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Konzentration auf die Wachstumskerne

Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 47-52)

DASEINSVORSORGE VOR ORT

Die einzelnen Regionen Brandenburgs werden sich in den kommenden Jahren sehr unter-schiedlich entwickeln. Im Berlin-nahen Raum wird ein deutlicher Anstieg der Bevölkerung zu verzeichnen sein. Die anderen Landesteile

werden zum Teil eklatante Schrumpfungs-prozesse erleben. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung wird steigen. Diese Entwicklung stellt Land und Kommunen vor enorme Herausforderungen. In mehrfacher Hinsicht sehr zu bedauern ist der anhaltende Wegzug vor allem junger und gut ausgebildeter Frauen.

Sie werden sich mehrheitlich an ihren neuen Wohn- und Arbeitsorten familiär binden und dort auch ihre Kinder bekommen.

Das zunehmende Durchschnittsalter zeitigt erhebliche Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben. Noch im Jahr der Deutschen Einheit kamen auf hundert Menschen im Erwerbsalter 20 Rentner, heute sind es 34 und im Jahr 2030 wird das Verhält-nis 100 zu 78 betragen. Für die Kommunen und andere Leistungserbringer der Daseins-vorsorge sind damit enorme Heraus-forderungen verbunden. Mit einem Rückgang der Gesamtbevölkerung um etwa 13 Prozent

in den nächsten knapp 20 Jahren schneidet Brandenburg im Vergleich zu den anderen ostdeutschen Ländern beim Migrationssaldo noch verhältnismäßig gut ab. Allerdings sind in Brandenburg die Unterschiede zwischen

den einzelnen Landesteilen besonders aus-geprägt. In den Berlin-fernen Regionen wird es in den kommenden zwei Jahrzehnten Einwohnerrückgänge von bis zu 30 Prozent geben. Von diesem Trend sind nicht nur länd-liche Regionen, sondern auch kreisfreie Städte wie Cottbus oder Frankfurt (Oder) betroffen.

Einzig Potsdam wird als kreisfreie Stadt noch ein Wachstum verzeichnen – bis 2030 um etwa zehn Prozent.

Die Dramatik dieser Entwicklungen lässt sich anhand von Einzelfällen noch plastischer beschreiben als mit spröden Durchschnitts-werten. So war die ehemalige Kreisstadt Guben an der Neiße 1990 noch eine Mittel-stadt mit über 30.000 Einwohnern und einer dichten Industriestruktur. Bis 2030 wird die Bevölkerung dort verglichen mit 1990 um fast zwei Drittel gesunken sein. Frankfurt (Oder) als ehemalige Bezirkshauptstadt wird im gleichen Zeitraum etwa 40 Prozent seiner Ein-Brandenburg kommunal

uns bei der Schaffung von Großgemeinden allein an einem Richtwert von etwa 12.000 Einwohnern orientieren, werden die Bürger-meister im ländlichen Raum künftig für bis zu 30 Dörfer zuständig sein. Für das ehren-amtliche Engagement im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung hätte dies unabsehbare Konsequenzen. Viele Bürger würden sich kaum mehr in Gemeindever-tretungen wählen lassen, wenn sie das Gebiet, auf das sich ihr Mandat erstreckt, nicht über-sehen könnten.

Nun müssen aber kleinere Gemeinden nicht zwingend alle Verwaltungsdienstleistungen selbst anbieten. Denkbar wäre etwa eine Zusammenlegung der Bauämter, die in Regionen mit rapider Schrumpfung nicht mehr überall vorgehalten werden müssten.

Kooperation ist eines der Schlüsselworte im Zusammenhang mit den Herausforderungen des demografischen Wandels. Sie kann ein Weg sein, Verwaltung weiter effizient zu organisieren und dennoch Bürgernähe zu gewährleisten.

Freiwillige Zusammenschlüsse fördern

Wir müssen die Diskussion über die Leistungsfähigkeit bestimmter Strukturen für alle Ebenen führen. In einer ergebnisoffenen Debatte gehören alle Aufgaben auf den Prüf-stand einschließlich der Frage, welche Ebene für deren Erledigung am ehesten in Frage kommt. Dazu gehört auch die Übernahme unterer Landesaufgaben durch die Landkreis-ebene. Es ist nachvollziehbar, dass die vor Ort Handelnden an vorhandenen Strukturen

fest-halten wollen. Doch der Bürger verlangt in erster Linie nach Effizienz und Qualität von Verwaltungsleistungen. Hinsichtlich etwaiger Gebietsstrukturreformen setzt der Koalitions-vertrag dem Innenministerium enge Grenzen.

