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2 ‚Pädagogische Professionalität‘ und Qualitätsmanagement als Zugänge zu Weiterbildungsqualität

Sortierung 4: Ordnung nach Problemgesichtspunkten bzw. Strukturelementen des Handelns, unter denen das Verhältnis von Qualitätsmanagement und pädagogischer Professionalität diskutiert

3.2 Zentrale Topoi und Argumentationslinien in der Debatte

3.2.1 Ausgewählte Positionen und Perspektiven der jüngeren Debatte

Die Durchsicht von Debatten-Beiträgen der letzten Jahre zeigt, dass trotz der nunmehr über 15-jährigen Diskussion und veränderten Diskussionslage die Identität und Differenz beider Ansätze sowie ihr Verhältnis zueinander weiterhin thematisch ist, wenngleich dies in differenzierter Weise ohne einfache Dichotomisierungen erfolgt. Zudem finden sich auch verschiedene (empirische) Untersuchungen des Einflusses und der Wirkungen von Qualitätsmanagement auf Professionalität und Professionalisierung (vgl. Schmidt-Herta & Aust, 2012; Zech, 2012; jüngst Spiewok et al., 2015).

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Gleichwohl sind die Debatten kontrovers, uneindeutig sowie ambivalent. Die Debatte zeigt, wie einleitend dargelegt, zumindest drei zentrale Perspektiven auf: Neben den Kritikern von Qualitätsmanagementansätzen, die die Problemlagen und Konfliktpotentiale im Zusammenspiel mit Professionalität hervorheben (vgl. die Argumentation bei Dewe, 2005), finden sich Protagonisten (insbesondere Zech, vgl. z. B. Zech, 2006c; Zech, 2008a) sowie moderierende Positionen, die zwischen beiden Zugängen zu vermitteln suchen (vgl. Hartz, 2004; Egetenmeyer & Käpplinger, 2011).

Die Unterschiede in den Bewertungen und Betrachtungsweisen werden dabei von den jeweiligen Professionalitätsverständnissen und Auffassungen von Qualitätsmanagement moderiert. Zudem kommt es über die Debatte des Qualitätsmanagements hinaus zu einer Erosion von Kategorien und Differenzsetzungen wie Pädagogik bzw. Profession und Organisation (vgl. jüngst Schicke, 2011, S. 1 ff.; Feld & Seitter, 2016), auf deren Basis Gegenüberstellungen von pädagogischer Professionalität und Qualitätsmanagement in der Vergangenheit, aber auch gegenwärtig vorgenommen wurden.

Im Folgenden konzentriere ich mich zum einen auf deskriptiv-analytisch ausgerichtete,

‚differenztheoretisch‘ orientierte Beiträge, insofern diese über die bereits referierten, typischen Argumentationsmuster hinausgehen. Diese postulieren eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen sinn- und handlungslogischen Eigenheiten sowie Möglichkeiten und Grenzen der Ansätze, wobei sie die Vorstellung einer Art Arbeitsteilung transportieren (vgl. Hartz, 2004; Hartz & Meisel, 2011; Egetenmeyer & Käpplinger, 2011) und für eine weitere Verschrankung beider Diskurse zur wechselseitigen Anregung und Erweiterung respektive zur Vermeidung von Entkoppelung plädieren (vgl. Hartz, 2011). Zum anderen beziehe ich mich auf Protagonisten des Qualitätsmanagements, die entgegen der Kritik der differenztheoretisch argumentierenden Autoren von einer Vereinbarkeit von Professionalität und Qualitätsmanagement ausgehen. Weiterhin – zum dritten – rekurriere ich auf ausgewählte professionstheoretische Kritik an den neuen Ansätzen sowie auf Problematisierungen der Grundlagen der Verhältnisbestimmungen. Dies geschieht dabei exemplarisch an ausgewählten Debattenbeiträgen.

Differenztheoretische Perspektive

Beispiele für eine differenztheoretische und integrative Betrachtung finden sich gegenwärtig etwa bei Hartz, die sich auf Harney bezieht (vgl. Hartz, 2004; Hartz, 2011) und Egetenmeyer und Käpplinger (2011). Im Weiteren wird die Argumentation von Egetenmeyer und Käpplinger (Egetenmeyer & Käpplinger, 2011, S. 27 ff.) angeführt, insofern die Perspektive von Harney, Hartz u.

a. im späteren Verlauf vertiefend dargestellt wird (vgl. Kapitel 3.3.1) und die Autoren sich zudem auf diese beziehen. Die Autoren gehen in Übereinstimmung mit anderen Debattenbeiträgen (Harney, Hartz, Nittel, Veltjens) ebenfalls von einer Differenzhypothese aus, wobei sie die Differenzen beider Zugänge neben handlungsstrukturellen Merkmalen auch anhand von Unterschieden in ihrer Herkunft und ihrer disziplinären Verankerung explizieren (vgl. S. 28; vgl. Tabelle 4).

