• Keine Ergebnisse gefunden

Zur Entwicklung des handlungstheoretischen Vokabulars innerhalb der Sozialtheorie (Reckwitz) der Sozialtheorie (Reckwitz)

3.4.2.2 (Beschränkte) Einfluss- und Zugänglichkeitszonen von Qualitätsmanagement mit Blick auf die professionellen

4 Theoretische Rahmung: Handlungstheoretische Grundlagen zur Untersuchung des Verhältnisses von Professionalität und Untersuchung des Verhältnisses von Professionalität und

4.3 Begriffliche Grundlagen: Handeln und Handlungsordnungen, Verhältnis von Handlungsordnungen Verhältnis von Handlungsordnungen

4.4.2 Zur Entwicklung des handlungstheoretischen Vokabulars innerhalb der Sozialtheorie (Reckwitz) der Sozialtheorie (Reckwitz)

134

4.4.2 Zur Entwicklung des handlungstheoretischen Vokabulars innerhalb

135

Spezifik einer handlungstheoretischen Betrachtung profiliert er zum einen gegenüber naturalistischen Perspektiven auf die menschliche (Sozial-)Welt sowie zum anderen gegenüber

„einem `textualistischen´ Modell des Sozialen“ (Reckwitz, 2004, S. 304). Während erste –z. B. der Darwinismus und der Funktionalismus des 19. Jh., der Behaviorismus und die Sozialbiologie des 20.

Jh. sowie die Neurophysiologie des 21. Jh. – in ihrer Erklärung des Verhaltens ohne den Sinn-Begriff auskämen, verorteten zweite – in prominenter Form vertreten bei Luhmanns Systemtheorie oder aber der Foucault´schen Diskursanalyse – das sinnhafte Soziale „jenseits von Körper und subjektivem Geist“ (ebd.) Damit werde sowohl aus der Perspektive naturalistischer Positionen als auch in textualistischen Positionen das menschliche Handeln in seiner Sinnhaftigkeit auf ein bloßes Epiphänomen anderer Regelsysteme reduziert: Während naturalistische Vokabulare die handlungstheoretischen Grundannahmen dabei gleichsam von „von unten“ unterwanderten, indem sie menschliche Verhaltensweisen analog zu den Aktivitäten anderer Lebewesen oder Gegenstände erklärten, werde in textualistischen Positionen das Handeln „von oben“ überformt, insofern seine

„Sinnhaftigkeit einer Ebene ‚oberhalb‘ der Körper und der mentalen Eigenschaften, einer Ebene von Texten, Zeichensequenzen oder Kommunikation“ (ebd., S. 304) zugeordnet werde.

Unter dieser allgemeinen ‚kategorialen Klammer‘ der Handlungstheorien mit ihren beiden konstitutiven Elementen – beobachtbares Verhalten, mentale Repräsentation von Sinnelementen – zeigt Reckwitz in der historisch-vergleichenden Betrachtung ein stark verzweigtes, „vielgliedrige[s]

Feld“ sowie „tiefgreifende Differenzen zwischen unterschiedlichen Begriffssystemen“ (ebd., S. 4) auf.

Dabei zeichnet er in der historischen Betrachtung drei Zentrallinien der Handlungserklärung in der Handlungsdebatte auf, die aufeinander folgen sowie bis heute wirksam sind, so dass nicht von einer Ablösung gesprochen werden kann. Hierbei handelt es sich um Paradigmen, die noch einmal intern ausdifferenziert werden können:

- das Modell der zweckorientierten oder teleologischen Handlungserklärung als historisch frühes-tes Modell der Handlungserklärung, das seinen Ursprung in der schottischen Moralphilosophie hat,

- das Modell der normorientierten Handlungserklärung, die sich in der Soziologie insbesondere mit der strukturfunktionalistischen Handlungstheorie von Talcott Parsons verbindet und einen sozio-logisierten Kantianismus darstellt,

- das Modell der kulturtheoretischen Handlungserklärung, dem wiederum als Spezialformen men-talistische und praxeologische Ansätze zugeordnet werden können.

Die einzelnen sozialtheoretischen Perspektiven lassen sich wie folgt kennzeichnen:

Im teleologischen, an individuellen Zwecken und Interessen orientierten Erklärungsansatz wird das Handeln und die Ordnung des Sozialen über die Berechnung von eigen- und nutzeninteressierten kalkulierenden Akteuren und ihre jeweiligen Interessens-, Präferenz- und Zielhierarchien erklärt, die lediglich durch Kontrakte ‚eingedämmt‘ und gerahmt werden: Soziale Ordnung werde hier kontraktualistisch erklärt.

