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MÄRZ 2011

15. JAHRGANG

Netzwerke II

Netzwerke III

Netzwerke IV

FORUM NEUE LÄNDER

Verein will Kooperationen zur Kommunalwirtschaftsforschung fördern

OB aus Wiesbaden und Fulda im Gespräch mit Thüga-

Vorstandschef

VNG schmiedet Allianzen für bürgerschaftliches Engagement Wer, wann und wo welchen Beitrag für verlässliche Orientierung

leisten muss

Dokumentation Kommunal- wirtschaft Greifswald

Netzwerke I

Interview mit Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht

Keine Demographie-Strategien ohne kommunale Mitwirkung

IWK Wissenszentrum Kommunalwirtschaft e.V.

S. 28 S. 5

S. 27

Ein effizientes Geflecht für kommunale Klima- und Energiekonzepte

Neue Botschafter für‘s Ehrenamt berufen S. 42

Seiten 55 bis 69 Seiten 8 bis 22

Strategien für kommunale Unternehmen

„Popu

lärste Irrtüm er zur Kommunalw

irtschaft“.

Auftak

tinterview zu r neue

n Serie (S. 23)

Zur D

iskussion:

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nternehmerin-komm une.de

Titelthema

Aufmacherthema

(2)

Ob Finanznot, Bürokratie oder Steuerfragen – der Handlungs bedarf für die Kommunen ist vielfältig. Gut, wenn Sie sich auf einen Partner stützen können, der umfassendes Wissen über den kommunalen Bereich besitzt und maß geschneiderte Lösungen für Sie entwickelt. Der Sie kompetent und zuverlässig bei der Erfüllung Ihrer steuerlichen Pflichten berät, Abschlussprüfungen vornimmt, tatkräftig bei der Umstellung der Rechnungslegung und den Folgeproblemen hilft und Sie in allen sonstigen wirtschaftlichen Themen vorausschauend betreut. Der wirksame Konzepte für eine ver besserte Finanzsituation erarbeitet und Sie auch bei allen anderen kommunalen Themen tat kräftig unterstützt.

Für weitere Informationen besuchen Sie uns im Internet oder sprechen Sie uns einfach direkt an.

Dr. Sven-Joachim Otto Tel.: +49 211 981-2739

sven-joachim.otto@de.pwc.com Oliver Brummer

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© 2011. PricewaterhouseCoopers bezeichnet die PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die anderen selbstständigen und rechtlich unabhängigen Mitgliedsfirmen der PricewaterhouseCoopers International Limited.

Verlässliche Partner

findet man nicht überall.

Sondern genau da,

wo man sie braucht.

(3)

3 UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER • MÄRZ 2011

Inhaltsverzeichnis

FORUM NEUE LÄNDER

INFORMATIONEN / INSPIRATIONEN UNTERNEHMERIN KOMMUNE

4

54

66

76 70 14

82 23

19 5

16

55-69

85 27

42 28

46 32

48 34

50 36

38 8-22

8

55 60

79

98 12

62

74

80 Apéritif I

Apéritif II

Apéritif III Gastkommentar

Positives Echo zur VfkE-Jahresveranstaltung 2010

Thüringens Vorreiterrolle in Sachen Demographie

Funktionalitäten kommunalwirtschaftlicher Gremien

Strategiebildung in kommunalen Aufsichtsräten und externes Consulting

„Was demokratischer Legimitation bedarf, gehört in den Stadtrat“

Lexikon:

Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen

Start einer neuen Diskussionsreihe:

„Aufsichtsräte und die strategische Ausrichtung von kommunalen Unternehmen“

Neustart einer Serie:

Die populärsten Irrtümer zur Kommunalwirtschaft Neugründung in Berlin:

Soziales Engagement der Verbundnetz Gas AG (VNG)

Neue Klimaschutzkonzepte der Thüga und ihrer Partnerkommunen

Demographischer Wandel

„Meine Stadtwerke“: Dachmarken-Kampagne des Verbandes kommunaler Unternehmen

Vergaberecht: Besprechung der Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 08.02.11

Erste Beratung zum Forschungsprojekt Kommunalwirtschaftskooperation Harzkreis

Externe Beratung

Welche Rolle spielt Erdgas bei der Energieversorgung Deutschlands und wie kann kommunales Engagement zum Erfolg auf einem globalisierten Erdgasmarkt beitragen?

Das 21. Jahrhundert im Medienumbruch:

IWK Wissenszentrum Kommunalwirtschaft e.V. startete am 18. Januar 2011

Wärme geben

Ökologie und Ökonomie in einen Einklang bringen

Unterstützung für Kommunen

„Nur gemeinsam sind wir stark“

S-Bahn-Leistungen müssen künftig ausgeschrieben werden Empfehlungen der „Derenburger Runde“

zur Potenzialbewertung

Rettungsdienst unter kommunalem Dach Die künftige Entwicklung der Erdgasmärkte Zukunftsmarkt Breitbandanwendungen

Der Aufsichtsrat im öffentlichen Unternehmen:

Prestigeträchtiges Amt oder Haftungsfalle?

Prominente Wertungen aus der Praxis Welche Rolle spielt die Strategie?

Dokumentation Kommunalwirtschaft Hansestadt Greifswald

Die wesentlichen Entscheidungen trifft die Bürgerschaft

Effizienzrezept bei Ressourcenmangel:

Stadtstrategie – zentrale Leitlinie für kommunale Unternehmen

Selektive Konzentration

49-Prozent-Partner bei Stadtwerke-Neugründung in Grimmen

14. OSV-Tourismusforum

Kommunale Tagungsangebote von EUROFORUM

„Kooperation ist ein strategisches Muss“

Tourismus in Ostdeutschland – Incoming-Geschäft floriert wieder

„Information – neutral und umfassend“

Geschäftsbesorgung für mehr Wirtschaftlichkeit

Forum Erdgas – Diskussion zur Zukunft des Energieträgers in den Neuen Bundesländern Serie zur Kulturförderung des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV)

„Kommunale Unternehmen sind die geborenen Partner“

Große Dynamik im Markt Meistergeigen für die Meister

Nachrichten

Personalien / Veranstaltungen / Bücher Dessert / Impressum

Zu unserem Titelbild: Aufsichtsräte, auch die kommunaler Unternehmen, tagen hinter verschlossenen Türen. Was dort zum Thema Strategie gedacht und dis- kutiert werden sollte, damit befasst sich das Titelthema dieser Märzausgabe. Und auch damit, wer an diesen Debatten noch beteiligt werden muss, und welche Inhalte dem Bürger zugänglich gemacht werden müssen. Auch ohne Verletzung von Verschwiegenheitspflichten.

Titelthema

Aufmacherthema

(4)

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

eine der zentralen Überschriften, die über allen Ausgaben des Jahrganges 2011 von UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER stehen wird, lautet

„Kommunalwirtschaft 2025“. Dieses Thema hatte schon unsere Berichterstattung im Jahr 2010 geprägt. Ausführlich informierten wir unter anderem über die Veranstaltungen des „Verbundnetz für kommunale Energie“

(VfkE): dort wurde diskutiert, mit welchen Umständen die kommunalen Unternehmen im Jahr 2025 und darüber hinaus konfrontiert sein werden. Unter den vielen Szenarien, auf die sich Stadtwerke und Wohnungsgesellschaften, um an dieser Stelle nur zwei exemplarisch für den Gesamtbereich

der kommunalwirtschaftlichen Betätigung zu nennen, einstellen müssen, wurden folgende drei als die Wichtigsten identifiziert:

der demographische Wandel, die strukturelle Krise der Kommunalfinanzen sowie die energie- und klimapolitischen Rahmensetzungen. Für die Städte Pasewalk, Stendal, Schwedt, Hoyerswerda und Gotha haben Wissenschaftler der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH) die grundlegenden Befunde beispielhaft illustriert.

Diese Einzelfalluntersuchungen haben genauso wie die Studie „Kommunalwirtschaft 2025“, ebenfalls ein respektables Forschungsergebnis von Wissenschaftlern und Studenten der Eberswalder Hochschule, eines deutlich gemacht: Ohne umfassende

Anpassungsstrategien sind diese Herausforderungen nicht zu bewältigen.

Die Erarbeitung entsprechender Konzepte muss deshalb in der Arbeit der Gremien, in erster Linie sehen wir hier die Stadträte, die Kreistage und die Aufsichtsräte, einen deutlich höheren Stellenwert bekommen.

