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Zweck-Mittel-Rationalität als Analyseheuristik, kulturtheoretisches Rahmenmodell des Handelns

4.7 Begriffliche Erläuterung der Untersuchungskategorien

4.7.1 Zweck-Mittel-Schema

4.7.1.1 Zwecke und Ziele

Begriffserläuterungen

Die Begriffe Ziele und Zwecke werden in der Literatur vielfach nicht systematisch getrennt bzw.

synonym verwendet (vgl. Forschner, 1989, S. 1183) und sind angesichts ihrer Schnittstellen vielfach auch austauschbar (Wolbert, 2006, S. 566; Zweck (1976). In G. Klaus […]). Wenngleich sie in lexikalischen Einträgen getrennt aufgeführt werden (vgl. z. B. die Einträge Ziel (2009) und Zweck (2009), jeweils in H. Schmidt […]), besteht terminologisch keine einheitliche Differenz zwischen beiden (vgl. Schwemmer, 1996a, S. 849).

In einigen Begriffsverwendungen wird von Zwecken nur dann gesprochen, wenn in der Rede bereits die Mittel – z. B. zweckdienliche Handlungen oder Sachmittel – in einem Zusammenhang mitbenannt oder mitgedacht sind, während von Zielen z. B. auch dann die Rede ist, wenn lediglich die Prinzipien der Organisation des Handelns bekannt sind ohne konkrete Angabe dazu, wie diese erreicht werden können (vgl. Schwemmer, 1996a, S. 849; vgl. Ziel (2009). In H. Schmidt […]). In einer anderen Begriffsverwendung erscheint Zweck als primäres bzw. finales oder ultimatives Ziel (vgl. Forschner, 1989, S. 1184) innerhalb einer ‚teleologischen Kette‘, dem sich die anderen Ziele unterordnen und dem insofern innerhalb einer Hierarchie von Zielen womit im Handlungszusammenhang dem Zweck gegenüber dem Ziel eine besondere Gewichtung zukommt.

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Grundlegend ist, dass Ziele und Zwecke in Anknüpfung an eine Definition von Engels und in Übereinstimmungen mit anderen einschlägigen fachlichen Begriffsbestimmungen (vgl. Schwemmer, 1996b, S. 865; Lorenz, 2008, S. 33) allgemein als angestrebte Ergebnisse oder Resultate von Handlungen, Prozessen und Objekten verstanden werden (vgl. Engels, 2011, S. 2646).

Handlungstheoretisch betrachtet verweisen sie in Anschluss an Schwemmer auf Sachverhalte, deren Eintreten durch Handeln herbeigeführt werden soll (vgl. Schwemmer, 1996a, S. 849), und somit auf Vorstellungen vom Ende einer ausgeführten Handlung (vgl. ebd., S. 865). Entsprechend bilden sie von ihrer Funktion her für Handlungen „das Worum willen ihrer Ingangsetzung, Ausführung oder Existenz“ (Engels, 2011, S. 2646), also Gründe oder Motive für die Ausführung einer Handlung, die als

‚terminus ad quem‘ dem Handeln seinen Sinn verleihen (vgl. Forschner 2008, S. 258), in Anschluss an die referierte Typologie Straubs stellen sie also wie auch Regeln Bestimmungsgründe des Handelns dar (vgl. Straub, 1999, S. 63 ff.).

Vom Standpunkt der Gegenwart aus handelt es sich um fingierte, bloß vorgestellte oder antizipierte Situationen oder Zustände in der Zukunft (vgl. Lorenz, 2008, S. 33), welche als wünschenswert erachtet, in Absicht und/oder Voraussicht (vgl. zur Unterscheidung Forschner, 1989, S. 1184) vorweggenommen werden und mittels des Handelns erreicht bzw. verwirklicht werden sollen. In zeitlicher Hinsicht bilden Ziele und Zwecke dabei den relativen Endpunkt und den Abschluss einer Handlung oder eines Prozesses, welcher nach einer mehr oder weniger großen Zeitspanne auf dessen Anfang eintreten soll (vgl. Ziel (2009). In H. Schmidt […]).