Der normenorientierte Ansatz erklärt das Handeln und seine Ordnung über die Inkorporation und Verinnerlichung von Normen und Werten, welche – als den individuellen Interessen und Zwecken übergeordnete Größen – Ziel- und Mittelwahl justieren und eine innere Abbildung und Spiegelung der äußeren normativen Struktur darstellen. Die äußere Sozialintegration und Handlungskoordination ist damit abhängig von der sozialintegrativ ausgerichteten inneren Trieb- und Interessensstruktur. Paradigmatisch für das Modell stehe Parsons, dessen Werk auch als eine Soziologisierung der Moralphilosophie Kants verstanden werden könne. Soziale Ordnung wird hier

136

als intersubjektive Handlungskoordination verstanden, die jedoch nicht wie im zweckorientierten Handlungsmodell als Folge des Handelns verstanden wird und als Ergebnis von Kontrakten, sondern als Resultat Innerer, das Äußere in sich hineinnehmende normative Ordnung.

Aus der Perspektive des kultur- und wissenstheoretischen Ansatzes wird das Handeln und die soziale Ordnung auf kognitiv-symbolische Ordnungsmuster zurückführt, die nicht nur den individuellen Interessen, sondern auch den Werten und Normen vorgelagert sind und als kollektive Muster den kognitiven Wirklichkeitsaufbau steuern und zu repetitiven, durch Regeln des Sprechens, Denkens und Wissens geleiteten Handlungsmustern führen. Die Ordnung des Handelns ist damit strukturell rückgebunden an soziokulturell ermöglichte bzw. disponierte epistemische Ordnungsleistungen, die notwendige Normen- und Wertinterpretationen ermöglichen und das für das Handeln unabdingbare vorgeschaltete kognitive Ordnungsproblem lösen. Individuell handeln kann nur, wer soziale, kollektiv geteilte Normen und Werte aushandelt und interpretiert auf Basis von kulturellen Wissensordnungen.67

Als konstituierende Instanzen bzw. als Explanans sozialtheoretischer Erklärung für Handeln respektive für soziale Ordnung als Explanandum erscheinen je nach gewähltem Modell innerhalb der handlungstheoretischen Debatte

- die aus den Einzelinteressen und Überzeugenden erwachsenden Zwecke und Ziele oder - verinnerlichte normative Wert- und Normordnungen als Antriebsstrukturen oder - kulturelle, kollektiv geteilte Wissensordnungen sowie kognitiv-symbolische Ordnungen.

In der Gesamtschau arbeitet Reckwitz heraus, dass das zu Erklärende sich innerhalb der Entwicklung des handlungstheoretischen Diskurses von individuellen Handlungsakten hin zum Problem intersubjektiver Handlungskoordination sowie sodann hin zu repetitiven Handlungsmustern verschoben hat (vgl. Reckwitz, 2004, S. 306 ff.). Die Entwicklung der sozialtheoretischen Handlungsdebatte vollzieht sich dabei entlang von drei Brüchen, „an denen sich [jeweils, H. B.] das Vokabular zur Beschreibung und Erklärung von Handeln und damit die Leitbegrifflichkeit zur Analyse der Sozialwelt verschiebt“; der erste Bruch markiere die Transformation von den zweck- hin zu den normorientierten Handlungsmodellen, während der zweite den Übergang von den normorientierten Handlungsansätzen zu den kulturtheoretischen Handlungsverständnissen anzeigt, der jedoch „noch nicht vollständig abgeschlossen“ sei (vgl. ebd., S. 306). Der dritte Bruch, der sich jedoch erst in Konturen im Sinne eines aufscheinenden neuen analytischen Möglichkeitsspielraums andeute (vgl.

ebd.) habe wiederum zu einer Weiterentwicklung des kulturtheoretischen Handlungsverständnisses vom ‚Mentalismus‘ hin zu einer Theorie sozialer Praktiken geführt (vgl. ebd.). Die von Reckwitz nachgezeichneten Entwicklungen betreffen dabei Veränderungen zum einen mit Blick auf das, was jeweils theoretisch als das für das Handeln zentrale konstituierende Sinnelement des Handelns – das erklärende ‚Explanans‘ bzw., in Anschluss an die Formulierung von Straub, dem Bestimmungsgrund – sowie zum anderen das, was jeweils als ‚Explanandum‘, d. h. als das zu Erklärende in den Blick genommen wird.

67 Der Ansatz wiederum unterteilt sich in mentalistische und praxeologische Ansätze: Während die Mentalis-ten die Bedeutung des Geistes und des Wissens betonen, damit der Innen-Außen-Differenz, die die Handlungs-theorie durchzieht, verhaftet bleiben und die Seite des Wissens überbetonen und den Körper zu einer Exekuti-ve des Geistes machen bzw. ganz ausblenden, nehmen die praxeologischen Ansätze die an der Außenseite der Innen-Außen-Differenz hinübergefallene Körperlichkeit in die theoretische Modellierung mit hinein und versu-chen diese theoretisch zu integrieren. Das Handeln erscheint dann – zusammengefasst – als verschmolzener, repetitiv Geist-Körper-Vollzug aus Struktur und Prozess in Raum und Zeit im Horizont von soziokulturellen Re-geln des Wissens und Könnens, soziale Ordnung ist dann die von ReRe-geln erzeugte Regelmäßigkeit des Handelns.