Deshalb wollen wir umso intensiver frei-willige Zusammenschlüsse fördern. Wir sind bereit, die bei der Zusammenführung von Strukturen entstehenden Integrationskosten zu übernehmen.

Allein für diesen Zweck wurde ein Fonds in Höhe zehn Millionen Euro aufgelegt.

Bestandteil des Koalitionsvertrages war auch die Notwendigkeit, geeignete Instrumentarien für das Schuldenmanagement zu entwickeln.

Hier muss Ersatz für den im kommenden Jahr auslaufenden Schuldenmanagement-fonds gefunden werden. Das Land muss den Gemeinden gerade im Hinblick auf die demografische Entwicklung weiter unter die Arme greifen. Es gilt, die Strukturen an die neuen Bedarfe anzupassen. Ein Beispiel für

notwendige Anpassungen ist der Brand- und Katastrophenschutz. Von Mitte der 90er Jahre bis zum Jahr 2020 werden wir 20 Prozent der aktiven Feuerwehrleute verlieren. Hier müssen wir zu effizienten und der

Siedlungs-dichte angemessenen Einheiten kommen.

Dazu bedarf es einer engen Verzahnung der Kapazitäten zwischen den Gemeinden, aber auch zwischen den Landkreisen. Die Land-räte müssen wissen, wie viel Personal in der Region im Alarmfall maximal mobilisiert werden kann.

Um interkommunale Kooperationen gemeinsam anschieben zu können, werden wir uns intensiv mit den kommunalen Spitzen-verbänden im Land abstimmen. Hier sollte definiert werden, wie viel Personal die Auf-gaben erfordern und wie sie optimal zwischen den Ebenen verteilt werden können. Inter-kommunale Kooperation ist eine Option, die Ausgliederung auf die Kreisebene eine andere. Es kann aber auch sinnvoll sein, Auf-gaben vom Land auf die Landkreise oder die Gemeinden zu verlagern. Wichtig ist, dass wir in einer offenen Diskussion zwischen Land und Kommunen an effizienten Strukturen arbeiten. Um E-Government und mobile

Angebote weiter zu forcieren, müssen wir mögliche rechtliche Hürden abbauen. Uns ist bewusst, dass insbesondere die kommunale Wirtschaft zur Verwirklichung innovativer Ideen mehr Handlungsmöglichkeiten braucht.

Unterschiedliche Entwicklungen erfordern unterschiedliche Antworten wie Daseinsvorsorge oder Verwaltung zu organisieren

ist. Ein einheitliches System wird sich nicht auf alle

Landes-teile anwenden lassen. Für die von Schrumpfung und Zer-siedlung betroffenen Regionen

müssen in gemeinsamer Dis-kussion Mindeststandards

definiert werden.

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Dr. Dietmar Woidke

Disparate Entwicklung zwischen den Berlin-nahen und den Berlin-fernen Räumen des Landes Brandenburg

Brandenburg kommunal

DASEINSVORSORGE VOR ORT

Darum haben wir das Standarderprobungs-gesetz verlängert und befinden uns gegen-wärtig in der Beratung über ein umfangreiches Gesetzeswerk zur Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge. Gerade bei den Kranken-häusern und in der Energieversorgung muss es verbesserte Möglichkeiten der Zusammen-arbeit geben. Angesichts der großen

Heraus-forderungen müssen wir viele Dinge verändern, um die Effektivität der Verwaltung zu erhöhen und dennoch den demokratischen Mitwirkungsrechten weiter gerecht zu werden.

Wenn wir diese Diskussionen umfassend und ohne Scheuklappen führen, können wir Daseinsvorsorge auch in Zukunft auf einem hohen Niveau vorhalten.

Der Entwurf zum Leitbild Brandenburg 2030 liest sich ausgesprochen optimistisch. Dort sind richtige und wichtige Ziele verankert.

