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Zweck-Mittel-Rationalität als Analyseheuristik, kulturtheoretisches Rahmenmodell des Handelns

4.7 Begriffliche Erläuterung der Untersuchungskategorien

4.7.1 Zweck-Mittel-Schema

4.7.1.3 Bedingungsannahmen

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- welche Mittel – Mittel-Handlungen und Handlungsmittel – von den Akteuren in der Weiterbildung zur Erreichung von Zwecken und Zielen eingesetzt werden sollen und, welche Handlungssituationen – Mittlerziele – dazu zu erreichen sind sowie

- welche Methoden – methodische Strategien und Verfahrensschritte, methodische Regeln usw. – die Akteure jeweils entsprechend der Vorgaben verwenden sollen.

Begriffsverständnis und Fragestellungen für die Untersuchung

Für die weitere Untersuchung wird entsprechend den ausgewerteten Definitionen und Erläuterungen das in Tabelle 17 dargestellte Begriffsverständnis zugrunde gelegt.

Tabelle 17: Kategorien Mittel und Methoden Mittel und Methoden

Erläuterungen/

Definition

Mittel

- all dasjenige, das zur Erreichung von Zielen und Zwecken eingesetzt wird Methoden

- planmäßige, regelgeleitete Verfahrensweisen des Herangehens zur Bearbeitung prakti-scher und theoretiprakti-scher Aufgaben

Erläuternde

Bestimmungs-merkmale

Mittel

- im Falle des klassischen Mittelbegriffs ‚Um-zu‘-Charakter: als Mittel dem Zweck sachlich zu- und untergeordnet, in zeitlicher Hinsicht vorgelagert

- intermediäre Stellung zwischen Subjekt und Ziel/Zweck (in Anschluss an Brezinka, 1995, S. 222)

- im Falle eines technischen Handelns Annahme von (kausalen) Wirkbeziehungen zwi-schen der Erreichung eines Ziels/Zwecks und dem eingesetzten Mittel

3-fach differenzierter Mittelbegriff:

- Mittel-Handlungen: der Zielerreichung dienende Einzelhandlungen und Tätigkeiten - Handlungsmittel und -ressourcen: z. B. Werkzeuge, Instrumente, Maschinen,

allgemei-ner: Sach- und Personenmittel - Mittlerziele: Situationen, Zwischenziele Methoden

- Regelung des „Wie?“ der Aufgaben- und Problembearbeitung - Aufgaben des Erkennens

- zielorientierte, planvolle und regelgeleitete Verfahrens- und Vorgehensweisen - Modell eines reflektieren Vorgehens

Beispiele im Problem-zusammenhang

Im Kontext pädagogischer Professionalität: z. B.

- Wissensbestände und Planungshandlungen - ‚Stellvertretende Deutung‘

- je nach Handlungsebene z. B. Methoden der Bedarfsermittlung, der Unterrichtsmetho-den, Evaluationsmethoden

Im Kontext des Qualitätsmanagements: z. B.

- Produktionsfaktoren, Qualitätsmanagementhandbücher - PDCA-Zyklus

- Je nach Handlungsebene z. B. Methoden der Bedarfsermittlung, Unterrichtsmethoden, Evaluationsmethoden

Fragestellungen

- Welche Mittel (Mittelhandlungen, Handlungsmittel, Mittlerziele) und Methoden sehen die Ansätze zur Erreichung der vorgegebenen Ziele und Zwecke vor bzw. sollen zur Zielerreichung eingesetzt werden?

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gefordert wird und von dessen Erfüllung etwas anderes abhängig gemacht wird“76, also einer Sache vorgelagerte Voraussetzungen oder Prämissen, deren Erfüllung die Voraussetzung für das Eintreten eines anderen, darauf folgenden Sachverhalts ist (je nach Verwendungskontext z. B. eine zu erfüllende Auflage, eine Kondition oder Ereignis, das einzutreten hat) (vgl. ebd.). Zweitens wird der Begriff im Plural im Sinne von bestimmenden Gegebenheiten (vgl. ebd.) oder auch Umständen zur Bezeichnung von Gegebenheiten, Verhältnissen und Voraussetzungen verwendet, denen die Akteure im Handeln ausgesetzt sind.