Im Handlungszusammenhang besteht die Wirkweise von Zielen und Zwecken in einer Ausrichtung des Handelns und der mit ihm verbundenen Wahrnehmungs- und Beurteilungsprozesse auf diese wünschenswerten Zustände in der Zukunft, welche es im und durch das Handeln zu erreichen gilt, sowie in dem Auslösen einer auf diesen Horizont bezogenen Suche, Auswahl und Gestaltung von Handlungen und Handlungsmitteln (vgl. so z. B. Brezinka 1995, S. 228). Ziele und Zwecke bilden damit bildlich gesprochen den Fluchtpunkt bzw. den Horizont, auf den hin im Handlungs- und Tätigkeitszusammenhang die (möglichen) Einzelhandlungen und -tätigkeiten ausgewählt, bewertet und im Sinne einer Synthese zusammengeführt werden. Damit beziehen Ziele und Zwecke sich zwar von der Gegenwart aus auf die Zukunft, organisieren jedoch in der Gegenwart als Vorstellungsinhalte die Handlungsabfolgen und strukturieren diese damit (vgl. Danner 2007, S. 38).

Die im Handeln als Ziel oder Zweck angestrebten Zustände gehören dabei In Anschluss an Lorenz als Handlungsergebnis bzw. Handlungsresultat entweder bereits begrifflich zur Handlung selbst (z. B. im Falle des Fensteröffnens) oder werden als Handlungsfolgen unter den durch das Handeln hervorgebrachten Wirkungen erwartet (Lorenz, 2008, S. 33).

Eine höher auflösende, analytische Begriffsbestimmung, welche wesentliche dieser in den Definitionen der Fachliteratur explizit genannten oder implizit mitgeführten ‚Komponenten‘ der Begriffe im Kontext des Handelns aufführt, findet sich bei Klaus und Buhr (vgl. Ziel (1976). In G. Klaus Klaus […], S. 1327 ff.). Sie fasst die genannten Aspekte nochmals zusammen, so dass sie der weiteren Arbeit zugrunde gelegt werden kann.

Zwecke und Ziele verweisen ihren Erläuterungen zufolge auf Situationen bzw. Zustände (oder auch

„Sachverhalte“),

- welche gegenwärtig noch nicht gegeben sind,

- die von dem oder den Handelnden als erstrebenswert eingeschätzt werden,

- die im oder durch das Handeln hervorgebracht bzw. verwirklicht oder erreicht werden sollen und gedanklich vorweggenommen werden,

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- sowie dem Handelnden zumindest prinzipiell als erreichbar für das Handeln gelten, wenn - sie sinnvoll sein sollen.

Zweck- und Zielvorstellungen

- gehen insofern immer mit einer Wirksamkeitsunterstellung einher.

Zur teleologischen Struktur des Handelns

Grundlegend für die Struktur des teleologischen Handlungsmodells ist die Vorstellung, dass sich die Gesamtordnung des Handelns als ein Zusammenhang von Teilzielen darstellen lässt, die sich aus übergeordneten Zielen ableiten und deren Erfüllung ein Mittel zur Erreichung des übergeordneten Ziels darstellt. Daraus ergibt sich nicht nur eine sachlich-hierarchische Gliederung, sondern auch eine spezifische zeitliche, in Etappen aufgeteilte Struktur des Handelns. Innerhalb eines Handlungszusammenhangs können dabei die Ziele bzw. Zwecke ein End- oder aber ein Teil- bzw.

