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Debattenstrang 2: Qualitätsmanagement als neoliberale Regierungsform des erwachsenenpädagogischen Feldes Regierungsform des erwachsenenpädagogischen Feldes

2 ‚Pädagogische Professionalität‘ und Qualitätsmanagement als Zugänge zu Weiterbildungsqualität

Sortierung 4: Ordnung nach Problemgesichtspunkten bzw. Strukturelementen des Handelns, unter denen das Verhältnis von Qualitätsmanagement und pädagogischer Professionalität diskutiert

3.3 Vertiefung: (Ausgewählte) Theoretische Stränge der erwachsenenpädagogischen Fachdebatte erwachsenenpädagogischen Fachdebatte

3.3.2 Debattenstrang 2: Qualitätsmanagement als neoliberale Regierungsform des erwachsenenpädagogischen Feldes Regierungsform des erwachsenenpädagogischen Feldes

Einordnung und Überblick

Während in dem ersten Debattenstrang das Verhältnis von pädagogischer Professionalität und Qualitätsmanagement im Kontext der Weiterbildungseinrichtung diskutiert wird und die Vermittlungsprobleme zwischen betriebswirtschaftlich-organisationalem Steuerungsanspruch und pädagogisch-professioneller Interaktion in den Blick geraten, analysieren die gouvernementalitätstheoretischen Arbeiten die mit der Verbreitung von Qualitätsmanagement in der Weiterbildung verbundenen Veränderungen der Sprach-, Wissens- und Machtstrukturen im Feld bzw. im Diskurs (vgl. Forneck & Wrana, 2005; Franz, 2008; Franz, 2009). Mit dem Bezug auf ‚Feld‘ und

‚Diskurs‘ werden Transformationen auf allen drei Ebenen der Weiterbildung – auf der Makro-, Meso- und Mikroebene – in den Blick genommen, die ‚tiefere‘ Regelstrukturen des Handelns betreffen (vgl.

zur gegenstandstheoretischen und methodologischen Einordnung Reckwitz, 2000).

Qualitätsmanagement wird in Anschluss an Foucault und das Konzept der Gouvernementalität aus einer machttheoretischen Perspektive als eine (politische) Regierungstechnologie und -praktik innerhalb des Weiterbildungsfeldes verstanden, die einer ökonomischen, neoliberal ausgerichteten Rationalität folgt und individuelle Subjekte, aber auch kollektive Akteure – die

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Weiterbildungseinrichtungen – mit spezifischen Formen, Techniken und Instrumenten lenkt.

Im Kern basiert die Regierungsform auf einer Einführung von sprachlichen Kategorien sowie Praktiken, Verfahren und Techniken (beispielsweise der Verfahrensstandards, der Dokumentation und der Evaluation), die eine spezifische Form des Wissens bereitstellen und hierüber die Selbst- und Fremddeutungen bzw. das Selbst- und Weltverhältnis der Akteure und damit auch ihre Beziehungs- und Handlungsmöglichkeiten in spezifischer Art und Weise beeinflussen.

Diese spezifische, dem Qualitätsmanagement zugrunde liegenden Form der Regierung bedient sich dem Konzept der Pastoralmacht, welche auf einer strukturellen Koppelung von Fremd- und Selbstführung basiert und eine spezifische Selbstführung der individuellen Subjekte und kollektiven Akteure etabliert, wodurch diese gleichermaßen zu Regierungssubjekten und -objekten werden.

Grundlagen bilden Mechanismen politischer „Responsibilisierung“ und „Subjektivierung“, über die Verantwortlichkeiten und Selbstverständnisse vermittelt und etabliert werden.

Bezogen auf die Frage nach dem Verhältnis beider Ansätze lautet die Kernthese, dass Qualitätsmanagement gleichermaßen Ausdruck und Instrument einer neuen Grammatik der Regierung sei, die durch ihre Sprach- und Wissensstrukturen die einheimischen pädagogischen, bildungstheoretischen Kategorien und Orientierungen des Professionalitätsmodells verdrängen bzw.

transformierten und somit zu einer Konstruktion neuer Rationalitäten im Feld und somit auch Handlungsweisen führte.