Wie dieser Prozess im engen Schulterschluss mit den Entscheidungsträgern in den kommunalen Unternehmen gestaltet werden muss, behandeln wir im Titelthema dieser Ausgabe. Dort berichten wir auch über einen Meinungs- und Erfahrungsaustausch, der am 7. März in Schwedt stattgefunden hat. Der Vorsitzende der VKU-Landesgruppe Berlin-Brandenburg, Helmut Preuße, und UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER, hatten dazu eine hochkarätige Runde von Kommunalpolitikern und Experten in die Stadtwerke Schwedt eingeladen.

Es ist geplant, derartige Strategie-Diskussion gemeinsam mit den VKU-Landesgruppen auch in weiteren Ländern zu führen.

Quo vadis? Die kommunalen Eigentümer sind in der Pflicht, das Ziel zu benennen und die Marschroute zu bestimmen Über die Ergebnisse werden wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, umfassend informieren.

Ihr Michael Schäfer

Diese prominent besetzte Runde aus Bürgermeistern, Geschäftsführern kommunaler Unternehmen und den Experten von Pricewaterhouse Coopers diskutierte am 7. März in Schwedt darüber, wie kommunale Unter- nehmen zusammen mit ihren Aufsichtsräten langfristige Strategien und Entwicklungsziele formulieren können

(5)

5

UNTERNEHMERIN KOMMUNE

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER • MÄRZ 2011 UNTERNEHMERIN KOMMUNE +

FORUM NEUE LÄNDER:

Was hat Sie bewogen, sich auf der Jahres- veranstaltung des „Verbundnetzes für kommunale Energie“ dem Dialog mit der kommunalen Familie zu stellen?

Christine Lieberknecht:

Das Thema Demographie hat für Thüringen wie für die neuen Länder überhaupt eine besonders große Bedeutung. Daher war es mir wichtig, die Heraus- forderungen und Perspektiven für den Freistaat einem breiten Fachpublikum ausführlich dar- legen zu können. Wir werden in den kommenden Jahren auf vielen Ebenen, darunter auch im Bereich der kommunalen Infrastruktur, Anpassungen vornehmen müssen.

Eine vordringliche Aufgabe ist es daher, die anstehenden und not- wendigen Änderungen offen und transparent der Öffentlichkeit zu vermitteln und über die besten Wege zu angemessenen Standards zu diskutieren.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Unter den Überschriften demographische Entwicklung, strukturelle Verschlechterung der kommunalen Finanzausstattung und Energie- und Klimapolitik kommen gewaltige

Herausforderungen auf die Kommunen zu.

Die dazu in Erfurt präsentierten Szenarien – vor allem die Studie „Kommunalwirtschaft 2025“ – sind ja keine Botschaften Marke

„eitel Sonnenschein“. Warum stellen Sie sich öffentlich diesen brisanten Themen, obwohl damit, jedenfalls auf den ersten Blick, keine Lorbeeren zu gewinnen sind?

Lieberknecht:

Thüringen und die übrigen neuen Länder, aber auch manche westdeutsche Region, haben einen einschneidenden demografischen Wandel zu bewältigen. Wir kommen nicht umhin, die unübersehbaren und unumkehrbaren Ent-

wicklungen zu akzeptieren. Nur dann können wir diese Prozesse auch gestalten und als Chance zum Wandel begreifen. Dazu braucht es Mut und Energie. Dafür werbe ich, unter anderem auf Ver- anstaltungen wie der von Ihnen angesprochenen.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Mit der Einbeziehung Hessens in die Jahresveranstaltung wurde auch signalisiert, dass die gerade skizzierten Herausforderungen nicht allein im Maßstab einzel- ner Bundesländer bewältigt werden können. Welche grund- legenden Überlegungen gibt es in Thüringen für eine grenz- überschreitende Zusammen- arbeit zum Thema Demographie und welche Erwartungen ver- binden Sie konkret mit der angedachten mitteldeutschen Demographie-Initiative?

Lieberknecht:

Die von mir skizzierten demo- graphischen Entwicklungen treffen zwar die neuen Länder früher und stärker, aber vom Bevölkerungsrück- gang und einer Verschiebung der Alterspyramide ist ganz Deutschland betroffen. Thüringen wird bei der Bewältigung dieser Entwicklungen eine Vorreiterrolle spielen. Dies macht jedoch nur Sinn, wenn die Strategien länderübergreifend angelegt sind und gemeinsam umgesetzt werden.

Kommunalwirtschaft

POSITIVES EcHO ZUR VFKE-JAHRESVERANSTALTUNG 2010

Thüringens Vorreiterrolle

in Sachen Demographie

Interview mit christine Lieberknecht, Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen

A

m 4. November fand im Erfurter Kaisersaal die Jahresveranstaltung 2010 des „Verbundnetz für kommunale Energie“ statt. Das Thema lautete: „Kommunalwirtschaft 2025 in Ostdeutschland. Vorausschau auf die relevanten Rahmenbedingungen mit den Schwerpunkten Demographie, Finanzausstattung, Energie/Klimaschutz. Erste Überlegungen für die Strukturierung des politischen Informations- und Entscheidungsprozesses zur notwendigen Optimierung der kommunalwirtschaftlichen Betätigung.“

Diese Tagung – es handelte sich um die nunmehr fünfte VfkE-Jahresveranstaltung und damit gab es zugleich das erste kleine Jubiläum – war unter mindestens drei Aspekten bemerkenswert. Erstens: Zum ersten Mal war mit Christine Lieberknecht die Landesregierung des Tagungsortes auf höchster Ebene vertreten. Zweitens: Ebenfalls erstmalig wurde in eine Veranstaltung des VfkE – ursprünglich als reines Diskussionsforum ostdeutscher Kommunalpolitiker konzipiert – ein westdeutsches Bundesland einbezogen. Hessen war mit Energieministerin Lucia Putrich namhaft vertreten. Drittens: Die fünfte VfkE-Jahresveranstaltung war nach Zahl und Rang der Teilnehmer die bisher größte und wichtigste seit dem Start im Jahre 2006.

Allein diese drei Fakten sind Berechtigung genug, mit einigem Abstand ein Fazit für diese fünfte VfkE-Jahresveranstaltung zu ziehen und zugleich zu fragen, wie die Diskussion zu den demografischen, fiskalischen und energiepolitischen Herausforderungen mit der kommunalen Familie weitergeht. Zu diesen Themen führten wir am 17. Februar in Erfurt ein Exklusivinterview mit der Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht.

Christine Lieberknecht ist seit 2009 Ministerpräsidentin des Freistaates Thüringen.

(6)

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Sie haben am 4. November in Erfurt in Ihrer Rede deutlich gemacht, dass die großen Herausforderungen nur im engen Schulter- schluss mit den Kommunen gemeistert werden können. Wie wollen Sie im Frei- staat Thüringen dieses Zusammenwirken organisieren?

Lieberknecht:

Bei der Erarbeitung des 2. Thüringer Demo- graphieberichtes, der als Blaupause für einen strategischen und nachhaltigen Umgang mit den anstehenden Veränderungen zu verstehen ist, werden alle politischen und gesellschaft- lichen Ebenen eingebunden. Eine besondere Aufgabe fällt hierbei den Kommunen zu.

Vor Ort in den Gemeinden und Städten werden unmittelbar und schon heute wert- volle Erfahrungen mit dem demografischen Wandel gemacht. Und hier ist auch das Know-how vorhanden, um die richtigen Wege einzuschlagen.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Sie sind diplomierte Theologin und wirkten von 1984 bis 1990 als Pastorin in einer Thüringer Kirchengemeinde. Wie prägt dieser Hintergrund Ihr Verständ- nis, das Sie als Politikerin von Kommune haben, und wie manifestiert sich dies in den Schwerpunkten, die Sie als Minister- präsidentin setzen?

Kommunalwirtschaft

UNSERE GESPRÄcHSPARTNERIN Christine Lieberknecht wurde am 7. Mai 1958 in Weimar geboren. Sie war das älteste von vier Kindern einer Pfarrers- familie im Dorf Leutenthal bei Weimar. Ab 1976 studierte sie Evangelische Theologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Nach dem zweiten theologischen Examen 1984 war sie bis zum Jahre 1990 als Pastorin für die nördlich von Weimar gelegenen Dörfer Ottmannshausen, Hottelstedt und Stedten am Ettersberg tätig.

Lieberknecht trat 1981 in die CDU der DDR ein. Als Pastorin im Kirchenkreis Weimar beteiligte sie sich an Veranstaltungen und Aktionen der Christlichen Friedenskonferenz (CFK).

1989 gehörte sie zu den Unterzeichnern des

„Briefes aus Weimar“, der von der Ost-CDU die Aufkündigung ihres Bündnisses mit der SED forderte. Im Spätherbst 1989 wurde sie in den Parteivorstand der CDU der DDR gewählt.