Allerdings vermisse ich, dass die Wege dorthin aufgezeigt werden. Wir werden nahezu alle Aspekte der Daseinsvorsorge reformieren müssen. Hier bedarf auch das Konzept der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse einer gründlichen Revision. Kommunalwirtschaft-liche Betätigung muss in Zukunft regional gedacht werden. In diesem Sinne schließe ich mich dem Plädoyer von Minister Woidke zur interkommunalen Zusammenarbeit voll-kommen an. Die Diskrepanz zwischen dem Bekenntnis zur Kooperation und der tatsäch-lichen Umsetzung ist allerdings noch recht groß.

Olaf Borchert –

Bürgermeister der Gemeinde Petershagen/Eggersdorf:

Als Berliner Umlandgemeinde haben wir seit der Wende erheblich an Einwohnern hinzu-gewonnen. Mein Kollege aus Fredersdorf/

Vogelsdorf und ich machen uns intensiv Gedanken, wie wir die interkommunale Zusammenarbeit ausweiten können. Wir möchten im Ortsteil Petershagen eine neue Bibliothek bauen, die dann genau in der Mitte aller beteiligen Ortsteile liegen würde. Allerdings haben wir große Probleme, dieses Projekt zu verwirklichen, weil die Vertretungskörper-schaften nur schwer von Kooperationen über-zeugt werden können. Fredersdorf/Vogelsdorf möchte einen Erweiterungsbau für sein Rathaus errichten. Ich hatte in diesem Zusammenhang ein gemeinsames Einwohnermeldeamt angeregt.

Auch bei dieser Idee haben wir scharfen Gegen-wind verspürt, denn selbst die einfachsten Dinge scheitern oft an individuellen Einwänden von Gemeindevertretern.

Jürgen Henze –

Bürgermeister der Gemeinde Neuenhagen bei Berlin:

Ich habe den Eindruck, dass die demografische Entwicklung von der Landesregierung als gegeben hingenommen wird. Vor einigen Jahren haben wir noch darüber diskutiert, wie wir die guten Leute bei uns im Land behalten. Wie wollen wir einen Unternehmer überzeugen, bei uns zu investieren, wenn wir die Region als Ganzes schon aufgegeben haben? Wer bei Bildung und Infrastruktur spart, braucht sich nicht darüber zu wundern, dass er von der demografischen Entwicklung überrollt wird. Wir dürfen nicht auf halber Strecke anhalten. Insbesondere in puncto Fachkräftesicherung erwarte ich von unserer Landesregierung eine klarere Positionierung.

Immer weniger Erwerbstätige unterstützen immer mehr Rentner

Im Folgenden geben wir die wichtigsten Beiträge aus der nachfolgenden Diskussion zwischen der kommunalen Familie und Innenminister Woidke wieder. Die Herausforderungen des demografischen Wandels standen dabei im Zentrum der Beiträge.

Initiative ausweiten

Aus der Diskussion

Prof. Dr. Michael Schäfer –

Chefredakteur von UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurde die mitteldeutsche Demografie-Initiative ins Leben gerufen. Die zuständigen Leitministerien haben sich zusammen-gefunden, um die Aktivitäten zur Bewältigung der demografischen Herausforderungen untereinander zu koordinieren, die Kommunen möglichst früh in diesen Prozess einzubeziehen und die Region insgesamt vor den Europäischen Institutionen zu vertreten.

Länderübergreifende Ansätze sind der einzige Weg, um zu konzertierten Lösungskonzepten zu gelangen.

Schade ist allerdings, dass diese zukunfts-weisende Kooperation nicht auf alle ost-deutschen Bundesländer übergreift.

Schließlich haben wir in Deutschland zwei wesentliche und strukturell klar voneinander zu unterscheidende Demografie-Trends.

Die Entwicklungen im Osten Deutsch-lands unterscheiden sich mit ganz wenigen

Ausnahmen deutlich von denen in den alten Bundesländern. Nach wie vor leidet die Region unter der Abwanderung junger, qualifizierter Menschen. Dass sich dieser Prozess in absoluten Zahlen abgeschwächt hat, liegt einzig und allein an der kleiner werdenden Basis. Für Ostdeutschland ist schon heute ein eklatanter Fachkräftemangel zu konstatieren. Und ohne Fachkräfte wird es auch keine maßgebliche Ansiedlung von Industrie geben. Dafür wird der Anteil an Transferbedürftigen in den kommenden Jahren weiter steigen.

