt oder im steuerlichen Querver- bund sowie durch so genannte Regionalisierungs- mittel zur Finanzierung investiver Maßnahmen geregelt.

Als Ersatz für die weggefallenen GVFG- Mittel erhalten die Länder seit dem 1. Januar 2007 auf der Grundlage des Entflechtungs- gesetzes Mittel aus dem Bundeshaushalt in Höhe von jährlich 1.335,5 Mio. Euro (§ 3 Abs.

1 EntflechtG). Ab 2014 können diese Mittel für investive Zwecke jeder Art verwendet werden, da die verkehrliche Zweckbindung wegfällt. Wird im Rahmen der Revisionsklausel keine Weiter- finanzierung durch den Bund geregelt, fallen ab 2020 die Mittel aus dem Bundeshaushalt komplett weg.

Gleichzeitig steht den Ländern nach Art.

106a GG für den öffentlichen Personennahver- kehr ein Betrag aus den Steuermitteln des Bundes zu. Die Verteilung der Gelder auf die einzelnen Bundesländer ist im Regionalisierungsgesetz geregelt. Das Regionalisierungsgesetz definiert, vergleichbar dem PBefG, die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im ÖPNV als eine Aufgabe der Daseinsvorsorge.

Die genaue Finanzierung des ÖPNV regeln jedoch wiederum die ÖPNV-Gesetze der Länder. Hier wird festgelegt, wie und nach welchen Kriterien die so genannten Regionalisierungsmittel verteilt werden. Für das Jahr 2008 wurden Mittel in Höhe von 6,675 Milliarden Euro vorgesehen. Die Mittel steigen jährlich um 1,5 Prozent und werden im Jahr 2014 eine Höhe von ca. 7,3 Milliarden Euro erreichen. Im Jahr 2014 soll die Höhe der Mittel für Zeiträume ab 2015 erneut überprüft werden.

UNSERE AUTOREN

Olaf Letzner wurde am 13. März 1969 in Potsdam geboren.

Das Studium der Rechtswissenschaften ab- solvierte er an der Universität Potsdam, das Rechtsreferendariat beim Brandenburgischen Oberlandesgericht.

Herr Letzner ist seit 2003 an verschiedenen Standorten (Stuttgart, Leipzig) für PwC bzw.

PwC Legal; seit dem 1. Januar 2010 am Standort Berlin mit dem Schwerpunkt öffentli- ches Wirtschaftsrecht tätig.

Dominik Reith wurde am 12. Oktober 1980 in Mannheim geboren.

Das Studium der Rechtswissenschaften absolvierte er an der Humboldt-Universi- tät zu Berlin; das Rechtsreferendariat im Kammergerichtsbezirk.

Seit 2010 ist Herr Reith als Rechtsanwalt für PwC Legal in der Niederlassung Berlin mit dem Schwerpunkt öffentliches Wirtschafts- recht tätig.

Fazit

Festgehalten werden kann, dass der ÖPNV – untechnisch formuliert – als „Gesamtaufgabe“

in der Verantwortung der Kommunen liegt.

Ihnen ist die Funktion des Aufgabenträgers gesetzlich zugewiesen.

Hieran gekoppelt ist die Verantwortung zur Aufbringung des kommunalen Finanzierungs- anteils, der sich, wegen der sukzessiven Reduzierung der Finanzierungsanteile der

"großen Finanziers" der Branche (Bund, Länder), tendenziell erhöht, sofern das Leistungsangebot aufrechterhalten wird.

In dieser Gemengelage sind die Kommunen gezwungen, unter Berücksichtigung ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit verantwortungs- voll Verkehrsangebote für ihre Einwohner zu planen, vorzuhalten und zu finanzieren.

Die allgemeine finanzielle Ausstattung der Städte, Landkreise und Gemeinden und ins- besondere die des ÖPNV ist derzeit nicht ausreichend und birgt im investiven Bereich die Gefahr einer weiteren Reduzierung von Bundesmitteln, die einen Abbau des bisher angewachsenen Investitionsstaus unmöglich erscheinen lassen.

Deshalb kann es sinnvoll sein, die seit einigen Jahren zu alternativen Finanzinstrumenten geführte Diskussion zu forcieren. n

olaf.letzner@de.pwc.com dominik.reith@de.pwc.com

i infos

ÖPNV

INVESTIVE UND BETRIEBLICHE FINANZIERUNGSINSTRUMENTE

DES ÖPNV

ˆ Fahrgeldeinnahmen

ˆ staatlicher Ausgleich für Sozialtarife

ˆ Querverbund (Kommunalunternehmen)

ˆ staatliche Investitionszuschüsse

ˆ (kommunale) Zuschüsse für das Leistungsangebot

ˆ Zuschüsse für Tarifverbünde.