Ab dem Januar 1990 war Lieberknecht stellvertretende Landesvorsitzende des neu gegründeten CDU-Landesverbandes in Thüringen. Noch im selben Jahr wurde sie nach der ersten Landtagswahl zur Kultus- ministerin des Freistaats ernannt.

Seit dem 19. März 1991 und bis heute un- unterbrochen gehört Lieberknecht dem Thüringer Landtag an. 1992 wurde Lieber- knecht als Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten ins Kabinett Vogel berufen.

Während der Legislaturperiode zwischen 1994 und 1999 bekleidete sie in einer großen Koalition das Amt der Ministerin für Bundesangelegenheiten. Von 1999 bis 2004 war sie Präsidentin des Thüringer Landtags.

Von 2004 bis 2008 führte sie dort die CDU- Fraktion. Dieses Amt gab sie 2008 zugunsten einer Berufung ins Kabinett Althaus ab. Sie wurde als Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit vereidigt.

Nach der Landtagswahl 2009, dem Rück- tritt von Dieter Althaus und dem Verlust der absoluten Mehrheit nominierte sie die CDU- Thüringen zu ihrer Kandidatin für das Amt der Ministerpräsidentin.

Sie wurde am 30. Oktober 2009 vom Thüringer Landtag gewählt und führt seitdem eine große Koalition aus CDU und SPD. Seit Oktober 2009 ist sie gleichzeitig auch Vor- sitzende des CDU-Landesverbandes.

Christine Lieberknecht lebt mit ihrem Ehe- mann, dem Pfarrer Martin Lieberknecht, in Ramsla bei Weimar.

Das Paar hat zwei Kinder.

Demographische Entwicklungen treffen die neuen Länder zwar früher und

stärker, aber vom Bevölkerungsrückgang und

einer Verschiebung der Alterspyramide ist ganz Deutschland betroffen.

„ ______________________

Christine Lieberknecht

Wir befragten die Ministerpräsidentin in deren Büro in der Thüringer Staatskanzlei

(7)

7

UNTERNEHMERIN KOMMUNE

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER • MÄRZ 2011

Kommunalwirtschaft

Lieberknecht:

Die Nähe zu den Menschen ist die gemeinsame Klammer, die meine Arbeit als Pastorin in meiner Gemeinde nördlich von Weimar und die zweite Karriere als Politikerin umgibt. Damals und auch heute habe ich gelernt, dass nur über einen engen Kontakt zu den Menschen Probleme

identifiziert und letztlich angemessen gelöst werden können. Bei aller Offenheit gegenüber alternativen Lösungskonzepten prägen christlich fundamentierte Wertevorstellungen auch heute noch die Leitlinien meiner Arbeit. Zukunfts- projektionen für unser Land lassen sich nur angemessen entwickeln, wenn man sich seiner

langen Kulturgeschichte bewusst ist, gleichzeitig aber versucht, festgefahrene Strukturen aufzu- brechen und zu modernisieren. Vielleicht lässt es sich so formulieren: Man kann die Kirche im Dorf lassen und dennoch über ihren Kirchturm hinausblicken. n

Das Interview führte Falk Schäfer

Die Ministerpräsidentin zusammen mit Thüringens ehemaligem Innenminister Willibald Böck und Unternehmerin Kommune + Forum Neue Länder-Redakteur Falk Schäfer, links

Ausgehend vom noch immer vorherrschenden Paradigma des Wachstums sind die demographischen Entwicklungen in den Neuen Bundesländern wenig erfreulich. Der Freistaat Thüringen ist hier keine Ausnahme.

Aktuell weist das grüne Herz Deutschlands den höchsten Altersschnitt aller Bundesländer auf. Insbesondere die ländlichen Regionen abseits der Thüringer Städtekette klagen über einen immensen Bevölkerungsschwund.

Bei der anhaltenden Abwanderung sind es vor allem junge und hoch qualifizierte Menschen, die sich an anderen Orten bessere Perspektiven ausrechnen. Eine Trendumkehr wird es nicht geben. Im Gegensatz zu wirtschaftlichen Prognosen liegt die Irrtumswahrscheinlichkeit bei demographischen Vorhersagen im vernachlässigenswerten Bereich.

Politik ist aufgefordert, diese Entwicklungen zu akzeptieren, um sie aktiv gestalten zu können. Die kommunale Ebene, insbesondere in den Neuen Bundesländern, kann sich diesen Prozessen gar nicht verschließen. Sie ist damit seit zwei Jahrzehnten massiv konfrontiert. In allen Bereichen der Daseinsvorsorge, vom Rückbau von Wohnungen bis zu einer Dezentralisierung der Versorgungsnetze, bei Wasser/Abwasser, bei ÖPNV, Gesundheitsdiensten und anderen Sparten mussten intensive Anpassungen vorgenommen werden. Kommunale Politik agiert direkt vor Ort am Bürger und seinen Problemen. Die Auswirkungen politischer Weichenstellungen zeigen sich hier unmittelbar. Umso wichtiger ist es, dass die Kommunen bei der Vielzahl der Herausforderungen in Bezug auf kommunale Finanzausstattung, Anforderungen an den Klimaschutz und vor allem bei der Bewältigung des demographischen Wandels nicht allein gelassen werden.

Wenn nach herkömmlichem Verständnis als negativ angesehene Trends unumkehrbar sind und die daraus erwachsenden Folgen nicht innerhalb einer Legislaturperiode bewältigt werden können, verstärkt sich auf den weniger unmittelbaren Ebenen der Länder oder des Bundes der Impuls, sich anderen Dingen zuzuwenden. Im Freistaat Thüringen wird allerdings bewiesen, dass man diesem simplen Schema der Verdrängung nicht folgen muss. Die Thüringer Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht stellt sich aktiv dem Dialog mit den Kommunen. Ihr Beitrag zur Jahresveranstaltung des Verbundnetz für kommunale Energie (VfkE) im vergangenen November war ein deutlicher Ausweis dieser Haltung. Mit der mitteldeutschen Demographie-Initiative setzt sie im Schulterschluss mit den angrenzenden Bundesländern einen wichtigen Impuls zur aktiven Bewältigung des demographischen Wandels. In Erfurt hat man verstanden, dass nur gemeinsam mit den Kommunen und über Ländergrenzen hinweg, angemessene Lösungskonzepte erarbeitet werden können.

Falk Schäfer

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Titelthema

Strategiebildung in kommunalen

Aufsichtsräten und externes consulting

FUNKTIONALITÄTEN KOMMUNALWIRTScHAFTLIcHER GREMIEN

„Was demokratischer Legimitation

bedarf, gehört in den Stadtrat“

„Was demokratischer Legimitation bedarf, gehört in den Stadtrat“

M

it kommunalen Unternehmen sind viele Instanzen und Gremien befasst. Das ist nicht per se – wie immer wieder kolportiert wird – die „Garantie“ für Ineffizienz, unübersichtliche Entscheidungsstrukturen und viel zu lange Entscheidungsprozesse. Das Wechselspiel der Gremien verlangt klar definierte Funktionalitäten. Wer ist für die Strategie zuständig ist? Womit Stadträte oder Kreistage in jedem Fall befasst werden? Wie steht es mit der Vergütung von Aufsichtsratsmitgliedern kommunaler Unternehmen?

Diese und weitere Fragen beantwortete im Auftaktinterview unseres aktuelles Titelthemas Dr. Sven-Joachim Otto, Partner von PricewaterhouseCoopers, Düsseldorf. Und stellt klar: Effizienz und demokratische Legimitation passen durchaus auf die zwei Seiten einer Medaille.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Sie werden in Ihrer Beratertätigkeit häufig mit dem Thema „Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen“ konfrontiert. Wie lauten die häufigsten Stichworte, und welche falschen Klischees zur Existenz und Arbeit kommunaler Aufsichtsräte bedürften der Richtigstellung?

Dr. Otto:

Die häufigsten, meist aber falschen Klischees in Bezug auf kommunale Aufsichtsräte befassen sich mit der Qualifikation der von Kommunen

oder Kreisen entsandten Aufsichtsratsmitglieder.