Die gouvernementalitätstheoretische Perspektive, auf die sich diese Argumentation stützt, ist dabei durch folgende erkenntnisleitende, theoretische und methodologische Prämissen gekennzeichnet.50 Gegenstandstheoretische und methodologische Prämissen der gouvernementalitätstheoretischen Perspektive

Im Zentrum der studies of gouvernementality steht die Frage nach den spezifischen Rationalitäten, die sich im gouvernementalen Dispositiv als einem spezifischen Regierungstypus herausbilden sowie nach den Veränderungen und Ausdrucksformen, die diese in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen erfahren. „Rationalität“ wird als „die regelgeleitete Hervorbringung von Verfahren, Programmen und Schemata des Wahrnehmens und Urteilens“ betrachtet, wobei die Analysen sich darauf richten, „wie Rationalitätsformen sich selbst in Praktiken oder Systemen von Praktiken einschreiben und welche Rolle sie in ihnen spielen“ (Foucault, 1978, S. 146)“ (Forneck & Wrana, 2005, S. 99). „Gouvernementalität“ bezeichnet in diesem Zusammenhang einen spezifischen Macht- und Regierungstypus, welcher „das Scharnier zwischen politischen Rationalitäten“ sowie den

„Technologien des Selbst“ (ebd., S. 103–104) bilde. Zentral für die Analysen dieser Regierungsform im Allgemeinen sowie für die gouvernementalitätstheoretische Analyse der Qualitätsdebatte in der Weiterbildung im Speziellen ist, dass diese theoretisch und methodologisch von der zentralen Bedeutung von Sprache bzw. Wissen für die Hervorbringung von Wirklichkeit ausgeht und in ihrem Forschungsprogramm die dualistische Trennung von Sprache und Wirklichkeit bzw. Theorie und Praxis aufgibt. Demgegenüber geht sie von einer Hervorbringung der Wirklichkeit in Diskursen durch diskursive Praktiken aus:

„Die Diskursivität nämlich ist nach Foucaults Auffassung eine operationale Praxis, die Wissen produziert, und erst dieses Wissen konstituiert den zu regierenden Bereich und macht ihn zugleich regierbar. Sprache repräsentiert weder die Realität noch ist sie bloße Legitimation, sie ist vielmehr

50 Vgl. Forneck & Wrana, 2005, S. 96 ff.

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eine intellektuelle Technologie der Produktion von Wirklichkeit und Handlungsmöglichkeiten.“

(Forneck & Wrana, 2005, S. 99)

Insofern „geht [es, H. B.] in solchen Analysen insofern immer (1) um die Rekonstruktion konkreter Diskurse und Machtpraktiken und (2) um die Bestimmung der Rationalitätsformen, die sie leiten“

(ebd., S. 100).

Ausgehend von diesen Prämissen richten sich die diskurs- und machttheoretischen Analysen von Forneck & Wrana auf die Analyse begrifflich-kategorialer Veränderungen sowie auf Wissen bezogene Verfahrenstechniken und Praktiken, die als Technologien der Hervorbringung von Wirklichkeit und Handlungsoptionen betrachtet werden, indem sie den Raum des Sag-, Denk- und damit auch Machbaren abstecken:

Verfahren der Qualitätssicherung und -entwicklung in Qualitätsmanagementansätzen installierten zum einen umfangreiche Dokumentationspraktiken, zum anderen sei mit diesen Praktiken ein bestimmtes Vokabular verknüpft, durch welches „ökonomische Begriffe in das Feld der Weiterbildung einfließen und dessen Realität beeinflussen, indem sie bestimmen, was sagbar ist und was nicht.“ (ebd., S. 171). Der Blick richtet sich insbesondere auf den Austausch der Teilnehmer durch die Kundenkategorie im Diskurs sowie die Installierung von damit verbundenen Wirklichkeitskonstruktionen, die nicht lediglich als eine bloß begriffliche Veränderung, sondern als Ausdruck veränderter Rationalitäten betrachtet wird (ebd.). Insofern könne „eine Analyse eines bestimmten Vokabulars die sich dahinter befindenden Rationalitäten offen legen“, an die sich

„Technologien (Konzepte, Modelle) und Techniken (Methoden, Verfahren) des Regierens“ (ebd.) anschlössen.