Zwischenziel und somit ein Mittel zur Erreichung eines übergeordneten Ziels bzw. Zwecks innerhalb einer Kette von aufeinander abgestimmten Handlungen bzw. innerhalb eines Handlungssystems sein (vgl. Ziel (2009). In H. Schmidt […]; Zimmer, 2009; Wolbert 2006, Rohbeck, 1996); die „Positionen"

können dabei innerhalb des Handlungs- und Funktionszusammenhangs "je nach Blickwinkel wechseln" (Rohbeck, 1996, S. 380), so dass das, „was im einen Fall Zweck ist, [...] im anderen selbst zum Mittel werden“ kann, „wenn es sich selbst auf einen weiteren übergeordneten Zweck bezieht"

(Zweck (2009). In H. Schmidt […], S. 789). Insofern ist die „Unterscheidung von Zweck und Mittel [...]

relativ zum jeweiligen Handlungsziel“ zu sehen und „kann nach übergeordneten oder untergeordneten Gesichtspunkten variieren" (ebd., vgl. auch Wolbert, 2006, S. 563). Die Kategorien werden damit nicht inhaltlich-substantiell, sondern formal bestimmt, indem sie an „bestimmte Funktionen gebunden" (Rohbeck, 1996, S. 380) werden und „Funktionsstellen" markieren.

Begriffsverständnis in der Arbeit: Zweck als Aufgabe, Ziele als Teilziele

In der vorliegenden Untersuchung wird daher im Dienste einer klareren Konturierung der hierarchisch und chronologisch gegliederten Struktur des teleologischen Modells zwischen dem Zweck- und Aufgabenzusammenhang im Sinne eines übergeordneten Rahmens, in den das Handeln hineingestellt ist und aus dem heraus sich die spezifische Bedeutung bzw. ihr besonderer Sinn von Teilhandlungen ergibt, und den sich daraus ergebenden (Teil-)Zielen unterschieden.

Diese Begriffsdifferenzierung ermöglicht eine klarere Abbildung von übergeordneten und untergeordneten Zielen und ihres Ordnungsgefüges in der Analyse, welche ansonsten in den Beschreibungen, Analysen und Interpretationen nicht so klar hervorgehoben werden würden.

Unterschiedliche Arten von Zwecken/Zielen

In der Literatur finden sich zahlreiche Unterscheidungen zu Arten von Zielen, welche im Folgenden als Hintergrundwissen aufgeführt werden, da sich diese ggf. im Rahmen der Untersuchung als analytisch nützlich erweisen könnten, um die verschiedenen Teilziele und ihre Ordnung im Spektrum der Zweck- und Zielsetzungen des Qualitätsmanagement- und Professionalitätshandelns klarer zu differenzieren:

So kann das Handeln mit Blick auf die angestrebten Veränderungen danach unterschieden werden, - ob es auf das Herbeiführen, Aufrechterhalten oder das Verhindern einer spezifischen Situation

abzielt, Unterlassungshandlungen eingeschlossen (vgl. Lorenz 2008, S. 33 f.),

- die „Aneignung, Vermeidung oder Veränderung von Objekten in der Umgebung eines Akteurs“

(Lüdtke 1994, S.755) angestrebt wird und,

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Nach Inhaltsbereichen kann auch zwischen ökonomischen, pädagogischen oder politischen Zwecken und Zielsetzungen unterschieden werden.

Entsprechend ihrem Konkretisierungsgrad kann – einer deduktiven Ableitungslogik folgend – differenziert werden zwischen

- Vision/Leitidee, Richtzielen, Grobzielen, Feinzielen, Aufgaben (Liebald, 1998, 37 ff.); Leitziel, Mittlerziel, Handlungsziel (Beywl & Schepp-Winter, 1999, S. 42) (vgl. Merchel 2010, S. 67)

- Wirkungszielen, Teilzielen, Handlungszielen (vgl. Spiegel, von, 2011) nach Adressatenbezug und Zeitpunkt sowie zwischen

- Prozess- und Ergebniszielen (vgl. Merchel, 2010, S. 68 f.) u. Ä.