Hier ist von politischer Cliquenwirtschaft, Ämterhäufung und damit verbundener persön- licher Bereicherung und Personalauswahl aus sachfremden Erwägungen, wie z.B. Belohnung eigener politischer Unterstützer, die Rede. Diese Kritiker berücksichtigen jedoch nicht, dass es der Wille des Gesetzgebers ist, eine Interessen- vertretung der jeweiligen Gemeinde oder des Kreises in deren Wirtschaftsunternehmen sicherzustellen. Die vom Volk gewählten Bürgermeister und Ratsmitglieder haben grund- sätzlich die größte Legitimation, diese Kontroll- funktion wahrzunehmen. Die politischen

Fraktionen bemühen sich sehr, die geeignetsten Vertreter in die jeweiligen Aufsichtsräte zu ent- senden. Im kommunalen Bereich sind allerdings die Aufsichtsratsvergütungen teilweise extrem niedrig. Weiterhin sind die individuellen Ver- gütungsansprüche eines Ratsmitglieds üblicher- weise nach oben gedeckelt, übersteigen sie einen bestimmten Jahresbetrag, müssen sie an die Ent- sendungskörperschaft abgeführt werden.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Sie erwähnen die niedrige Vergütung. Ist es unter diesen Umständen überhaupt möglich,

Titelthema

Titelthema – unter dieser Überschrift werden wir Sie ab sofort in jedem Heft zu komplexen kommunalwirtschaftlichen Themen informieren, die man im Maßstab eines einzelnen Beitrages nur ansatzweise beleuchten kann. Auch hier gilt, was manche besonders „eilige“ Zeitgenossen erst wieder lernen müssen: einige Sachverhalte passen auf die berühmt-(berüchtigte“) halbe Seite, aber eben nicht alle. Die Struktur, in der wir in diesem Märzheft das Thema „Strategiebildung in kommunalen Aufsichtsräten“ behandeln, wird Sie auch zukünftig begleiten: ein Auftaktinterview, in dem wir versuchen, möglichst alle Facetten auszuleuchten, ein Lexikon mit gut aufbereiteter Sachinformation zum Thema, die Umfrage unter Praktikern und last but not least die Gesprächsrunde mit kommunalen Entscheidungsträgern und Experten.

Titelthema – eine Novität im 15. Jahrgang. Auf Ihre Meinung sind wir gespannt.

(9)

9

UNTERNEHMERIN KOMMUNE

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER • MÄRZ 2011 hohe Qualitätsstandards durchzusetzen, und

was passiert, wenn neben den kommunalen Amts- und Mandatsträgern auch ausgewiesene Fachleute mit deutlich höheren Anforderungen an das Salär in die Gremien entsandt werden?

Dr. Otto:

In vielen Fällen wird die Vergütung für die Mitwirkung externer Experten durch Sonder- regelungen geregelt. Wirklich befriedigend ist das nicht. Es darf für kommunale Unter- nehmen, die im Wettbewerb stehen, keinerlei Benachteiligungen gegenüber der Privatwirt- schaft geben. Das muss auch für die Tätig- keit der Aufsichtsräte und deren Vergütung gelten. Die Wahrnehmung dieser Mandate ist mit einem hohen inhaltlichen Anspruch ver- bunden. Zugleich werden die Haftungsrisiken immer größer. Diese Standards gelten ohne Einschränkung für jedes Aufsichtsratsmitglied, unabhängig davon, ob er aus einer Stadtrats- fraktion entsandt wird, oder von einer Bank oder Anwaltskanzlei kommt. Deshalb darf es auch bei der Vergütung keine Unterschiede geben. Weder innerhalb des Gremiums, noch im Vergleich mit entsprechenden Gremien in der privaten Wirtschaft.

Sicht der Wahrnehmung des Mandats, das Eigen- tum der Bürger zu schützen und zu mehren?

Dr. Otto:

Der tatsächliche Gestaltungsspielraum von Kommunen ist gering. Kommunale Haushalte sind meist zu mehr als 90 Prozent durch Pflichtausgaben festgelegt. Handlungsmöglichkeiten ergeben sich für Gemeinden nur noch dann, wenn zusätzliche Einnahmen, wie z.B. Beteiligungserlöse finanzielle Spielräume schaffen. Durch die chronische Finanz- not der Kommunen werden immer mehr öffentliche Aufgaben in Privatunternehmen ausgegliedert, dies schafft eine ganze Reihe von Problemen. Der Haus- haltsplan der Gemeinde bietet keinen Gesamt- überblick mehr, die Kernverwaltung ist in die Aufgabenerfüllung unzureichend eingebunden.

Durch die zunehmende Verlagerung von Ent- scheidungen in Aufsichtsräte und Gesellschafter- versammlungen droht die Legitimationskette zum Bürger unterbrochen zu werden.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Wenn wir das richtig verstehen, plädieren Sie damit auch für mehr direkte Bürgermit- wirkung. Wie soll das passieren?

Titelthema

Dr. Sven-Joachim Otto

GDF Suez energie Deutschland AG · Friedrichstraße 200 · 10117 Berlin · Tel. +49 (0)30 726 153 500 · www.gdfsuez-energie.de GDF Suez energie Deutschland setzt auf langfristige Kooperationen mit kommunalen Partnern. Als Teil der GDF Suez- Gruppe zählen wir zu den führenden energieversorgern europas mit einer mehr als 100-jährigen Tradition in kommunal- industriellen Partnerschaften. Wir wissen aus erfahrung, dass die Kombination von globaler Ausrichtung und lokaler Kompetenz nicht nur die jeweiligen Standorte stärkt, sondern den Kunden unmittelbar zugute kommt. Wir freuen uns, zu den kundenorientiertesten Dienstleistern Deutschlands zu gehören.

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WIR SOLLTEN DAS ZUSAMMEN

ANGEHEN

Legimitationskette zum Bürger wird unterbrochen

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Woraus ergibt sich die besondere Bedeutung kommunaler Aufsichtsgremien, vor allem aus

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Dr. Otto:

Ich persönlich bin sehr für die Ausweitung direkter demokratischer Mitwirkung und zwar auf allen Ebenen, vom Bund – hier gibt es die größten Defizite – bis zu den Kommunen.

Bezogen auf die Tätigkeit der Aufsichtsräte hingegen, halte ich eine unmittelbare Bürger- mitwirkung nicht für praktikabel. Was ich mit meiner Wertung meinte, ist folgendes:

Ich plädiere für die strikte Wahrung des Prinzips, dass jede wirtschaftliche Betätigung einer Kommune demokratisch legitimiert sein muss. Dafür reicht es nicht aus, wenn sich nur die Aufsichtsräte und Gesellschafterver- sammlungen mit diesen Themen befassen.

Grundlegende strategische Fragen gehören in den Stadtrat oder Kreistag. Das sind die

Organe für die demokratische Legimitation, und dort werden auch die Interessen der Bürger unmittelbar vertreten. Die Politik sollte allerdings die jenseits der grundlegenden strategischen Fragen liegenden Entscheidungen den hierfür bestellten – und damit auch demokratisch legitimierten – Unternehmens- leitungen überlassen. Dies gilt schon allein aus Haftungsgründen, da die Geschäftsführungs- mit der Überwachungstätigkeit nicht vermischt werden darf.

Den aktuellen Vorschlag, im Gesellschafts- recht für öffentliche Unternehmen öffentliche Aufsichtsratssitzungen zu ermöglichen, halte ich schlichtweg für Unsinn. Der Aufsichtsrat hat seine spezifische Funktion und die ist mit der Verschwiegenheitspflicht der Mitglieder untrennbar verbunden. Die Wettbewerber reiben sich doch schon jetzt die Hände. Für sie ist es eine verlockende Aussicht, Geschäfts- geheimnisse ihrer kommunalen Wettbewerber demnächst aus der Zeitung zu erfahren.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang das Wechselspiel von Stadträten bzw. Kreistagen, der Gesellschafterversammlung und dem Aufsichtsrat?

Dr. Otto:

In der heutigen kommunalen Praxis gibt es oftmals nur ein rudimentäres Beteiligungs-

management. Verwaltung und Rat der Stadt üben keine aktive Steuerung der städtischen Beteiligungen aus. Das Beteiligungscontrolling beschränkt sich auf das Abbilden von Kenn- zahlen. Der Rat wird üblicherweise nur einmal jährlich in die Erstellung des Beteiligungsberichts eingebunden. Oftmals fehlt bei den betreffenden Kommunen die Erkenntnis über die Notwendig- keit einer aktiven Steuerung. In der Verwaltung fehlen die personellen Ressourcen und teilweise auch die fachliche Qualifikation zur Steuerung.

Nach meinem Verständnis gehören Fragen des laufenden Geschäfts, auch Vorüberlegungen zu strategischen Fragen sowie all die Dinge, die nicht auf den „offenen Markt“ gehören. Stadt- räte und Kreistage müssen die grundsätzlichen strategischen Entscheidungen treffen. Alles, was einer demokratischen Legitimierung bedarf, muss dort entschieden werden: Der Verkauf oder auch der Rückkauf von Anteilen, inter- kommunale Kooperationen, um nur zwei Bei- spiele zu nennen.

