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2 ‚Pädagogische Professionalität‘ und Qualitätsmanagement als Zugänge zu Weiterbildungsqualität

3 Diskussions- und Forschungsstand

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von Modernisierungs- und Institutionalisierungsprozessen sind. In diesem Falle wäre das Ver-hältnis von Qualitätsmanagement und pädagogischer Professionalität nur als ein Medium allge-meinerer ‚Ordnungs- und Widerspruchslinien‘ und der aus ihnen hervorgehenden Spannungs- und Konfliktkonstellationen zu betrachten.

- Zudem ist systematisch auch das produktive Moment von Widerspruchs- und Spannungskonstel-lationen miteinzubeziehen, demzufolge WiderspruchskonstelSpannungskonstel-lationen nicht zur Blockade oder zum Zusammenbruch eines Handlungssystems führen müssen, sondern auch förderliche Entwick-lungen entfalten können.

Nach diesen grundlegenden Erläuterungen des Problemzusammenhangs und -kontextes sowie den grundbegrifflichen Klärungen zu den Untersuchungsgegenständen erfolgt nun eine Aufarbeitung des Diskussions- und Forschungsstandes.

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Argumentationslinie innerhalb der Debatte aufgegriffen wird. Dabei sind insbesondere Arbeiten maßgeblich, die zur Ausdeutung des Verhältnisses auf systemtheoretische Begriffe und Modellbildungen rekurrieren (vgl. Harney, 1997; Harney, 1998; Harney, 2000; Harney, 2002; Hartz, 2004; Hartz, 2011; Hartz & Meisel, 2011, vgl. kritisch zur Unterscheidung von Organisation und Profession Dollhausen, 2008a, S. 17; Schicke, 2011, S. 17; Zech, 2012).

Zum anderen werden Arbeiten rezipiert, die sich aus einer gouvernementalitätstheoretischen Perspektive mit den übergeordneten Transformations- und Wandlungsprozessen des Feldes beschäftigen, in die der Problemzusammenhang eingebettet ist und die herausarbeiten, dass das Qualitätsmanagement einer neuen Grammatik des Regierens folgt, durch welche pädagogische Beruflichkeit in einer spezifischen Weise gelenkt wird (Kapitel 3.3.2). Mit dieser Auswahl wird nicht annähernd eine vollständige Rezeption der Debatte geleistet; Ziel ist lediglich ein Aufgriff bedeutsamer theoretischer Bezüge innerhalb der Debatte sowie eine hinreichend komplexe Entfaltung des Problemzusammenhangs durch eine Beleuchtung verschiedener Ebenen und Dimensionen: Beide Zugänge bündeln Problemlagen des Verhältnisses von Qualitätsmanagement und pädagogischer Professionalität, die seit Beginn der Debatte bis heute diskutiert werden.

Bei der Aufarbeitung der empirischen Befunde geht es insbesondere um Studien zu den Wirkungen und Effekten der Implementierung des Qualitätsmanagements, die dabei auch oder sogar primär den Einfluss auf Professionalisierung sowie auf professionelle Handlungsvollzüge behandeln (Kapitel 3.4).

Das Kapitel schließt mit einer Gesamtbilanz des Diskussions- und Forschungsstandes im Hinblick auf den Problemzusammenhang der Arbeit sowie mit einem Ausweis der für die weitere Untersuchung relevanten Desiderate und der Erträge (Kapitel 3.5).

3.1 Kennzeichnungen der erwachsenenpädagogischen Fachdebatte und Sortierungsmöglichkeiten

Insgesamt werden Fragen nach der Kompatibilität von pädagogischer Professionalität und Qualitätsmanagement sowie nach den Möglichkeiten und Grenzen ihrer Koppelung im Zuge der Veränderungen des Qualitätsdiskurses seltener und weniger intensiv als in früheren Debatten sowie auch nicht in einem grundsätzlichen Sinne diskutiert.31 Diese sind zwar weiterhin thematisch, wie Publikationen der letzten Jahre zeigen (vgl. Egetenmeyer & Käpplinger, 2011; Hartz, 2010; Schrader, 2011b; Zech, 2012; Töpper, 2012; Spiewok et al., 2015; im Rahmen der letzten Zwischenbilanz der Qualitätsdebatte Terhart & Klieme, 2008), werden jedoch unter anderen Vorzeichen und Schwerpunktsetzungen aufgeworfen: Dass erwachsenenpädagogische Professionalität sich heute