Forneck und Wrana analysieren dabei die mit den Qualitätssicherungsansätzen verknüpften Regierungsformen auf der Ebene des Feldes, der Einrichtungen sowie den Individuen, die als drei miteinander zusammenhängende Ebenen sichtbar werden: „Auf der ersten Ebene“ wird Qualitätssicherung als „eine steuernde Regierungspraktik“ betrachtet, „durch die das Feld in einem spezifischen Sinne geführt“ werde, auf der zweiten Ebene rücken die verschiedenen beigeordneten

„Managementpraktiken“ in den Blick, „mit deren Hilfe die Weiterbildungseinrichtungen zu einer den neuen Rationalitäten folgenden Selbstführung gelenkt werden sollen“, auf der dritten Ebene analysieren die Autoren, „wie in diesen Praktiken Fremd- und Selbstführung konstelliert sind“, insofern diese Praktiken immer auf Formen der indirekten Steuerung zielten, „in denen die Selbstführungen der Subjekte und der Einrichtungen geführt werden sollen.“ (ebd., S. 173)

Qualitätsmanagement als Regierungsform der Weiterbildungsanbieter und -abnehmer

Dabei werden entlang der Ebenen folgende Formen und Konstellationen der Regierung des Feldes herausgearbeitet: Auf der Ebene der einzelnen Weiterbildungseinrichtung führe Qualitätsmanagement zur Etablierung von Techniken und Verfahrensweisen der Selbstbeobachtung, -beurteilung und -optimierung, welche – sinngemäß – eine pastorale Beichtpraxis etablierten, die zu einer Selbstführung entsprechend der gouvernementalen neo-liberalen Rationalität führte.

Qualitätsmanagement wird hier „als Organisationsprinzip“ betrachtet, dass „die Selbstführung der Beteiligten“ strukturiere, „in dem es die jeweiligen Mittel“ für eine Formung einzelner Mitarbeiter/-innen oder ganzer Abteilungen bereitstelle (ebd., S. 174). Insbesondere heben die Autoren die Bedeutung von Praktiken der Dokumentation hervor, die als Formen der Selbstevaluation fungierten und mit der Produktion neuen organisatorischen, der Kontrolle sowie der Etablierung neuer Rationalitäten dienenden Wissens einhergingen (vgl. ebd.). Dieser Regierungsmechanismus zeichne

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sich dabei durch eine bislang nicht etablierte Qualität der Kontrolle aus. Das Wissen mache „die Steuerung der Qualität der administrativen und pädagogischen Arbeit beeinflussbar“, wobei auch hier „eine Subjektivierungsstrategie“ (ebd.) zugrunde liege:

„Qualität kann nur über die Selbsterkenntnis der Mitarbeitenden funktionieren. So müssen Personen zunächst in pastoraler Form (Mitarbeitergespräche) selbst ihre Schwächen gestehen, da sie die bisherige Intransparenz ihrer Tätigkeit durch die Dokumentation aufheben. […] Die Mitarbeiter werden nicht extern mittels Ergebniskontrollen überprüft, sondern durch die offenlegende Dokumentation sind sie gezwungen, sich selbst zu überwachen.“ (ebd.)