Die Gesellschafterversammlung sollte sich ausschließlich mit den Themen befassen, zu deren Behandlung sie gesetzlich verpflichtet ist, das ist beispielsweise die Feststellung des Jahresabschlusses.

Kommune muss Strategiethemen einbringen

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Die Liste der Aufgaben, die Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen zu erfüllen haben, ist lang. An welcher Stelle würden Sie das Thema Strategiebildung einordnen?

Dr. Otto:

Ich würde die Strategieentwicklung an erster Stelle nennen, sie ist m.E. Teil der Über- wachungsaufgabe des Aufsichtsrats. Dieses Gremium sollte Sparringspartner der Geschäfts- führung bzw. des Vorstands sein und mit ihm gemeinsam die Strategie des Unternehmens ent- wickeln. Weitere Kernaufgaben des Aufsichtsrats sind die Prüfung/Beratung des Jahresabschlusses und die Bestellung sowie die Abberufung der Geschäftsleitung.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Diese Platzierung ist das Ergebnis Ihrer Ana- lyse aus objektiver und wissenschaftlicher Sicht. Hat das Thema Strategie diesen Stellen- wert auch in der Praxis?

Dr. Otto:

Diese Frage kann man sicherlich nicht allgemein- verbindlich beantworten. Es kommt hier sehr stark

auf die Geschäftsführung des jeweiligen Unter- nehmens an. Manche Geschäftsführer legen großen Wert auf die Einbeziehung des Aufsichtsrates in die strategische Planung des Unternehmens, andere wiederum nicht. Für die jeweilige Kommune ist es jedoch wichtig, die übergeordneten Grundsätze des Beteiligungsmanagements in die Strategie- beratungen jedes einzelnen Aufsichtsrats der Beteiligungsgesellschaften einzubringen.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Was sind die Gründe für diese Diskrepanz zwischen theoretischem Erfordernis und der Realität?

Dr. Otto:

Wie ich bereits ausgeführt habe, sehe ich die wesentlichen Gründe in dem Fehlen einer aktiven Steuerung durch die kommunale Verwaltung, ihr fehlen die personellen Ressourcen und oftmals auch die fachliche Qualifikation zur Steuerung.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Selbst, wenn die Kommune wollte, ist sie schon wegen des eingeschränkten Stellen- tableaus objektiv nicht in der Lage, das von Ihnen genannte Defizit auszugleichen. Das ist eigentlich inakzeptabel, geht es doch um das Eigentum der Bürger. Wo sehen Sie eine Lösung dieses kardinalen Problems?

Dr. Otto:

Die Hauptrolle bei der Steuerung kommunaler Unternehmen sollten strategische Management- holdings spielen, die natürlich zu 100 Prozent in kommunalem Eigentum sein müssen. In solchen Strukturen ist es auch möglich, die Führungs- kräfte und Mitarbeiter angemessen zu vergüten. In jedem Fall muss gewährleistet sein, dass die Stadt auf diese personellen Ressourcen Zugriff hat.

Die Managementholdings – das ist viel mehr als der institutionelle Rahmen für den steuer- lichen Querverbund – sollten nach Möglichkeit alle kommunalen Unternehmen steuern und damit die Vision eines integrierten kommunal- wirtschaftlichen Stadtkonzerns umsetzen.

Ratsmitglieder mehrfach mit Strategiethema befasst UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Wie muss man es anstellen, um das Thema Strategie in das Zentrum der Tätigkeit kommunaler Aufsichtsräte zu rücken und wie muss die strategische Diskussion in den Aufsichtsgremien konkret organisiert werden?

Titelthema

Öffentliche

Aufsichtsratssitzungen halte ich für Unsinn.

„ ______________________

Dr. Sven-Joachim Otto

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11

UNTERNEHMERIN KOMMUNE

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER • MÄRZ 2011

Titelthema

Dr. Otto:

Eine verstärkte Einbeziehung des Themas Strategie in die Arbeit der kommunalen Aufsichtsräte erreicht man am besten durch eine Mandatsträgerbetreuung im Rahmen des kommunalen Beteiligungs- managements. Kommunale Aufsichtsratsmitglieder haben einen hohen Beratungsbedarf. Sie benötigen fachliche Unterstützung, Schulungs- und Fort- bildungsangebote, Kommunikationsstrategien und Informationen zu Compliance. Die Deckung dieses Informationsbedarfs ist ein wichtiger Ansatzpunkt für Einführung von Strategieüber- legungen in die tägliche Aufsichtsratsarbeit.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Strategiebildung ist mindestens unter zwei Aspekten hoch komplex: zum einen mit Blick auf die Struktur der Diskussion, zum anderen mit Blick auf den Gegenstand. Verweilen wir zunächst bei der Struktur. Teilnehmer an der Debatte sind ja mindestens die gewählten Mandatsträger in den Stadträten bzw. Kreistagen, die Mitglieder der Aufsichtsräte, die gewählten Amtsträger – Oberbürgermeister, Bürgermeister, Landräte, Dezernenten – die zuständigen Verwaltungs- mitarbeiter, das Management der kommunalen Unternehmen und ggfls. auch externe Berater.

Wie muss das Zusammenspiel dieser vielen und sehr unterschiedlichen Protagonisten gerade unter Effizienzaspekten organisiert werden, welchen Platz hat hier der Aufsichtsrat und gibt es auch eine Rang- und Reihenfolge, in der die verschiedenen Diskussionsteilnehmer ein- bezogen werden sollten?

Dr. Otto:

Entscheidend für den Erfolg bei der Strategie- bildung ist meines Erachtens die Einbindung und Mitnahme aller Beteiligten im Rahmen eines unternehmensübergreifenden Gesamt- konzeptes. Grundlegende Analysen des Status Quo werden von den Geschäftsführungen der kommunalen Beteiligungsunternehmen und der kommunalen Verwaltung bereitgestellt.

Der Rat der Kommune und seine Ausschüsse erstellen das Gesamtkonzept, in die Diskussion werden die Geschäftsleitungen der kommunalen Beteiligungsunternehmen beratend ein- bezogen. Das Gesamtkonzept wird dann vom Beteiligungscontrolling in alle Aufsichtsräte eingebracht. Die Ratsmitglieder werden mit der Strategiebildung damit sowohl auf der über- geordneten Ebene des Rates der Kommune als auch in ihrer Funktion als Aufsichtsräte befasst.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Die Komplexität kommunalwirtschaftlicher Betätigung – das hatten wir in der voran-

gegangen Frage bereits als These formuliert – betrifft auch deren Gegenstände. Das gilt schon für ein Mehrspartenstadtwerk, erst recht, wenn man den gesamten Kanon im Blick hat – von Energie über Wohnungs- wirtschaft, Entsorgung, Wasser/Abwasser, ÖPNV oder die Krankenhäuser. Für die Beschreibung dieser Komplexität setzt sich mehr und mehr der Begriff „Konzern Stadt“

durch.

Aufsichtsräte wiederum existieren immer nur für ein Unternehmen und haben naturgemäß zunächst nur dessen Tätigkeit im Blick.

Ausschließlich dafür, also singulär, Strategien zu entwickeln, trägt der gerade beschriebenen Komplexität nicht ausreichend Rechnung. Es geht auch um unternehmensübergreifende Szenarien, beispielsweise für das Zusammen- wirken von Stadtwerken und Wohnungs- unternehmen beim Stadtumbau. Auf welchen Wegen kommt man zu diesen Erkenntnissen und wie wird gewährleistet, dass in den einzelnen Aufsichtsräten die Strategiedebatte unter Beachtung dieser zentralen Prämissen erfolgt?

Dr. Otto:

Zur effektiven Führung des in Ihrer Frage angesprochenen „Konzern Stadt“ bedarf es eines strategischen Beteiligungs-Controlling als pro- aktives Steuerungsinstrument. Dessen Aufgabe muss es sein, politische und betriebswirtschaft- liche Zielvorgaben umzusetzen, Ressourcen verfügbar zu machen, Chancen und Risiken zu erkennen und eine ganzheitliche Steuerung zu erreichen. Ziel muss es sein, Synergien zwischen der Kommune und ihren Beteiligungen effektiver zu nutzen. Zu denken ist hier an Instrumente wie Cash-Pooling, Konzentration von Aufgaben, Einspareffekte, Steuerliche Aspekte, wie zum Beispiel den Querverbund.

Unterstützung bei Etablierung effizienter Strukturen

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

In welcher Weise können externe Berater bei der Strategiebildung mitwirken und wie können sie vor allem dem Erfordernis nach Komplexität zur Geltung verhelfen?