Die Finanzierungsanteile sind je nach Bun- desland unterschiedlich ausgestaltet. Die Fi- nanzierung ist ein Mix aus Fahrgelderlösen, Ausgleichszahlungen an Verkehrsunternehmen, Verlustabdeckung innerhalb des sog. steuer- lichen Querverbundes, Investitionszuschüssen, Ausgleich für Mehrangebote durch Verkehrsver- träge bzw. nachträgliche Verlustabdeckungen bei kommunalen Betrieben sowie ein Ausgleich der Mindereinnahmen durch Anwendung von Verbundtarifen oder Übernahme der Organisa- tionskosten der Verbünde.

(17)

TITELTHEMA

ÖPNV

Ausgangssituation

Die niedrige Besiedlungsdichte und der demo- grafische Wandel stellen den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) vor besondere Herausforderungen. Der Landkreis Stendal hat

deshalb bereits im Jahr 2009 zu einem europa- weiten Genehmigungswettbewerb aufgerufen, um die Leistungen im straßengebundenen ÖPNV (ÖSPV) neu zu vergeben. Die Ausschreibung der Verkehrsleistung erfolgte in drei Linienbündeln, die zum einen den nördlichen und westlichen Teil, zum anderen den östlichen und südlichen Teil sowie den Stadtverkehr Stendal abdecken.

Ziel des Landkreises

Ziel des Landkreises war es, auf Basis einer vorgegebenen Finanzierungssatzung, die ein definiertes Budget vorsah, welches die Co- Finanzierung der Landeslinie 900 beinhaltet, ein attraktives, bezahlbares ÖSPV-Angebot durch die Bieter zu erhalten. Die Finanzierung des ÖSPV im Landkreis Stendal beinhaltet zusätzlich ein finanzielles Anreizsystem je beförderten Fahrgast.

Die Anforderungen an die bietenden Unter- nehmen waren daher sehr komplex.

Durchführung des

wettbewerblichen Verfahrens Das Verfahren erforderte die komplette Über- arbeitung des bestehenden Fahrplans für den Fest- verkehr sowie die Einführung eines Rufbussystems.

Weiterhin wurden definierte Rahmenbedingungen für die Schülerbeförderung sowie für Anschluss- beziehungen zum Schienenpersonennahverkehr vor- gegeben. Neben dem Fahrplan waren außerdem ein überarbeiteter Liniennetzplan, ein wagenabhängiger Beförderungstarif sowie weitere Qualitätsmerk- male, bspw. das Betreiben einer Mobilitätszentrale vor Ort, gefordert. Alle Anbieter hatten somit die Möglichkeit, zu den gleichen Voraussetzungen und im Rahmen des definierten Budgets den ÖSPV voll- ständig zu überplanen und anzubieten.

Die Bewertung der Angebote erfolgte nach einem streng formalisierten und trans- parenten Verfahren. Für die Erfüllung der Grundanforderungen erhielten die Bewerber Erfüllungspunkte, gleichzeitig gab es Bonus- und Maluspunkte bei Über- bzw. bei Untererfüllung der geforderten Kriterien.

Im Wettbewerbsverfahren hat sich die Regional- verkehrsbetriebe Westsachsen GmbH (RVW), eine 100prozentige Tochter der Rhenus Veniro GmbH

& Co. KG, durchgesetzt und betreibt seit dem 01.11.2010 den ÖSPV im Landkreis Stendal unter der Marke „stendalbus“.

Bilanz nach zwei Jahren

Es ist viel passiert seit der Betriebsaufnahme. Der Landkreis Stendal als Aufgabenträger für den ÖSPV und die Schülerbeförderung hat gemeinsam mit der RVW erreicht, im ländlich geprägten und dünn besiedelten Landkreis einen auf die Bedürfnisse der Menschen abgestimmten und für den Landkreis bezahlbaren ÖSPV einzurichten. Der Landkreis Stendal, die Gemeinden, die NASA GmbH, die Fahr- gäste und die Schulen ziehen eine positive Bilanz.

Das Verkehrsunternehmen bietet einen nachfrage- orientierten Fahrplan mit einem Verkehrsangebot von ca. 5,7 Mio. Fahrplankilometern an, davon werden ca. 70 Prozent im festen Linienverkehr erbracht. Die Leistungserbringung erfolgt unter Einbindung der lokalen, mittelständischen Unternehmen vor Ort.