Auf einer abstrakteren Ebene betrachtet werden somit mit dem Begriff der Bedingung – in Anschluss an Quitterer – „Abhängigkeitsverhältnisse verschiedenster Art zum Ausdruck [gebracht]“ (Quitterer, 2011, S. 291), wobei sich logische und ontologische Abhängigkeitsverhältnisse unterscheiden lassen:

Während „logische Abhängigkeiten“ dort formuliert werden, „wo das Eintreten bestimmter kontrafaktischer – (noch) nicht realisierter – Umstände“ – dem ‚Bedingten‘ – von dem Vorliegen von

„anderen kontrafaktischen Umständen“ – den ‚Bedingungen‘ – abhängig gemacht wird, bezeichnen Abhängigkeitsverhältnisse im „ontologischen Sinne […] Lebens- und Umweltbedingungen“ im Sinne von „Gegebenheiten, von denen bestimmte Ereignisse oder Individuen abhängig“, d. h. „mittelbar oder unmittelbar betroffen“ (ebd.) sind. In diesem Zusammenhang fallen situative, „äußere“

Umstände, welche einen Einfluss auf den Akteur und sein Handeln haben und den Ausgangspunkt, das Begleitmoment, Erschwernisse oder erleichternde Faktoren bilden. In einem dritten Verständnis von Bedingungen, welches sich im Kontext der Analyse von Aussagenzusammenhängen z. B. in sprachphilosophischen oder epistemologischen Arbeiten innerhalb der Philosophie findet, sind

„Bedingungen der Wahrheit von Sätzen oder der transzendentalen Bedingungen der Gültigkeit unserer Erkenntnis“ (ebd.) gemeint.

In dem handlungstheoretischen Bezugsrahmen der Untersuchung sind mit dem Begriff also die gegebenen Umstände und Verhältnislagen gemeint, welche aus der Perspektive der Repräsentanten der Professionalitäts- und Qualitätsmanagementansätze zur Situation des handelnden Akteurs in der Weiterbildung gehören und die aufgrund ihres direkten oder indirekten Einflusses auf den Akteur und sein Handeln in den Handlungsentwürfen als (potenziell) bedeutsam erachtet werden. Im Rahmen der vorliegenden dokumentenanalytischen Untersuchung, in der es um eine Rekonstruktion und Analyse der in schriftlichen Texten formulierten bzw. enthaltenen Annahmen zu Bedingungen geht (Bedingungsannahmen), haben die zugrunde gelegten ontologischen Abhängigkeitsverhältnisse von der Warte des Beobachters aus betrachtet gleichzeitig den Charakter von logischen Bedingungen von Aussagensystemen, insofern sich die einzelnen Handlungsentwürfe in ihrer Argumentation auf diese Bedingungsannahmen stützen.

Formen von Bedingungsannahmen

Die Kategorie der ‚Bedingung‘ bzw. der ‚Bedingungsannahme‘ im explizierten Sinne ist inhaltlich weit gefasst und umschließt im Kontext der Debatte um Qualität eine Vielzahl von Gegenstandsbereichen und Einzelphänomenen. Entsprechend der für eine handlungstheoretische Perspektive grundlegende Unterscheidung zwischen ‚Innen‘ und ‚Außen‘ lassen sich zum einen äußere Umstände des Handelnden (z. B. institutionell-organisatorische oder gesellschaftliche Umstände) von den inneren Strukturen des (organisationalen) Akteurs bzw. der Aufgaben- und Handlungszusammenhänge der Dienstleistungserbringung selbst (z. B. Vorgänge des Lehrens und Lernens sowie Annahmen zur

76 http://www.duden.de/rechtschreibung/Bedingung; Zugriff am 07.06.2017

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Komplexität und Kontingenz des Handelns) unterscheiden. In Anlehnung an die sozialwissenschaftliche Differenzierung zwischen einer Gesellschafts-, Organisations- und Interaktionsebene sowie – in Ergänzung – einer personengebundenen Ebene und der mit ihnen verbundenen Bereiche können zudem z. B. – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Annahmen unterschieden werden zu

- gesellschaftlich-institutionellen Rahmenbedingungen des Handelns (z. B. Gegebenheiten, Verän-derungen und zukünftige Entwicklungen der wirtschaftlich-politischen Gegebenheiten und insti-tutionellen Kontexte),

- Kennzeichen von Organisation und Interaktion als Handlungsebenen,

- Situationen und Merkmale der Zielgruppen und Adressaten und des Handelns,

- lehr-lern-theoretischen Zusammenhängen, also des Lehrens und Lernens (z. B. Theorien zu Ge-setzmäßigkeiten bzw. Prinzipien des Lernens),

- Subjekten und anthropologischen Voraussetzungen usw.