Dr. Otto:

Beratungsunternehmen, wie zum Beispiel PwC stehen den Kommunen beim Aufbau eines wirksamen strategischen Beteiligungs- Controllings zur Seite. Besonders hilfreich ist an dieser Stelle der interdisziplinäre Beratungsansatz durch Wirtschaftsprüfer, Juristen und Unternehmensberater. Bei der

Organisation des Beteiligungscontrollings gibt es verschiedenste Modelle, diese reichen von einer verwaltungsinternen Lösung über eine kommunale Inhouse Consulting- gesellschaft bis hin zu einer kommunalen Management Holding.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Die Qualität der strategischen Diskussionen hängt maßgeblich von der Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder ab. Wie kann im Rahmen von Schulungen deren Befähigung zur qualifizierten Mitwirkung an Strategiedis- kussionen verbessert werden und wird dieser Aspekt in der Schulungspraxis – verantwortlich dafür zeichnen im Regelfall Beratungsunter- nehmen – schon ausreichend berücksichtigt?

Dr. Otto:

PwC verfügt über eine langjährige Erfahrung und über umfangreiche Referenzen bei der Aufsichts- ratsschulung. Vermittelt werden betriebswirtschaft- liche Grundlagen der Bilanzierung, Rechtsfragen, wie z.B. Compliance und Gesellschaftsrecht, aber auch technische Verfahren der Unternehmens- führung. Strategiefragen wären eine sinnvolle Ergänzung des Lernstoffes. n

Das Interview führte Michael Schäfer sven-joachim.otto@pwc.de.com UNSER GESPRÄcHSPARTNER Dr. Sven-Joachim Otto wurde 1969 in Mannheim geboren. Sein Studium der Betriebswirtschaftslehre in Mannheim und Berkeley schloss er 1995 als Diplom-Kauf- mann ab, das der Verwaltungswissen- schaften an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer als Magister.

1998 promovierte er zum Dr. jur. zum Thema

„Betriebliche Arbeitnehmervertretung im Spannungsfeld zwischen Betriebsrat und Gewerkschaft“. Im Jahr 2000 beendete er sein Referendariat am Landgericht Mann- heim und war danach bis 2001 bei einer internationalen Rechtsanwaltsgesellschaft tätig. Anschließend war er bis 2006 Richter am Sozialgericht Heilbronn. Seit 2006 ist Dr. Otto bei PricewaterhouseCoopers Legal in Düsseldorf tätig, seit 2007 als Partner. Im selben Jahr erhielt er auch seine Zulassung als Rechtsanwalt.

Dr. Sven-Joachim Otto ist verheiratet und hat drei Kinder.

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Titelthema

Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen

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Gesetzliche Grundlagen

Rechte und Pflichten

Aufsichtsrat ohne Aktienrecht

Weiterbildung und Schulungsangebote

Tätigkeitsschwerpunkte Es gibt zwei Arten von Aufsichtsräten:

Die bereits aufgrund eines Gesetzes (z. B. § 6 MitbestG, § 1 DrittelbG) gebildet werden müssen (sog. obligatorische Aufsichtsräte) und die, die freiwillig (sog. fakultative Aufsichtsräte) aufgrund einer Regelung im Ge- sellschaftsvertrag gebildet werden können (§ 52 Abs. 1 GmbHG). Die Unterscheidung ist für die Anwendbarkeit bestimmter aktienrechtlicher Vorschriften (§§ 95 ff AktG) wichtig. Die §§ 95ff AktG finden auf die (kommunalen) Aufsichtsräte entweder direkt (bei AG´s) oder über Verweis- vorschriften (§ 6 MitbestG; § 1 DrittelbG; § 52 Abs. 1 GmbHG) Anwendung.

Das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG gebietet, dass bei einer Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch kommunale Unternehmen in Privatrechtsform eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen des jeweiligen Unternehmens gegeben ist. Daher sind die Kommunen verpflichtet, Ge- staltungsrechte des Gesellschaftsrechts soweit auszunutzen, dass die Interessen und Ziele der Selbstverwaltung und das Demokratieprinzip soweit wie möglich verwirklicht werden.

Dem tragen die kommunalrechtlichen Vorschriften der Bundesländer Rechnung, indem sie den Gemeinden die Beteiligung an einem Unter- Der Aufsichtsrat einer Kapitalgesellschaft überwacht und kontrolliert die Geschäftsführung.

Kommunale Aufsichtsräte befinden sich im Spannungsfeld zwischen dem Kommunal- und dem Gesellschaftsrecht. Einerseits repräsentieren die Auf- sichtsratsmitglieder den öffentlich-rechtlichen Gesellschafter und anderer- seits sind sie ausschließlich dem Unternehmensinteresse verpflichtet.

Aufsichtsratsmitglieder sind in ihrer Tätigkeit grundsätzlich weisungsun- abhängig. Bei kommunalen Unternehmen mit einem fakultativen Auf- sichtsrat nach § 52 Abs. 1 GmbHG kann im Gesellschaftsvertrag geregelt werden, dass Aufsichtsratsmitglieder insoweit Weisungen unterworfen werden können, als sie die Interessen der Gemeinde im Unternehmen durchsetzen müssen.

Der Gesellschaftsvertrag kann einen fakultativen Aufsichtsrat von dessen Verschwiegenheitsverpflichtung gegenüber kommunalen Gremien, nicht aber gegenüber Dritten befreien. Hier ergeben sich Berührungspunkte zwischen dem kommunalrechtlichen Öffentlichkeitsprinzip und der gesetz- lich angeordneten Verschwiegenheitsverpflichtung des Aufsichtsrates.

Unter bestimmten Voraussetzungen stellt die Kommune die kommunalen Aufsichtsräte von der Haftung frei.

Sowohl für die im Aufsichtsrat vertretene Kommune als auch für den Mandats- träger selbst ist es von einer essentiellen Bedeutung sämtliche Rechte, aber auch Pflichten zu kennen. Auch die Landesgesetzgeber erkennen das Be- dürfnis und legen Fortbildungspflichten fest (z.B. § 98 BbgKVerf). Nur darauf zu verweisen, dass Haftungsrisiken bei Fehlentscheidungen drohen, griffe zu kurz. Natürlich ist festzustellen, dass die Rechtsprechung die Grenzen für eine Schadenshaftung aus der Aufsichtsratstätigkeit ständig erweitert, aber in erster Linie sollte man die regelmäßigen Fortbildungen und Schulungen als Chance zur Verbesserung der Gremienarbeit sehen. In der Praxis hat sich unmittelbar nach der (Neu-)Bestellung des Aufsichtsrats und nach dem Ablauf von zwei Jahren eine Schulung über Rechte und Pflichten der kommunalen Aufsichtsräte bewährt. In der Zwischenzeit bieten sich insbesondere Schulungen zu aktuellen rechtlichen und steuerlichen Entwicklungen, die das Unternehmen betreffen, an. Deren Einfluss auf das Unternehmen muss das Aufsichtsratsmitglied ein- schätzen können, um eine gewissenhafte Aufgabenstellung sicherstellen zu können und um Haftungsrisiken zu vermeiden. Die Wahrnehmung externer Schulungsangebote ist dann zu empfehlen, wenn es darauf ankommt, einen neutralen und vertieften Einblick in die Rechtsentwicklungen zu erhalten.

Die wesentlichen Schwerpunkte der Tätigkeit als Aufsichtsrat in einem kommunalen Unternehmen sind:

• Wahrung der demokratischen Legitimationskette zwischen Gemeinde und Unternehmen,

• Verwirklichung der Ziele und Durchsetzung der Interessen der Kommune im Unternehmen, soweit sie mit dem Unternehmensinteresse übereinstimmen,

• Überwachung der Geschäftsführer bei deren laufender Tätigkeit (z.B.

durch Zustimmungsvorbehalte, Information der Gemeinde als Ge- sellschafterin und Wahrnehmung eigener Informationsrechte),

• Prüfung des Jahresabschlusses und Entgegennahme des Berichtes der Geschäftsführer (Informationsweitergabe an die Kommune, Wahrung von Publizität und Transparenz),

• Bestandssicherung des Unternehmens.

nehmen in privater Rechtsform nur erlauben, wenn die Gemeinde durch den Aufsichtsrat oder einem entsprechenden Überwachungsorgan an- gemessen auf das Unternehmen Einfluss nehmen kann. Daraus ergibt sich bei der Betätigung in Rechtsform der GmbH die Pflicht einen Auf- sichtsrat einzurichten. Angemessen ist der Einfluss der Gemeinde in der Regel dann, wenn sich der Anteil der Vertreter der Gemeinde im Auf- sichtsrat an der Quote ihrer Beteiligung orientiert.