Es wäre wünschenswert, wenn diese spezi-fisch ostdeutschen Problemstellungen in einem abgestimmten ostdeutschen Ansatz angegangen würden. Wir werden die grund-legenden Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland nicht ignorieren können und brauchen deshalb ein gemeinsames Fundament. Auch im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich werden die ostdeutschen Länder nur gemeinsam ihre Interessen ver-treten können.

Brandenburg kommunal

Die Zeiten, in denen allein mit Billiglöhnen für uns geworben wurde, sind Gott sei Dank vorbei.

Rainer Fornell –

Bürgermeister Gemeinde Panketal:

Ich sehe diese Handlungsweise nicht so skeptisch, wie mein Kollege aus Neuen-hagen. Der Ungleichentwicklung im Land kann die Politik nur bedingt entgegentreten.

Im Umland von Berlin profitieren wir enorm von der Hauptstadt. Die äußeren Gebiete sind allerdings zu weit entfernt, als dass die Stagnationsprozesse aufzuhalten wären. Wir müssen uns an diese Entwicklungen anpassen, denn rückgängig machen können wir sie nicht.

Die Doppik soll ein Instrument der Steuerung sein, das helfen soll, Kosten zu überblicken. Damit lässt sich genau spezi-fizieren, was die Ausleihe eines Buches kostet, was die Ausstellung eines Führerscheines, was die Betreuung eines Kindes in einer Kita und was die Straßenunterhaltung. Doch die Fragen, die die Doppik beantwortet, wollen viele Kommunen gar nicht hören. Ich würde den Gemeinden nachhaltig empfehlen, sich den gleichen harten Regeln zu unterwerfen, wie sie den Städten auferlegt wurden.

Dr. Paul-Peter Humpert –

Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Landkreistages Brandenburg:

Auch ich denke, dass alle Aufgaben einer ein-gehenden Revision unterzogen werden sollten.

Das aktuell von der Landes-SPD erarbeitete Diskussionspapier „Brandenburg 2030“ weist allerdings nur zwei Zahlen auf. Die avisierte Einwohnermessgröße von Gemeinden betrifft 12.000 und 200.000 die Einwohnerschaft mittelfristig neu zu strukturierender Landkreise.

Doch nicht nur diese Messgrößen, sondern auch weitere strukturelle Merkmale sollten in das Design für eine zukünftige Aufgabenerfüllung einbezogen werden. Die neuen Gebietsstrukturen Mecklenburg-Vorpommerns wurden nicht nur vom Landesverfassungsgericht kritisiert.

Viele Ortsvorsteher haben kundgetan, dass auch in Brandenburg die Grenze der Zumutbar-keit erreicht ist. Interkommunale Kooperation ist sicher der zentrale Ansatz, um die Daseinsvor-sorgestrukturen fit für die Zukunft zu machen.

Hier müssen noch einige rechtliche Hürden abgebaut werden. Die durch Kooperationen ersparten Überschüsse sollten die Kommunen jedoch für sich selbst nutzen können. Wenn im Gegenzug von Effizienzbestrebungen die Landes-zuschüsse gekürzt werden, leidet die Motivation.

Interkommunale Kooperation hat eine sehr dynamische Komponente. Eine Gebietsreform hingegen wirkt nur statisch.

Woidke:

Auch ich halte es nicht für ausreichend, ausschließlich mit Einwohnerzahlen zu operieren. Es geht auch darum, die aktuelle rechtliche Rahmensetzung zu erörtern. Die Diskussion über eine Neuordnung der Auf-gaben sollte auf der Landesebene beginnen.

Das Land empfiehlt den Kommunen oft genug effizientere Strukturen. Doch wir müssen die Verwaltungsarchitektur komplett hinterfragen, ob sie den gesellschaftlichen, politischen und finanziellen Rahmensetzungen der kommenden Jahre noch entspricht.

Hinsichtlich der Doppik gibt es seitens der kommunalen Ebene sehr unterschiedliche Signale. Einige Kämmerer tun sich schwer, dieses neue System zu adaptieren. Andere Kommunen kommen sehr gut damit zurecht.