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Tabelle 4: Unterschiede zwischen Professionalität und Qualitätsmanagement

(Quelle: Egetenmeyer & Käpplinger, 2011, S. 28) Auf dieser Basis warnen sie zum einen vor einer verkürzten Gleichsetzung einer Professionalisierung durch Qualitätsmanagement sowie vor einer Vermengung beider Zugänge auch in aktuellen Kompetenzdiskursen sowie einer Vermengung beider Logiken (ebd., S. 29). Zum anderen gehen sie von einer Art funktional differenzierten, bereichsspezifischen Zuständigkeit beider Ansätze aus und

‚empfehlen‘ einen Ansatz in Abhängigkeit von der Anforderungsstruktur des jeweiligen Aufgaben- und Tätigkeitsbereichs. Zur Identifizierung der jeweils angemessenen Bearbeitungsform einer Arbeitssituation respektive der Beurteilung der jeweiligen Zuständigkeit eines Ansatzes geben sie drei Fragekomplexe vor, welche sich auf die Eindeutigkeit der Beurteilungskriterien, den Grad der Standardisierbarkeit und Routinisierbarkeit respektive die Komplexität des Aufgabenzuschnitts sowie auf die Wissensvoraussetzungen beziehen:

„Adult learning professionals are normally working in organisations. For this reason, it is necessary to decide in which situation the logic of the professional should be the guiding logic. To identify this, the following questions could be used:

- Which actions follow a right/wrong logic and can be standardised by quality management? Which ac-tions follow an adequate/inadequate logic and therefore need professionalisation without standardi-sation?

- For which actions is it sufficient to follow routines, and can they be standardised by quality manage-ment? Which actions need a holistic interpretation of a complex situation beyond routines and have to be professionalised?

- For which actions is it necessary to have academics expertise and therefore qualified staff (Profession-alisation)? For which actions is this unnecessary?“ (Egetenmeyer & Käpplinger, 2011, S. 33)

Im Zentrum stehen somit insbesondere Fragen, in welchem Grad Tätigkeiten standardisierbar bzw.

nicht über Routinen gesteuert werden können sowie betreffend die Genese und die Komplexität der Wissensbasis. Als Voraussetzung zur Sicherung von Qualität postulieren sie die Wahrnehmung beider Zugänge als gleichberechtigte Zugänge, wobei – der integrativen Stoßrichtung der Argumentation zum Trotz – angesichts der differenten Organisationsprinzipien Grenzen gesehen werden (vgl. S. 32):

„To reach quality in adult learning sector, both perspectives should be acknowledged in their own respect.“ (ebd., S. 33)

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Schrader nähert sich dem Verhältnis beider Zugänge aus einer historisch-vergleichenden, auf die Systemebene bezogenen Makroperspektive, wobei er sich primär für die Wirkungen beider Zugänge, insbesondere aber des Qualitätsmanagements für die Qualität von Weiterbildungssystemen interessiert. Dabei versteht er beide nicht lediglich als Formen der Arbeitsorganisation mit einem bestimmten Steuerungsmuster, sondern auch als Reform- und Modernisierungsstrategien, wobei er als eine Besonderheit im gegenwärtigen Diskurs neben Differenzen auch zentrale Gemeinsamkeiten beider Zugänge hervorhebt. Die herausgestellten Merkmale beziehen sich dabei auf unterschiedliche Bereiche – Genese, zugrunde liegende Gesellschafts- und Bedarfsmodelle, ordnungspolitische Leitbilder, Handlungsorientierungen etc. – und werden nicht explizit auf ein übergreifendes Muster oder ein bestimmtes Ordnungsmuster zurückgeführt, aus denen sich die Einzelmerkmale ergeben.

Tabelle 5 führt zentrale Gemeinsamkeiten und Differenzen beider Zugänge auf:

Tabelle 5: Professionalität und Qualitätsmanagement als Reform- und Modernisierungsstrategien

Professionalisierung Qualitätsmanagement

Gemeinsamkeiten

- Unterstellung eines Bedarfs an Reformen der Weiterbildung als bedeutsamer Dienstleistungsbe-reich

- Ursprung außerhalb des Weiterbildungssystems (Profession: Wissenschaftssystem; Qualitätsdebat-te: betriebliche Kunden und Adressaten von Weiterbildungseinrichtungen)

- Orientierung an allgemeinen, gleichermaßen positiven als auch schwer zu operationalisierenden Leitformeln