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UNTERNEHMERIN KOMMUNE

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER • MÄRZ 2011

Titelthema

Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen

Gemeindeordnungen der Länder zum Titelthema

Qualifizierung Literaturhinweise

Aufgabenverteilung Kommunalvertretung/

Aufsichtsrat/Gesellschaftergremium

Die Kommunalvertretung ist in der Lage, über Weisungen an den Ge- sellschaftsvertreter in der Gesellschafterversammlung unmittelbaren Ein- fluss zu nehmen. Dabei können die Weisungen stark politisch motiviert sein. Auch die Strategiebildung ist zunächst Teil der Gesellschafter- stellung. Die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats beinhaltet nicht nur die rückschauende, sondern vielmehr auch die vorausschauende Kontrolle und Beratung der Geschäftsführung.

Der Aufsichtsrat muss prüfen, ob die Zielvorgaben des Gesellschafters umgesetzt werden und ob sie im Einklang mit dem Unternehmens- interesse stehen. Durch die Wahrnehmung der Beratungsfunktion erhält der Aufsichtsrat die Möglichkeit, eigene Vorstellungen zur Ver- wirklichung des Gesellschafterziels einzubringen. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die Gesellschafterversammlung als oberstes Organ auch Entscheidungen des Aufsichtsrats übergehen kann. Da der Gemeinderat nicht die Gesellschafterversammlung ersetzen darf, ist bei der Ausgestaltung der Rechte des Aufsichtsrates auf hinreichende Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftspolitik des Unternehmens zu achten.

Die Kommune kann dazu dem bei der GmbH fakultativen Aufsichtsrat nahezu alle Kompetenzen der Gesellschafterversammlung mit Aus- nahme der Grundlagengeschäfte (z.B. Satzungsänderungen) über- tragen. Dadurch wird der Aufsichtsrat zum einflussreichsten Organ der GmbH. Er sichert so der Gemeinde die notwendigen Möglichkeiten der Einflussnahme auf das kommunale Unternehmen und dessen Kontrolle.

Aufsichtsratsmitglieder müssen die von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen erfüllen. Dazu gehören Kenntnisse, um persönlich und eigenverantwortlich das Amt als Aufsichtsratsmitglied ausüben zu können, insbesondere:

• die Kenntnisse der gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgaben des Aufsichtsrates

• die Kenntnisse der Rechte und Pflichten als Aufsichtsratsmitglied

• die Kenntnisse, um die dem Aufsichtsrat vorgelegten Berichte ver- stehen, bewerten und daraus Schlussfolgerungen ziehen zu können

• die Kenntnisse für die Prüfung des Jahresabschlusses mit Hilfe des Abschlussprüfers• die Kenntnisse zur Beurteilung der Ordnungs- mäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Entscheidungen der Geschäftsführung

Wurzel/Schraml/Becker - Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen / Handbuch, 2. Auflage, München 2010

Hoppe/Uechtritz - Handbuch kommunale Unternehmen, Köln 2004 Zieglmeier, Kommunale Aufsichtsratsmitglieder in LKV 2005, S. 338

PricewaterhouseCoopers Legal AG Rechtsanwalt Daniel Wintzer Tel.: +49 341 9856-309 Fax: +49 341 9856-390 daniel.wintzer@de.pwc.com Bundesland Regelung zur Vertretung der

Gemeinden in Unternehmen in Privatrechtsform

Baden - Württemberg §§ 103ff. GemO Baden - Württemberg Bayern Art. 92ff. GemO für den Freistaat Bayern

Berlin §§ 65ff. LHO Berlin

Brandenburg §§ 96ff. BbgKVerf

Bremen §§ 65ff. LHO Bremen

Hamburg §§ 65ff. LHO Hamburg

Hessen §§ 122ff. HGO

Mecklenburg - Vorpommern §§ 69ff. KVerf M-V

Niedersachsen §§ 137ff. NKomVG

Nordrhein - Westfalen §§ 108ff. GemO Nordrhein-Westfalen Rheinland - Pfalz §§ 87ff. GemO Rheinland Pfalz

Saarland §§ 110ff. KSVG

Sachsen § 96ff. Sächs GemO

Sachsen - Anhalt §§ 117ff. GemO Sachsen Anhalt Schleswig Holstein §§ 102ff. GemO für Schleswig-Holstein

Thüringen §§ 73ff. ThürKO

(1) Für die Erarbeitung dieses Beitrags bedanken wir uns bei Rechts- anwalt Daniel Wintzer, PricewaterhouseCoopers Legal AG, Leipzig

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Besondere Risiken im kommunalen Umfeld

Gerade in Unternehmen mit kommunaler Beteiligung wird vielfach die Tätigkeit im Auf- sichtsrat als in erster Linie prestigeträchtiges und einflussreiches Amt angesehen. Dabei wird übersehen, dass mit der Übernahme eines Auf- sichtsratsmandats auch in öffentlichen Unter- nehmen erhebliche Verpflichtungen verbunden sind und sich eine persönliche Haftung – oder gar Strafbarkeit – schneller auch für „nicht-so- genau-hinschauen“ – ergeben kann, als den meisten bewusst und lieb sein dürfte.

Dazu kommt, dass sich die kommunalen Ver- treter in öffentlichen Unternehmen regelmäßig in einem Spannungsfeld befinden, das sich aus unterschiedlichen Wertungen des Gesellschafts- und des Kommunalrechts ergibt. So sehen die Kommunalgesetze etwa häufig umfangreiche Auskunftspflichten der kommunalen Vertreter vor, die letztlich Ausdruck des Bedürfnisses nach kommunaler Kontrolle sind. Dies widerspricht jedoch den gesellschaftsrechtlich verankerten Verschwiegenheitspflichten, die zum Schutze der Gesellschaft geschaffen wurden. Auch strafrechtlich kann sich bei einer Tätigkeit in einem öffentlichen Unternehmen ggf. eine Ver- schärfung ergeben.

Sorgfaltspflichten als Ausgangspunkt der Haftung Dreh- und Angelpunkt jeder Haftung – und Anknüpfungspunkt auch für die einschlägigen Straftatbestände – ist die Pflichtverletzung. Die Pflicht eines Aufsichtsrats ist in § 111 Abs. 1 AktG so kurz wie treffend formuliert: „Der Aufsichts- rat hat die Geschäftsführung zu überwachen.“

Dabei wird zunächst eigentlich nur deutlich, was nicht Aufgabe des Aufsichtsrats ist, nämlich die Geschäftsführung selbst. Aus der Vorschrift

weniger deutlich wird der konkrete Umfang an Pflichten, die sich aus dieser – vordergründig so simplen – Aufgabe ergeben.

Für die Sorgfaltspflicht des Aufsichtsrats- mitglieds gilt grundsätzlich gemäß §  116 in Verbindung mit § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG der- selbe Maßstab wie für den Vorstand der Gesell- schaft, nämlich der „eines ordentlichen und gewissenhaften“ Aufsichtsratsmitglieds. Dieser Mindeststandard gilt grundsätzlich für alle Auf- sichtsratsmitglieder, das heisst auch für diejenigen, die von einer Kommune entsandt werden; das führt dazu, dass sie ggf. verpflichtet sind, sich diejenigen Kenntnisse und Fähigkeiten anzu- eignen, die zum Verständnis und zur Beurteilung des üblichen Geschäftsbetriebs erforderlich sind.

Verfügt ein Aufsichtsratsmitglied über besondere Kenntnisse und Fähigkeiten, kann sich daraus im Einzelfall ein höherer Sorgfaltsmaßstab ergeben.

Eine abstrakte, von der Person losgelöste Beurteilung der anzulegenden Sorgfalt ist mit- hin nur in eindeutig gelagerten Ausnahmefällen möglich. Jedes Aufsichtsratsmitglied muss sich an den eigenen Fähigkeiten orientieren und darf nicht schlicht die Augen verschließen. Es ist ver- pflichtet, sich ein eigenes Bild von der Gesell- schaft und ihrer Tätigkeit zu machen. Hat ein Mitglied Bedenken, muss es diese äußern und zu Protokoll nehmen lassen. Nur dann kommt im Einzelfall eine Entlastung aus der grundsätz- lichen Gesamtverantwortlichkeit des Aufsichts- rats in Betracht.