Die Annahmekomplexe beinhalten dabei als logische Voraussetzungen mitgeführte spezifische Theoriebezüge, Theoreme, Modellbildungen und Begriffe, empirische Befunde u. a. (vgl. Ruhloff, 1979), die mit Geltungsanspruch auftreten und aus denen heraus sich die Handlungsentwürfe ableiten sowie legitimieren.

Vor dem Hintergrund der Vielzahl der Annahmen sowie der zugrunde liegenden unterschiedlichen Ebenen und Bereiche tritt die durchzuführende Analyse nicht mit dem Anspruch einer Herausarbeitung aller Annahmen in ihren vielfältigen Verweisungszusammenhängen auf; dieser wäre auch insofern nicht einlösbar, als die einzelne Bedingungsannahmen selbst wiederum mit einer Vielzahl von logischen Implikationen verbunden sind, die nicht klar umschrieben sind und vielfach erst in einem sukzessiv nach Schichten vorgehenden Verfahren herausgearbeitet werden müssten (vgl. zu einem methodischen Ansatz Ruhloffs Arbeit zur ungelösten Normproblematik, ebd.).

Von daher sollen diejenigen herausgearbeitet werden, welche für die Ansätze von struktureller, begründender Bedeutung sind, welche sich beispielsweise in der Argumentation in wiederkehrenden Topoi oder ‚Figuren‘ zeigen und die für die Handlungsansätze die Bedeutung von Prämissen haben, insofern diese ihre Entwürfe logisch stützen und ihre inhaltliche und methodische Ausrichtung fundieren.

Beispiele im Kontext der Qualitätsdebatte

Bezogen auf die externe Umwelt ist mit dem Ansatz der LQW beispielsweise die modernisierungstheoretische Annahme eines rasanten gesellschaftlichen Wandels in der Weiterbildung verknüpft sowie bezogen auf die inneren Zusammenhänge der Dienstleistungserbringung das systemtheoretisch fundierte Theorem einer Nicht- bzw. nichtlinearen Steuerbarkeit von Lernvorgängen von außen respektive das der autopoietischen Selbstherstellung von Lernergebnissen durch Subjekte selbst. Die strukturelle Bedeutung der beiden ontologischen Annahmen zeigt sich darin, dass sich aus beiden Annahmen heraus jeweils zentrale Handlungskonzepte ableiten: So wird aus der Diagnose der sich dynamisch verändernden gesellschaftlichen Rahmen- und Umweltbedingungen heraus logisch das Postulat des permanenten organisationalen Lernens im Sinne einer Anpassung an die Umwelt begründet, das einen zentralen Bestandteil der Qualitätsentwicklung der LQW bildet (vgl. z. B. Ehses & Zech, 2002b, S. 121 f.; Zech, 2004b, S. 212 ff.; exemplarisch für die Umsetzung in der Praxis Reetz & Heldmann, 2006, S. 294;

Matzen & Flörcken-Erdbrink, 2004); und die Annahme begrenzter Steuerbarkeit von

Lehr-Lern-167

Prozessen wird als Grundlage zur Begründung der methodischen Strategie einer organisationalen Kontextsteuerung von Ermöglichungsbedingungen für gelungenes Lernen herangezogen (vgl. Ehses &

Zech, 2002b, S. 120 f.; in Anschluss an Wilke) als Alternativstrategie zu einer direktiven Beeinflussung des Subjekts durch klassische Lehre zur Erzeugung von Lernen.