Eine Gemeinde lässt sich aber nicht ausschließ-lich nach betriebswirtschaftausschließ-lichen Kriterien führen. Und Gemeindevertreter können nicht immer vom Paradigma des Sparens überzeugt werden. Es wird dann leichter, wenn sinnvolle Vorschläge zur Verwendung der gesparten Gelder gemacht werden können.

Wir müssen uns anpassen. Es gibt keiner-lei Beispiele, dass politische Maßnahmen die Demografie langfristig beeinflussen konnten.

Auch wenn der Einwohnerrückgang nur 40 statt 44 Prozent beträgt, sind radikale Strukturveränderungen nötig. Die vielfältigen Bemühungen zur Rekrutierung von Fach-kräften haben nur geringe Effekte gezeitigt. Es bringt wenig, wenn regionale Spezialitäten an die auswärts lebenden Landeskinder geschickt werden. Das Einzige, was nachhaltig hilft, sind gut bezahlte Arbeitsplätze in der Region. Die Bemühungen zur Fachkräftesicherung können nur erfolgreich sein, wenn wir uns eng mit der Wirtschaft verzahnen. Mit Billiglöhnen können wir jedenfalls nicht reüssieren. Schon vor zehn Jahren hat die damalige Finanz- und spätere Arbeitsministerin Dagmar Ziegler darauf hingewiesen, dass wir in Brandenburg ein massives Fachkräfteproblem bekommen werden.

Doch weil sich damals selbst Abiturienten für handwerkliche Berufe beworben hatten, wurden diese Mahnungen lange Zeit nicht ernst genommen. Die Basis für eine angemessene Fachkräfteentwicklung muss aber letztlich in der Wirtschaft gelegt werden.

Die Landesregierung kann die Unternehmen dabei nur unterstützen.

Gernot Schmidt –

Landrat Märkisch-Oderland:

Wir dürfen die Zukunft nicht nur negativ sehen. Der neue Flughafen Berlin/Branden-burg International gehört zu den wichtigsten

Infrastrukturmaßnahmen in der Region. Das Land Brandenburg hat hier 1,2 Milliarden Euro investiert, was sich im Hinblick auf die neu entstehenden Arbeitsplätze mehr als gelohnt hat. Berlin wird damit eine Welt-stadt und die ersten Auswirkungen auf dem Wohnungsmarkt lassen sich jetzt schon erkennen. Wenn wir den Wettbewerb inner-halb der Kommunen um bessere Bildungsan-gebote stärken, werden wir ebenfalls Effekte erzielen.

Wir brauchen nur nach Mecklenburg-Vorpommern zu schauen, um zu sehen, wie eine Region mental und psychologisch dar-niederliegt. In meiner Geburtsregion Ost-vorpommern sind die Wahlergebnisse und Wahlbeteiligungen teilweise verheerend.

Mancher Kreistagsabgeordneter in Vor-pommern-Greifswald muss mehrere Stunden fahren, um zu einer Sitzung zu kommen.

Ich befürchte, dass die aktuelle Reform das politische und mentale Abgleiten der Region weiter befördert.

Reiner Schulz –

Amtsdirektor Amt Gramzow:

Vor fünf Jahren wollten wir mit dem Amt Brüssow zusammen ein Standesamt betreiben.

Allerdings ist die gegenseitige Nutzung von Standesbeamten bis heute nicht möglich.

Auch für die Neuordnung der Feuerwehren wurden die nötigen rechtlichen Grundlagen noch nicht gelegt. Der Gesetzgeber muss sich mehr zutrauen. Und der Bürger im länd-lichen Raum sollte sich bewusst machen, dass er nicht die Infrastruktur einer Großstadt erwarten kann. Eine schnelle Breitband-anbindung ist jedoch existenziell für den länd-lichen Raum. Hier sind andere Länder schon deutlich weiter.