137

Neben einem spezifischen Modell vom Handeln ist jedes der drei handlungstheoretischen Paradigmen immer auch durch ein spezifisches Menschenbild bzw. eine Selbstdeutung des Menschen gekennzeichnet, worin auch die besondere politische und ethische Relevanz einer handlungstheoretischen Betrachtung besteht (vgl. Reckwitz, 2004, S. 307 f.). Das Handeln erscheint - im zweckorientierten Erklärungsansatz als die interessensgeleitete Aktivität eines homo

oeco-nomicus,

- in der normorientierten Handlungstheorie als eine normorientiere Aktivität eines homo sociolo-gicus

- oder aber im kulturtheoretischen Erklärungsrahmen als eine von Wirklichkeitsschemata geleitete Aktivität bzw. als routinisierte Praxis eines homo significans bzw. eines animal symbolicum.

Tabelle 12 zeigt die erarbeiteten handlungstheoretischen Perspektiven mit ihren erklärenden Elementen, Menschenbildern sowie Erklärungen für soziale Ordnung und Ordnungskonflikte in einem Überblick.

138

Tabelle 12: Handlungstheoretische Vokabulare innerhalb der Sozialtheorie und ihre Erklärungsfaktoren für Handlung und soziale Ordnung Theoretische Strömungen

(Vertreter)

- Handlungsbild - Menschenbild

Primäres Sinnelement („Explanans“)

Erklärungsfokus („Explanandum“)

Erklärung für Handlungskoordination (vgl. auch Schluchter, 2000)

Zweckorientiertes Handlungsmodell

- schottische Moralphilosophie, Utilitarismus, neoklassische Öko-nomie

- Systematisierung des alltagsweltli-chen Commonsense-Modells des Handelns

- Ausarbeitung in den modernen Politik- und Sozialwissenschaften - Rational-Choice Theorie,

ent-scheidungs- und Nutzentheorie

-

interessens-orientierte, instru-mentell-strategische Aktivität/Praxis - Homo oeconomicus

(individuelle) Zwecke, Interessen &

Bedingungs- und Wirkannahmen

Individuelle Handlungsakte (& soziale Ordnung)

- instrumentelle Ordnung (z. B. Vertrags-ordnung), die individuelles und kollekti-ves Handeln steuert

- Zusammenspiel individueller Nutzenkal-küle

- soziale Ordnung als Folge des Handelns, nicht als Ursache und Grund des Han-delns

Normorientiertes Handlungsmodell

- Strukturfunktionalismus („norma-tive Approach“)

(z. B. Parsons, in Nachfolge auch Münch)

- normorientierte Akti-vität: Zweck-Mittel-Struktur, die von ge-sellschaftlichen Wer-ten und Normen regu-liert wird

- Homo sociologicus

normativer Regelkomplex, normative Ordnung

soziale Ordnung im Sinne intersubjektiver

Handlungskoordination

- kollektive Geltung von Sollensregeln (Sozial geteiltes Einverständnis über Normen und Werte, vermittelt durch kul-turelle Tradition); normative Ordnung, die egoistisches Handeln beschränkt

Mentalistische Kulturtheorie - interpretative

Perspektive - praxeologische

Perspektive

- Interpretative, subjektivistische Strömung: Sozialphänomenologie, Hermeneutik, Pragmatismus - Objektivistische Strömung:

Struk-turalismus & Semiotik (z. B. de Saussure), Wittgensteins Spätphi-losophie

- schemageleitete Akti-vität/Praxis (routini-sierte Formen sinn-hafter Verstehens-Leistungen und kör-perlicher ‚perfor-mances‘)

- Homo significans (Rolan Barthes)/

animal symbolicum (Ernst Cassirer)

sinnkonstitutiver Regelkomplex:

kognitive Wissensordnungen und kulturelle Codes

kollektiv geteilte kognitiv-symbolische Ordnungen/repetitive Handlungsmuster

- kollektive Geltung von kognitiv-symbolischen Regeln, d. h. Wissensord-nungen und kulturelle Codes (als Voraus-setzung für das Verstehen normativer Erwartungen, Werte oder Rollen), sowie repetitive wissensbasierte Verhaltens-muster

(in Anschluss an Reckwitz, 2004)

139

4.5 Vergleichende Betrachtungen und integrative Handlungsmodelle

Outline

ÄHNLICHE DOKUMENTE