Verstößt ein Aufsichtsratsmitglied gegen seine Pflichten und entsteht der Gesellschaft daraus ein Schaden, so haftet das Mitglied für diesen Schaden. Die Kommunalordnungen sehen in der Regel vor, dass die Aufsichtsrats- mitglieder, die von den Kommunen entsandt werden, von Forderungen freigestellt werden, es sei denn, diese sind auf vorsätzliches Ver- halten zurück zu führen. In diesem Fall sind zwar die individuellen Mitglieder entlastet, die

Kommunen tragen damit jedoch einen erheb- lichen Teil des Risikos, oftmals ohne sich dessen bewusst zu sein.

Auswahl und Qualifikation ist entscheidend

Insofern sollte bei der Auswahl der kommunalen Mitglieder von Aufsichtsgremien – sowohl im Interesse des potentiellen Aufsichtsrats- mitglieds als auch der Kommune – dringend darauf geachtet werden, dass diese auch über die Fähigkeiten verfügen, ihr Amt ordnungsgemäß auszuüben. Dies setzt vor allem auch ein betriebs- wirtschaftliches Grundverständnis voraus.

Werden diese Grundsätze beachtet, ist das Risiko einer Aufsichtsratstätigkeit handhabbar und kann zum Nutzen der Kommune als Gesellschafter ausgeübt werden. Soweit aber die Besetzung nur unter sachfremden Gesichtspunkten stattfindet, besteht akute Gefahr, sowohl für die Gesellschaft als auch für das Aufsichtsratsmitglied. n

FPS Rechtsanwälte & Notare Kurfürstendamm 220, 10719 Berlin 030/885927710

jungnickel@fps-law.de www.fps-law.de Titelthema

DER AUFSIcHTSRAT IM ÖFFENTLIcHEN UNTERNEHMEN:

Prestigeträchtiges Amt

oder Haftungsfalle?

Von Rechtsanwalt Sebastian Jungnickel und Rechtsanwalt Fabian Schmitz-Grethlein

I

mmer wieder standen in den vergangenen Monaten und Jahren Aufseher und Manager von Unternehmen in der Kritik und teilweise auch vor Gericht. Insbesondere die spektakulären Fälle, wie Vodafone oder Siemens, in denen es um Vergütungszahlungen an Vorstände bzw. schwarze Kassen zur Bestechung ging, werfen ein Schlaglicht auf die straf- und haftungsrechtlichen Risiken, denen auch ganz persönlich Aufsichtsräte landauf und landab tagtäglich ausgesetzt sind. Entscheidend ist die Frage, ob die Aufsichtsräte tatsächlich ihrer Überwachungsaufgabe nachgekommen sind. Öfters zeigen Überprüfungen, dass dies nicht der Fall ist, so dass sich persönliche Konsequenzen für die Aufsichtsräte anschließen können. Ein einfaches „davon habe ich nichts mitbekommen“ reicht nicht als Entschuldigung, um empfindliche Schadensersatzansprüche abzuwehren. Unsere Autoren untersuchen diesen Sachverhalt speziell für kommunale Unternehmen.

UNSERE AUTOREN

Rechtsanwalt Sebastian Jungnickel ist Partner der Kanzlei FPS Rechtsanwälte

& Notare in Berlin, Fabian Schmitz- Grethlein ist dort als Rechtsanwalt tätig.

Beide haben ihren Tätigkeitsschwerpunkt im Öffentlichen Wirtschaftsrecht und be- raten kommunale Unternehmen in allen rechtlichen Belangen. Zugleich führen sie Schulungen für Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen durch.

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UNTERNEHMERIN KOMMUNE

UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER • MÄRZ 2011

HALBERSTADTWERKE Wehrstedter Straße 48, 38820 Halberstadt,

Telefon: 03941 579 100

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UNTERNEHMERIN KOMMUNE + FORUM NEUE LÄNDER:

Was sind für Sie – in der Reihenfolge ihrer Bedeutung – die drei wichtigsten Auf- gaben des Aufsichtsrates eines kommunalen Unternehmens?

Arens:

Es ist in erster Linie die Aufgabe des Aufsichts- rats die Geschäftsleitung zu überwachen.

Zu unterscheiden ist zwischen rück- schauender und in die Zukunft gerichteter Kontrolle. So wichtig und zeitaufwändig es für den Aufsichtsrat ist, die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit von abgeschlossenen

Geschäftsführungsmaßnahmen zu prüfen, so sollten doch auch laufende oder geplante Maßnahmen, wenn sie mit erhöhten Risiken und strategischen Ausrichtungen verbunden sind, durch den Aufsichtsrat beraten und mit entschieden werden.

Weiterhin muss der Aufsichtsrat als Binde- glied zum Gemeinderat dienen. Damit der Aufsichtsrat diese Mittlerfunktion tat- sächlich wahrnehmen kann, sollten die Gruppierungen des Gemeinderats dort mög-

lichst entsprechend ihrer Stärke vertreten sein. Selbstverständlich dürfen dabei keine Abstriche hinsichtlich der Qualifikation gemacht werden, denn als Mitglied sollen – so die sächsische Gemeindeordnung – nur Personen bestellt werden, die über die „für die Aufgabe erforderliche betriebswirtschaftliche Erfahrung und Sachkunde verfügen“.

Dr. Slawig:

Überwachung der Geschäftsführung – das ist für mich die wichtigste Aufgabe des Auf- sichtsrates eines kommunalen Unternehmens.

Diese Aufgabe bezieht sich ausdrücklich nicht auf das operative Geschäft, sondern auf grundsätzliche und strategische Themen, die über das Tagesgeschäft hinausgehen.

Besondere Bedeutung hat für mich dabei der Aufbau eines internen Informations- und Controllingsystem, mit dem der Aufsichtsrat die Einhaltung der beschlossenen Ziele über- prüfen kann.

An Nummer zwei steht Beratung und Förderung. Durch kritische Beratung und Begleitung soll der Aufsichtsrat gemeinsam mit der Geschäftsführung Perspektiven ent- wickeln, damit sich das Unternehmen lang- fristig und nachhaltig am Markt behaupten und weiter wachsen kann.

Überprüfung der eigenen Tätigkeit – unter dieser Überschrift sollte der Aufsichtsrat regelmäßig die Effizienz seiner eigenen Tätig- keit überprüfen, um feststellen zu können, ob Optimierungsbedarf besteht. Erkannte Defizite müssen durch konsequentes und rechtzeitiges Handeln abgebaut werden.

Steckt das Unternehmen erst in einer Krise, ist es dafür zu spät.

Kontrollfunktion hat hohen Stellenwert

Schmotz:

Erstens hat er die Geschäftsführung zu über- wachen. Das steht im Gesetz und das stellt sich wohl auch jeder Laie als Hauptaufgabe des Auf- sichtsrates vor.

Zweitens muss er Mittler sein zwischen Geschäftsführung und Kommunalpolitik.

Kommunale Unternehmen existieren in der Regel nicht vorrangig als Kapital- anlage der Kommune. Es ist nicht ihr alleiniger Zweck, Zinsen für das eingesetzte Kapital zu generieren. Sie müssen darüber hinaus und manchmal sogar stattdessen einen öffentlichen Zweck erfüllen, um ihre Daseinsberechtigung als kommunales

Unternehmen zu rechtfertigen. Das gibt ihnen naturgemäß eine kommunalpolitische Bedeutung.

Drittens soll er Ratgeber für die Geschäftsführung sein. Neben Über- wachung und Kontrolle gibt es eine Vielzahl von Fragestellungen in einem Unternehmen, die möglicherweise nach Gesetz und Satzung Sache der Geschäftsführung sind. Trotzdem ist es in vielen Fällen auch für das Klima und eine dauerhafte Zusammenarbeit gut, wenn Aufsichtsrat und Geschäftsführung vertrauensvoll zusammenarbeiten und mit gegenseitigem Verständnis ihre Ansichten austauschen. Das muss nicht immer über Beschlüsse oder Weisungen laufen.

Titelthema

PROMINENTE WERTUNGEN AUS DER PRAxIS

Welche Rolle spielt die Strategie?

Breites und differenziertes Meinungsspektrum

E

ine Prioritätenliste für kommunale Aufsichtsräte, ein Votum zum Stellenwert der Strategie und ein Statement zum Thema Qualifizierung – diese Ergebnisse erhofften wir uns von einer Umfrage, die wir zu unserem Titelthema realisiert haben. Unsere Gesprächspartner stehen samt und sonders bestens im Thema. Ob als langjährige Aufsichtsratsvorsitzende erfolgreicher kommunaler Unternehmen, als VKU-Präsident und OB oder als Abteilungsleiter Kommunales eines Landesinnenministeriums – sie alle urteilen aus theoretischer und praktischer Sicht. Lesen Sie nachfolgend die Antworten.

Klaus Schmotz

Dr. Johannes Slawig

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