Karl-Ludwig Böttcher –

Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Brandenburg:

Das Verständnis, dass auch auf der Landes-ebene Reformen nötig sein werden, ist in die Ministerialbürokratie bis heute leider kaum vorgedrungen. Während den Kommunen die Landeszuweisungen um bis zu ein Fünftel gekürzt werden, wird die Landesebene in den Gesetzentwürfen zu Strukturreformen nahezu komplett ausgespart. Aktuell müssen die Kommunen das Gleichstellungsgesetz umsetzen. Die generelle Tendenz des Gesetzes ist sicher zu begrüßen, doch man darf den Kommunen nicht immer höhere Standards setzen und ihnen gleichzeitig die Mittel kürzen. Es ist lobenswert, wenn sich Länder übergreifende Initiativen dem drängenden Thema der Demografie zuwenden. Doch Brandenburg kommunal

DASEINSVORSORGE VOR ORT

wird auch hier meist nur über kommunale Strukturen gesprochen. Nach den Föderalis-musreformen I und II gibt es in Deutschland 17 verschiedene Beamtenrechtsordnungen.

Es lässt sich auch hinterfragen, ob wir noch immer 16 verschiedene Schulsysteme im

Land brauchen. Wir müssen das Beharrungs-vermögen der Landesverwaltungen ernsthaft auf den Prüfstand stellen und nicht nur über kommunale Strukturen reden.

Ich würde es begrüßen, wenn wir im Sinne der Daseinsvorsorge zu einem Abbau von Hemmnissen kommen würden. Kommunale Unternehmen sind eine wesentliche Stütze der regionalen Wirtschaft. Wir müssen es uns nicht gefallen lassen, wenn die Kommunal-wirtschaft mit dem absoluten Einzelfall kommunaler Nagelstudios diffamiert wird.

Umgekehrt würde sich in der Breitbandver-sorgung ohne kommunale Unternehmen kaum etwas bewegen.

Ulrich Hehenkamp – Amtsdirektor Amt Britz-Chorin-Oderberg:

Ich kann nur appellieren, Kooperationen zu fördern, denn das Programm für

Gemeinde-Das Forum „Brandenburg kommunal“ traf sich nun schon zum fünften Male im Tagungszentrum „Am Fischerkietz“ am Ufer des malerischen Straussees

fusionen ist nicht sonderlich attraktiv. Finanz- und Planungshoheit sind die höchsten Güter der Gemeinden. Es gibt noch etliche Potentiale, Daseinsvorsorge und Verwaltungs-handeln über Kooperationen effizienter anzubieten.

Uwe Klett –

Bürgermeister Fredersdorf/Vogelsdorf:

Kooperationen scheitern leider häufig am Beharrungsgedanken von Gemeindevertretern.

Wir brauchen deshalb ein Anreizsystem des Landes zur Förderung der interkommunalen Zusammenarbeit. Vielleicht können wir von Skandinavien lernen. Dort war die Bevölkerungsdichte zwar schon immer sehr gering, doch es wurden Lösungen erarbeitet, wie mit großen Distanzen praktikabel umgegangen werden kann.

Woidke:

Ich stimme Ihnen zu. Es kann nicht sein, dass immer nur über die Kommunen diskutiert wird.

Deshalb hat die Landesregierung Vorschläge zur Optimierung der Verwaltungsarbeit auf Landes-ebene gemacht. Über die speziellen Auswirkungen des Vergabegesetzes lässt sich trefflich diskutieren.

Doch insgesamt ist es ein positives Signal.

Zusammen mit dem Städte- und Gemeinde-bund gibt es eine Reihe von Veranstaltungen, die Verwaltungsbeamte in der Anwendung dieses Gesetzes schulen sollen. So wird mit der Zeit eine weitere Professionalisierung erreicht, die dabei hilft, Aufwände zu reduzieren.

Die Feuerwehren sind ein sehr sensibles Thema. Man sollte in diesem Kontext nicht vergessen, dass viele davon eine Tradition von mehr als hundert Jahren aufweisen. Wenn der neue Standort entsprechend ausgestattet wird, werden sich die betroffenen Gemeinden eher mit einer Zusammenlegung ihrer Feuerwehren arrangieren können.

Insgesamt stehen wir mitten in der Dis-kussion zu einer Optimierung von Strukturen.

Ich wünsche Ihnen dafür Mut und den nötigen langen Atem. Bei aller Kritik waren die Ver-waltungen in Brandenburg doch auch sehr erfolgreich. Zusammen mit der Wirtschaft haben sie das Land in 20 Jahren dorthin gebracht, wo es heute steht. n

Die Veranstaltung dokumentierte Falk Schäfer

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