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Schnitt- und Kontaktstellen zwischen beiden Ansätzen aus handlungs- und steuerungstheoretischer Sicht handlungs- und steuerungstheoretischer Sicht

Zweck-Mittel-Rationalität als Analyseheuristik, kulturtheoretisches Rahmenmodell des Handelns

4.6.3 Theoretische Überlegungen zum Zusammenspiel von pädagogischer Professionalität und Qualitätsmanagement Professionalität und Qualitätsmanagement

4.6.3.1 Schnitt- und Kontaktstellen zwischen beiden Ansätzen aus handlungs- und steuerungstheoretischer Sicht handlungs- und steuerungstheoretischer Sicht

Um das Zusammentreffen von pädagogischer Professionalität und Qualitätsmanagement und ihrer Handlungsordnungen zu modellieren, bietet es sich an, eine handlungs- und tätigkeitsbezogene organisationstheoretische Perspektive einzunehmen und Weiterbildungseinrichtungen als ein Handlungssystem aus einzelnen Handlungszusammenhängen zu verstehen (vgl. zu einem tätigkeits- und handlungsbezogenen Bild von Organisationen z. B. die verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie, vgl. z. B. Berger et al., 2001; vgl. auch Schäffter, 1988 sowie 1994), die sich z.

B. nach Funktions- und Aufgabenkomplexen, Ebenen und Bereichen gliedern lassen.

Normen zum Aufbau von Qualitätsmanagementsystemen sowie Qualitätsmanagementsysteme selbst können in Anschluss an diese Perspektive als institutioneller Ordnungsrahmen für das Handeln in Weiterbildungseinrichtungen verstanden werden, innerhalb dessen Professionalität, d. h.

professionelle Identitäten, Handlungsvollzüge und ihrer Voraussetzungen sich heute herausbilden und vollziehen können. Qualitätsmanagementansätze und -systeme bilden damit einen Teil des Konstitutionszusammenhangs organisationsgebundener Professionalität (in Anknüpfung an die Formulierung von Schicke, 2011), wobei umgekehrt auch Professionelle und professionelles Handeln potenziell zur Konstitution von Qualitätsmanagementsystemen betragen, etwa durch den Einfluss auf die Definition von Standards in Entscheidungsgremien bei der Implementierung von Qualitätsmanagementsystemen. Insofern bilden beide einen wechselseitigen Verweisungszusammenhang.70

Die Auseinandersetzung mit dem Diskussions- und Forschungsstand hat dabei gezeigt, dass sich verschiedene Relationsebenen und -mechanismen ergeben, über die beide Zugänge miteinander verbunden sind. Auch die handlungstheoretischen Erkenntnisse zu den Elementen von

70 Während Qualitätsmanagement im Diskurs um Professionalität häufig als Störfaktor von professionellem Handeln erscheint, wird weniger häufig die Perspektive von Qualitätsmanagement auf Professionalität einge-nommen. So können auch professionelle Handlungsvollzüge aus der Perspektive des Qualitätsmanagements als eine Quelle potenziellen Widerstands gegenüber bestimmten Leitlinien erscheinen, die das Qualitätsmanage-ment in Einrichtungen setzt (z. B. Kundenorientierung). Der Professionelle wird in professionstheoretischen Perspektiven aufgrund seiner Fachexpertise und Autonomie auch als potenziell gemeingefährlich eingestuft (vgl. Rüschemeyer, 1980, zitiert nach Tenorth, 2006, S. 587) aufgrund der Probleme, ihn zentral hierarchisch zu kontrollieren und zu steuern (vgl. ebd.). Auch Weber hat aus bürokratietheoretischer Perspektive diesen Ge-sichtspunkt der Steuerungsproblematik professioneller Handlungsvollzüge bereits entwickelt. Sie lässt sich darüber hinaus auch im Rekurs auf aktuelle empirische Befunde ohne Weiteres plausibilisieren, wenn zum Ausdruck gebracht wird, dass Anforderungen und Steuerungsansprüche des Qualitätsmanagements an menta-len Mitgliedschaften zerschelmenta-len oder entkoppelt werden (vgl. die Arbeiten von Hartz, jüngst 2011, oder auch Töpper, 2012). Der Professionelle wird dann zumindest pozentiell zum Störenfried oder Querulant qualitäts-gemanagter Arbeitsvollzüge oder zur subversiven Kraft, die spezifische betriebliche Logiken in ihrem Vollzug stört oder unterminiert durch eine Eigensinnigkeit pädagogischer Anspruchslogik.