31 Wurde die Qualitätsdebatte zu Beginn noch emotional aufgeladen sowie apodiktisch geführt und teilte sich in Befürworter und Gegner von Qualitätsmanagement auf, hat sich diese mittlerweile konsolidiert und wird deutlich entspannter geführt. Auch kann dies exemplarisch an den Themenschwerpunkten der Tagungen und Fachzeitschriften festgemacht werden. Feststellbar ist, dass eine Vielzahl der Debattenbeiträge, die Mitte der 1990er-Jahre bis Anfang 2000 publiziert worden sind, sich intensiv mit dem Passungsverhältnis und der Koppe-lung von Qualitätsmanagement und pädagogischer Professionalität auseinandersetzt. Mit „Qualitätssicherung in der Weiterbildung“ (vgl. Arnold, 1997c) liegt ein einschlägiger Sammelband mit Aufsätzen vor, die sich inhalt-lich im Schwerpunkt mit diesem Thema beschäftigen. U.a. handelt sich dabei um Beiträge, die im Rahmen einer Arbeitsgruppe des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) in Halle vorgetra-gen sind sowie um ergänzende theoretische oder aber bildungspolitische sowie praktisch ausgerichtete Beiträ-ge (vgl. Arnold, 1997a).

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unter den Bedingungen bzw. unter Nutzung von Qualitätsmanagement vollzieht32 (vgl. Bender, 2008;

auch Spiewok et al., 2015) bzw. – versteht man Professionalität eher als ein Desiderat der Praxis denn als eine Beschreibungskategorie (vgl. Peters, 2004) – sich zukünftig im Kontext qualitätsgemanagter Praxis herausbilden und vollziehen muss33, gilt heute als Konsens. Zudem wird das Nebeneinander nicht mehr länger nur als notwendige Konstellation apostrophiert, sondern auch als Chance für die pädagogische Arbeit gesehen, insofern branchenspezifische Qualitätsmanagementansätze (z. B. EFQM, LQW) sowie die zunehmende Weiterentwicklung der Konzepte und Modelle zu einer Entlastung der Debatte geführt haben. Qualitätsmanagement wird somit in der Debatte seit geraumer Zeit als Instrument zur Realisierung pädagogischer Ziele sowie – unter Zugrundelegung verschiedener Professionalitätskonzepte – pädagogischer Professionalität und kollektiver Professionalisierung betrachtet (vgl. Rahe, 2007; Töpper, 2012; Spiewok et al., 2015), während die Problematisierung des Instruments als extern evozierte, organisationsbezogene Rationalisierungs-, Kontroll- und Legitimierungsstrategie abgeklungen ist.

Für weite Teile des Diskurses um das Verhältnis von Qualitätsmanagement und pädagogischer Professionalität lässt sich festhalten, dass beide Ansätze als gleichermaßen notwendige, für sich aber nicht hinreichende Voraussetzungen der Erwachsenenbildungspraxis zu betrachten sind, welche vor dem Hintergrund funktionaler Interdependenzen nicht gegeneinander ausgespielt werden können (vgl. Nittel, 2000; Hartz, 2004; Behrmann, 2008; Hartz & Meisel, 2011). Als Voraussetzung der angestrebten Verknüpfung beider Zugänge innerhalb eines gemeinsamen Handlungssystems (vgl.

Schiersmann, 2002; Kraft, 2006, S. 9) wird einerseits eine verbesserte Berücksichtigung und Ausbalancierung von professionellen und organisationalen Qualitätsansätzen und -ansprüchen (vgl. z.

B. Veltjens, 2008; Peters, 2010) sowie auf der Diskursebene eine Verknüpfung der Wissensbestände angestrebt (vgl. Hartz & Meisel, 2011), die einer Entkoppelung und Des-Integration beider Zugänge entgegen wirken soll (vgl. ebd.). Dieser Konsultation und Annäherung zum Trotz zeigt die Debatte, dass die Problemstellung der Koppelung gegenwärtig weder konzeptionell noch mit Blick auf ihre erziehungswissenschaftliche Erforschung theoretisch und empirisch abgeschlossen ist. In der Gesamtschau werden dabei anstatt eindeutiger Positionen zugunsten des einen oder des anderen Zugangs bzw. zu ihrer Koppelung zunehmend differenzierende Einschätzungen getroffen sowie Ambivalenzen aufgezeigt. Um eine Eingrenzung und problembezogene Fokussierung der im Weiteren