DURCHFüHRUNG EINES WETTBEWERBSVERFAHRENS IM LANDKREIS STENDAL: FUNKTIONALE AUSSCHREIBUNG

Hohe ÖPNV-Qualität unter

komplizierten Rahmenbedingungen

Von Claudia Martini, Prokuristin der Regionalverkehrsbetriebe Westsachsen GmbH

W

ie kann straßengebundener öffentlicher Personennahverkehr auch unter komplizierten Bedingungen in einer strukturschwachen und vom demografischen Wandel besonders betroffenen Region in guter Qualität organisiert werden? Diese Fragestellung – sie erinnert ein wenig an die Aufgabe, die Quadratur des Kreises zu lösen – war Kern eines Wettbewerbsverfahrens des Landkreises Stendal im Jahr 2009. Diesen europaweiten Genehmigungswettbewerb gewannen die Regionalverkehrsbetriebe Westsachsen GmbH (RVW), eine 100prozentige Tochter der Rhenus Veniro GmbH & Co. KG. Diese betreibt seit dem 01.11.2010 den ÖSPV im Landkreis Stendal unter der Marke „stendalbus“.

Unsere Autorin, Claudia Martini, ist Prokuristin bei diesem Unternehmen und war für die Umsetzung der gewonnenen Ausschreibung verantwortlich.

DER LANDKREIS STENDAL STELLT SICH VOR!

Im Norden des Landes Sachsen-Anhalt liegt der Landkreis Stendal und umfasst die östliche Alt- mark sowie den Elbe-Havel-Winkel. Mit einer Fläche von 2.423 km² ist Stendal der flächenmä- ßig zehntgrößte Landkreis in Deutschland, aber mit einer Einwohnerdichte von 50 Einwohnern je km² sehr dünn besiedelt. Die Region besitzt vorwiegend eine ländliche Prägung. Auf Grund dieser Tatsache stellt die Landwirtschaft einen beachtlichen Wirtschaftszweig dar und die In- dustrie spezialisierte sich vor allem auf die Ver- arbeitung von landwirtschaftlichen Produkten.

Charakterisiert wird die Wirtschaftsstruktur durch kleine und mittelständische Unternehmen.

Zahlen und Fakten Einwohnerzahl: 120.182 Fläche: 2.423 km² Einwohnerdichte: 50 EW je km²

Quelle:

Landkreis Stendal

Zahlen und Fakten Mobilitätszentrale:

Hauptbahnhof Stendal Bediengebiet:

32 Linien im Regionalverkehr 6 Linien Stadtverkehr (Stendal) 1 Landeslinie

Fahrplan-km:

ca. 5,7 Mio. (davon ca. 30 Prozent Rufbus) Busse im Bediengebiet:

100

Verkehrsverbund:

kein Mitglied im Verbund, eigener Wabentarif

Referenzen

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Mir fallen zuerst die Regionalversorger ein und Stadtwerke, die eng mit den Kommunen ver- knüpft sind; natürlich aber auch die Verbundnetz Gas AG (VNG). Hier habe ich

„Die Energieerzeugung der Zukunft wird dezentraler werden, weshalb sich insbesondere in agrarisch dominierten Regio- nen etliche Genossenschaften diesem Thema widmen.“

Kommunale Unternehmen haben sich nicht nur in der Versorgungswirtschaft etabliert, sondern sie sind auch Pioniere bei der Förderung der Erneuerbaren Energien und bei der

Strategisches Ziel für uns in Dresden war daher beim Rückerwerb aller DREWAG-Anteile immer, zunächst in eine Ausgangsposition eines normalen westdeutschen Stadtwerkes zu

Sind diese Firmen auch für Kommunen und kommunale Unternehmen tätig, und gibt es eine Strategie, sich als Dienstleistungspartner gerade für kleine und mittlere Stadtwerke, die

„Vor 20 Jahren hat sich noch niemand vorstellen können, dass das ewige Wachstum irgendwann ein Ende haben könnte.“ Mittler- weile hätte sich diese Einsicht in den Neuen

nicht möglich gewesen. Doch erst danach konnte sukzessive die Rechtfertigung für eine starke kommu- nale Stimme erarbeitet werden. Dass heute niemand mehr der

Zudem wurde gezeigt, dass die immer wieder ideo- logisch beschworenen negativen Auswirkungen auf die Privatwirtschaft entfallen, wenn die Langzeitarbeitslosen Tätigkeiten