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Handlungsordnungen zeigen verschiedene Ebenen auf, über die Qualitätsmanagementansätze auf pädagogische Professionalität Einfluss nehmen können: Ausgehend von den erarbeiteten Erkenntnissen beeinflussen diese Handeln durch die Vorgaben von Zweck-Mittel-Rationalitäten, durch die Etablierung von Wertstrukturen sowie durch die Einführung von Begriffsapparaten, die als kognitiv-symbolische Ordnungsmuster die Wahrnehmungs-, Erfahrungs- und Beurteilungsräume von Professionellen strukturieren und so auch beeinflussen, wie gehandelt wird.71

Um genauer zu ermitteln, inwiefern beide mit ihren Vorgaben und Handlungsordnungen auf der Ebene des Handelns zusammentreffen und sich überschneiden – also Schnitt- und Kontaktstellen entstehen – wird im Weiteren zum einen an die bereits eingeführten steuerungstheoretischen Kategorien angeknüpft (vgl. Kapitel 3.3.4). Dies bietet sich insofern an, als die Kategorie der Steuerung begrifflich zu konkretisieren hilft, in welcher Weise beide Zugänge auf das Handeln der Akteure in der Weiterbildung Einfluss nehmen sowie – im Ausgang davon –, wo und über welche Vorgänge beide aufeinandertreffen.

Zum anderen wird aufbauend auf diese Überlegungen auf Systematisierungen und Modellierungen der zentralen Handlungsebenen und -bereiche in Weiterbildungseinrichtungen zurückgegriffen, da auf Basis dieser Unterscheidungen in der Analyse der in Steuerungsabsicht adressierte Bereich genauer bestimmt sowie die Kontakt- und Schnittstellen mitbeleuchtet werden können.

Steuerungstheoretische Überlegungen: Steuerungsgrammatik, Adressat, Adressierungsbereich, direkte und indirekte Adressierung

Auf Basis der bereits eingeführten steuerungstheoretischen Überlegungen (vgl. Mayntz, 1987; Hartz, 2008; Bruns, 2015) lassen sich Professionalität und Qualitätsmanagement als Ansätze der Steuerung definieren, die das Handeln in Weiterbildungseinrichtungen – dem Gegenstand bzw. Objekt der Steuerung – zu steuern, d. h. in Steuerungsabsicht zu adressieren versuchen, wobei dies unter Einsatz von Steuerungsmedien bzw. -mitteln – z. B. mithilfe der Kompetenzen von Professionellen oder durch organisationale Standards des Qualitätsmanagements – geschieht (vgl. dazu auch Hartz & Schrader, 2009).

Mit Adressierung ist der Sachverhalt gemeint, dass sich die Normen auf bestimmte Tätigkeits- und Handlungskomplexe beziehen, um diese entsprechend einer bestimmten Ordnungsvorstellung in Steuerungs- und Gestaltungsabsicht intentional zu beeinflussen, um so Steuerungswirkungen zu erzielen. Diejenigen, auf die sich die Normen beziehen und die adressiert werden, können als Adressaten und der Gegenstandsbereich als Adressierungsbereich bezeichnet werden. Dabei lassen sich in Anschluss an steuerungstheoretische Betrachtungen direkte, unmittelbare sowie indirekte, mittelbare Formen der Steuerung bzw. Adressierung unterscheiden (vgl. zu verschiedenen Steuerungsinstrumenten und -formen im Kontext der Politikwissenschaft Braun & Giraud, 2003):

Während sich im Falle einer direkten Adressierung die Normen semantisch, d. h. in ihrem Inhalt, direkt auf ein bestimmtes Handeln als Gegenstandsbereich beziehen (z. B. Normen zur methodischer Ausgestaltung der Lehr-Lern-Interaktion), referieren diese im Falle einer indirekten Adressierung zunächst unmittelbar auf andere Sachverhalte (z. B. die Gestaltung der Anforderungsprofile als Management- und Organisationsaufgabe), welche jedoch dazu genutzt werden können, um diese mittelbar zu steuern.