- eher lockerer Bezug zu den relevanten Bezugsdisziplinen - Lehrkräfte als Schlüsselfaktoren von Weiterbildungserfolg

- instrumentelle Funktion von Weiterbildung als Instrument zur Vermittlung von Kenntnissen, Fähig-keiten, Fertigkeiten an individuelle und kollektive Adressaten zur Anpassung an veränderte Um-weltbedingungen

- Bedarfsorientierung sowie gemeinsame Aufgaben- und Tätigkeitskomplexe (Systematische und regelmäßige empirische Bedarfserhebungen, Bedarfsanalyse, Konzeptentwicklung, Teilnehmerge-winnung einschließlich Beratung, Durchführung und Organisation von Weiterbildungsveranstaltun-gen)

- Konzentration auf Quantitäten, Fokus auf Input-Faktoren (Qualität der Einrichtungen, Programme, Ankündigungstexte, in zweiter Linie (Lehr-)Personal, Lehr-Lern-Prozesse)

Differenzen

Ausgangspunkt: öffentliche Weiterbildung Ausgangspunkt: berufliche/betriebliche Weiterbildung

bildungspolitische Ansprüche eines Ausgleichs sozialer, regionaler und curricularer Defizite

inhaltlich indifferent, Fokus auf zufriedenen Kunden

Systembezug: Hoffnung auf ein transparent, kontinuierlich und zuverlässig arbeitendes Gesamtsystem

Organisationsbezug, Marktorientierung

Bedarf: zu erschließende

Weiterbildungsbedürfnisse

Bedarf: manifeste Nachfrage

sozialstaatlich motivierte Fürsorge betriebswirtschaftliche Effektivität und Effizienz Rückbindung an plurale und kooperative Träger,

staatliche Subventions- und Fördermaßnahmen sowie rechtlich abgesicherte Regelungen zum Verbraucherschutz

Leitbild des freien Marktes, Konkurrenz der Anbieter, Verbesserung des Nachfrageverhaltens der Kunden, welche sich am Gebrauchs- und Nutzwert einer Leistung orientieren

professionelle Leiter von Fachbereichen effiziente und effektive Organisationsmitarbeiter Verantwortung des Staates für ein modernes

allen zugängliches, Weiterbildungssystem

Verantwortung einzelner Anbieter für Zufriedenheit je unterschiedlicher Kunden

stillschweigende Orientierung am Schuldmodell Orientierung am erfolgreichen

Dienstleistungs-unternehmen auf dem offenen

Weiterbildungsmarkt Qualität des Programms Qualität der Organisation

(in Anschluss an Schrader, vgl. Schrader, 2012, S. 81 ff.)

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In der Gesamtschau werden Professionalisierung und Qualitätsmanagement aber auch von Schrader – den herausgearbeiteten Gemeinsamkeiten zum Trotz – im Hinblick auf ihre Steuerungs- und Handlungslogik in Anschluss an Harney (vgl. 1997, Harney, 1998) „als konkurrierende, wenngleich nicht alternative Strategien zur Sicherung der Qualität von Weiterbildung“ (vgl. Schrader, 2012, S. 84) betrachtet, wobei er aufgrund der gravierenden Gegensätze skeptisch gegenüber der bildungspolitischen Annahme einer Komplementarität beider Modernisierungsstrategien verbleibt;

auch gegenüber einer „Pädagogisierung der Qualitätsdebatte“ meldet er Zweifel an, „wenn sich damit die Hoffnung verbindet, man könne das eine Konzept durch das andere ersetzen“ (Schrader, 2012, S. 83). Weiterhin verweist er auch auf Transformations- und Anpassungsprozesse aufgrund des Zusammenprallens beider Debatten, wobei „nicht leicht zu entscheiden“ sei, „zu welchen Abgrenzungen oder Durchmischungen dieser Paradigmenwechsel in der Erwachsenenbildung führen wird bzw. schon geführt hat“ (ebd., S. 85). Zentral ist auch hier die Problematisierung einer Gefahr der Kategorienverwischung.