Zwischen den Einrichtungen forciere das Qualitätsmanagement nach LQW durch ein Arsenal von Praktiken (Treffen, Rundbriefe, etc.) eine Community-Bildung und konstruiere eine „Gemeinschaft, die explizit einen Vergleichsdruck zwischen den einzelnen Mitgliedern etabliere“ (ebd.), welche eine

„Überführung von ökonomischen Konkurrenz- und Wettbewerbsmechanismen in die Strukturen der Erwachsenen- und Weiterbildung“ anzeige. Dabei werde die geschaffene Konkurrenzsituation als Supportstruktur präsentiert, wodurch die Macht- und Kontrollstruktur verschleiert werde (ebd., S.

175).

Als Kernstück der neoliberalen Gouvernementalität wird die „Produktion von auf dem Markt begehrten und nützlichen Subjektivitäten“ ausgewiesen, wobei der Kategorie des Kunden eine zentrale Funktion zukomme. Diese konstituiere über Subjektivierungsmechanismen sowohl Abnehmer als auch Anbieter, womit sie diese in ein spezifisches, durch eine neoliberale Rationalität geprägtes Verhältnis zueinander und zu sich selbst setze.

Verdrängung der mit dem Programm der Professionalisierung verbundenen Formen der Subjektivierung sowie Sozialbeziehungen

Im Hinblick auf die Fragestellung der vorliegenden Untersuchung bezogen werden in der gouvernementalitätstheoretischen Analyse auch die unterschiedlichen Sinnhaftigkeiten und Rationalitäten von pädagogischer Professionalität und Qualitätsmanagement herausgearbeitet, wobei insbesondere die Differenzen und Widersprüche zwischen Teilnehmer- und Kundenorientierung sowie der mit ihnen verbundenen unterschiedlichen Formen der Subjektivierung, Handlungsorientierungen und damit einhergehenden Beziehungen zwischen den Subjekten bzw. Akteuren und zu sich selbst in den Blick geraten. Strukturell bedeutsam ist insbesondere der „Wechsel von der Teilnehmerorientierung zur Kundenorientierung“, der zur Etablierung eines neuen Qualitätsregimes auf der Anbieterseite mit grundlegenden Veränderungen der Selbstverhältnisse sowie der Beziehungskonstellationen zwischen den Subjekten führe:

Während „Teilnehmerorientierung die Zumutung eines anspruchsvollen Subjektideals“ implizierte, zwänge „die Kundenorientierung zur Ausrichtung des Handelns an Bedürfnissen mit einem damit einhergehenden Sicherheitskalkül“ (Forneck & Wrana, 2005, S. 180), bei dem Kunden „als potenzielle Käufer von Unannehmlichkeiten oder Nebentätigkeiten, die vom Kaufen ablenken könnten, entlastet werden“ müssten. Meinte „Teilnehmerzufriedenheit bisher jene Emotion“, welche „sich nach einer Phase der erfolgreichen subjektiven Anstrengung einstellte“, ziele „Kundenzufriedenheit auf die Beurteilung des Anbieters“ ab, wobei sich durch diese Verlagerung die Adressatenkonstruktion transformiere und „aus den teilnehmenden Lernenden […] (mit)zahlende Kunden“ (Forneck &

Wrana, 2005, S. 181) würden. Dabei formiert der Kundenbegriff spiegelbildlich zugleich „Adressat und Adressant der Weiterbildung“ und bringe „diese in ein neues Verhältnis“ (ebd., S. 181).

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In der Gesamtschau verweisen die Analysen von Forneck & Wrana dabei auf eine umfassende Transformation des gesamten Weiterbildungssektors, der sich – befördert durch Qualitätsmanagement als Ausdruck und Motor dieser Entwicklung – entsprechend der Struktur eines Marktes sowie seiner Selbst-, Sozial- und Handlungsformen transformierte und somit die klassischen, mit dem Programm der Professionalisierung des Weiterbildungssektors verbundenen Modelle ablöste: In Folge etabliere „sich eine neue strategische Beziehung zwischen Anbieter und Kunden, die nichts mehr mit dem Verhältnis von traditioneller Bildungseinrichtung und Teilnehmer zu tun“ (ebd.) habe.

3.3.3 Vergleich und Auswertung beider Perspektiven mit Blick auf die

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