Beispiele im Hinblick auf den vorliegenden Problemzusammenhang

Im Kontext des im Zentrum der Untersuchung stehenden Problemzusammenhangs und der vorliegenden Untersuchung könnten sich z. B. die inhaltliche Art der Ziele und Zwecke – ökonomische, politische und pädagogische Zwecke und Ziele – sowie das Verhältnis von pädagogischen, ökonomischen und politischen Zwecken bzw. Zielsetzungen sowie ihre Relationierung und Gewichtung zueinander innerhalb der Ansätze und Diskurse als bedeutsam erweisen.

Tabelle 16 führt die zentralen Kennzeichen der Begriffe, wie sie der weiteren Untersuchung zugrunde gelegt werden, auf.

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Tabelle 16: Kategorien Zwecke/Ziele

Zwecke und Ziele

Erläuterungen/

Definitionen

- wünschenswerte, gegenwärtig noch nicht realisierte Zustände in der Zu-kunft, die im und durch das Handeln herbeigeführt werden sollen

- Bestimmungsgründe des Handelns (‚Worum-Willen‘)

- Zweck als Endbestimmung des Tuns (Endzweck), Ziele als sich aus den Zwe-cken ableitende Teilziele

Zentrale Definitionen aus der Literatur

- die „erstrebten Resultate von Handlungen, Prozessen oder Objekten“ sowie das „Worum willen ihrer Ingangsetzung, Ausführung oder Existenz“ (Engels, 2011, S. 2646)

- Sachverhalte, deren „Eintreten durch Handlungen herbeigeführt werden“

soll (Schwemmer, 1996a, S. 849)

Einzelne

Bestimmungsmerkmale

- wünschenswerte Zustände bzw. Sachverhalte, die gegenwärtig noch nicht realisiert sind

- Resultate oder Wirkungen des menschlichen Handelns (Wirkhypothese des Handelns), welche ohne das Handeln nicht eingetreten wären (verbunden mit der Annahme einer prinzipiellen Wirksamkeit des Handelns)

- Beweggrund oder Motiv des Handelns

- im teleologischen Ordnungszusammenhang Teil- und Endziele unterscheid-bar, wobei jedes Ziel – bis auf das Endziel bzw. den Endzweck – auch Mittel sein kann

- als Bestandteile von Ziel- bzw. Zweck-Mittel-Ketten relativ im Hinblick auf andere Ziele und Zwecke sowie Mittel

Formen/Unterarten (Beispiele)

- z. B. Herbeiführung, Aufrechterhalten, Veränderung, Vermeiden von Sach-verhalten

- Unterscheidung von Poiesis/Praxis im Hinblick auf zwei Arten von Zie-len/der Relation zwischen den Zielen und dem Tun: Werke und Produkte jenseits des Tuns als beabsichtigte Folgen/Wirkungen (→ Poie-sis)/Realisierung des Ziels in der Ausführung der Tätigkeit selbst (→ Praxis) (in Anschluss an Aristoteles, vgl. Prechtl)

Beispiele im Problemzusammenhang

Im Kontext pädagogischer Professionalität

- Teilnehmerorientierte Bildungspraxis, Bildung von Individuen (Tietgens) Im Kontext des Qualitätsmanagements

- Lernerorientierte Organisation von Einrichtungen, Lebenslanges Lernen von Individuen befördern (LQW)

Fragestellungen

- Welche Zwecke und Ziele werden von den Ansätzen vorgegeben bzw.

sollen erreicht werden?

Ggf. – je nach Ergebnis der Auseinandersetzung mit dem ‚Material‘ bzw. der

‚Befundlage‘ – für eine weiterführende Analyse und Einordnung:

- Welche Ergebnisse sollen durch das Handeln erzielt werden?

- Welche Wirkungen sollen sich als Folge des Handelns einstellen?

- Inwiefern handelt es sich um Ziele, die sich im Handlungsvollzug realisieren (entsprechend einer Praxis), oder um solche, die sich als Ergebnis des Handelns einstellen (entsprechend einer Poiesis)?

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