32 Eine pointierte Erläuterung der gegenwärtigen Konstellation findet sich bei Bender (vgl. Bender, 2008): „So-wohl in der öffentlichen verantworteten Erwachsenenbildung als auch in der beruflichen Weiterbildung priva-ter Träger und der innerbetrieblichen Weipriva-terbildung setzt der Wandel der Rahmenbedingungen die Institutio-nen unter eiInstitutio-nen wachsenden Leistungs- und Legitimationsdruck“ (Bender, 2008, S. 4, in Anknüpfung an Schäff-ter, 2001). Einerseits müssen Weiterbildungseinrichtungen „– oft mit knapper budgetierten Mitteln und damit Personal – umfangreichere und komplexere Aufgaben“ bewältigen, wobei eine „Selbstbehauptung unter die-sen Bedingungen eine straffere und effizientere Organisation“ erforderlich macht (ebd.). Andererseits müsdie-sen

“Wirksamkeit und Nutzen der Dienstleistung besser nachgewiesen werden „– und zwar nicht lediglich durch einen einmalig guten Output, sondern durch den Einsatz von Verfahren, die auch zukünftig Erfolg im Sinne der Auftrag und Geldgeber“ (ebd.) sicherstellen. Erforderlich sind nunmehr effiziente und effektive Organisations-formen von Weiterbildung zur Bewältigung dieser Anforderungen. In diesem Zusammenhang erscheint Quali-tätsmanagement als „ein Medium, ein `Transportmittel´“, mit dem „externe Anforderungen einer bildungspoli-tischen bzw. ökonomischen Handlungslogik auf indirekten Weg ihren Eingang in Organisationen finden“, so dass sich „Weiterbildung heute im Spannungsfeld konträrer Handlungslogiken“ (ebd.) erweist.

33 Dies ist mit einer spezifischen Anforderung von erwachsenenpädagogischer Professionalität verknüpft: „Pä-dagogische Professionalität erweist sich“, so Bender, vor diesem Hintergrund veränderter Bedingungen dann

„daran, inwieweit es gelingt, diese unter gegebenen Bedingungen unabweisbaren Anforderungen institutionell aus (makro-)didaktischer Sicht zu reformulieren“ (Bender, 2008, S. 4).

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in den Blick zunehmenden Debattenstränge und -beiträge vorzunehmen, werden im Weiteren einige Sortierungen der Debatte vorgenommen.

3.1.1 Einleitende Charakterisierungen, Systematisierungen und Eingrenzungen zur Debatte

Vorangestellt werden kann, dass bislang wenig Forschungsarbeiten vorliegen, die sich den Problemlagen der Passung und der Koppelung von pädagogischer Professionalität und Qualitätsmanagement gezielt in einer monographischen Betrachtung widmen und dies aus der für die vorliegende Untersuchung maßgeblichen Perspektive – d. h. mit einem Fokus auf die Handlungsebene bzw. unter dem Gesichtspunkt der Handlungsordnungen sowie in systematisch-vergleichender Betrachtung – tun (vgl. auch Bruns, 2007, S. 27 f.)

Einzig der Debattenstrang, der das Verhältnis beider Qualitätszugänge unter dem Gesichtspunkt der Differenz von organisational-betriebswirtschaftlicher und pädagogisch-professioneller Handlungslogik in den Blick nimmt, stellt die beiden Qualitätszugänge systematisch vergleichend im Hinblick auf die Handlungsebene gegenüber und beleuchtet die Identität und das Verhältnis beider Zugänge zueinander mit Blick auf zentrale handlungsstrukturelle Elemente, wobei sie von einer Differenzhypothese im Hinblick auf ihre Sinnhaftigkeit und den sich daraus ergebenden konzeptionell-methodischen Grundlagen der Arbeitsorganisation ausgehen (vgl. auch die Darstellung sowie Gegenüberstellung bei Bruns, 2007, 29 ff.).

Diese Betrachtung kommt jedoch im Hinblick auf das vorliegende Erkenntnisinteresse insofern an seine Grenzen, insofern erstens beiden Zugängen eine jeweils einheitliche Sinnhaftigkeit, Logik usw.

ohne Berücksichtigung der erheblichen Differenzen zwischen den verschiedenen Qualitätsmanagement- und Professionalitätsansätzen unterstellt wird. Zweitens stützen sich die theoretisch elaborierten Auseinandersetzungen innerhalb dieses Debattenstrangs zumeist auf systemtheoretische Grundlagen, welche durch ihre theoriearchitektonische Referenz auf die System-/Umwelt-Differenz und den Kommunikationsbegriff nur eingeschränkte Analysemöglichkeiten zur Beleuchtung der Handlungsebene und der Rekonstruktion der Handlungsordnungen aufweisen.