71 Dies machen u. a. die Ausführungen von Dewe (vgl. Dewe, 2005) sowie die Debatten um die Problematik des Kunden-, Produkt oder Dienstleistungsbegriffs und die Diskussion um die Bedeutung einheimischer Begriffe deutlich (vgl. z. B. Nittel, 1997).

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Schnitt- und Kontaktstellen zwischen den einzelnen Ansätzen entstehen in Anschluss an diese Perspektive überall dort, wo der Gegenstandsbereich sich entweder in direkter Weise überschneidet, also die gleichen Tätigkeits- und Handlungskomplexe mit normativen Vorgaben adressiert werden, oder aber die in dem Gegenstandsbereich der Normen liegenden Tätigkeits- und Handlungskomplexe in einem mittelbaren Zusammenhang – z. B. Wechselwirkungen, Rückstoßeffekte – stehen, sich also indirekte Zusammenhänge ergeben.

So können Schnitt- und Kontaktstellen beispielsweise genauso durch Vorgaben für das Planungshandeln auf der Ebene der Programm- und Angebotsplanung entstehen, in Folge derer beide mit ihren normativen Vorgaben unmittelbar aufeinanderprallen, als auch durch die Festlegung von Anforderungs- und Kompetenzprofilen des planend-disponierenden Personals auf der Leitungs- und Managementebene mit dem Planungshandeln auf der Ebene der Programm- und Angebotsplanung, aus denen eher indirekte Wirkungen resultieren.

Aus handlungs- und steuerungstheoretischer Perspektive erscheint das Verhältnis von Professionalität und Qualitätsmanagement insofern als ein komplexer Wirkzusammenhang, der sich durch die verschiedenen direkten und indirekten Schnitt- und Kontaktstellen zwischen diesen ergibt.

Wenngleich angesichts der angesprochenen Komplexität nicht alle Schnitt- und Kontaktstellen beider Ansätze auf der Handlungsebene in systematischer Weise erfasst werden können, sollen zumindest neben direkten auch indirekte Verknüpfungen zwischen beiden auf der Ebene des Handelns

‚mitgedacht‘ und auf dieser Basis auch Überlegungen zur Passung ihrer Handlungsvorgaben angestellt werden.

Theoretische Modellierung des Gegenstands- und Adressierungsbereichs

Das ‚Handeln in Weiterbildungsbereichen‘ als Gegenstandsbereich von pädagogischer Professionalität und Qualitätsmanagement kann handlungstheoretisch als eine zusammengesetzte Leistung verstanden und in eine Vielzahl von einzelnen, miteinander verketteten Tätigkeiten und Handlungen differenziert werden. Diese lassen sich zu Tätigkeitsbündeln zusammenfassen, welche sich wiederum größeren Einheiten – z. B. Funktions- und Aufgabenkomplexen – sowie Bereichen oder Ebenen zuordnen lassen (etwa des Bildungsmanagements, der Lehr-Lern-Interaktion oder der Programm- und Angebotsplanung) (vgl. z. B. im Kontext von Bildungsmanagement Merk, 1998, zu einschlägigen Systematisierungen und Modellbildungen Tippelt, 2010). Der Steuerungsanspruch der beiden Zugänge in Bezug auf diesen Komplex aus Tätigkeits- und Handlungsbündeln ist dabei je nach Ansatz unterschiedlich: Beispielsweise beziehen sich Qualitätsmanagementansätze, die dem Ansatz des Total-Quality-Managements folgen, von ihrem Anspruch her zur Gewährleistung von Qualität auf die gesamte Einrichtung und ihre Handlungsaufgaben und -komplexe der Dienstleistungserbringung, während Tietgens die Professionalitätskategorie insbesondere für die Ebene des Programm- und Angebotsplanungshandelns expliziert und andere Bereiche weniger stark im Blick hat. Insofern aus dem jeweils unterschiedlich großen Umfang des Gegenstands- und Steuerungsbereichs auch unterschiedlich große Schnitt- und Kontaktstellen resultieren, an denen sich die Passung erweist, soll in der weiteren Untersuchung der Kompatibilität beider Zugänge zueinander der von den einzelnen Ansätzen in den Blick genommene Gegenstands- und Adressierungsbereich erfasst und in die darauf aufbauenden vergleichenden Analysen miteinbezogen werden.