Das Tietgenssche Postulat der Professionalisierung und der Professionalitätsansatz stützt sich beispielsweise nach außen – eingelassen im Gedanken öffentlicher Verantwortung – auf die Annahme der hohen, geschichtlich begründeten gesellschaftlichen Bedeutung der Weiterbildung für die Öffentlichkeit bzw. für die Gesellschaft und das Individuum (vgl. Tietgens, 1988b, S. 33 ff.;

Tietgens, 1962b), während er nach innen von der Annahme einer hohen Situationsabhängigkeit respektive Nichtstandardisierbarkeit von Programmplanungs- und Lehr- und Lernzusammenhängen ausgeht, welche dem Postulat der Situativen Kompetenz strukturlogisch zugrunde liegt (vgl. z. B. die Erläuterungen in Tietgens, 1988b, S. 39; exemplarisch Tietgens, 1990b, S. 313; Tietgens, 1998, S. 39, S. 44).

Leitfragen für die Analyse

Entsprechend dieser begrifflichen Rahmenüberlegungen orientiert sich die Analyse an folgenden Leitfragen:

- Welche Bedingungsannahmen – zu inneren und äußeren Umständen und Konstellationen bzw.

den verschiedenen Ebenen der Weiterbildung – liegen den Handlungsentwürfen beider Ansätze jeweils zugrunde und stützen diese?

- Welche Schlussfolgerungen werden jeweils aus den Bedingungsannahmen für das Handeln in seinen Elementen und seiner Struktur abgeleitet?

- Auf welche Bedingungsannahmen stützen sich die einzelnen Strukturmerkmale der Ansätze je-weils?

Tabelle 18 zeigt das der Untersuchung zugrunde gelegte Verständnis der Kategorie Bedingungsannahmen.

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Tabelle 18: Kategorie Bedingungsannahmen

Bedingungsannahmen Erläuterungen/

Definition

- strukturlogisch relevante Annahmen über Umstände und Gegebenheiten, von denen bestimmte Ereignisse oder Individuen mittelbar oder unmittelbar betroffen sind und die als bedeutsam für das eigene Handeln eingeschätzt werden

- transzendentallogische Voraussetzungen von Annahmenzusammenhängen

Erläuternde

Bestimmungs-merkmale

- Bedingungen als logische und ontologische Abhängigkeitsverhältnisse (vgl. Quitterer, 2011) sowie transzendentallogische Prämissen der Begründung des eigenen Handlungs-konzepts

- Bedingungen im ontologischen Sinne: Umstände, die einen Einflusses auf das eigene Handeln haben

- transzendentallogische Voraussetzungen: Prämissen, auf denen die Handlungskonzepte und -entwürfe aufbauen

Formen/

Unterarten (Beispiele)

- vom Standpunkt der Akteure aus ‚externe‘ und ‚interne‘ Bedingungen - Bedingungen auf der Makro-, Meso-, Mikro- und Personenebene, z .B.

o gesellschaftlich-institutionelle Rahmenbedingungen des Handelns o organisationstheoretische Annahmen

o lehr-lern-theoretische Zusammenhänge (z. B. Theorien zu Gesetzen bzw. Prinzipien des Lernens)

o Annahmen zu Subjekten sowie zu anthropologischen Voraussetzungen

Beispiele im Problem-zusammenhang

Im Kontext pädagogischer Professionalität: z. B.

- gesellschaftlicher und individueller Zentralwert von Weiterbildung - Bildsamkeit von Teilnehmern

- Fall- und Situationsabhängigkeit von Handlungserfordernissen, Nichtstandardisierbarkeit von Lehr-Lern-Vorgängen

Im Kontext des Qualitätsmanagements: z. B.

- Umweltwandel

- Notwendigkeit der Erzielung von Kundenzufriedenheit zur Sicherung des betrieblichen Überlebens

- situationsübergreifende Handlungserfordernisse, Standardisierbarkeit von organisationalen Abläufen

Fragestellungen

- Welche Bedingungsannahmen – zu inneren und äußeren Umständen und Konstellationen bzw. den verschiedenen Ebenen der Weiterbildung – liegen den Handlungsentwürfen beider Ansätze jeweils zugrunde und stützen diese?

- Welche Schlussfolgerungen werden jeweils aus den Bedingungsannahmen für das Handeln in seinen Elementen und seiner Struktur abgeleitet?

- Auf welche Bedingungsannahmen stützen sich die einzelnen Strukturmerkmale der Ansätze jeweils?

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