Drittens liegt die erkenntnisleitende Fragestellung nicht auf der Ermittlung der Kompatibilität bzw.

Inkompatibilität, so dass eine systematische Beleuchtung der Passung beider Ansätze unter Berücksichtigung ihrer sachlogischen Teilelemente – der Schnittstellen, der Identität und Differenz sowie der daraus hervorgehenden Möglichkeiten, diese widerspruchsfrei zu verbinden – nicht stattfindet.

Diesen Desideraten zum Trotz liegen angesichts der in den 1990er-Jahren mit der Einführung der ISO-Norm begonnenen und nun mittlerweile seit fast 25 Jahre geführten Diskussion zu Qualitätsmanagement in der Weiterbildung (vgl. Feuchthofen & Severing, 1995; Arnold, 1997c;

Klieme & Tippelt, 2008b; Töpper, 2012) zahlreiche für die vorliegende Arbeit relevante Debattenbeiträge sowie theoretisch und empirisch begründete Erkenntnisse vor, die sich auf die hier vorliegende Fragestellung sowie ihre einzelnen Teilfragestellungen – d. h. zu den handlungsstrukturellen Grundlagen beider Zugänge, den Kontakt- und Schnittstellen sowie zu Problemfeldern, Widerspruchs- sowie Spannungskonstellationen als auch zu Anschlussstellen zwischen pädagogischer Professionalität und Qualitätsmanagement – beziehen und insofern bedeutsam sind für die vorliegende Untersuchung. Problemlagen des Verhältnisses von Qualitätsmanagement und pädagogischer Professionalität wurden übergreifend in allen Bereichen der Weiterbildung – im Hinblick auf die berufliche und betriebliche Weiterbildung, die allgemeine

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Weiterbildung, die kirchliche, die soziokulturelle usw. – intensiv diskutiert, wobei Spannungen und Konflikte – im Anschluss an das erste Aufkommen der Problematik im Kontext der betrieblichen Weiterbildung als ‚Einfallsstelle‘ für die ISO (vgl. Arnold, 1997c) – insbesondere im Bereich der öffentlich geförderten allgemeinen Weiterbildung thematisch wurden (vgl. z. B. Meueler, 1998; Hufer 1999a; Hufer, 1999b; Bastian, 2002).

Die Untersuchung nähert sich insofern – mit Blick auf die Tradition des Themas – angesichts der Notwendigkeit weiterführender Annäherungen der Zugänge und Diskurse einerseits sowie der Weiterentwicklung der Debatte und den einleitend aufgeführten Debattendefiziten andererseits einem hinreichend bekannten Problemzusammenhang in einer spezifischen, mit Blick auf den erweiterten Gegenstandsbereich sowie die theoretischen und methodischen Grundlagen neuen Weise.

Angesichts der jahrzehntelangen Dauer der Debatte, aber auch aufgrund der vielfältigen Thematisierungskontexte auch außerhalb der Qualitätsdebatte im engeren Sinne sowie den unterschiedlichen Referenzebenen und Thematisierungsweisen im Diskurs, der sich sowohl auf Fragen der Professionalität als auch auf die gegenwärtige und zukünftige Professionalisierung richtet (vgl. Hartz & Meisel, 2006, S. 117; vgl. Tabelle 3), ist der Textkorpus zum Verhältnis beider Zugänge wenig überschaubar und die Debatte zudem unübersichtlich. Die Debattenbeiträge referieren dabei in ihren Analysen und Verhältnisbestimmungen – wenn sie differenzieren – auf unterschiedliche Ansätze des Qualitätsmanagements und Verständnisse pädagogischer Professionalität; zudem wird das Verhältnis im Hinblick auf unterschiedliche Aspekte hergestellt, was zusätzlich die Übersicht mit Blick auf das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Untersuchung erschwert und Sensibilität bei der Einordnung der Reflexionen und Befunde verlangt.

3.1.2 Sortierungsmöglichkeiten

Zur ersten Systematisierung der Debatte bieten sich folgende analytische Unterscheidungen und Kriterien an:

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