Komplementäres Zusammenspiel von pädagogischer Professionalität und Qualitätsmanagement Als zentraler Vertreter für eine Position, in der pädagogische Professionalität und Qualitätsmanagement mehr oder weniger – wenngleich auch unter im Rekurs auf ein verändertes Professionalitätsverständnis – problemlos zusammengedacht werden, kann Zech herangeführt werden:

Zech bezieht sich kritisch auf die Gegenüberstellung von Professionalisierung und Qualitätsmanagement in der Debatte, wobei er von einem „zwingende[n] Zusammenhang zwischen organisationalen Qualitätsmanagement und personaler Professionalisierung“ (Zech, 2012, S. 1) ausgeht. Professionalisierung wird in seiner Argumentation im Gegensatz zu der von Egetenmeyer und Käpplinger und Schrader nicht spezifisch entsprechend des Programms der 1970er/1980er-Jahre in Orientierung am Muster der Profession gefasst, sondern ausgehend von Profil der Organisation als Kompetenzentwicklung konzipiert. Deren inhaltliche Ausrichtung ergibt sich aus dem notwendigen Kompetenzprofil der Gesamtorganisation zur Befriedigung der an sie gestellten externen Umwelt- und Kundenerwartungen, die dann entsprechend der einzelnen Kompetenzprofile und -erfordernisse für die Ausübung einzelner Teilfunktionen einer Organisation (Leitung, Pädagogik, Verwaltung) auszugestalten sei. Aus dieser Perspektive ist für Zech daher zuerst „die Frage nach der Qualität und den Kompetenzen der Organisation als Ganzes“ und „erst danach die Frage nach den Kompetenzen einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf bestimmten Funktionsstellen in Leitung, Pädagogik und Verwaltung“ (Zech, 2012, S. 4) zu stellen, wobei die Professionalisierung inhaltlich „aus der Perspektive des Marktes und der Kunden und ihrer Anforderungen an die Organisation angegangen und gestaltet wird“ (ebd., S. 6). Anstatt Qualitätsmanagement und Professionalisierung der Beschäftigten gegeneinander auszuspielen, sei vielmehr drüber nachzudenken, „wie dieser untrennbare Zusammenhang noch stärker miteinander vermittelt werden“ (ebd., S. 3) könne. Damit wird nicht lediglich die Relation anders bestimmt, sondern vorerst auch Professionalisierung und Professionalität bei Zech im Gegensatz zum klassischen Konzept in zweifacher Weise umdefiniert:

Erstens werden beide inhaltlich anstatt von einer Profession bzw. der Disziplin aus vom organisationalen Standpunkt aus definiert und sie bemessen sich zweitens anstatt an ihren internen Weltvorstellungen an der Fähigkeit zur Befriedigung externer gesellschaftlicher Umwelt- und Kundenerwartungen.

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Professionstheoretische Kritik an den Bildungsvorstellungen der neuen Qualitätsmanagementansätze

Über die Kritik der zugrunde liegenden Muster der Arbeitsorganisation hinaus findet sich auch dezidiert gegenüber neuen Qualitätsmanagementansätzen Kritik, die sich auf die lern- und bildungstheoretischen Grundlagen richtet. Sie geht insofern über die typische Kritik an der ökonomischen Ausrichtung des Qualitätsmanagements hinaus: So argumentiert Peters, dass die im LQW-Ansatz transportierte Bildungsvorstellung, welche auf individuelle Handlungsbefähigung im Kontext Lebenslangen Lernens abzielt, „zwar realitätsnahe“ sei, „gleichwohl jedoch egozentrisch-utilitaristisch“ anmute und „nur teilweise mit der professionellen Handlungsreferenz Bildung kompatibel“ sei, „die eben nicht nur die Interessen der lernenden Erwachsenen an Bildung, sondern auch die des Gemeinwesens bzw. des Allgemeinwohls daran umfassen müsste“ (Peters, 2010, S. 16).

Auf der Suche nach neuen analytischen Unterscheidungen

Als Beispiele für die Bemühung um eine Überwindung alter Dichotomisierungen von Pädagogik und Profession und Organisation sowie für die Suche nach neuen begrifflichen und theoretisch-konzeptionellen Grundlagen können innerhalb des professions- und im organisationstheoretischen Diskurs Schicke, Feld sowie Feld und Seitter angeführt werden (vgl. Schicke, 2011: Seitter, 2011; Feld

& Seitter, 2016): In der Stoßrichtung zielt die Argumentation darauf, anstatt von einer dichotomen Gegenüberstellung von einer relationalen Betrachtungsweise auszugehen, in der Profession und Organisation nicht als entgegengesetzte Pole betrachtet werden, sondern Organisation als Dimension mit in die Sphäre des Pädagogischen aufzunehmen und „professionelles Handeln auch auf (Inter-)Organisation als ein zu gestaltendes Handlungsgefüge zu beziehen“ (Seitter, 2011, S. 133).

Insofern ist für eine weitere Bestimmung des Verhältnisses von pädagogischer Professionalität und Qualitätsmanagement nach adäquaten Grundlagen jenseits der Strukturkategorien Pädagogik bzw.

Profession und Organisation zu suchen, auf deren Basis die verschiedenen Ebenen auseinandergehalten sowie analytisch eindeutige Bezugspunkte hergestellt werden können.

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