Dazu soll im Weiteren die handlungstheoretische Folie um ein weiteres heuristisches Modell ergänzt werden, das die verschiedenen Handlungs- und Tätigkeitskomplexe in Weiterbildungsorganisationen unterscheiden hilft. Die vorhandenen Modelle werden dabei nach unterschiedlichen Ordnungsgesichtspunkten gegliedert und systematisiert. Dies geschieht z. B. im Rückgriff auf

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Räumlichkeitskategorien (Bereiche, Ebenen, Felder, Kreise u. Ä.) oder geordnet nach Funktions-, Aufgaben- und Berufsgruppen (Programm- und Angebotsplaner, Dozent); zudem werden diese entsprechend unterschiedlicher Gliederungsprinzipien aufeinander bezogen (z. B. vertikal oder horizontal, hierarchisch oder chronologisch). Als Beispiele können angeführt werden:

- das Modell didaktischer Handlungsebenen von Flechsig und Haller (vgl. Flechsig & Haller, 1975) als der prominenteste Entwurf (vgl. Tippelt, 2010), der ursprünglich für den institutionell-organisatorischen Kontext der Schule entwickelt und z. T. in modifizierter Form in der Erwachse-nenbildung genutzt wird (vgl. ebd., Siebert, 2003; Schäffter, 2001),

- das institutionentheoretische Modell von Schäffter, welches das eigene Modell institutioneller Operationskreise mit dem didaktischer Handlungsebenen von Flechsig verknüpft (vgl. Schäffter, 2001),

- Aufgabenfelder und Tätigkeiten von Erwachsenen- und Weiterbildner/inne/n (vgl. Kraft, 2006, S.

27 f.; Mania & Strauch, 2010, S. 81 ff.),

- Berufsgruppen bzw. Funktionen sowie zugehörige Aufgaben- und Tätigkeitskomplexe (vgl. Witt-poth, 2013; Mania & Strauch, 2010, S. 76 ff.).

Für die weitere Untersuchung wird an das Modell in Tabelle 14 angeschlossen, welches den Komplex von Tätigkeiten und Handlungen in der Weiterbildung nach Handlungsebenen differenziert.

Damit wird eine Unterscheidung zugrunde gelegt, die einerseits hinreichend allgemein ist, um die beiden unterschiedlichen, aus verschiedenen Kontexten und Zusammenhängen stammenden Qualitätszugänge aufeinander zu beziehen und diese zudem in heuristischer Weise zu nutzen;

andererseits ermöglicht es als Sehhilfe eine hinreichend differenzierende Betrachtung.

Tabelle 14: Handlungsebenen, Aufgaben- und Tätigkeitskomplexe in der Weiterbildung

Handlungsebene Aufgaben-/Funktionen (Tätigkeitskomplexe)

Leitung u. Management Organisation und Leitung einer Einrichtung (z. B. Management, Controlling u. a.)

Programmplanung Angebotsplanung, Bedarfserhebung, -analyse, Zielgruppenanalyse Projektorganisation u. a.

Lehr-Lern-Interaktion Vorbereitung, Erstellung von Materialien, Visualisierung, Moderation, (Selbst-)Evaluation, Lernberatung u. a.

(in Anschluss an Wittpoth, 2013; Kraft, 2006)

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